Venedigs dichtende Kurtisane - Veronica Franko - 1 - Buch.de

AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin ... Paola hatte sich nach jener Nacht im Jahr 1545 geschworen, den .... jenem Tag bitten wollte, mit mir zu leben. Ich.
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Barbara Ludwig

Venedigs dichtende Kurtisane Veronica Franco Liebesglück Historischer Roman

© 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 2

Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Porträt Veronica Franco von Jacopo Tintoretto Printed in Germany Taschenbuch: ISBN 978-3-8459-0922-6 Großdruck: ISBN 978-3-8459-0923-3 eBook epub: ISBN 978-3-8459-0924-0 eBook PDF: ISBN 978-3-8459-0925-7 Sonderdruck Mini-Buch ohne ISBN AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Die meisten Figuren der Handlung, insbesondere Veronica Franco, haben im 16. Jahrhundert 3

tatsächlich gelebt. Alle weiteren Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Veronica Franco, 1546–1591, Poetin und Kurtisane ... e‘ l mio cantar e‘ l mio sciver in carte, s’oblia da chi mi prova in quella guisa, ch‘ a‘ suoi seguaci Venere comparte. ... und was ich singe und schreibe, vergessen die, welche mich in der Verkleidung genossen haben, die Venus und ihren Priesterinnen gemein ist.“ Gestatten, mein Name ist Veronica Franco. Ich entspringe nicht der Fantasie der Autorin. Mitten in die aufregende Zeit der Renaissance hineingeboren, lebe ich in einer der schönsten und bedeutendsten Städte der Welt - in Venedig. Bereits vor meiner 5

Geburt entdeckte Columbus Amerika und ein Mönch namens Luther schlug seine Thesen an das Kirchentor. Der Buchdruck eröffnet uns ungeahnte Möglichkeiten und Kultur und Kunst stehen in hohem Ansehen. Nur für uns Frauen sieht es düster aus. Wir werden verheiratet, sind das Eigentum unseres Gatten und werden weggesperrt. Zuviel Bildung würde uns schaden, ist die allgemeine Meinung. Natürlich gibt es Ausnahmen. Ich durfte mit meinen Brüdern lesen und schreiben lernen und übte mich im Sprechen fremder Zungen. Besonderen Spaß bereitet mir das Dichten von Versen. Ich bin siebzehn Jahre alt und seit einem Jahr mit einem Dottore verheiratet. Wir schreiben das Jahr 1563 und natürlich ahne ich nicht, dass es ein Schicksalsjahr für mich werden wird. So wie ich zu diesem Zeitpunkt keinen blassen Schimmer habe, welche Tragweite die frühere Verbindung meiner Mutter mit Domenico Venier für mein Leben birgt.

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Prolog

Venedig, Juli 1554 Paola hatte sich nach jener Nacht im Jahr 1545 geschworen, den Palazzo von Domenico Venier in Cannaregio niemals wieder zu betreten. Bis heute war sie ihrem Schwur treu geblieben. Sie mied die Geschäfte in diesem Sestière, erledigte ihre Einkäufe in Castello oder San Polo. Obwohl in Cannaregio einiges preiswerter angeboten wurde. Bis auf Domenico wohnten in diesem Viertel nicht die gut Betuchten, sondern Gerber, Fischer, Handwerker, Huren, Künstler und Seeleute. Während des ganzen Weges ärgerte sich Paola über ihre Unvernunft. Welcher Teufel ritt sie, die Einladung Domenicos anzunehmen? Dumm überdies von ihr, sich zu Fuß aufzumachen und auf eine Gondel verzichtet zu haben. Die heiße Julisonne prallte unbarmherzig auf das Pflaster, 7

speicherte sich in den Steinen, erzeugte Backofenglut. Ein schwacher Wind aus Südost schwängerte die Luft penetrant und aufdringlich mit dem Geruch von Fischabfällen aus der nahe gelegenen Sacca della Misericordia, in der die Fischer mit ihren Fängen anlandeten. Zwischen Paolas Brüsten sammelte sich Schweiß und durchnässte den schweren Stoff des Mieders. Er klebte unangenehm am Körper und trug zu ihrem Unbehagen bei. Beim Campo dei Mori erinnerte sie ein Relief an der Hauswand – die Darstellung eines orientalischen Kaufmannes mit einem Turban – daran, dass sie das Haus des Malers Tintoretto vor sich hatte. Paolas Schritte wurden langsamer. Sie gönnte sich eine kurze Verschnaufpause. Hinter der nächsten Straßenecke würde die Chiesa Madonna dell`Orta mit ihrem hohen gotischen Glockenturm auftauchen und nur noch wenige Schritte würden sie von ihrem Ziel trennen. Sie überlegte, umzukehren. Gab sich einen Ruck, straffte ihre Schultern. 8

Schon von weitem erkannte sie an ihrem leuchtenden Weiß die Front des Palazzos, den Domenico sich hier zwischen den einfachen Häusern bauen ließ, um sich zurückzuziehen. Einen Moment verharrte sie zögernd vor der mit reichen Schnitzarbeiten versehenen Eingangspforte, ehe sie beherzt den Türklopfer, einen Löwenkopf aus Messing, in die Hand nahm. Bevor sie ihn anschlagen konnte, öffnete ein Diener schwungvoll die Tür und bat sie ins Haus. Als sie den dämmrigen Gang betrat, der wie ein breites Band die gesamte Tiefe des Palazzos auslotete, lief ein Schauer durch ihren Körper, weil der vertraute Geruch sich ihr machtvoll aufdrängte. Tapeten aus dunkelrotem Damast schmückten wie eh und je die Wände und in Tischvitrinen warteten wertvolle Folianten aufgeschlagen auf einen Betrachter. Selbst der Marmorboden mit seinem Schachbrettmuster schien unverändert. Sie folgte dem Diener zum hinteren Ausgang. Nach dem gedämpften Licht des Hauses mussten sich ihre Augen erst an die Helligkeit gewöhnen, ehe sie sich 9

von der ruhigen Ausstrahlung des Parks gefangen nehmen lassen konnte. Er glich einer versteckten Oase. „Signor Venier wird gleich eintreffen“, sagte der Diener. Paola nickte und spazierte zu den hohen Bäumen, die ihr Blattwerk wie große Schirme ausbreiteten. Das Plätschern aus den Wasserfontänen eines nahen Brunnens besänftigte ihre angespannten Nerven. Wehmut drängte sich in Paolas Gedanken. Die liebevoll angelegten Wege mit ihren Rosenbeeten bargen nicht nur die eine, immer noch mit Schaudern behaftete Erinnerung, sondern erzählten ebenso von unzähligen schönen, betörenden Stunden. Ein erfrischendes Lüftchen strich vom Meer her zum Haus und fächelte Luft in Paolas erhitztes Gesicht, trocknete die Schweißperlen auf ihrer Stirn. Sie schlenderte in den hinteren Teil des Parks. Hier grenzte das Grundstück an den Canale Navi und sie sah jenseits von San Michèle die Insel Murano wie ein Strich auf dem Wasser liegen. Erneut bewunderte Paola Schönheit und Harmonie der Anlage, bis der 10

schmale Weg zur Grotte mit der kleinen Marmorbank sich in ihr Blickfeld schob. Die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse jener Nacht tauchte plötzlich aus ihrem Inneren auf. Damals zuckten Blitze über einen blauschwarzen Himmel, eine schwüle Luft aufgeladen, dick und schwer wie Eisen schien mit der Dunkelheit verbündet. Irgendwann war ihr die Zeit abhandengekommen. Es spielte keine Rolle mehr, wann sich ihre Handgelenke an den engen Fesseln blutig gescheuert hatten, selbst das Knallen der Peitsche drang nur noch wie durch einen Schleier in ihr Bewusstsein und bündelte die Schmerzen in ihrem Kopf, sodass ihr nackter Leib einer anderen zu gehören schien. Wieder und wieder war er mit Gewalt in jede Öffnung ihres Körpers eingedrungen, hatte ihren Kopf in die Höhe gerissen und sie gezwungen, ihn dabei anzusehen. Die Gossenworte, nach denen es ihn gelüstet hatte, trafen sie nicht mehr, nur der Hass, der in seinen Augen glomm, und sein irrer Blick drangen zu ihr durch und ließen sie vor Angst erstarren. Als er mit 11

dem Messer die Spiele wiederholen wollte, die sein Geschlecht nicht mehr in der Lage war, zu vollziehen, hatte sie nicht mehr geschrien, nicht mehr gewimmert, nicht mehr um Gnade gebettelt, sondern aufgegeben, sich zu wehren, und mit dem Leben abgeschlossen. Als würden die alten Dämonen sie jagen, begann sie vor ihnen davonzurennen. Sie wollte sich nicht mehr erinnern. Zitternd, nach Luft ringend lief sie Domenico geradewegs in die Arme. Seine warmen Hände umfingen sie, er strich beruhigend über ihr Haar. Paola schnaufte, es dauerte eine Weile, bis die Erinnerung nach und nach verblasste und sie aus dem Albtraum entließ. Schließlich fasste sie sich. Sie löste sich aus der Umarmung und glättete ihr Kleid. „Es war unsensibel von mir, dich hierher zu bitten, entschuldige. Du siehst noch immer blass aus Paola. Wir sollten uns setzen.“ Sie schüttelte vehement den Kopf und wehrte ab: „Lass uns umhergehen, Domenico.“ Er räusperte sich verlegen. 12

„Ich freue mich, dich zu sehen, Paola. Ich ... Ich habe dich hergebeten, weil ich dich um Verzeihung bitten möchte. Es fällt mir schwer, dir zu sagen, was ich erfahren habe.“ Paola schwieg. Sie schlenderten nebeneinander her. Sein Duft hüllte sie ein. Er war ihr so vertraut, dass ihr die Knie zitterten. Noch immer gab es diese Anziehung, keimte das Begehren auf, wohl aus dem Wissen, wie verschwenderisch es ihre Leiber erfüllt hatte. Sie rückte ein wenig ab und ihre Worte fielen schärfer als beabsichtigt aus. „Was gibt es so Wichtiges, dass du mich hierher zitierst?“ „Es geht um Lorenzo.“ „Bitte, verschon mich mit diesem Namen, lass Lorenzo in eurer Familiengruft ruhen. Basta.“ „Paola, bitte, ich habe dir Unrecht getan, das weiß ich heute. Ich stehe in deiner Schuld. Einer meiner Diener hat mir auf dem Sterbebett gestanden, dass er meinem Bruder half, seinen teuflischen Plan zu verwirklichen. Gib mir Gelegenheit, dir das Geschehene aus meiner Sicht 13

zu erklären: Lorenzo wusste, dass ich dich an jenem Tag bitten wollte, mit mir zu leben. Ich hoffte, du würdest mich einsamen Hagestolz erlösen, der nur die Pflichten als Ratsmitglied und Senator kennt. Wir hatten uns damals drei Jahre nicht gesehen, ich hatte keine Ahnung, ob du mit deinem Mann und deinem Sohn Hieronymus glücklich bist, kalkulierte sogar ein, dass du mich auslachen würdest. Aber ich musste es wagen, dich zu fragen. Ich hatte den Diener gebeten, dich mit allem Komfort zu umgeben, falls ich mich verspäten würde. Und ich wurde aufgehalten. Wie ich heute weiß, wurde ich das Opfer einer gezielten Intrige.“ Ein herber Zug erschien um Domenicos Mund. „Lass die alten Geschichten, ich bitte dich, was soll das jetzt noch bringen?“, warf Paola ein, am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten. Sie wollte nicht an Lorenzos Vergehen erinnert werden, an die schrecklichen Stunden voller Angst, ebenso wenig wie an den Blick, den Domenico ihr zuwarf, als er sie mit Lorenzo fand. Schmerz, 14

Abscheu und Verachtung – nie würde sie den Ausdruck seiner Augen vergessen können. „Soll ich dir Absolution erteilen, dir und posthum deinem Bruder Lorenzo? Kannst du nicht mehr ruhig schlafen? Warum gräbst du jetzt die alten Geschichten nach all den Jahren wieder aus?“ „Bitte hör mich weiter an. Es ist mir wichtig. Lorenzo erschien pünktlich zu der Zeit, zu der ich bei dir sein wollte. Heute weiß ich, es ging ihm nicht um dich, er wollte mich verletzen – er war stets eifersüchtig auf alle, die seiner Meinung nach erfolgreicher waren als er, und auf mich ganz besonders. Ja, er hasste mich und wollte es mir heimzahlen. Es ist ihm wunderbar gelungen. Er hat mich tief getroffen. Das Bild, das sich bei meiner Heimkehr bot, war ... Verflucht sei er. Verzeih mir meine harten Worte, ich glaubte ... und war maßlos enttäuscht. Mein Stolz verhinderte, dich anzuhören. Alles wirkte so eindeutig, ich fühlte mich übergangen, ausgenutzt. In dieser Hinsicht habe ich dir ebenso übel mitgespielt wie mein Bruder Lorenzo. Ich habe dir nicht vertraut, 15