Venedigs dichtende Kurtisane - Veronica Franko - 2

... abzugeben. Dir kann ich es ja verraten, ein neues Ge- schwisterchen ist unterwegs. Der Vater weiß noch nichts von seinem Glück. Meine Blutung ...
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Barbara Ludwig

Venedigs dichtende Kurtisane

Veronica Franco Band 2

Liebesleid Historischer Roman

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© 2014 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild nach einem Gemälde von Domenico Tintoretto “Lady Baring her Breast”, Prado Madrid. Printed in Germany Taschenbuch: ISBN 978-3-8459-1259-2 Großdruck: ISBN 978-3-8459-1260-8 eBook epub: ISBN 978-3-8459-1261-5 eBook PDF: ISBN 978-3-8459-1262-2 Sonderdruck Mini-Buch ohne ISBN AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Die meisten Figuren der Handlung, insbesondere Veronica Franco, haben im 16. Jahrhundert tatsächlich gelebt. Alle weiteren Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Veronica Franco, 1546 – 1591, Poetin und Kurtisane Or mi si para il mio letto devante, ov’ in grembo t’accoisi, e ch’ancor l’orme serba dei corpi in sen l’un l’altro stante. Per me in lui so gode e non si domre, ma ‘lagrimar de la notte e del giorno vien che in fiume me trans forme. Ich sehe mein Bett vor mir, auf dem ich dich mit meinem Leib empfing. Es trägt noch die Spuren unserer Brust an Brust liegenden Körper. Ohne dich macht es mir keine Freude dort zu schlafen; Tag und Nacht weine ich und verwandle mich in einen Strom aus Tränen. Sonett XIII

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Gestatten, mein Name ist Veronica Franco. Ich habe tatsächlich gelebt und entspringe nicht der Fantasie der Autorin. Die Zeit der Renaissance hat in meiner wundervollen Heimatstadt Kultur und Kunst aufblühen lassen. Unser Handelsnetz umspannt die ganze Welt und Venedig ist eine bedeutende Stadt. Aber die Vormachtstellung der Seerepublik wird bedroht. Durch die Entdeckung des Seeweges nach Indien änderten sich die Handelsrouten, Spanien versucht, uns den Rang abzulaufen und im Schiffsbau ist England unser Konkurrent. Zwar haben unsere Schiffsbaumeister die Fertigteilmethode zur Perfektion entwickelt und sind in der Lage eine Galeere in einem Tag zu fertigen. Aber die Briten haben begonnen, Segelschiffe zu bauen, die eine größere Reichweite besitzen und drohen uns zu überflügeln. Im östlichen Mittelmeer haben die Osmanen ein Auge auf unsere Inseln Zypern, 5

Korfu und Kreta geworfen, von denen wir Zucker, Weizen und Gewürze erhalten. Venedig besitzt jedoch eine weitere Sehenswürdigkeit, für die es über seine Grenzen berühmt ist. Männliche Reisende können aus einem Katalog, indem alle schönen, käuflichen Frauen verzeichnet sind, eine Auswahl treffen. Der vielgerühmte Katalog enthält die Namen, die Preise und die Qualitäten der Kurtisanen und Prostituierten und er existiert bereits seit dem Jahr 1535. Die Cortigiane spielen für die italienische Kunst und Literatur eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sie bilden eine Inspirationsquelle für alle bedeutenden Künstler. Oft werden sie als Modelle gebucht. Es amüsiert mich, dass die heiligen Frauen auf den Gemälden zum Beispiel eines Meisters wie Tizian oder Tintoretto im wirklichen Leben oft keinen Heiligenschein tragen. Ich bin seit fünf Jahren im Katalog als „cortigiana onesta“ verzeichnet. Als „Ehrbare Kurtisane“ unterschiede ich mich zwar von den gewöhnlichen käuflichen Damen nicht unbe6

dingt durch meine Keuschheit, aber sehr wohl durch meinen Lebensstil. Ich bin kultiviert und weiß mich zu benehmen. Ich kann stolz von mir behaupten, dass ich über Bildung und Verstand verfüge. Ich spiele die Laute, spreche mehrere Sprachen und weiß mich in der guten Gesellschaft zu bewegen. Wir schreiben das Jahr 1569 und ich zähle inzwischen 25 Lenze. Die Entscheidung für diesen Lebensweg traf ich keineswegs freiwillig. Die Nachricht, Giacomo da Baballi, die große Liebe meines Lebens, sei in Malta gefallen, zwang mich, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Schließlich musste ich meinen Sohn durchbringen. Meine Mutter, in früheren Jahren eine Kurtisane von Rang, reagierte nicht begeistert auf meinen Entschluss. Aber sie half mir. Inzwischen darf ich viele einflussreiche Patrizier zu meinen Galanen zählen und es ist mir gelungen, mir darüber hinaus einen Ruf als Poetin zu schaffen. Im letzten Jahr lud mich der Herzog von Mantua

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ein, neben anderen Künstlern, Gast an seinem Hof zu sein.

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Venedig – Elena und ihr Liebesleben

1569 Regenvorhänge hüllten seit Wochen die Häuser Venedigs in tristes Grau. Schmutzig trübes Wasser füllte die Kanäle und überflutete die Calle, die Campi und die Fondamente. Die Bäume im Garten von Domenicos Palazzo in Cannaregio ähnelten traurigen Krähen mit hängenden Flügeln. Veronica und Elena zogen sich in die bequemen Fauteuils der Bibliothek zurück. Knisternde Flammen im Kamin wärmten und vertrieben die ungemütliche Feuchte. „Wie ich dich beneide“, seufzte Veronicas Freundin Elena Venier, als sie nach dem Glas mit dem heißen Würzwein griff. Veronica lachte und wies auf den Lärm, der aus dem Nebenraum herüberschallte. Fröhliche Kin9

derstimmen mischten sich mit den genervten Stimmen der Kindermädchen. Mit ihren: „Haltet ein“, „Nicht so wild“, „Streitet nicht“, versuchten sie, sich im Kinderchaos Achtung zu verschaffen. Lauras helles Stimmchen verband sich mit Giacomettos Jungenlachen. Beides wurde unterbrochen von den noch etwas ungereimten Äußerungen von Elenas Jüngstem, der von den beiden fünfjährigen Rangen offensichtlich nicht ernst genommen wurde. Dazwischen mischte sich das Geplärre von Achiletto. Die Mütter schauten sich augenzwinkernd an. „Schön, dass uns Domenico sein leer stehendes Haus für unsere konspirativen Treffen zur Verfügung stellt. Ich bin so froh, Elena. Giacometto ist glücklich, wenn er mit anderen Kindern spielen kann, er langweilt sich rasch. Bald wird Achiletto groß genug sein, um für Giacometto einen Spielkameraden abzugeben. Dir kann ich es ja verraten, ein neues Geschwisterchen ist unterwegs. Der Vater weiß noch nichts von seinem Glück. Meine Blutung 10

ist erst einmal ausgeblieben. Aber ich bin mir sicher und wünsche mir sehnsüchtig eine süße Prinzessin, die deiner Laura gleicht.“ „Der kleine Achiletto ist ein hübsches Kerlchen. Ludovico Ramberti ist sicher ungeheuer stolz. Es freut mich für dich, dass er sich mit dir weitere Kinder wünscht.“ Elena hüstelte und wand sich verlegen. „Eigentlich nahm ich an, Kurtisanen vermeiden es, Kinder zu bekommen, entschuldige. Finden denn deine Verehrer eine schwangere Frau nicht abstoßend? Ich erachte mich mit einem dicken Bauch als nicht sonderlich attraktiv.“ „Wie altmodisch du denkst, meine Mutter ist ähnlicher Meinung. Ihr irrt euch. Die Männer lieben Frauen, die ein Kind tragen. Sie sind besonders erotisch. Solche Frauen gelten als Sinnbild für die Weiblichkeit schlechthin. Die Mannsbilder, nun, die jüngeren Männer klammere ich aus, die gehören ja nicht unbedingt zu meinen Verehrern, genießen die schwellenden Brüste, den Geruch der Frucht11

barkeit. Die Frau ist in dieser Zeit eine Madonna. Und mein Verlangen? Wie soll ich sagen? Es ist, als würde mein Verlangen durch das Kind in meinem Leib angefeuert. Nur die letzten zwei Monate, da ziehe ich mich zurück, natürlich nicht vom Vater des Kindes.“ „Oh! Während meiner Schwangerschaften stand mir nicht der Sinn nach Beischlaf. Sag, wenn du von Ramberti ein weiteres Kind bekommst, willst du ihn gar heiraten? Sei nur nicht so dumm, dann wirst du wieder eingesperrt.“ „Eine Heirat kommt nicht in Frage. Meine Ehe mit Paolo existiert zwar nur noch auf dem Papier. Aber selbst sollte sie annulliert werden, könnte es sich Ludovico, als angesehener Apotheker und Ratsmitglied, nicht leisten, eine Kurtisane zu ehelichen. Allerdings zeigt er sich überaus großzügig. Er vermachte mir Ländereien, um seinen Sohn Achiletto abzusichern. Ein wenig fürchte ich mich, ihm die Schwangerschaft zu beichten. Denn der Vater meines ungeborenen Kindes ist nicht er, son12

dern Andrea Tron. Das ist absolut sicher. Nach dem Zusammensein mit ihm habe ich auf Vorsichtsmaßnahmen verzichtet.“ „Veronica! Andrea ist Beatrice da Lezze versprochen. Die Hochzeit wird in diesem Jahr stattfinden. Das ist bereits vor sehr langer Zeit zwischen den Familien ausgehandelt worden.“ „Ich weiß, ich weiß! Ich wollte meine Gunst unter meinen glühendsten und treuesten Verehrern gleich verteilen, zwischen Andrea und Ludovico. Kinder sind ein Geschenk des Himmels. Wäre mir Giacometto von meiner Liebe mit Giacomo nicht geblieben, ich wäre verzweifelt. Aber ich jammere hier herum, während die noblen Männer Schlange stehen, um eine Stunde, einen Abend oder gar die Nacht mit mir zu verbringen. Glaube mir, als Kurtisane sein Auskommen zu sichern, ist eine anstrengende Angelegenheit. Stundenlanges Ankleiden für ein Mahl zu später Stunde, einen Theaterbesuch oder einen Besuch bei einem privaten Gönner mit Lautenspiel, viel13

leicht sogar mit verbotenem Glücksspiel. Anschließend ein Tanz der Venus. Die Nächte sind ausgefüllt und die Tage kurz.“ „Veronica, bitte verrate mir dein Geheimnis. Mein Gatte hat sicher ebenfalls bei dir angefragt, während er mich kaum mehr besucht. Ich kann ihn ja verstehen. Was soll er mit mir anfangen, außer ein weiteres Kind zu zeugen und dies auf höchst langweilige Weise, fast im Beisein meiner Schwiegermutter.“ „Na, so schlimm wird es wohl nicht sein.“ „Doch, doch, sie mischt sich überall ein. Sogar meine Nachtgewänder sucht sie aus und ich bin hilflos. Soll ich mich meinem Gatten nackt präsentieren?“ Veronica musste lachen. „Ja, warum nicht.“ „Mach dich ruhig lustig über mich. Mir spukt eine Idee im Kopf herum. Höre mich einfach an. Die Angelegenheit ist mir überaus wichtig.“ Veronica ergriff die Hand der Freundin und drückte sie. Das besserwisserische Lächeln, das sich in ihre Mundwinkel einschleichen 14

wollte, unterdrückte sie, als sie merkte, dass es der sonst nie um Worte verlegenen Elena schwerfiel, ihre Wünsche zu artikulieren. „Komm schon, raus mit der Sprache“, ermunterte sie Elena. „Der Karneval steht vor der Tür. Ich bitte dich, mich zu einem der Maskenbälle mitzunehmen.“ Die Bitte verblüffte Veronica. Nach der verquälten Ankündigung hätte sie anderes erwartet. „Ich verstehe nicht, Elena. Du kannst mit deinem Gatten jederzeit einen der großen Bälle besuchen.“ Jedes Jahr veranstaltete der Rat der Stadt einen sogenannten Schwarz-WeißBall, für die noblen Familien nachgerade Pflicht, dort zu erscheinen. Veronica hätte sonst etwas darum gegeben, am Arm von Andrea oder Ludovico mitfeiern zu dürfen. Ein ungeschriebenes Gesetz verbat die Anwesenheit von Kurtisanen bei derartigen förmlichen Anlässen. Die Freundin plante doch nicht etwa, zu einem der Bälle gehen zu wollen, zu denen die Männer sich Kurtisanen einluden, 15