Vom rechten Maß

Umschlaggestaltung, Layout und Satz: Lone Nielsen. Lektorat: Helena Obermayr .... Aus: Schmidbauer, Wolfgang (2012):. Das Floß der Medusa – Was wir zum.
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Die Welt steht vor enormen ökologischen und sozialen Herausforderungen. Um sie zu bewältigen, braucht es den Mut, ausgetretene Denkpfade zu verlassen, unliebsame Wahrheiten auszusprechen und unorthodoxe Lösungen zu skizzieren. Genau das tut die politische ökologie mit einer Mischung aus Leidenschaft, Sachverstand und Hartnäckigkeit. Die vielfältigen Zugänge eröffnen immer wieder neue Räume für das Nachdenken über eine Gesellschaft, die Zukunft hat.

16,95 € (D), 17,50 € (A) www.oekom.de

Vom rechten Maß Suffizienz als Schlüssel zu mehr Lebensglück und Umweltschutz

Dezember 2013_31. Jahrgang_ISSN 0933-5722_B 8400 F

politische ökologie 134 Die Reihe für Querdenker und Vordenkerinnen

Suffizienz als Schlüssel zu mehr Lebensglück und Umweltschutz

politische ökologie

Vom rechten Maß

Immer mehr Menschen befreien sich vom materiellen Ballast und ignorieren das Steigerungsdogma: In Reparaturcafés, Genossenschaften, Verleihläden und Tauschbörsen leben sie vor, warum ein genügsames und an den wahren Bedürfnissen orientiertes Leben glücklicher macht und die natürlichen Ressourcen schont. Noch ist die Kultur des „Weniger ist mehr“ aber nicht im gesellschaftlichen Mainstream angekommen, Appelle ans Maßhalten gelten als geschäftsschädigend und sind unpopulär beim Wahlvolk. Deshalb setzt die Politik lieber auf umweltfreundliche Technologien und Energieeffizienz statt auf Suffizienz. – Die Neudefinition der Komfortzone weist den Weg in eine Gesellschaft, die aus Mäßigung Genuss schöpft und das Wachstumsparadigma gegen die Bewahrung der Natur eintauscht.

politische ökologie

Herausgegeben von oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO 2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter: www.oekom.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2013 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstraße 29, 80337 München Umschlaggestaltung, Layout und Satz: Lone Nielsen Lektorat: Helena Obermayr, Anke Oxenfart h Druck: Kessler Druck + Medien, Bobingen Gedruckt auf Circle matt White 100% Recycling von Arjo Wiggins/Igepagroup Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany ISBN: 978-3-86581-426-5 e-ISBN: 978-3-86581-575-0

oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation (Hrsg.)

Vom rechten Maß Suffizienz als Schlüssel zu mehr Lebensglück und Umweltschutz

politische ökologie

Die Reihe für Querdenker und Vordenkerinnen

Die Welt steht vor enormen ökologischen und sozialen Herausforderungen. Um sie zu bewältigen, braucht es den Mut, ausgetretene Denkpfade zu verlassen, unliebsame Wahrheiten auszusprechen und unorthodoxe Lösungen zu skizzieren. Genau das tut die politische ökologie mit einer Mischung aus Leidenschaft, Sachverstand und Hartnäckigkeit. Die politische ökologie schwimmt gegen den geistigen Strom und spürt Themen auf, die oft erst morgen die gesellschaftliche Debatte beherrschen. Die vielfältigen Zugänge eröffnen immer wieder neue Räume für das Nachdenken über eine Gesellschaft, die Zukunft hat. Herausgegeben wird die politische ökologie vom oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation.

Editorial

M

anche Revolutionen beginnen mit einem Schuss oder einem lauten Schrei. Andere fangen eher leise an und oft ohne dass sich die Beteiligten dessen bewusst sind. Darüber, ob ein Lebensstil des Weniger oft viel mehr ist, wird seit den 1970er-Jahren lebhaft diskutiert. Auch an gut begründeten Ratgebern für eine vom permanenten Konsum befreite Lebensweise oder an selbstironischen Erfahrungsberichten herrscht kein Mangel. Umgesetzt in die Praxis haben diese Idee bislang allerdings nur wenige Zeitgenoss(inn)en – und das auch eher in gesellschaftlichen Nischen. Seit einiger Zeit jedoch tut sich etwas: Reparaturcafés, Verleihläden und Tauschbörsen sprießen überall aus dem Boden, gemeinschaftliche Wohnprojekte stehen hoch im Kurs und das Teilen von Autos oder Bohrmaschinen liegt voll im Trend. Trotz dieser positiven Ansätze ist die Kultur des „Weniger ist mehr“ aber noch längst nicht im gesellschaftlichen Mainstream angekommen. Dafür birgt die Debatte um das rechte Maß wohl zu viel Sprengkraft, denn sie stellt das Wachstumsparadigma, auf dem unser Wirtschafts- und unsere Sozialsysteme basieren, grundsätzlich in Frage. Kein Wunder, dass sich Politiker(innen) mit dem Thema Suffizienz mehr als schwer tun. Appelle ans Maßhalten gelten als geschäftsschädigend und sind unpopulär beim Wahlvolk. Stattdessen setzt die Politik lieber auf umweltfreundliche Technologien sowie bessere Material- und Energieeffizienz. Das ist nicht falsch, aber eben auch nicht genug. Um anstehende ökologische und soziale Herausforderungen wie den fortschreitenden Klimawandel, den drohenden Ressourcenmangel und den Verlust der Biodiversität in den Griff zu bekommen, müssen wir gezielt den Weg der Mäßigung gehen. Dafür braucht es mutige politische Rahmensetzungen, die es den Menschen erleichtern, auf kleinem ökologischen Fuß zu leben. Die politische ökologie schaut sich um bei denen, die schon mal angefangen haben mit dem Maßhalten. Die Autor(inn)en erkunden, welche Spuren die aufblühende Sharing Economy bei den Einzelnen und in der Realwirtschaft hinterlässt. Sie scheuen sich auch nicht, die Gretchenfrage zu stellen: Wer trägt eigentlich die Verantwortung für eine ressourcenleichte Gesellschaft? Dabei wird deutlich, dass auch leise Revolutionen umwälzend wirken können. Anke Oxenfarth [email protected]

politische ökologie 135 *Suffizienz

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Inhalt

Inhaltsverzeichnis Genusshappen Einstiege

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Lob der Reduktion Maßvolle Lebensstile Von Niko Paech

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Mehr als nur weniger

politische ökologie 135 *Suffizienz

Ohne sie reicht es nicht Zur Notwendigkeit von Suffizienz Von Manfred Linz

24

Keine sinnvolle Idee Suffizienz aus Sicht einer modernen Ethik Von Christoph Lütge

33

Wie groß muss mein Scherflein sein? Individuelle Verantwortung für Nachhaltigkeit Von Christian Baatz

39

Eine heikle Mission Suffizienzpolitik Von Laura Spengler

45

Der Kampf gegen Tretmühlen Glück und Suffizienz Von Mathias Binswanger

51

9

Inhalt

Aus dem Gleichgewicht 58

Neue Rezepte ausprobieren Nachhaltige Ernährung Von Lieske Voget-Kleschin

64

Tschüss, 5.500-Watt-Gesellschaft! Potenziale im Energiebereich Von Lars-Arvid Brischke

71

Noch längst nicht in Sicht Suffizienz im Verkehr Von Andrej Cacilo

78

Richtfest für die Suffizienz Bauen und Wohnen Von Arne Steffen

Neudefinition der Komfortzone 86

Steter Tropfen Wider die Barrieren der Suffizienz Von Oliver Stengel

92

Das Geschäftsmodell des Weniger Maß haltendes Wirtschaften in Betrieben Von André Reichel

99

Im Zeitalter des Homo collaborans Sharing Economy Von Harald Heinrichs

107

Knifflig bleibt es Das Verteilungsproblem der Suffizienzgewinne Von Konrad Ott

115

Jenseits der Steigerungslogik Politische Weichenstellungen Von Uwe Schneidewind und Angelika Zahrnt

10

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Inhalt

Impulse Projekte und Konzepte 122 Medien 128

Spektrum Nachhaltigkeit Unnötige Gefahr aus der Tiefe 132 Förderung mariner Methanhydrate Von Rüdiger Haum Wie viel Kritik darf’s denn sein? 136 Die Kategorie Geschlecht in der Nachhaltigkeitsforschung Von Daniela Gottschlich und Christine Katz Weitgehend wirkungslos 140 Umweltprüfungen beim Gas-Fracking Von Wilfried Kühling

Rubriken Editorial

7

Impressum 144 Vorschau 145

Für die finanzielle Unterstützung danken wir:

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Genusshappen

„Auf alles Überflüssige zu verzichten ist ein erster Schritt zu Ausgeglichenheit“ Giorgio Armani (geb. 1934), italienischer Modedesigner

Der Dreizack der Nachhaltigkeit Effizienz (von lateinisch efficientia: Wirksamkeit, Tätigkeit) beschreibt das Verhältnis zwischen dem erreichten Ergebnis und den eingesetzten Ressourcen. In der Umweltökonomik gilt Effizienz als Entscheidungskriterium, das von mehreren ökologisch gleich wirksamen Maßnahmen diejenige auswählt, die mit den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten verbunden ist. Mithilfe des Effizienzprinzips werden Maßnahmen entwickelt, die den Ressourcen- und Energieeinsatz pro Outputeinheit senken. Konsistenz (von lateinisch con: zusammen und sistere: stellen) bedeutet Beschaffenheit, Zusammenhalt, Geschlossenheit, Stimmigkeit. Die ökologische Konsistenz, auch als Ökoeffektivität bezeichnet, will ökonomische Prozesse als ein System vollkommen geschlossener Stoffkreisläufe organisieren, frei von Abfällen, Emissionen und anderen Umweltschädigungen. Das Ziel dabei ist es, industrielle Produktionsweisen so zu verändern, dass sie auch in großen Volumina nachhaltig sind. Suffizienz (von lateinisch sufficere: ausreichen) steht in der Ökologie für das Bemühen um einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch. In der Nachhaltigkeitsdiskussion wird Suffizienz als notwendige Ergänzung zu Ökoeffizienz und Konsistenz gesehen. Verwendung findet der Begriff bei der Frage nach dem rechten Maß an Selbstbegrenzung, Konsumverzicht oder gar Askese, aber auch nach Entschleunigung und Abwerfen von Ballast. _ Quellen: http://wirtschaftslexikon.gabler.de, www.wikipedia.org

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Genusshappen

Das imaginäre Mußekonto „Wer statt in Ruhe zu essen eine Pizza hinunterschlingt, kann in der so gesparten Zeit noch in den Videoverleih gehen. Viele Leistungsfixierte sparen für ein imaginäres Mußekonto, das nie eingelöst wird. Die Konsumgüterindustrie stabilisiert solche Lebenspläne. Je stärker sich die Spielräume der Individuen einengen, desto beliebter werden Offroadfahrzeuge. Der Jeep mit Ledersitzen und Klimaanlage wird kaum je im Gelände fahren, aber festigt den Traum von der Dschungelsafari im Ampelstau.“ Aus: Schmidbauer, Wolfgang (2012): Das Floß der Medusa – Was wir zum Überleben brauchen. Hamburg, S. 59

Ablenkungsmanöver „Viele von uns arbeiten so hart, dass wir nicht genug Zeit für die Menschen haben, die wir lieben, deshalb fühlen wir uns einsam. [...] Diejenigen von uns, die das Glück haben, für diese Opfer wenigstens bezahlt zu werden, amüsieren sich mit teurem Spielzeug und Abenteuern – dicken Autos, Yachten, Plasmafernsehern und Reisen rund um die Welt. Diese Trostpreise lenken uns zwar vorübergehend von unserer Unzufriedenheit ab, aber sie bringen sie nicht zum Verschwinden.“ Aus: Beavan, Colin (2010): Barfuß in Manhattan. Berlin, S. 17

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Genusshappen

Der ökologische Reichtum der Nationen

Debitorenländer Fußabdruck ist größer als die landeseigene Biokapazität 150 % 100 –150 % 50 –100 % 0–50 % Kreditorenländer Fußabdruck ist kleiner als die landeseigene Biokapazität 0–50 % 50 –100 % 100 –150 % 150 %

Der ökologische Fußabdruck misst, wie hoch der Anteil an der biologischen Kapazität ist, die der Lebensstandard einer Person, einer Stadt oder auch einer Tätigkeit erfordert. Mit Biokapazität ist die Fähigkeit eines Ökosystems gemeint, nützliche biologische Materialien zu produzieren und durch den Menschen erzeugte Abfallstoffe zu absorbieren. Länder, deren ökologischer Fußabdruck ihre eigene biologische Kapazität übersteigt, weisen ein Defizit an natürlichen Ressourcen auf (Debitorenländer). Demgegenüber ist der Fußabdruck von Ländern mit ökologischen Reserven (Kreditorenländer) kleiner als die Fläche, die zur Produktion von Nahrung oder zum Binden des durch menschliche Aktivitäten freigesetzten Kohlendioxids benötigt werden.

_ Quelle: Global Footprint Network, 2012 Annual Report, www.footprintnetwork.org

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