Zeitschrift für evangelisches Kirclienrecht

01.09.1998 - hebung der Kirchensteuer, Berlin 1971, S. 14. 42 Mikat, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Handbuch des Verfas- sungsrechts ...
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Sonderdruck aus:

Zeitschrift für evangelisches Kirclienrecht Herausgegeben von Axel Frhr. v. Campenhausen · Joachim E. Christoph Karl-Hermann Kastner · Christoph Link· Hans Martin Müller Dietrich Pirson · Peter von Tiling Rainer Mainusch Grundfragen des kirchlichen Gebührenrechts María J. Roca Die Zugehorigkeitserklarung zu einer Religionsgemeinschaft im deutschen Recht Volker J(noppel 30 Jahre Grundordnung der Evangelischen Kirche von l(urhessen-Waldeck Burkhard Guntau Der Ruf des Muezzin in DeutschlandAusdruck der Religionsfreiheit? Albert Stein Schweigepflicht und Rederecht in der Seelsorge .

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September 1998

Dieser Sonderdruck ist im Buchhandel nicht erhaltlich

Zeitschrift für evangelisches .Kirchenrecht 43. Band 3. Heft

Abhandlungen Dr. Rainer Mainusch, Kirchenrat in Hannover: Grundfragen des kirchlichen Ge bührenrechts

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Dr. Dr. María}. Roca, Professorin in Orensé/Spanien: Die Zugehorigkeitserklarung zu einer Religionsgemeinschaft im deutschen Recht. Projektion urid vergleichende Analyse mit dem spanischen Recht .................................. , . . . .

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Dr. Volker Knoppel, Landeskirchenrat in Kassel: 30 Jahre Grundordnung der Evangelische.n Kirche von Kurhessen-\lí7aldeck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Berichte und kleine Beitrage Burkhard Guntau, Oberkirchenrat in Hannover: Der Ruf des Muezzin in Deutschland - Ausdruck der Religionsfreiheit?

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Dr. Dr. Albert Stein, Oberkirchenrat i. R. und Professor in Brühl: Schweigepflicht und Rederecht in der Seelsorge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

387

Dr. Axel Frhr. v. Campenhausen, Prasident der Klosterkammer Hannover und Professor in Giittingen: Kirchenrechtslehrertagung 1998. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Rechtsprechung Kirchlicher Dienst, Vorbildung, Rechtsverhaltnisse, Versorgung, Dienststrafrecht

Kirchenbeamter, Wartestandsbezüge OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.9.1997 - 5 A 3031/95 (rechtskraftig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Aintspflichtvérletzung, Verbot der ,,Doppelbestrafung" Disziplinarhof der EKU - Erster Senat -, Beschluíl vom 30. 5. 1997 - Dh 1/97 - m. Anm. v. v. Wedel...............................

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Verschiedenes

Feuerbestattungsanlagen, private Tragerschaft BayVerfGH, Entscheidung vom 4. 7. 1996 - 16-VII-94 u. a. - (nur LS) Fortsetzung auf der letzten Umschlagseite

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Die Zugehorigkeitserklarung zu einer Religionsgemeinschaft im deutschen Recht Projektion und vergleichende Analyse mit dem spanischen Recht

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I Einleitung

1. Ausgangspunkt: Ahnlichkeiten und Unterschiede der Verfassungsbestimmungen bezüglich der Religionszugehorigkeitserklarung iin deutschen und spanischen System ,,Niemand darf verpflichtet werden, seine Weltanschauung, Religion oder Überzeugungen zu erklaren." So steht es im Art. 16 II der spapischen Verfassung von 1978. In dieser Verfassungsbestimmung sind keine naheren Erlauterungen zu diesem individuellen Recht zu finden. Dies darf jedoch nicht dazu verleiten zu denken, daK'es sich um einen absoluten Inhalt handelt, der keine Zweifel aufkommen laíSt. Die Versicherung, daíS die offentliche Gewalt di.e Glaubensbekenntnisse der spanischen Gesellschaft berücksichtigen wird (Art. 16 III spanischer Verfassung), und daíS niemand auf Grund seiner Weltanschauung, Religion oder Überzeugung benachteiligt werden darf (Art. 14 spanischer Verfassung), führt uns immer wieder vor Augen, daíS der Glauben des einzelnen 1 bekannt und irgendwie von juristischer Bedeutung ist, da er einerseits von der offentlichen Gewalt berücksichtigt werden muíS und andererseits nicht zu Diskriminierungen führen darf. Ahnlich wie Art. 16 II lautet auch der Art. 136 III S. 1 der WRV: ,,Niemand ist verpflichtet, seine religiose Überzeugung zu offenbaren." Dieser Bestimmung schlieíSt sich an: ,,Die Beh6rden haben nur soweit das Recht, 1 Es steht fest, dafS der Art. 16 III spanischer Verfassung einerseits festlegt, dafS die offentliche Gewalt die Glaubenszugehürigkeit der spanischen Gesellschaft berücksich1;igen wird, wahrend sich de.r Absatz 2 desselben Artikels andererseits auf die Weltanschauung, Religion oder Uberzeugung des einzelnen bezieht. Da es sich um zwei verschiedene Begünstigte handelt, ist es dem Anschein nach auch vereinbar, dafS die offentliche Gewalt die Glaubenszugehürigkeit der Gesellschaft berücksichtigt und gleichzeitig jeder einzelne das Recht hat, Stillschweigen über seinen Glauben zu wahren. Nun aber ist die Gesellschaft als solche kein Rechtssubjekt, womit die Anerkennung der Glaubenszugehürigkeiten der Gesellschaft automatisch dazu führen mufS, die entsprechenden notwendigen Verbindungen zu den respektiven Religionsgemeinschaften zu knüpfen, die sich dann ihrerseits in vielen Fallen auf den einzelnen auswirken werden. GroJSspurige Anerkennungsformeln der Religionsfreiheit in der Verfassung waren für den einzelnen nicht von Nutzen, wenn das Recht, Stillschweigen über seinen Glauben wahren zu dürfen, ein Hindernis zur Anwendung des Gesetzes der Religionsfreiheit werden würde.

Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Band 43 (1998) S. 333-354 © 1998 Mohr Siebeck - ISSN 0044-2690

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nach der Zugehorigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhangen oder eine gesetzlich angeordneté statistische Erhebung diese erfordert" (Art. 136 III S. 2 WRV). Dem Prinzip der Gleichheit wird bereits im Art. 3 GG Ausdruck verliehen. Hier wird vorgesehen, dafS niemand auf Grund seiner politischen oder religiosen Überzeugungen bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Dies wird dann sowohl im Art. 140 GG i. V. m. 136 II WRV als auch im Art. 33 III GG konkretisiert, indem festgelegt wird, da:IS der GenufS bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu offentlichen Amtern sowie die in den offentlichen Diensten erwor,benen Rechte unabhangig von dem religiosen Bekenntnis sind und nie1nandem aus seiner Zugehorigkeit oder Nichtzugehorigkeit zu· einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen darf2 • In beiden Rechtssystemen wird die Achtung der lntimsphare der Person garantiert, indem die religiose Überzeugung als personliche Angelegenheit angesehen wird, die vom Recht nicht berührt werden darf. Doch gleichzeitig verpflichtet die Notwendigkeit, dafS die zugesicherten Rechte und Freiheiten auch tatsachlich wirksam werden (Art. 9 spanischer Verfassung) die offentliche Gewalt in Spanien dazu, gelegentlich die religiose Zugehorigkeit' des einzelnen zu berücksichtigen (Art. 16 III spanischer Verfassung), und hierzu mu:IS sie ihr bekannt sein. Anders gesagt: Sobald der Staat die Religionszugehorigkeit einer Person berücksichtigt, ist ihm diese gleichzeitig bekannt. So offenbaren z. B. die Ehegatten oder zumindest einer von ihnen, da:IS sie der katholischen Kirche angehoren, wenn sie nach der kirchlichen Trauung vor die standesamtliche Behorde treten, damit ihnen die zivilen Folgen der kirchlichen Trauung anerkannt werden3 . Die Kleriker, die um die Freistellung vom Militardienst und Zivildienst bitten, die jedem Geistlichen der katholischen Kirche zusteht, erkliiren gfoichzeitig ihre Religionszugehorigkeit zur katholischen Kirche. Dagegen erklart sich jemand nicht als Katholik, wenn er 0,5 % seiner Einkommenssteuer an die katholische Kir~he zu ihrer Unterstützung zahlt, und auch jener bekennt sich nicht als Mitglied der katholischen Kirche, der sie den staatlichen sozialen Hilfs2 Der ahnliche Inhalt der Art. 3 IV und 33 GG und Art. 136 III WRV wirft die Frage nach dem Sinn seiner Eingliederung auf. D. h., wie sahe die Rechtssituation aus, wenn dieser Artikel nicht eingegliedert worden ware? Der Art. 136 WRV beantwortet al! jene Fragen genauer, für die wir in den zitierten Artikeln des GG nur eine sehr globale Antwort finden. Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, München 1983, Art. 140, Rdnr. 1; Hamel, Glaubens- und Gewissensfreiheit, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte. Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, Bd. IV/1, Berlin 1960, S. 58: ,,Es handelt sich urn eine wesentliche Spezifikation des Grundrechts, nicht nur um eine bloí5e De. klaration oder Erlauterung zu Art. 4 I"; v. Mangoldt!Klein!v. Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz. Kommentar, Bd. 14, München 199l3, Rdnr. 13 zu Art. 140 GG / Art. 136 II WRV. 3 Roca, La declaración de la propia religión o creencias en el Derecho español, Santiago de Compostela 1992, S. 207ff.

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Zugehorigkeitserklarung zu einer Religionsgemeinschaft

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werken zuweist oder der, der sich weder zu Gunsten des einen noch des anderen ausspricht. Der kirchliche Beitrag hat nicht nur einen freiwilligen Charakter, sondern er steht zudem in keiner juristischen Verbindung mit der Konfessionszugehorigkeit4 • Diese Beispiele heben deutlich hervor, dafS es Rechtsakte gibt, die eine rechtliche Zugehi:irigkeitserklarung zu einer Religionsgemeinschaft mit sich bringen, und dafS nicht jeder Rechtsakt, der in einer gewissen Verbindung mit der Ausübung der Glaubensfreiheit steht, eine Offenbarung des Glaubens darstellt, und folglich kann er auch nicht als solcher bezeichnet werden. Somit wird eine Analyse dieser Problematik gefordert. Sowohl auf Grund der genaueren Darlegung im GG, als auch auf Grund der liingeren Gültigkeit der zitierten deutschen Artikel im Vergleich mit den spanischen (soweit der notwendige Parallelismus aufgezeigt werden kann, damit solch ein Vergleich überhaupt angebracht sei), ist eine Betrachtung jener Rechtsverhiiltnisse, in denen im deutschen Rechtssystem eine Zugehorigkeitserkliirung zu einer Religionsgemeinschaft verlangt werden darf, von besonderem Interesse. Eine kritische Betrachtung der von der deutschen Rechtsprechung getragenen juristischen Grundlagen kann für eine Feststellung der Interpretationskriterien im spanischen Recht von Nutzen sein.

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2. Der Begriff der Rechtszugehorigkeit zu einer Religionsgemeinschaft Um die Frage beantworten zu konnen, was das deutsche Recht unter der Rechtszugehi:irigkeit zu einer Religionsgemeinschaft versteht, mufS als erstes darauf aufmerksam gemacht werden, dafS keine gesetzliche Definition dieses Begriffs existiert, da es auch keine Bundes- oder Landesgesetze gibt, die die Zugehi:irigkeit zu einer Religionsgemeinschaft regeln 5• Im Falle derjenigen Konfessionen, die den Status einer Ki:irperschaft des offentlichen Rechtes innehaben, fallt die Rechtszugehorigkeit - urid dies bezieht sich sowohl auf das Verhiiltnis als auch auf den Beginn der Zugehi:irigkeit - unter die eigenen Angelegenheiten der Kirchen, über die die Kirchen selbstiindig entscheiden ki:innen 6 • Roéa, ebd., S. 305 ff. s Es ist kein vollig unvorstellbarer oder unmoglicher Fall, daíS der Staat den Eintritt in eine Kirche aus rein staatlicher Sicht regelt. Dennoch diente der Versuch, unter dem Nationalsozialismus ein Gesetz zu erlassen, das den Erwerb der Rechtszugehorigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft von staatlicher Seite her regle, nicht der Wahrung der Religionsfreiheit, sondern dazu zu verhindern, daíS die Eltern ihr Recht ausüben, ihren Kindern eine religiose Erziehung zuteil werden zu lassen. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, München 19963, S.173-174. 6 Bezüglich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts in eigenen Angelegenheiten konnen folgende Nachschlagewerke dienen: Hesse, Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HdbStKirchR, Bd. I, Berlin 19942 , S. 521-559. Auf den Seiten 538-544 werden die beiden' Interpretationskriterien 4

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Der Staat verzichtet darauf, selbst zu bestimmen, wann die Zugehiirigkeit zu einer dieser Konfessionen beginnt, und übernimmt die hierzu von den betreffenden Kirchen festgelegten Bestimmungen. Für die katholische Kirche7 und die protestantischen Kirchen 8 erlangt man die Zugehorigkeit mittels der Taufe 9 • Was die Kindstaufe betrifft, so hat diese AnlaB zu vielen Diskussionen gegeben, da ohne die Willenserklarung des Betroffenen die zivilen Folgen aus der Zugehorigkeit entstehen 10 • Die Rechtsprechung hat die Kcmtroverse mit der Argumentation geliist, daB in dieser wie jeder anderen juristischen Situation, die einen Minderjahrigen betreffen, der Wille der Eltern oder der Erziehungsberechtigten niitig und ausreichend ist11 •

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(materiell und formell) zur Bestimmung des spezifischen Inhaltes der ,,eigenen Angelegenheiten" aufgeführt; jedenfalls erscheint der EinschluíS der Mitgliedschaft (oder Taufe als Ursprung der Mitgliedschaft) in die ,,eigenen Angelegenheiten" als selbstverstandlich. Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, Berlin 1972, S. 94. Punktuelle Hinweise zur Zugehürigkeit als wesentlicher Bestandteil der ,, eigenen Angelegenheiten" fin den sich bei v. Campenhausen, Die staatskirchenrechtliche Bedeutung der Kirchenmitgliedschaft, in: HdbStK