TTIP – was auf uns zukommt - Greenpeace Magazin

Berater vertreten beinahe ausnahmslos Unternehmensinteressen. Doch die EUUnterhändler führen an ... Ein Kürzel macht Karriere. Noch vor wenigen Monaten ...
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Wieso, weshalb, warum?

TTIP – was auf uns zukommt Ein Kürzel macht Karriere. Noch vor wenigen Monaten wusste kaum jemand von TTIP (sprich: Ti­tipp), der geplanten „Transatlantischen Handels­ und Investitions­ partnerschaft“ zwischen EU und USA. Nun ist das Vorhaben zum hochkontroversen Topthema geworden. Von Hawaii bis Rumänien soll eine riesige Freihandelszone entstehen, in der Zölle und „nichttarifäre“ Handelshemmnisse fallen. Die Erwartungen der Wirtschaft sind groß, und die EU­Kommission mit dem bisherigen Handelskommissar Karel de Gucht an der Spitze rührt eifrig die Werbetrommel: Gerade Deutschland werde von TTIP profitieren, verspricht er. Doch der Plan der Unterhändler beider

Seiten, das Abkommen ohne großes Aufsehen und öffentliche Beteiligung auf den Weg zu bringen, ist nicht aufgegangen. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sowie Grüne und Linke fordern ein Ende der Verhandlungen, das Bündnis „TTIP unfairhandelbar“ sammelte 715.000 Unterschriften. Die Kritiker fürchten um Umwelt­, Verbraucher­ und

LINKTIppS

Datenschutz, um Arbeitnehmerrechte, kulturelle Vielfalt und demokratische Grundsätze.

ttip-unfairhandelbar.de campact.de/ttip ttip.at know-ttip.eu EU: bit.ly/gpm1402

Inzwischen häufen sich auch skeptische Medienberichte über die möglichen Folgen von TTIP, und immer mehr Politiker fordern, die Öffentlichkeit solle einbezogen und regelmäßig über den Stand der Verhandlungen informiert werden.

WIE TTIp DER WIRTSCHAfT NUTZEN SOLL Ziele des Abkommens sind laut EU­Kommission „Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen“. Es geht nicht nur um Zollabbau, sondern vor allem um die Angleichung technischer Regelwerke, Normen und Sicherheitsstandards – sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse. So soll zum Beispiel die Autobranche profitieren, deren Modelle nicht

WARUM DIE MACHT DER KONZERNE WÄCHST

Nach Ansicht von Kritikern könnte sich TTIP nicht nur auf Konsum­

Ein umstrittenes Prinzip des Abkommens könnte am Ende selbst Politiker

unterschiedliche Farben vorgeschrieben sind, oder Maschinen­Verkabe­

güter, sondern auf fast alle Lebensbereiche auswirken: auf die

machtlos machen: Durch Investitionsschutzklauseln sollen Konzerne

lungen, für die verschiedene Farbcodes gelten. Ein ambitioniertes

Umwelt, die Arbeitswelt, das Internet, selbst die Kultur. Denn nach

Gewinne von Staaten einklagen können, die ihnen aufgrund nationaler Gesetzgebungen entgehen. Die Urteile würden geheim tagende Schieds­

den USA erlaubt ist – wie Frackinggas oder genmanipulierte Lachse,

gerichte fällen. Beispiel Australien: Als die Regierung in Canberra strenge

die dort kurz vor der Zulassung stehen. Ökoverbände warnen, die

Tabakgesetze einführte, klagte Philip Morris so auf Schadenersatz.

Abkommen werde Europas Wirtschaft jährlich um 119 Milliarden Euro ankurbeln, so die EU – und einem deutschen Durchschnittshaushalt ein

WAS DEN VERBRAUCHERN DROHT

jährliches Zusatzeinkommen von rund 500 Euro bescheren.

Zum Symbol der Bedrohung durch TTIP ist das „Chlorhühnchen“

geworden: In den USA wird Geflügel vor der Vermarktung in

WARUM DIE VERHANDLUNGEN GEHEIM SIND

einem Chemiebad desinfiziert. Vieh wird mithilfe von Wachstums­ hormonen gemästet, genmanipulierte Lebensmittel sind weit ver­

Kritiker monieren, dass das Abkommen in Geheimverhandlungen ohne

breitet – all dies ohne Kennzeichnung. Verbraucherschützer fürch­

ausreichende demokratische Kontrolle ausgehandelt wird. Tatsächlich

ten nun, dass die USA Exportgenehmigungen für solche Produkte

finden die Verhandlungsrunden an geheimen Orten unter Ausschluss

durchsetzen könnten. Tatsächlich treffen zwei Haltungen aufeinan­

der Öffentlichkeit statt, und die von den Regierungen hinzugezogenen

der: Die US­Seite pocht auf einen „wissenschaftsbasierten“ Ansatz,

Berater vertreten beinahe ausnahmslos Unternehmensinteressen.

wonach die Gesundheitsschädlichkeit von Produkten erst einmal

Doch die EU­Unterhändler führen an, es würde ihre Verhandlungs­

bewiesen sein muss. Kritiker meinen, das mache die Verbraucher

position schwächen, wenn ihre Ziele vorher bekannt seien.

zu Versuchskaninchen – in Europa gilt eher das Vorsorgeprinzip.

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Illustration: Nicholas Blechman

WIE UMWELT, ARBEITSRECHTE UND KULTUR BETROffEN SIND

Berühmte Beispiele sind die Blinker, für die bisher auf beiden Märkten

der Logik des Freihandels müsste in Europa legal werden, was in

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mehr mehrere teure Zulassungsverfahren parallel durchlaufen müssen.

angepasst und Mindestlöhne untergraben werden – am Ende stün­

wegt, zumindest rhetorisch auf Distanz zu gehen. Man müsse nun „ein paar

den hart erkämpfte Fortschritte auf dem Spiel. Und was hat das

Dinge aufschreiben, die gar nicht passieren werden“, sagt etwa Kanzlerin

alles mit der Kultur zu tun? Es gibt Spekulationen, dass etwa die

Angela Merkel mit Blick aufs Chlorhuhn, bleibt aber eine der größten

deutsche Buchpreisbindung oder die Kulturförderung, insbesonde­

TTIP­Anhängerinnen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel fordert die EU­

re die Filmförderung, ins Visier von US­Firmen geraten könnten –

Kommission zu mehr Transparenz und Bürgernähe auf. Getagt wird aber

es drohe die totale Kommerzialisierung, sagen TTIP­Gegner.

weiter hinter verschlossenen Türen, bis 2015 soll das Abkommen stehen.

bäuerliche Landwirtschaft werde noch mehr unter Druck geraten, wenn etwa Milch hormonbehandelter Turbokühe auf den europäi­ schen Markt drängt. Gewerkschaften fürchten, Arbeitnehmer­

WIE ES JETZT WEITERGEHT

rechte könnten an die niedrigeren amerikanischen Standards

Die Welle der Kritik hat viele überrascht – und einige Politiker dazu be­

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