Vor geschlossener Tür

Klaus Witter, Hauptkommissar in Stuttgart. Barbara Schlosser, seine ... Seine Eltern waren nach Stuttgart gezogen, ... und kramte nach dem Schlüssel. Irgendwo.
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Gebhard Bock

Vor geschlossener Tür Roman

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© 2014 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Gebhard Bock Printed in Germany

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ISBN 978-3-8459-1375-9 ISBN 978-3-8459-1376-6 ISBN 978-3-8459-1377-3 ISBN 978-3-8459-1378-0 Mini-Buch ohne ISBN

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Namensliste: Ronald Eber, der schwächliche Junge Adolf Eber, der Vater, Glasermeister Lydia Eber, die Mutter Roman Grader, Adolfs Freund, Bauschreiner Marianne Kirrmaier, Edeltrauds Tochter Edeltraud Kirrmaier, Buchhändlerin Gerti Hofmeister, Alexanders Mutter Armin Hofmeister, Alexanders Vater Alexander Hofmeister, Student Frau Forcher, Leonores Mutter Leonore Forcher, Ronalds treue Dienerin Anton Hofmeister, Armins Bruder, Kunstmaler Herlinde, Antons ehemalige Geliebte Ulrich Uhrmann, Autor und Ronalds Kollege Ute Haberfeld, die einsame Wölfin Bernhard Schermann, Computerfachmann Willi Schlatter, der Kneipenwirt Christine Kustor, Bernhards Mitarbeiterin Klaus Witter, Hauptkommissar in Stuttgart Barbara Schlosser, seine Assistentin Alois Leihbauer, Hauptkommissar in München Marlene Sauter, frühere Freundin von Bernhard Siegfried Sauter, deren Vater 4

Erster Teil Der Anfang könnte das Ende sein

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Ein Du sein Du schlägst die Türe zu. Kann ich dir nicht genug sein? Muss ich sein, denken wie du? Ich will doch ich, dir ein Du sein. (Xaverius)

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Der Anfang könnte das Ende sein

Lautlos schlüpfte der Zug in die Nacht. Seine Augen hingen an dem Punkt, wo die roten Lichter noch eine Ahnung von sich hinterlassen hatten. Ein sachter Wind strich über das Schienengeflecht. Er fühlte sich verlassen. Nicht von Marianne, deren Melodie in ihm klang, und die nun im Zug nach München saß, sondern von der Welt, der er sich entzogen hatte, um in diesen zwei Tagen ganz bei ihr zu sein. Der Bahnsteig war leer geworden. Auf dem Asphalt klebte ein rosafarbener Brief. Eine blaue Taubenfeder setzte sich dazu. nannte er das Bild. Seit einem Jahr, als er anfing zu fotografieren, fand er an allen Orten Motive und gab ihnen einen Titel. 7

In der Bahnhofshalle grellte Neonlicht. Hastende Menschen verweigerten sich die Wahrnehmung, irrten aneinander und sich selbst vorbei. In der Klettpassage suchte ein Obdachloser eine Ecke für sich und seine Einsamkeit, die ihn beschämte, für eine Nacht in der Welt, die ihn nicht haben wollte. titelte er oder war es ? Das Laufband trug ihn zur Königstrasse hinauf. Ein verschlungenes Paar drückte sich in eine dunkle Passage: Eine Frau in schlaffen Hosen und giftgrünen Gummistiefeln durchstöberte Abfallkörbe, stopfte was brauchbar schien in eine Plastiktüte. , titelte er, war aber nicht sicher. Es lag auch in den hurtigen Bewegungen. Er hörte seine Schritte auf dem Beton. Sich wahrzunehmen schien heilsam, nachdem Marianne abgereist war. Im Wechsel der Laternen schärfte sich und zerfloss sein Schatten auf den Asphalt: , das alltäglichste und faszinierendste des Lebens. Lässt sich das photographisch erfassen? Er spürte Melancholie und müsste doch glücklich sein. „Stimmungen sind Gefühle, die man sich nicht bewusst macht“, hatte sein Vater einmal erklärt, aber diese anmutende Stimmung wollte er nicht durch Bewusstmachung zerstören. Im kleinen italienischen Restaurant hatten sie vor einer Stunde noch gegessen und einen Rotwein getrunken, nun wurden dort gerade die Lichter gelöscht. Waldwürze kam von den Bergen. Sie erinnerte an das Tal im Schwarzwald, wo er Kind gewesen war. Die Geborgenheit in jener Landschaft berührte und stärkte ihn noch heute. Seine Eltern waren nach Stuttgart gezogen, als er vierzehn Jahre alt war. Nach dem Tod der Mutter ging der Vater wieder zu seiner jüngeren Schwester auf den abgelegenen Bauernhof, der seit Generationen im Besitz der Familie war, zurück. 9

Marianne wird dem Vater gefallen. Der hatte schon immer ein Gespür für Menschen gehabt. Ronald schloss die Augen, um von ihrer Haut zu träumen. Ob ihr Duft noch in seiner Wohnung geblieben war? Bei der Leonhardkirche unterquerte er die Hauptstätter Straße. Er hatte Lust auf ein Bier bei Willi. Am Abend zuvor waren sie noch gemeinsam in Willis Kneipe im Bohnenviertel gewesen. Zuhause wartete eine leer gewordene Wohnung auf ihn. Willi Schlatter, ein rundlicher Gemütsmensch, Mitte fünfzig, mit lebendigen Augen und einer Himmelfahrtsnase, war Jahrzehnte mit dem Fernlaster durch Europa gekreuzt, bis ihm die Frau davon lief. Um sie aufzuhalten, hatte er vor fünf Jahren die Fernfahrerei aufgegeben und die Kneipe aufgemacht. Zu spät! Sie hatte sich mit einem grätigen Angestellten der Stuttgarter Verkehrsbetriebe und 10

krisenfester Altersversorgung zusammengetan. Damals hatte Bernhard gerade seinen Computerladen aufgemacht. Im Ärger über den machtlüsternen Finanzbeamten, der die Gewerbetreibenden S bis T bearbeitete und dabei wonniglich in Steuergesetzen badete, waren sie sich nähergekommen. Ein junges Paar hatte sich in der hinteren Ecke vergraben. Am Stammtisch klopften drei Männer Skat mit Sprüchen. An der Theke hing eine zerzauste Frau mit fahler Haut und roten Haaren. Sie erklärte dem Wirt mit ungehorsamer Zunge, dass sie eine Flasche Schnaps mit nach Hause nehmen wolle. Willi stellte sich begriffsstutzig und schob Bernhard das Bier auf den Tresen. „Eine ungewöhnliche Frau, die Marianne“, sagte er munter und zapfte sich auch ein Helles. „Die würde ich an deiner Stelle schnell heiraten, bei solchen Frauen ist die Konkurrenz groß.“ „Ihr Mann will sich nicht scheiden lassen.“

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„Kann ich verstehen, so eine Frau lässt man nicht gerne ziehen.“ „Dabei läuft schon lange nichts mehr zwischen ihnen.“ „Will er, dass sie zurückkommt?“ „Er scheint einem Besitzerkult zu frönen.“ „Vielleicht hat er Angst, alleine zu sein.“ „Er hat eine andere, ist nicht allein.“ „Zeig ihr, dass du für sie da sein willst! Die meisten Frauen mögen es, wenn um sie gekämpft wird.“ Um Marianne kämpfen zu müssen, wollte sich Bernhard nicht zu eigen machen. Sie war nicht die Frau, die es genoss, wenn um sie gekämpft wurde. Die Alkoholkranke drängte sich dazwischen, um ihren Wunsch nach Schnaps zu bekräftigen. Dann wollte sie mit Bernhard ewige Freundschaft schließen und über die Schlechtigkeit der Welt philosophieren. Willi führte sie vor die Tür. Dort diskutierte sie noch eine

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Weile mit ihm. Als er mit der Polizei drohte, trottete sie davon. „So geht das nun schon seit einem Jahr“, erzählte Willi, „am Sonntagabend kommt sie betrunken herein und will eine Flasche Schnaps haben. Einmal wurde sie von Polizisten draußen auf dem Gehweg aufgelesen. Die kannten sie schon und haben sie nachhause gebracht.“ „Hat sie keine Angehörigen?“ „Ihre Tochter ist vor einigen Wochen abgehauen. Sie war gerade fünfzehn Jahre alt geworden.“ „Gibt es keinen Vater?“ „Er ist vor zwei Jahren an einem Herzinfarkt gestorben, aber getrunken hat sie wohl schon vorher. Wenn sie nicht alkoholisiert ist, kann sie vernünftig und interessant sein. Ein paarmal habe ich mit ihr geredet. Ich wollte ihr helfen, aber sie will ihre Alkoholkrankheit nicht zugeben. Sie habe alles im Griff, behauptete sie, und ich kam mir recht hilflos vor.“ Die Wohnstraße lag in der reduzierten Nachtbeleuchtung. Sein Auto stand vor dem 13

Garagentor. Am Nachmittag waren sie damit in den Schönbuch gefahren, um von einem Waldparkplatz zum Kloster Bebenhausen zu wandern. Er wollte den Audi noch in die Garage stellen und kramte nach dem Schlüssel. Irgendwo klappte eine Fahrzeugtür. Ein Anlasser kirrte. Er stand im Dunkel des Garagendaches, als ein heller Sportwagen ohne Licht stadteinwärts vorbeischoss. „Ein Irrer“, murmelte er. Den Autoschlüssel konnte er nicht finden. Deshalb ließ er den Wagen stehen und ging ins Haus. Marianne wird bald zuhause ankommen. Sie hatte versprochen, gleich anzurufen. Auf den Text eines Buches konnte er sich nicht einlassen. Der Lustträumer wartete auf Mariannes Anruf. Die geflügelte Phantasie fand keine Grenzen. Er war verliebt, und es war die Liebe, an die er nicht mehr geglaubt hatte. Das Telefon schreckte ihn auf. „Hallo! Marianne?“ Es knackte in der Leitung. Anrufer, die 14

auflegten, ohne sich zu melden, waren in der letzten Zeit immer wieder vorgekommen. Es ärgerte ihn. Die Umgangsformen verluderten immer mehr. Heute schien ihm der falsche Anruf besonders unpassend. Wenig später klingelte es wieder. Nein, sie hatte nicht schon einmal angerufen. Sie sei ein Stück durch die Nacht gegangen erzählte Marianne. Ihr Makler habe die Nachricht hinterlassen, dass er eine passende Wohnung gefunden habe. „In einer eigenen Wohnung werde ich richtig für dich da sein können.“ Die Sinnlichkeit in ihrer Stimme raubte ihm schier den Verstand. Das Haus sei ihr fremd vorgekommen. Etwas schien verändert. Sie konnte es an keinem Detail beschreiben. Einen Augenblick lang habe sie geglaubt, Ronald sei zurückgekommen. „Vielleicht habe ich mich in den Tagen mit dir, so weit von diesem Haus entfernt, dass es mir nun fremd erscheint.“

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