Märkte
Samstag, 1. März 2014 · Nr. 16
Shiller-KGV erlaubt zuverlässige Langfristprognosen 25 20
Basis für die Analyse bilden Zeitreihen von 1881 bis 2013 für den US-Markt und von 1979 bis 2013 für die restlichen Märkte. Um eine bessere Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden die US-Daten von 1979 bis 2013 speziell hervorgehoben. Quelle: Starcapital/Grafik: FuW, sm
15 10 5 0 –5 –10
Reale Folgerendite (p.a., inkl. Dividenden) über 15 Jahre in %
Alle Aktienmärkte Japan Deutschland USA (1979 bis 2013)
0
23
Korrelation = –0,7 R2 = 0,58
Wie es mit Aktien weitergeht Auch wenn die Börsenlokomotive USA stottern sollte, sind in den kommenden Jahren ansprechende Aktienrenditen möglich.
Shiller-KGV 5
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15
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Historische Baissen des US-Aktienmarktes im Bewertungsvergleich
35
50
45
1901– 1920 1929 – 1932 1937 – 1941 1966 – 1987 2000 – aktuell
45 40 35 Bewertungsbandbreite für Start historischer Baissen
30
40
GREGOR MAST
W
er hätte das vor fünf Jahren gedacht? Mitten in der schlimmsten Rezession der Nachkriegszeit markierte der amerikanische S&P 500 am 6. März 2009 sein Tief von 666 Punkten. Seither ist der US-Leitindex 174% gestiegen. Wurde damals mehrheitlich Trübsal geblasen, überbieten sich Experten heutzutage mit Kaufempfehlungen. Werden sie recht behalten? Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, soll der dänische Physiker Niels Bohr einmal gesagt haben. Dem dürften die meisten An-
Quelle: Crestmont Research Grafik: FuW, sm
25 20
Bewertungsbandbreite für Start historischer Haussen
15 10 5 0
0
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8 Anzahl Baisse-Jahre 12
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20
Trotz Flaute am US-Markt haussierten die Schwellenländerbörsen
MSCI Emerging Markets (indexiert) S&P 500 (indexiert)
450 400
Quelle: Bloomberg Grafik: FuW, sm
350 300 250 200 150 100 50 0
1999
Welche Renditen folgten auf vergleichbare Bewertungen? Land Australien Belgien Kanada Frankreich Deutschland Hongkong Italien Japan Niederlande Norwegen Singapur Spanien Schweiz Grossbritannien USA Emerging Markets
Shiller-KGV 1 16,2 12,2 18,6 13,8 17,3 18,2 8,8 23,9 14,5 12,3 12,9 10,3 21,6 12,6 24,6 14,6
Maximum 16,2 18,3 15,2 16,8 15,2 15,2 18,4 10,9 16,8 18,3 18,3 18,3 13,4 18,3 10,9 16,8
Mittel 6,9 9,0 5,8 8,1 6,4 6,0 11,4 3,9 7,7 8,9 8,6 10,3 4,7 8,8 3,7 7,6
0,75%-Quantil 8,3 11,9 7,6 9,7 7,6 7,6 13,9 5,8 9,7 11,9 11,9 13,3 6,2 11,9 5,8 9,7
2000
2001
0,25%-Quantil 5,2 7,1 4,3 5,9 4,3 4,3 9,3 2,2 5,9 7,1 7,1 8,4 2,1 7,1 2,2 5,9
Minimum –0,5 1,2 –2,1 –0,1 –2,1 –2,1 1,4 –2,0 –0,1 1,2 1,2 1,4 –2,0 1,2 –2,0 –0,1
1
2002
2003
Renditeschätzungen inklusive Dividenden in % p. a. auf inflationsbereinigter Basis über 15 Jahre Quelle: Starcapital
Historisches Worst-Case-Szenario
128 000
112 700
32 000 27 900
8000 1998
2001
2004
2007
2010
2013
2016
2019
2022
2025
2028
Quelle: Starcapital / Grafik: FuW, sm
Langfristiges Kurspotenzial für Schweizer Aktien
mittlerer SMI- Verlauf bis 2028 auf Basis Historie SMI Performance Index (indexiert auf 1.2014) Bandbreite, in der sich der Index mit 50% oder 80% Wahrscheinlichkeit bewegen wird
18 800
10 000 7000 5000
2500 1998
2001
2004
2007
2010
2013
2016
2007
2008
2019
Wehrlos dem Schicksal ergeben müssen sich Anleger dennoch nicht. Obwohl die Kurse über die nächsten Tage, Wochen oder Monate kaum prognostizierbar sind, steht dem Investor mit dem zyklisch adjustierten Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Shiller-KGV (vgl. Box) ein Instrument zur Verfügung, das ziemlich exakte Voraussagen erlaubt – allerdings nur über einen Zeitraum von zehn und mehr Jahren. Dabei gilt: Je niedriger die Bewertung im Investitionszeitpunkt, desto höher fallen die langfristigen Folgerenditen aus – und umgekehrt. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur am US-Aktienmarkt, sondern auch für vierzehn weitere Länder mit ausreichend langen Zeitreihen, wie eine Studie des deutschen Vermögensverwalters Starcapital belegt (vgl. Grafik 1). Damit zurück zum US-Aktienmarkt. Trotz der kräftigen Avance der vergangenen fünf Jahre notiert der S&P 500 gegenwärtig nur wenig höher als im März 2000, als die Technologieblase platzte und eine mehr als zehnjährige Seitwärtsbewegung folgte. Obwohl der Markt über diese lange Zeitspanne kaum vom Fleck kam, handelt er immer noch mit einem Shiller-KGV von
Historisches Worst-Case-Szenario
20 000
Quelle: Starcapital / Grafik: FuW, sm
2006
Bewertung als Kompass
mittlerer Mib- Verlauf bis 2028 auf Basis Historie Mib Performance Index (indexiert auf 1.2014) Bandbreite, in der sich der Index mit 50% oder 80% Wahrscheinlichkeit bewegen wird
Ausgehend von einer mit heute vergleichbaren Bewertung hat der deutsche Vermögensverwalter Starcapital errechnet, wie hoch in der Vergangenheit die durchschnittlichen inflationsbereinigten Folgerenditen (inklusive Dividenden) über ein bis fünfzehn Jahre ausgefallen sind. Die rote Linie zeigt den durchschnittlichen Verlauf bei einer unterstellten Inflationsrate von 1%, die hellgrüne Fläche fängt 50% aller Beobachtungen ein, der dunkelgrüne Bereich 80%. Dargestellt sind mit dem Worst-Case-Szenario auch die niedrigsten Renditen, die jemals auf eine vergleichbare Bewertung folgten. Basis für die Analysen bilden Zeitreihen von 1979 bis 2013. Die Ausnahme sind die USA, wo auf Daten seit 1881 zurückgegriffen werden kann.
2005
leger beipflichten. So hat in den dunklen Stunden des Jahres 2009 kaum jemand die gewaltigen Kursgewinne vorausgesagt – genauso wenig wie die Finanzkrise ein Jahr zuvor. Noch weniger ins Schwarze treffen Punktprognosen, weil die Märkte von Jahr zu Jahr stärker schwanken als die 8 bis 10%, die von Analysten üblicherweise vorausgesagt werden.
Shiller-KGV per 31.1.2014
Langfristiges Kurspotenzial für italienische Aktien
VADEMECUM
2004
2022
2025
2028
SHILLER-KGV Das nach Nobelpreisträger Robert Shiller benannte KGV setzt den heutigen Kurs ins Verhältnis zu den durchschnittlichen inflationsbereinigten Unternehmensgewinnen der vergangenen zehn Jahre. Durch die Glättung der stark schwankenden Gewinne wird das KGV über den Konjunkturzyklus hinweg besser vergleichbar.
rund 25 – einem Niveau, auf dem die grossen Baissen des vergangenen Jahrhunderts losgetreten wurden (vgl. Grafik 2). Es wäre deshalb keine Überraschung, wenn der US-Markt über die kommenden Jahre weiterhin enttäuschen würde. Ein verheerender Einbruch wie in den Dreissigerjahren mag der Börse dank der Gelddruckerei der US-Notenbank zwar erspart bleiben. Dafür dürfte sich die Normalisierung der Überbewertung aus dem Jahr 2000 weiter in die Länge ziehen – will heissen: Die Seitwärtsbewegung könnte sich noch über Jahre erstrecken. Was aber bedeutet die mutmassliche Schwäche der Börsenlokomotive USA für andere Aktienmärkte? Viele Investoren glauben, eine Baisse an der US-Börse schliesse einen Höhenflug andernorts aus. Das stimmt aber nicht zwingend, wie die Erfahrung zeigt. So haben die Aktienmärkte der Schwellenländer zwischen 1999 und 2008 eine beeindruckende Hausse aufs Parkett gelegt – trotz Kriechgang des S&P 500 (vgl. Grafik 3). Grund für das Auseinanderdriften war die krisenbedingt günstige Bewertung der Schwellenländerbörsen im Tandem mit der Überwindung der Asien- und der Russlandkrise, während sich am US-Aktienmarkt gleichzeitig die grösste Blase aller Zeiten aufbaute. Dass eine Abkopplung vom US-Markt möglich ist, bestätigt auch die Forschung von Starcapital. So sei die Korrelation zwischen Shiller-KGV und zukünftigen Renditen höher als zwischen S&P 500 und Dax, schreibt Starcapital.
Europa bietet Potenzial Wie präsentiert sich die heutige Lage? Die Kombination aus niedrigerer Bewertung und Krisenmodus lässt sich auch jetzt wieder beobachten – sowohl in den Peripherieländern der Eurozone als auch, einmal mehr, in den Emerging Markets. So handelte der italienische Aktienmarkt per Ende Januar mit einem Shiller-KGV von 8,8. Gemäss Norbert Keimling, Leiter Kapitalmarktforschung bei Starcapital, folgten auf dieses Bewertungsniveau in der Vergangenheit in der Regel jährliche reale Wertzunahmen von 9,3 bis 13,9% über fünfzehn Jahre – inklusive Dividenden. Im Mittel waren es 11,4%; nie mussten bei einer derart attraktiven Bewertung langfristige Wertverluste hingenommen werden (vgl. Tabelle 4 und Grafik 5). Das Gleiche gilt mit kleinen Abstrichen auch für die spanische Börse, wo auf Basis eines Shiller-KGV von 10,3 jährliche reale Renditen von 8,4 bis 13,3% bei einem Mittelwert von 10,3% erwartet werden können. Eher mager dürften Schweizer Aktien abschneiden, die bereits stolz bewertet sind. Trotzdem traut Starcapital dem SMI im Jahr 2028 einen Stand von 18 800 Punkten zu – allerdings inklusive reinvestierter Dividenden, die einen wichtigeren Performancebeitrag leisten dürften als die Kursgewinne (vgl. Grafik 6). Auf den ersten Blick weniger attraktiv erscheinen die Schwellenländer mit einem Shiller-KGV von 14,6 und erwarteten inflationsbereinigten Renditen von 5,9 bis 9,7%. Allerdings sind die Emerging Markets kein homogenes Gebilde. Während gewisse Märkte wie Indonesien oder Mexiko nach wie vor teuer sind, handeln Aktien aus Russland, China oder Brasilien zu attraktiven Bewertungen. Da die Turbulenzen in den Schwellenländern noch akut sind und die Bewertungen insgesamt noch nicht auf ein Krisenniveau gefallen sind, mag sich der Ausverkauf an den dortigen Börsen weiter fortsetzen. Dem langfristig orientierten Anleger bieten Zeiten der Krise allerdings die besten Einstiegschancen, zumal die noch vor wenigen Jahren allseits gepriesenen Vorzüge der Schwellenländer nach wie vor intakt sind.