Strukturelle Ursachen für Trennung und Scheidung – Prof

14.09.2009 - Fernbeziehungen3. 1 Norbert Wilbertz, Wir wollten niemals auseinander gehen! aus: Beratung Aktuell, Junfermann Verlag. Paderborn, 4-2007.
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PLATTFORM FÜR GESCHIEDENE UND WIEDERVERHEIRATETE IN DER KIRCHE

Strukturelle Ursachen für Trennung und Scheidung – Prof. Günter Danhel, DSA 14.Sept. 2009 – Alte Burse

I. Rahmenbedingungen Im Vergleich mit den 50-er/60-er Jahren gab es noch nie so viele verheiratete Paare wie heute – es war früher „anders schlecht“ – sie wurden durch äußere Faktoren zusammengehalten, die mit der Qualität der Beziehung nichts zu tun hatten.1 Die aktuelle Jugendwertestudie zeigt, dass die Familie als gewünschte Lebensform einen sehr hohen Stellenwert hat. 2 Die Sehnsucht der Jugendlichen nach dauerndem Zusammenleben mit einem Partner und Kinderwunsch stehen im Gegensatz zur Realität der tatsächlich gelebten Familie.

Demographische Änderungen: Alter der Eheschließungen stieg seit 1970 mit durchschnittlich 21,7 Jahren (Frauen) und 24,4 Jahren (Männer) zu heute auf durchschnittlich 28,8 bzw. 31,6 Jahre. Das erste Kind wird durchschnittlich im Alter von 29 Jahren geboren. In den 30-er Jahren gab es z.B. aufgrund der wirtschaftlich extrem schwierigen Lage nur 0,3 Kinder pro Ehepaar, die Zahlen heute sehen auch nicht rosig aus (1,4 Geburten), Stichwort Bevölkerungspyramide, die schon bald auf dem Spitz stehen wird) Der Anteil an Einpersonen-Haushalten und der dauernd kinderlosen unverheirateten Paaren wächst. Es wird eine Scheu vor langfristiger Planung der Lebensform beobachtet. Vieles, das früher durch Brauch, Sitte und Strukturen vorgegeben (auch kontrolliert) war, ist heute „Verhandlungssache“. Die 68-er Kulturrevolution löste das Individuum aus seinen Bezügen und führte zur (Ver-) Selbständigung. Heute muss die Identität wieder rekonstruiert werden.

II. Vielfalt der gelebten Lebensformen Leitbildfamilie (75% der Kinder leben bei ihren Eltern) Ein-Elternfamilie /Alleinerzieher (z.Z. ca. 10% aller Familien) Nicht eheliche Lebensgemeinschaft, auch Vorstufen für eheliche Lebensform Fortsetzungsfamilie (geschiedene Wiederverheiratete, soziale Väter und Mütter) Ehen als Fernbeziehung, Doppelkarrieren Es wird erwartet, dass Frauen in gehobenen Positionen kinderlos bleiben. Die Verfügbarkeit durch erhöhte Mobilität ermöglicht und begünstigt Fernbeziehungen3 1

Norbert Wilbertz, Wir wollten niemals auseinander gehen! aus: Beratung Aktuell, Junfermann Verlag Paderborn, 4-2007 2 Österreichische Jugendwertestudie 2006/07, Dr. Regina Polak, Institut für Pastoraltheologie, Wien 3 Dissertation von Peter Wendel, Gelingende Fernbeziehungen Mitschrift von Karin Mattes-Kiselka und Dr. Renate Moser

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PLATTFORM FÜR GESCHIEDENE UND WIEDERVERHEIRATETE IN DER KIRCHE Beobachtete Tendenz in der Erwerbsarbeit Menschen in stabilen Beziehungen sind produktiver, daher sollte die Wirtschaft Familien unterstützen und fördern. Es gibt keine Balance zwischen Arbeitswelt und gelingenden Beziehungen, (Asymmetrie, weil die Arbeitswelt Beziehungen nicht fördert). Der Individuallohn nimmt keine Rücksicht auf Familie und Kinder. Vereinbarkeit von Erwerb und Familie ist nicht nur für Frauen wichtig. Die Familienarbeit muss in den Begriff „Arbeit“ als Erwerbsarbeit eingeschlossen werden. Erziehungs-, Beziehungs-, und Pflegearbeit fällt auch darunter und wird zu wenig anerkannt. In diesen Bereichen arbeiten vorwiegend (75%) - Frauen. Familienleistungen sollten besser abgegolten werden (z.B. Negativsteuer, Grundsicherung). Transfer-Leistungen allein sind zu wenig Generationenvertrag betrifft drei Generationen  Forderung der Geschlechter- und Generationengerechtigkeit  Bildungsmaßnahmen, Beratung

III. Ursachen und Faktoren Gesellschaftliche Ursachen zunehmender Trennungen und Scheidungen 4 Abnahme des Institutionscharakters der Ehe Zunehmende Privatisierung von Partnerschaft, Ehe und Familie Gestiegene Anforderungen an die Strukturflexibilität der Ehe Wertewandel von Pflicht- und Akzeptanzwerten zu Werten der Partnerschaft und der Selbstentfaltung Gesellschaftliche Liberalisierung Fortschreitende Individualisierung Zunehmende Individualisierung der Frau Veränderung des Rollenleitbildes von Mann und Frau

Soziodemographische Faktoren, die das Scheidungsrisiko mitbestimmen Heiratsalter: Frühehen – größeres Risiko Frauen älter als Männer – größeres Risiko Ehedauer: im 4. Jahr größtes Risiko, später geringere Scheidungsrate Rangzahl der Ehe: Zweit- oder Drittehen unterliegen einem höheren Scheidungsrisiko Voreheliches Zusammenleben: größeres Risiko Kinderzahl: kinderlose Paare weisen die höchste Scheidungsrate auf Herkunft aus einer Scheidungsfamilie: erhöht das Risiko Gemeinsames Eigentum: geringeres Risiko 4

Österreichischer Familienbericht 1999 Mitschrift von Karin Mattes-Kiselka und Dr. Renate Moser

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PLATTFORM FÜR GESCHIEDENE UND WIEDERVERHEIRATETE IN DER KIRCHE Wohnortgröße: in städtischen Regionen – größeres Risiko Religionszugehörigkeit: geringeres Risiko Nationalität: bei verschiedener Nationalität – größeres Risiko

Subjektiv perzipierte Scheidungsgründe Kommunikationsprobleme, Enttäuschte unerfüllte Erwartungen, Auseinanderleben und Zusammenbruch der Beziehung, … Stresssituationen beeinflussen Konflikte Danhel spricht über den Bildungsbegriff, der sich aus Emotionaler, Sozialer und Schulischer Bildung zusammensetzt. Der Bereich schulische Bildung ist gut abgedeckt, großen Nachholbedarf und Mängel gibt es oft bei emotionaler und sozialer Bildung, ein Mangel davon kann Ursache des Scheiterns einer Beziehung sein. Es bedarf einer dritten Säule der Familienpolitik, die die Förderung der Partnerschaftskompetenz mit der gleichen Energie fördert wie gerechte Transferleistungen und ausreichende Betreuungsangebote für Kinder.5 Prävention wäre optimal, auch bei nur standesamtlicher Eheschließung Es gibt leider keine Untersuchungen, welche / ob die katholische Ehevorbereitung (positive) Auswirkungen auf den Ehealltag hat.

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Norbert Wilbertz, s.o. Mitschrift von Karin Mattes-Kiselka und Dr. Renate Moser

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