Was uns nährt, was uns trägt

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Kurt Egger Stephan Pucher (Hrsg.)

Was uns nährt, was uns trägt

Edition Humanökologie Band 7

Humanökologische Orientierung zur Welternährung

Was uns nährt, was uns trägt Humanökologische Orientierung zur Welternährung Viele gute Anregungen verdanken wir unseren Ehefrauen Renate Egger und Susanne Nötscher. Ihnen sei dieses Buch im Besonderen gewidmet.

Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter www.oekom.de

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2012 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstraße 29, 80337 München Umschlaglayout: Véronique Grassinger Titelfoto: Kurt Egger, Traditionelle Bohnenmischung aus Ruanda. Druck: Digital Print Group, Nürnberg Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische und sozialverantwortliche Nutzung der Wälder unserer Erde einsetzt.

Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-319-0 e-ISBN 978-3-86581-503-3

Platzhalter FSC-Logo

Kurt Egger, Stephan Pucher (Hrsg.)

Was uns nährt, was uns trägt Humanökologische Orientierung zur Welternährung

Edition Humanökologie: Band 7 Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie Herausgegeben von Bernhard Glaeser Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

Inhalt Geleitwort der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie Bernhard Glaeser ..................................................................................9 Erinnerungen an Kurt Egger Irmfried Neumann..............................................................................11 Vorwort der Herausgeber Kurt Egger und Stephan Pucher...........................................................19 Teil I: Zur Praxis der ökologischen Ernährungssicherung ..................23 Einführung Teil I Kurt Egger und Stephan Pucher...........................................................25 35 Jahre Ecofarming in Rwanda Erfolge, Rückschläge – und nun? Horst Fehrenbach, Stephan Pucher und Kurt Egger .............................28 Agroforstwirtschaft: nachhaltige Bewirtschaftung zur Erhaltung der Waldlandschaft im westlichen Amazonasbecken Herwart Groll ....................................................................................53 Wenn Armutsbekämpfung und Umweltschutz Hand in Hand gehen – Ökostrategien in Madagaskar Katharina Madrid ...............................................................................61 Nachhaltig-ökologischer Strukturwandel – Ein Weg geht über den Gaumen Jutta Nambena ...................................................................................90 Ernährungssicherung zwischen globalen Interessen, nationaler Politik und lokalen Bedürfnissen – Erfahrungen aus Thailand Gabriele Stoll ...................................................................................112 Teil II: Humanökologische Orientierungswege ................................125 Einleitung Teil II Kurt Egger und Stephan Pucher.........................................................127 Standortgerechter Landbau zwischen Industrietreibhaus und Garten Gaia Kurt Egger ........................................................................................129 Land Grabbing weltweit René Madrid.....................................................................................143

Ziele und Strategien, Erwartungen und Ergebnisse zur Ernährungssicherung – die Rolle der nachhaltigen Landwirtschaft Peter Rottach ....................................................................................164 Kolonisierung der Natur und die Suche nach Nachhaltigkeit: humanökologisches Orientierungsvermögen und traditionell-indigenes Agrarwissen Kurt Egger ........................................................................................173 Natur? – Natur! Eine große Idee im Wandel der Epochen Dieter Pucher....................................................................................196 Schöne Welt, wo bist du? Schillers lyrisch-ästhetische Suche nach der Natur Julia Hampl......................................................................................242 Der spirituelle Weg und die Suche nach der ökologischen Nachhaltigkeit Ulrich Rehberg ..................................................................................258 Eine Metasprache für eine Metadisziplin? Kurt Egger, Volkmar Baumgärtner.....................................................283

Geleitwort der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie Bernhard Glaeser Deutsche Gesellschaft für Humanökologie, Berlin

Die Humanökologie ist eine zukunftsweisende Disziplin und themenübergreifende Forschungskultur, deren Gegenstand die Wirkungszusammenhänge und Interaktionen zwischen Gesellschaft, Mensch und Umwelt sind. Ihr Kern ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise, die physische, soziokulturelle, wirtschaftliche und politische Aspekte einbezieht. Der Begriff Humanökologie geht auf die soziologischen Arbeiten der Chicago-Schule um 1920 zurück und verbreitete sich seitdem in den Natur-, Sozial-, Planungs- und Humanwissenschaften. Universitäre Studiengänge und Lehrstühle finden sich in vielen Ländern. Die Deutsche Gesellschaft für Humanökologie (DGH) wurde 1975 gegründet. In ihren frühen Jahren war sie vorwiegend sozialmedizinisch geprägt, bis sie eine thematische Ausweitung in weitere Wissenschaftsund Politikfelder förderte. Heute ist sie ein Forum, in dem Experten aus allen Bereichen der Umweltwissenschaften zusammenkommen, um voneinander zu lernen und miteinander zu diskutieren. Ihre InternetHausseite ist zu finden unter http://www.dg-humanoekologie.de Seit 1989 pflegt die DGH auf ihren Jahrestagungen das interdisziplinäre Gespräch zu ausgewählten, für die Umwelt- und Nachhaltigkeitsthematik relevanten Schwerpunktthemen. Daraus entstand zunächst eine Reihe von Bänden im Westdeutschen Verlag: Bernhard Glaeser (Hrsg.) 1989. Humanökologie. Bernhard Glaeser und Parto Teherani-Krönner (Hrsg.) 1992. Humanökologie und Kulturökologie. Karl Aurand, Barbara P. Hazard und Felix Tretter (Hrsg.) 1993. Umweltbelastungen und Ängste. Josef Schmid (Hrsg.) 1994. Bevölkerung — Umwelt — Entwicklung. Barbara P. Hazard (Hrsg.) 1997. Humanökologische Perspektiven in der Gesundheitsforschung. Dieter Steiner (Hrsg.) 1997. Mensch und Lebensraum: Fragen zu Identität und Wissen.

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Bernhard Glaeser

Seit 2000 publiziert die Gesellschaft im Rahmen einer neuen Schriftenreihe – der Edition Humanökologie im oekom verlag. Folgende Bände sind bisher erschienen: Wolfgang Serbser (Hrsg.) 2004. Humanökologie: Ursprünge – Trends – Zukünfte. Edition Humanökologie Band 1. Wolfgang Serbser, Heide Inhetveen und Fritz Reusswig (Hrsg.) 2004. Land – Natur – Konsum. Bilder und Konzeptionen im humanökologischen Diskurs. Edition Humanökologie Band 3. Bernhard Glaeser (Hrsg.) 2005. Küste, Ökologie und Mensch. Integriertes Küstenmanagement als Instrument nachhaltiger Entwicklung. Edition Humanökologie Band 2. Bernhard Glaeser (Hrsg.) 2006. Fachübergreifende Nachhaltigkeitsforschung. Stand und Visionen am Beispiel nationaler und internationaler Forscherverbünde. Edition Humanökologie Band 4. Susanne Stoll-Kleemann und Christian Pohl (Hrsg.) 2007. Evaluation inter- und transdisziplinärer Forschung. Humanökologie und Nachhaltigkeitsforschung auf dem Prüfstand. Edition Humanökologie Band 5. Karl Bruckmeier und Wolfgang Serbser (Hrsg.) 2008. Ethik und Umweltpolitik. Humanökologische Positionen und Perspektiven. Edition Humanökologie Band 6.

Der vorliegende Band 7 greift mit Welternährung ein altes Thema aktuell neu auf und geht dabei weit über die gängige agrotechnischökonomische Behandlung hinaus. Die Beiträge beginnen mit Beispielen aus der unmittelbaren Erfahrung, der Praxis der ökologischen Ernährungssicherung in den Tropen, und spannen den Bogen zur Verknüpfung von Produktion und Konsum als Basis von Ernährungssouveränität. Als Konsequenz zeigen sie humanökologische Orientierungswege auf, welche den Zusammenhang von äußerer und innerer Natur zu verdeutlichen suchen. Kurt Egger, Professor für Botanik und langjähriger Mastermind des ökologischen oder standortgerechten Landbaus in den Tropen, ist seit Jahrzehnten theoretisch und praktisch mit den obigen Themen befasst. Hier publiziert er mit Unterstützung seiner ehemaligen Arbeitsgruppe und Kolleg(inn)en die Summe seiner Erfahrungen, Erkenntnisse und weiterführenden Überlegungen. Kurt Egger war bis zur letzten Textfassung intensiv an der Fertigstellung des Werks beteiligt, konnte seine Publikation aber nicht mehr erleben. Deutsche Gesellschaft für Humanökologie Berlin, im Januar 2012

Bernhard Glaeser Präsident

Erinnerungen an Kurt Egger Irmfried Neumann Doktorand von Kurt Egger und bis 2003 als Professor am Fachbereich Gartenbau und Landespflege der FH Wiesbaden tätig. [email protected]

Kurt Egger lernte ich im Jahr 1978 als Doktorand in seiner agrarökologischen Arbeitsgruppe kennen. Egger war damals Professor am Botanischen Institut der Universität Heidelberg und gleichzeitig Direktor der Forschungsstelle für Internationale Agrarentwicklung. Zu der Zeit hatte Kurt Egger bereits eine Karriere als Pflanzenphysiologe hinter sich und eine vielversprechende Zukuft vor sich. Er galt als ausgesprochen innovativer Kopf in der Entwicklung eleganter Verfahren zur Darstellung von Pflanzeninhaltsstoffen. Aber dann kam seiner weiteren Physiologenkarriere etwas in den Weg – etwas, das ihn noch stärker interessieren sollte. Auf einer Reise 1974 mit Bernhard Glaeser in die Usambara-Berge Tansanias, wo beide auf Einladung der Kübel-Stiftung ihre agrarökologischen bzw. sozialökonomischen Forschungen zum Ökolandbau durchführten1, machten sie Zwischenstation in Nairobi, um sich die Kikuyu-Landwirtschaft am Mt. Kenya anzuschauen; zur Inspiration sozusagen. Kurt Egger erzählte mit großer Freude von dieser Reise, die ihm die Augen geöffnet habe für die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Auf Grund seiner Kenntnisse des Ökolandbaus in Europa und seines ökosystemisch geschulten Blicks sei ihm der außerordentliche Wert der dortigen Anbautraditionen klar geworden und die Herausforderung, die deren zukunftsorientierte Weiterentwicklung bedeuten würde. In Tansania war der damalige Leiter des GTZNyabisindu-Projektes, Julius Obermaier anwesend, der Kurt Egger und Bernhard Glaeser nach Rwanda einlud. Daraus sollte ein langjähriges Engagement werden, das bis heute ein hohes Maß an Nachwirkung zeigt. 1

Die Studie wurde 1975 publiziert und enthielt neben der interdisziplinären Bestandsaufnahme entwicklungspolitische Empfehlungen: K. Egger und B. Glaeser (1975). Politische Ökologie der Usambara-Berge in Tanzania. Bensheim: Kübel-Stiftung Texte, 246 Seiten.

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Irmfried Neumann

Mir begegnete die Arbeit von Kurt Egger erstmals im Herbst 1977 in einer Pressemappe, die im BMZ zirkulierte, wo ich als frisch Diplomierter einen HiWi-Job ausübte. Zu dem Zeitpunkt waren die wesentlichen Elemente des Ecofarming faktisch alle entwickelt. Die Theorie stand, die Praxis war in Entfaltung, die Forschung in Vorbereitung. Soweit ich das beurteilen kann, liegt der wissenschaftliche und entwicklungspraktische Beitrag von Kurt Egger in der praxisreifen Entwicklung des Ökofarming-Ansatzes (oder Ecofarming, später auch standortgerechter Landbau – SGL), für den er gleichzeitig eine solide, disziplinübergreifende theoretische Basis schuf. Ecofarming kann in Theorie und Praxis als weitgehend deckungsgleich oder mindestens stark verwandt mit den agro-ökologischen Ansätzen im tropischen Amerika (Gliessman, Altieri), der Permaculture in Australien (Bill Mollison) und einigen der Varianten moderner Agroforstwirtschaft gelten. Es ist interessant, dass sich diese agrarökologischen Ansätze voneinander unabhängig Mitte der 1970er Jahre entwickelten. Nach dem Scheitern der „Grünen Revolution“ (wie es vielfach gesehen wird) kann Kurt Eggers Ansatz wohl als frühester umfassender Versuch gelten, Kleinbauernförderung auf eine neue Grundlage zu stellen. Im Ecofarming steht die Idee der Methodenanpassung an lokale Standortunterschiede im Mittelpunkt. Es wird also kein festes Methodenset definiert, sondern ein flexibles Gestaltungsinstrument zur Verfügung gestellt („Design-Tool“ würde man das wohl heute nennen), um Standortgerechtigkeit der Landwirtschaft zu erzielen. Ausgehend von den Oberzielen der Stabilität (der Ressourcennutzung) und Produktivität werden alle technischen Optionen für einen gegebenen Standort durchdekliniert, um die am spezifischen Standort potentiell wirksamsten Kombinationen herauszufinden. Auf einer nach Umweltverträglichkeit, Ressourcenherkunft oder Risiko pro Standort jeweils neu zu erstellenden Hierarchie der auszuwählenden Techniken findet sich am unteren Ende der Liste auch immer der Einsatz externer, in den Entwicklungsländern meist zu importierender Produktionsmittel wie mineralische Dünger und Pestizide. Damit ist Ecofarming im strengen Sinne kein zertifizierungsfähiger Bio-Anbau. Der verschmitzte Gesichtsausdruck, den Kurt Egger beim Erläutern dieses Theorieansatzes aufzusetzen pflegte, hängt zusammen mit den massiven Widerständen, auf die jegliches ökologisch orientierte Landbaudenken in jenen Jahren stieß. Mit seiner Methodenhierarchie konnte er dem häufig gegen ihn vorgebrachten Ideologievorwurf entgegentreten und die Argument der „input-orientierten“ Entwicklungsakteure neutralisieren, zumal der ökologische Ansatz eine bessere Verwertung von Inputs wie Mineral-

Erinnerungen an Kurt Egger

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düngern versprach. Seiner innersten Überzeugung entsprach es dagegen, dass man an den meisten Standorten ohne die externen Inputs auskommen könne, wenn man nur die oben in der Hierarchie befindlichen Methoden einer Kreislaufwirtschaft sorgfältig anwendete (Fruchtfolgen mit Brache, organische Düngung etc.). Sein Stichwort war die ‚Mobilisierung der lokalen Produktivkräfte‘, wodurch bäuerliche Betriebe in den Entwicklungsländern und deren Volkswirtschafen von ausländischen Produktionsmittelimporten weitgehend unabhängig gehalten werden sollten. Dies ist ein wichtiges entwicklungspolitisches Element der Ecofarming-Theorie. Ein weiteres, für die damalige Entwicklungspraxis fast revolutionär zu nennendes Theorieelement war die schon 1975 formulierte „Signifikanz traditioneller Anbaumethoden“ für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit lokaler Landwirtschaft. Dies war fester Bestandteil seines Ansatzes (Egger und Glaeser 1975, Kapitel 5: 61-138). Die Abschaffung der als ärmlich bewerteten kleinbäuerlichen Tradition war ja erklärtes Ziel der damaligen landwirtschaftlichen Entwicklungsprogramme. Für Kurt Egger waren die traditionellen Methoden hingegen Ausgangspunkt der Arbeit mit Bauern. Die traditionellen Verfahren sollten im Sinne des obigen Methoden-Screenings auf ihre Beiträge zu Stabilität und Produktivität untersucht werden und nötigenfalls ersetzt oder um neue Elemente ergänzt werden. Begeistert hat Kurt Egger traditionelle Landwirtschaftssysteme in Ost- und Westafrika erkundet. Dies war für ihn einer der schönsten Aspekte seiner Beratungsarbeit: Möglichst weit ab von den großen Verkehrsachsen streifte er durchs Gelände (z.B. in Kamerun, Burkina Faso oder Madagaskar), analysierte Landschaftselemente und Pflanzenwelt, vor allem verbrachte er aber Zeit mit den lokalen Bauernfamilien und ließ sich von ihnen deren gesamten lokalen Kosmos, also nicht nur die Landwirtschaft, im Detail erklären. Gern übernachtete er auch bei den Bauern, wobei er sich mit einer Bastmatte auf hartem Boden begnügen konnte. Am meisten erstaunte uns Assistenten, mit welcher Begeisterung er die Speisen zu sich nahm, die uns eher unappetitlich und hygienisch riskant erschienen. Darüber schien er aber erhaben zu sein. Eine unstillbare Neugier trieb ihn an, alles Fremde zu kennen, auszukosten. Ohnehin hatte er für uns Entwicklungsexperten bzw. unseren Lebens- und Arbeitsstil nur freundlichen Spott übrig. Bäuerliche Tradition stand im Ecofarming also hoch im Kurs, aber anders als heute. Im Lichte der etwa 6 bis 8 Jahre später sich entfaltenden Theorie und Praxis partizipativer Ansätze kann man Kurt Eggers frühe Untersuchungsmethoden als „extraktiv“ bezeichnen, da die Erkenntnisse nicht gemeinsam mit der Bevölkerung gewonnen und dann