Strategische Erneuerung von Medienunternehmen - University of St ...

rische Aktionen neue Verhaltensweisen, mittels derer Firmen noch nicht ..... Handel- und Transferierbarkeit und (3) die Einzigartigkeit dieser Ressourcen. Der.
1MB Größe 2 Downloads 350 Ansichten
Strategische Erneuerung von Medienunternehmen Entwicklung dynamischer Fähigkeiten im Kontext radikalen Wandels

DISSERTATION der Universität St.Gallen Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Volker Bernhardt aus Deutschland

Genehmigt auf Antrag von Herrn Prof. Dr. Thierry Volery und Frau Prof. Dr. Miriam Meckel

Dissertation Nr. 3559

Difo-Druck GmbH, Bamberg 2009

Die Universität St.Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

St.Gallen, den 21. November 2008

Der Rektor:

Prof. Ernst Mohr, PhD

Vorwort Unternehmertum – Wandel – Erneuerung. Die drei wesentlichen Elemente der vorliegenden Dissertation lassen sich geradewegs auf ihren Entstehungsprozess übertragen: Im wahrsten Wortsinn hat dieses Unternehmen beim Autor zu einer Entwicklung beigetragen, zu neuen Einsichten, bis hin zur „Ver“wandlung geführt. Dass ich diesen Prozess durchlaufen und daran wachsen konnte, verdanke ich vielen Wegbegleitern. Mein erster Dank gilt meinen Referenten. Professor Dr. Thierry Volery stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite und gab meinem Projekt wichtige forschungsmethodische Impulse. Gleichzeitig ließ er mir zu jeder Zeit den notwendigen Freiraum für meine Tätigkeit im Universitätsmanagement der HSG. Ich danke ihm für seine fachliche und persönliche Unterstützung ganz herzlich! Besonders danken möchte ich auch Frau Professor Dr. Miriam Meckel, die mein Dissertationsvorhaben spontan unterstützte. Eine Arbeit zum Thema Unternehmertum ist in jedem Fall auf einen engen Draht zur Praxis angewiesen. Mit Dr. Jochen Gutbrod fand ich einen Mentor, der mir die Tür zur Holtzbrinck-Welt weit aufstieß und so entscheidend am Gelingen dieser Dissertation Anteil hat. Stellvertretend für alle Gesprächspartner bei Holtzbrinck sei ihm hier ein besonderer Dank ausgesprochen. Dankbar bin ich zudem Rektor Professor Ernst Mohr, PhD für sein in meine Person gesetztes Vertrauen. Mit seiner moderierenden und oft humorvollen Art hat er es verstanden, meine unternehmerische Energie in die richtigen Bahnen zu lenken und mir für die Fertigstellung dieser Arbeit genügend Freiheit einzuräumen. Viele Freunde haben mich auf meinem Weg in St.Gallen begleitet. Mit ihnen verbinden mich vor allem viele schöne Erinnerungen an eine außergewöhnliche Studienzeit. Ich nenne hier Dr. Urs V. Arnold, Daniel Broger, Dr. Dominik-Battiste Domnik, Carrie Fischer, Florian Hotz, Dr. Sebastian Knoll, Christoph-Otto Lüders, Michael Luhnen, Christine-Eva Müller, Dr. Sabine Poralla, Adrian Schawalder, Dr. Manuel Seyferth, Jan Henrik Sieg, Professor Dr. Sascha Spoun und Alexander Zimmermann. Ein großer Dank gilt meinen Eltern, Dipl.-Ing. Gerold und Christa Bernhardt sowie meiner Schwester Ellen Bernhardt, ohne deren Unterstützung und Ermutigung die vorliegende Dissertation nicht hätte vollendet werden können. Ihnen widme ich diese Arbeit. St.Gallen, im Januar 2009

Volker Bernhardt

Inhaltsübersicht

V

Inhaltsübersicht 1

Einleitung: Medienunternehmen im Wandel ........................................................... 1

Teil I Theoretischer Rahmen ...................................................................... 13 2

Das Forschungsfeld Strategic Entrepreneurship: Gemeinsame Schnittstelle von Strategieprozessforschung und EntrepreneurshipDisziplin .................................................................................................................... 15

3

Basiskonzepte: Relevante Beiträge aus Entrepreneurship- und Strategieprozessforschung .................................................................................... 26

4

Konzeptioneller Bezugsrahmen: Das Modell der Ressourcenallokation und Strategieformierung ......................................................................................... 38

Teil II Forschungsdesign und empirische Methoden ............................... 47 5

Forschungsdesign ................................................................................................... 49

6

Empirische Methoden.............................................................................................. 58

Teil III Fallstudie ............................................................................................ 71 7

Diskontinuierlicher Wandel in der Medienindustrie ............................................. 72

8

Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck............................................................ 90

9

Ressourcenallokation und Strategieformierung bei Holtzbrinck ...................... 102

10 Diskussion: Entwicklung dynamischer Fähigkeiten im Kontext radikalen Wandels .................................................................................................................. 130

Teil IV Fazit und Ausblick ........................................................................... 145 11 Praktische Implikationen: Strategische Erneuerung von Medienunternehmen .............................................................................................. 147 12 Theoretische Implikationen: Organisationale Kompetenzentwicklung als Ergebnis der Ressourcenallokation und Strategieformierung .......................... 154 13 Theoretische und methodische Grenzen ............................................................ 162 14 Zukünftige Forschungsthemen und Ausblick ..................................................... 165

Inhaltsverzeichnis

VII

Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... III Abbildungsverzeichnis .................................................................................. XI Tabellenverzeichnis...................................................................................... XIII Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XIV Zusammenfassung ..................................................................................... XVII Abstract ................................................................................................... XIX 1

Einleitung: Medienunternehmen im Wandel ........................................................... 1 1.1

Zielsetzung: Praktischer und theoretischer Beitrag ............................................... 4

1.2

Forschungsfragen .................................................................................................. 7

1.3

Abgrenzung der Thematik ..................................................................................... 9

1.4

Aufbau ................................................................................................................. 10

Teil I Theoretischer Rahmen ...................................................................... 13 2

Das Forschungsfeld Strategic Entrepreneurship: Gemeinsame Schnittstelle von Strategieprozessforschung und EntrepreneurshipDisziplin .................................................................................................................... 15 2.1

Entrepreneurship ................................................................................................. 15

2.2

Corporate Entrepreneurship (CE) ........................................................................ 16

2.2.1 2.2.2

2.3 3

4

Die Rolle des Innovationsbegriffs in der CE-Diskussion ............................................17 Typologie: Formen von Corporate Entrepreneurship.................................................18

Strategic Entrepreneurship (SE) .......................................................................... 23

Basiskonzepte: Relevante Beiträge aus Entrepreneurship- und Strategieprozessforschung .................................................................................... 26 3.1

Diskontinuierlicher Wandel durch schöpferische Zerstörung und radikale Innovation ............................................................................................................ 27

3.2

Dynamische Fähigkeiten und die ressourcenbasierte Perspektive des Unternehmens ..................................................................................................... 30

3.3

Vier Schritte zur Förderung von Corporate Entrepreneurship ............................. 36

Konzeptioneller Bezugsrahmen: Das Modell der Ressourcenallokation und Strategieformierung ......................................................................................... 38 4.1

Autonomes und induziertes strategisches Verhalten im Prozess der Strategieformierung ............................................................................................. 38

4.2

Das revidierte Modell der Ressourcenallokation ................................................. 43

VIII

Inhaltsverzeichnis

Teil II Forschungsdesign und empirische Methoden ............................... 47 5

6

Forschungsdesign ................................................................................................... 49 5.1

Methodische Basis: Das Verfahren der Grounded Theory .................................. 50

5.2

Konzeptioneller Bezugsrahmen: Die Konstrukte des Strategieprozessmodells von Bower, Burgelman & Gilbert als sensibilisierende Konzepte .................................................................................. 53

5.3

Forschungsansatz: Einzelfallstudie ..................................................................... 55

Empirische Methoden.............................................................................................. 58 6.1

Fallauswahl und Stichprobe ................................................................................. 58

6.2

Datenerhebung .................................................................................................... 60

6.3

Datenanalyse ....................................................................................................... 63

6.4

Gütekriterien ........................................................................................................ 68

Teil III Fallstudie ............................................................................................ 71 7

Diskontinuierlicher Wandel in der Medienindustrie ............................................. 72 7.1

Exogener Einflussfaktor I: Produkt-/Markt-Kontext .............................................. 72

7.1.1 7.1.2 7.1.3

7.2 8

9

Entwicklung der Mediennutzung ................................................................................73 Entwicklung des Werbemarkts ...................................................................................76 Folgen der Entwicklung für traditionelle Medienhäuser .............................................83

Exogener Einflussfaktor II: Kapitalmarkt-Kontext ................................................ 86

Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck............................................................ 90 8.1

Historie, Geschäftsfelder und Ausrichtung der Verlagsgruppe ............................ 90

8.2

Die Entwicklung des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital ...................................... 93

Ressourcenallokation und Strategieformierung bei Holtzbrinck ...................... 102 9.1

Endogener Einflussfaktor I: Strategischer Kontext ............................................ 104

9.1.1 9.1.2

9.2

Endogener Einflussfaktor II: Struktureller Kontext ............................................. 109

9.2.1 9.2.2

9.3

Struktureller Kontext auf Konzernebene ..................................................................109 Struktureller Kontext auf Geschäftsfeld-Ebene ........................................................110

Muster der Ressourcenallokation ...................................................................... 113

9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4

9.4

Strategischer Kontext auf Konzernebene ................................................................104 Strategischer Kontext auf Geschäftsfeld-Ebene ......................................................106

Seed-Finanzierung ...................................................................................................113 Frühphasen-Finanzierung ........................................................................................116 Expansions- / Spätphasen-Finanzierung .................................................................122 Klassische Finanzierung ..........................................................................................124

Der dreistufige Ansatz der Ressourcenallokation bei Holtzbrinck Digital .......... 127

Inhaltsverzeichnis

IX

10 Diskussion: Entwicklung dynamischer Fähigkeiten im Kontext radikalen Wandels .................................................................................................................. 130 10.1 Innovationsfähigkeit ........................................................................................... 131 10.1.1 Strategische Früherkennungsfähigkeit.....................................................................131 10.1.2 Kognitive Einordnungsfähigkeit ................................................................................132

10.2 Umsetzungsfähigkeit ......................................................................................... 134 10.2.1 Strategische Handlungsfähigkeit..............................................................................135 10.2.2 Timing-Fähigkeit .......................................................................................................136 10.2.3 Transformationsfähigkeit ..........................................................................................137

10.3 Organisationale Wandelfähigkeit ....................................................................... 139 10.3.1 Moderationsfähigkeit ................................................................................................140 10.3.2 Kooperationsfähigkeit ...............................................................................................142

Teil IV Fazit und Ausblick ........................................................................... 145 11 Praktische Implikationen: Strategische Erneuerung von Medienunternehmen .............................................................................................. 147 12 Theoretische Implikationen: Organisationale Kompetenzentwicklung als Ergebnis der Ressourcenallokation und Strategieformierung .......................... 154 13 Theoretische und methodische Grenzen ............................................................ 162 14 Zukünftige Forschungsthemen und Ausblick ..................................................... 165

X

Inhaltsverzeichnis

Anhang A Empirische Erhebung .............................................................. 167 A.1 Transkribierte Interviews ...................................................................................... 167 A.2 Interne Dokumente ................................................................................................ 167

Anhang B Leitfaden für teilstandardisierte Interviews .......................... 168 B.1 Top-Management ................................................................................................... 168 B.2 Senior Management ............................................................................................... 170

Anhang C Ergebnisse der Datenanalyse ................................................. 173 C.1 Ressourcenallokationsprozess ............................................................................ 173 C.2 Einzelne Aspekte ................................................................................................... 178 C.3 Typologien .............................................................................................................. 185

Anhang D Daten zum Medienmarkt in Deutschland ............................... 188 D.1 Medienkonsum & -nutzung ................................................................................... 188 D.2 Werbemarkt ............................................................................................................ 192 D.3 Tagespresse und Publikumszeitschriften ........................................................... 194 D.4 Strategische Ausrichtung deutscher Medienhäuser .......................................... 196 D.5 Geschäftsentwicklung und finanzielle Kennzahlen der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck .......................................................................................... 199

Literaturverzeichnis..................................................................................... 202 Curriculum Vitae .......................................................................................... 217

Abbildungsverzeichnis

XI

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-I

Aufbau der Dissertation ......................................................................... 12

Abbildung 2-I

Definitorische Einordnung von Corporate Entrepreneurship ................. 19

Abbildung 3-I

Vier Schritte zur Förderung von Entrepreneurship in einer existierenden Organisation .................................................................... 37

Abbildung 4-I

Bowers Prozessmodell der Strategieformierung.................................... 40

Abbildung 4-II

Burgelmans Unterscheidung von autonomem und induziertem strategischen Verhalten ......................................................................... 41

Abbildung 4-III

Das revidierte Modell der Ressourcenallokation und Strategieformierung ............................................................................... 44

Abbildung 5-I

Das Codier-Paradigma nach Strauss & Corbin ..................................... 53

Abbildung 6-I

Coding mit ATLAS.ti............................................................................... 65

Abbildung 6-II

Der iterative Prozess der qualitativen Datenanalyse in der Übersicht ................................................................................................ 67

Abbildung 7-I

Variablen des Produkt-/Markt-Kontexts ................................................. 86

Abbildung 7-II

Variablen des Kapitalmarkt-Kontexts ..................................................... 89

Abbildung 8-I

Die Entwicklung des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital*..................... 101

Abbildung 9-I

Dimensionen des strategischen Kontexts und deren Ausprägungen...................................................................................... 104

Abbildung 9-II

Dimensionen des strukturellen Kontexts und deren Ausprägungen .... 109

Abbildung 9-III

Der Holtzbrinck eLab Funnel-Prozess: In vier Stufen von der Idee zur Marktreife ....................................................................................... 115

Abbildung 9-IV

Die drei Stadien von Internet-Investitionen .......................................... 128

Abbildung 11-I

Praxismodell zur strategischen Erneuerung von großen, diversifizierten Unternehmen .............................................................. 153

Abbildung 12-I

Ergänzungen und Erweiterungen am Modell der Ressourcenallokation und Strategieformierung ................................... 156

Abbildung 12-II

Einordnung der dynamischen Fähigkeiten nach theoriegeleiteten Kategorien............................................................................................ 161

Abbildung D-I

Medienkonsum nach Ausgaben in Segmenten 2001-2008 ................. 188

Abbildung D-II

Unterhaltung und Medien nach Marktvolumen und Marktwachstum ... 188

XII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung D-III

Anteil am Werbemarkt und Mediennutzung 2006 ................................ 189

Abbildung D-IV

Tägliche Mediennutzungsdauer 1997-2007......................................... 189

Abbildung D-V

Deutschland: Mediennutzung 1980-2005 ............................................ 190

Abbildung D-VI

Auswirkungen der Internetnutzung auf den Konsum klassischer Medien ................................................................................................. 190

Abbildung D-VII

Soziodemografische Struktur der Online-Nutzer ................................. 191

Abbildung D-VIII

Durchschnittliche Verweildauer bei der Online-Nutzung...................... 191

Abbildung D-IX

Online-Werbemarkt 2004-2007............................................................ 192

Abbildung D-X

Online-Werbeausgaben 2006-2010 ..................................................... 192

Abbildung D-XI

Werbung nach Ausgaben in Segmenten 2001-2008 ........................... 193

Abbildung D-XII

Werbeausgaben weltweit nach Werbeträgern 2004-2008* ................. 193

Abbildung D-XIII

Umsatz mit Zeitungen nach Anzeigengeschäft und Vertrieb 19962006 ..................................................................................................... 194

Abbildung D-XIV

Auflage von Zeitungen nach Zeitungsgattung 2005-2007 ................... 194

Abbildung D-XV

Reichweite von Tageszeitungen nach Altersgruppen 2007 ................. 195

Abbildung D-XVI

Statistik zur Tagespresse im Überblick 1954-2006.............................. 195

Abbildung D-XVII

Auslandsumsatz ausgewählter deutscher Medienhäuser.................... 196

Abbildung D-XVIII

Strategische Ausrichtung von Medienunternehmen 2006 ................... 197

Abbildung D-XIX

Beurteilung der zukünftigen Lage von Medienunternehmen 2006 ...... 198

Abbildung D-XX

Umsatzentwicklung 1972-2007 ............................................................ 199

Abbildung D-XXI

Umsatzentwicklung nach Geschäftsfeldern ......................................... 199

Abbildung D-XXII

Umsatz 2006 nach Kernaktivitäten ...................................................... 200

Abbildung D-XXIII

Entwicklung des Personalbestands ..................................................... 200

Abbildung D-XXIV Umsatz 2006 nach Regionen............................................................... 201 Abbildung D-XXV

Ausgewählte Kennzahlen .................................................................... 201

Tabellenverzeichnis

XIII

Tabellenverzeichnis Tabelle 2-I

Typologie der Formen von Corporate Entrepreneurship ....................... 22

Tabelle 2-II

Übersicht der Forschungsfelder und zentraler Basisdefinitionen ........... 25

Tabelle 3-I

Definitionen des Konstrukts der dynamischen Fähigkeiten ................... 36

Tabelle 6-I

Auswahl der Interviewpartner ................................................................ 59

Tabelle 9-I

Unterschiede im strategischen und strukturellen Kontext von Kerngeschäftsbereichen und Holtzbrinck Digital ................................. 112

Tabelle 9-II

Muster der Ressourcenallokation bei Holtzbrinck ................................ 126

XIV

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abb.

Abbildung

bzw.

beziehungsweise

Abk.

Abkürzung

AG

Aktiengesellschaft

Abschn.

Abschnitt

bspw.

beispielsweise

bzw.

beziehungsweise

CBV

Capability-based View

CE

Corporate Entrepreneurship

CEO

Chief Executive Officer

CFO

Chief Financial Officer

CVC

Corporate Venture Capital

d. h.

das heißt

EO

Entrepreneurial Orientation

et al.

et alii

etc.

et cetera

EVA

Economic Value Added

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Hrsg.

Herausgeber

ibid.

ibidem

i. e. S.

im engeren Sinne

IPO

Initial Public Offering

Kap.

Kapitel

KEK

Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Pressebereich

LBBW

Landesbank Baden-Württemberg

Mio.

Millionen

Mia.

Milliarden

MVA

Market Value Added

o. V.

ohne Verfasser

PE

Private Equity

QDA

Qualitative Datenanalyse

Abkürzungsverzeichnis

XV

RAP

Ressourcenallokationsprozess

RBV

Resource-based View

SE

Strategic Entrepreneurship

S.

Seite

s.

siehe

s. a.

siehe auch

sog.

sogenannt

TA

Transaktion(en)

TV

Television

TIME-Markt

Telekommunikations-, Informations-, Medien- und Elektronikmarkt

VC

Venture Capital

VoIP

Voice over Internet Protocol

VP

Vice President

vgl.

vergleiche

z. B.

zum Beispiel

Zusammenfassung

XVII

Zusammenfassung Viele etablierte Unternehmen sind mit der Herausforderung konfrontiert, die unternehmerische Energie zu erhalten, die einst ihren Erfolg begründet hat. Mit zunehmendem Wachstum der Firmen kommt es zu struktureller Trägheit und Stagnation. Wie können grosse, diversifizierte Organisationen innovieren und ihre Ressourcenbasis erneuern, um so ihre nachhaltigen Wettbewerbsvorteile verteidigen und gleichzeitig bestehende Kernkompetenzen nutzen, um Effizienzvorteile zu realisieren? Diese Studie formuliert Antworten zu diesen Fragen, die aus dem inhärenten Widerspruch zwischen der Notwendigkeit, das bestehende Geschäft zu erhalten und dem Versuch, ein Umfeld zu schaffen, in dem neue Ideen reifen können, entstehen. Die in der vorliegenden Studie beschriebene deutsche Medienindustrie ist ein typisches Beispiel eines dynamischen Markts, in dem klassische Geschäftsmodelle durch radikale Innovationen substituiert werden. Durch die technologische Entwicklung müssen sich die grossen, diversifizierten Medienunternehmen an das neue Umfeld anpassen, indem sie neue Erlösquellen erschliessen und ihre Wettbewerbsbasis kontinuierlich erneuern. Diese in der Tradition der Strategieprozessforschung stehende qualitative Dissertation greift die häufig von Wissenschaftlern und Praktikern geäusserte Kritik auf, dass bestehende Arbeiten im Feld der strategischen Erneuerung einem quantitativen Ansatz folgend Einzelaspekte untersuchen. Ausgehend vom kompetenzenbasierten Paradigma werden zunächst die relevanten Beiträge in den Bereichen der strategischen Erneuerung, des Corporate Entrepreneurship und des Ressourcenallokationsprozesses vorgestellt. Anschliessend wird im Rahmen einer Einzelfallstudie am Beispiel der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck ein Weg zur strategischen Erneuerung im Detail aufgezeigt und mithilfe des Grounded Theory-Verfahrens analysiert. Aufbauend auf dieser Analyse benennt der Autor sieben dynamische Fähigkeiten, die zur Belebung des unternehmerischen Geistes in Medienunternehmen führen und ordnet sie in einen theoretischen Rahmen ein. Die Studie zeigt, dass die Unternehmensleitung im Erneuerungsprozess eine Balance zwischen der proaktiven Veränderung von Strukturen und Prozessen einerseits und der Bewahrung bestehender Werte andererseits anstreben muss. Abschliessend werden die Erkenntnisse aus theoretischer und empirischer Analyse zusammengefasst und Handlungsempfehlungen für die strategische Erneuerung von Medienunternehmen abgeleitet.

Abstract

XIX

Abstract Most established organizations find it hard to maintain the initial entrepreneurial spirit that once helped them to make it through the start-up stage. As businesses grow, they usually become more structured and more rigid. How do large, established organizations stimulate innovation and renew their resource base in order to maintain sustainable competitive advantage while at the same time leverage existing core competences to improve efficiency? This study deals with the difficulties behind these questions which arise from the inherent conflict between the need for organizations to control existing operations and the need to create the kind of environment that will permit new ideas to flourish. The media sector in Germany described in this study is a typical example of a rapidly changing environment in which radical innovations evolve and traditional business models do not longer hold. Following the technological development, large diversified incumbents have to adapt to the new environment, exploit new business opportunities and to alter their resource base. This study which is rooted in the tradition of strategic process research addresses one criticism of past work in this area that it has concentrated on large-scale phenomena with an emphasis on quantification. Starting from a capability-based view of the firm, the relevant literature on strategic renewal, corporate entrepreneurship and the resource allocation process is examined. Drawing on data from an in-depth single case study on the process of strategic renewal at Georg von Holtzbrinck publishing group, a best-practice example of ongoing strategic renewal is examined closely by following a Grounded Theory approach. The author identifies seven dynamic capabilities which form the cornerstone of corporate entrepreneurship efforts needed to infuse new entrepreneurial spirit into the media companies and integrates them within a theoretical framework. The findings suggest that in order to overcome organizational inertia the top management has to proactively change management structures and processes while at the same time maintain the distinct corporate culture. Furthermore, the study provides practical guidelines to strategic renewal within large etablished incumbents in the media sector.

Einleitung

1

1

Einleitung: Medienunternehmen im Wandel

Der deutsche Unternehmer Reinhard Mohn, Patriarch des Medienkonzerns Bertelsmann, brachte die Essenz seiner unternehmerischen Mission in folgender Aussage auf den Punkt: „Die Ablehnung eines Risikos ist für ein Unternehmen das größte Risiko“ (Dingemann, 2004). Er beschrieb damit treffend, dass die Erscheinungen Unternehmertum und Risiko untrennbar miteinander verbunden sind und bereitet damit die Bühne für das Thema der vorliegenden Dissertation. Bei den großen, etablierten Medienhäusern im deutschsprachigen Raum handelt es sich vorwiegend um traditionsreiche Familienunternehmen mit einer stark ausgeprägten Organisationskultur. Die Identität der patriarchalisch geführten Firmen beruht bis heute auf dem unternehmerischen Geist ihrer Gründerpersönlichkeiten. Als Leitfiguren übernahmen sie in der jungen Demokratie der Nachkriegszeit entscheidende gesellschaftliche Verantwortung, indem sie sich mit besonderer Verve der Wahrung publizistischer Werte verschrieben. Mit der Herausgabe von seriösen, aufwendig produzierten und sorgfältig recherchierten Presseerzeugnissen beförderten die Verleger die Meinungsbildung in der Bundesrepublik und trugen so als „vierte Gewalt“ des demokratischen Systems zur Bildung der nationalen und regionalen Identität bei (Habermas, 2007). Diese hohe Wertorientierung wurde in den Medienunternehmen in einer intensiv gelebten Organisationskultur sichtbar, welche das Fundament für die Entwicklung von Kernkompetenzen und damit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen darstellte. Diese Entwicklung wurde dadurch begünstigt, dass die Unternehmen in einem Umfeld agierten, das sich während einer langen Periode durch stabiles Wachstum, hohe Gewinnmargen und wohldefinierte Marktgrenzen auszeichnete (Quotation 8:1). Die statische Marktentwicklung suggerierte eine hohe Planungssicherheit und begünstigte so die Herausbildung einer zunehmenden Unflexibilität der Organisationen in Bezug auf unternehmerische Entscheidungen. Vor dem Hintergrund des kontinuierlichen Wachstums im Kerngeschäft bestand für die Firmen schlichtweg keine Notwendigkeit, neue Chancenpotenziale zu erschließen. Dadurch verlernten sie die Fähigkeit, kontinuierlich zu innovieren und sich strategisch zu erneuern. Fehlende Innovationsanreize wurden so schließlich zur Quelle „organisationaler Trägheit“ (C. M. Christensen, 2003). Michael Grabner, langjähriger Geschäftsführer der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, beklagte denn auch die hohe Innovationsresistenz der Branche: Es gäbe

2

Einleitung

schon „einen Aufstand, wenn mal jemand eine Schachecke in die Zeitung einstellt“ (Busse, 2008). Die Ära der Stabilität im Medienmarkt ist lange passé. Die Evolution des Internets zum Massenmedium kommt für die Etablierten der Branche einer tiefen Zäsur gleich, da die technologische Entwicklung bewirkte, dass die Konsumenten in Scharen ins „Netz“ abwanderten. Damit konkurrieren die Medienhäuser heute nicht mehr in einem eindeutig abgrenzbaren Markt, sondern stehen mit Suchmaschinen, sozialen Netzwerken sowie Video- und Musikplattformen im intensiven Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Mediennutzer. Angebotsseitig löst die durch den technologischen Wandel induzierte Medienkonvergenz den Eintritt neuer Wettbewerber aus, die in immer kürzeren Zyklen innovative Geschäftsmodelle und Produkte entwickeln. Auf der Nachfrageseite führen die Fragmentierung der Mediennutzung, die geringe Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für digitale Inhalte und die niedrigen Umstellungskosten beim Anbieterwechsel zu einer hohen Unsicherheit. Diese schlägt sich in einer steigenden Marktvolatilität nieder und wird durch die Verkürzung der Innovationszyklen noch dramatisch verstärkt. Im dynamischen Umfeld, in dem radikale Innovationen traditionelle Geschäftsmodelle in Frage stellen, wurde die zwischenzeitlich verkümmerte Fähigkeit, die eigene Wettbewerbsbasis zu erneuern, schnell zur Gefahr für die Etablierten der Branche. Getrieben von der Angst, ihre Wettbewerbsbasis zu verlieren, reagierten die Unternehmen äußerst schnell und rigide auf die Neuerungen. Sie engagierten sich bereits frühzeitig in den digitalen Märkten, indem sie Inhalte aus ihren Printprodukten überwiegend unverändert ins „Netz“ stellten. Im digitalen Zeitalter angekommen, mussten die Medienhäuser zur Kenntnis nehmen, dass im Internet grundlegend andere Spielregeln als in ihrem angestammten Printgeschäft gelten. Die herkömmlichen Geschäftsmodelle funktionierten im Netz nicht mehr und die hohen Kosten für den Aufbau der Online-Pendants standen in keinem Verhältnis zu der zunächst noch verschwindend geringen Nutzerbasis. Überhaupt war niemand bereit, Geld für Online-Inhalte aufzuwenden. Erprobte Routinen wurden so redundant, fundamentale Axiome des Kerngeschäfts hielten nicht mehr, und klassische Führungsansätze mussten überdacht werden. Kurz: Die Art und Weise, wie nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufgebaut und verteidigt wurden, hatte sich grundlegend verändert. Um in der digitalen Welt erfolgreich zu sein, mussten neue Rezepte gefunden werden.

Einleitung

3

Die Medienunternehmen haben inzwischen zunehmend realisiert, dass ihr langfristiger Bestand von der Fähigkeit abhängt, die Wettbewerbsbasis strategisch zu erneuern und so der rasanten Veränderung der externen Rahmenbedingungen proaktiv zu begegnen. Neueste Entwicklungen erhärten den Verdacht, dass sich der Wandel der etablierten Medienhäuser bereits in vollem Gange befindet. In jüngster Vergangenheit zeichnete sich der Trend zu einer stärkeren Betonung finanzieller Interessen ab. Dies äußerte sich vor allem darin, dass immer häufiger Betriebswirte in der Verantwortung deutscher Medienhäuser stehen (Elger, 2007). Dieser Prozess könnte langfristig durch das Problem fehlender Nachfolgeregelungen in den Familienunternehmen beschleunigt werden (Hubert Burda im Interview: „Mein Vater ist oft an mir verzweifelt“, 2005). Die Tendenz einer stärkeren Gewinnorientierung wird in den neusten Entwicklungen der Medienbranche im nordamerikanischen Raum besonders greifbar. Die Akquisition mehrerer Renommee-Blätter durch Finanzinvestoren, die in aller Regel Restrukturierungsmaßnahmen nach sich zogen, nährte Befürchtungen eines deutlichen Verlusts an publizistischer Qualität (Piper, 2008; Schön, 2008). Auch in Deutschland gibt es erste Übernahmen, die nach ähnlichem Muster ablaufen. Dem Verkauf der Hamburger Morgenpost und der Berliner Zeitung an die vom britischen Verleger David Montgomery geführte Mecom-Group folgten postwendend massive Konsolidierungsanstrengungen und Massenentlassungen in den Redaktionen. Solch einschneidende Maßnahmen können dabei nicht ohne Auswirkungen auf die journalistische Qualität der beiden Titel bleiben (Luley, 2008). Diese Entwicklungen führen das Spannungsfeld in Bezug auf das unternehmerische Zielsystem, in dem sich die großen, etablierten Medienunternehmen heute bewegen, eindrücklich vor Augen. Sparkurse und Konsolidierungsinitiativen können nicht die einzige Antwort auf die Veränderungen der vergangenen Dekade bleiben. Um den langfristigen Bestand von Medien mit qualitativ hochwertigen Inhalten zu sichern, müssen sich die Unternehmen strategisch erneuern. Die Führungskräfte sollten dabei ihre strategischen Optionen genau prüfen. Wie bereits erläutert wurde, ist organisches Wachstum im Kerngeschäft angesichts der gesättigten Medienmärkte durch die reine Anwendung der immer gleichen Geschäftsmodelle mithilfe eingeschliffener Routinen in althergebrachten Strukturen schwierig. Wie das Beispiel der durch die KEK1 und 1

Bei der KEK handelt es sich um die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (vgl. http://www.kek-online.de). In ihrem Beschluss vom 10. Januar 2006 wurden

4

Einleitung

dem deutschen Kartellamt2 untersagten Akquisition der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel Springer AG zeigt, sind dem Wachstum über Fusionen und Akquisitionen im inländischen Medienmarkt aus kartellrechtlichen Gründen ebenfalls enge Grenzen gesetzt. Neben einer weiteren Internationalisierung, die sich im europäischen Ausland angesichts bereits verteilter Insider-Märkte schwierig gestalten dürfte, bleibt organisches Wachstum im Bereich der digitalen Medien die einzig gangbare Alternative zur Wertgenerierung in Medienunternehmen. Die enorme Komplexität und gestiegene Unsicherheit stellen hohe Anforderungen an die verantwortlichen Manager der Medienunternehmen. Übermäßiger Aktivismus ist fehl am Platz. Hier hakt die vorliegende Arbeit ein: Der Autor der Dissertation hat die Absicht, anhand der Einzelfallstudie und der sich anschließenden Theorie-PraxisSynthese Unternehmer, Führungskräfte und Verantwortungsträger der Medienzunft vielversprechende Optionen zur strategischen Erneuerung ihrer Organisationen aufzuzeigen.

1.1 Zielsetzung: Praktischer und theoretischer Beitrag Die Dissertation setzt an der im vorigen Abschnitt aufgezeigten praktischen Relevanz des Themas an und verfolgt eine doppelte Zielsetzung: Einerseits sollen die Erkenntnisse aus der empirischen Analyse Praktikern aus der Medienindustrie als Leitlinien für die strategische Erneuerung ihrer Unternehmen dienen. Andererseits leistet die Studie einen Beitrag zur aktuellen wissenschaftlichen Diskussion im Feld des Corporate Entrepreneurship. Neben Führungskräften der Medienindustrie richtet sich die vorliegende Arbeit auch an Familienunternehmen anderer Branchen, die sich nach einer ausgedehnten Phase hoher Stabilität und stabilen Wachstums unvermittelt mit radikalem Wandel, Diskontinuitäten und hoher Unsicherheit konfrontiert sehen. Sie stellt die Frage, welche organisationsspezifischen Fähigkeiten im dynamischen Umfeld aufgebaut bzw. geschärft werden müssen und wie diese nach einer ausgedehnten Phase hoher Stabilität entwickelt werden können. die geplanten „Beteiligungsveränderungen … nach dem Rundfunkstaatsvertrag … nicht als unbedenklich bestätigt“ und damit die Fusion faktisch untersagt (Dörr et al., 2006, S. 2). 2

Vgl. dazu den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 24. Januar 2006 (Paetow, Teschner & Kundan, 2006).

Einleitung

5

Im Kern der strategischen Erneuerung geht es um die konsequente Identifikation, Bewertung und Umsetzung von unternehmerischen Chancen, die sich letztlich in der Form neuer organisationaler Routinen, Strukturen und Einstellungen der Mitarbeiter manifestieren. Der in dieser Studie entwickelte Ansatz fokussiert dabei bewusst auf die Prozesse der Ressourcenallokation und Strategieformierung, die im Zentrum der strategischen Erneuerung stehen (Bower & Gilbert, 2005). Er bildet einen Rahmen für die Förderung unternehmerischer Aktivitäten und soll damit zur Systematisierung des Kompetenzaufbaus in den Unternehmen beitragen. Mit dem Beispiel der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck zeigt die Studie einen möglichen Weg eines großen, etablierten Medienhauses zum Aufbau neuer Kompetenzen, zu verstärktem organischen Wachstum und damit zur strategischen Erneuerung auf. Insofern stehen primär jene strategischen Initiativen innerhalb der HoltzbrinckGruppe im Zentrum der Untersuchung, die zu Veränderungen der gesamten Organisation führen und für die Entwicklung neuer organisationaler Fähigkeiten von Bedeutung sind. Es wird konkret erklärt, wie in einem Marktregime von hoher Unsicherheit und Komplexität Geschäftsmodelle entwickelt und Investitionsentscheidungen getroffen werden und so neues Unternehmertum entsteht. Da erfahrungsgemäß die Mehrheit der Innovationen am Markt scheitert, ist der Prozess zudem mit vielen Risiken verbunden. Eine systematische Vorgehensweise ist somit eine wichtige Erfolgsvoraussetzung. Die Idee der vorliegenden Studie ist es, ein solches Vorgehen nachzuzeichnen. Das höchst praxisrelevante Thema der strategischen Erneuerung bewegt sich in der Theorie an der Schnittstelle der Disziplinen des Strategischen Managements – genauer dem Feld der Strategieprozessforschung – und des Entrepreneurship – exakter dem Feld des „Corporate Entrepreneurship“ (CE). Das Phänomen ist theoretisch noch weitgehend unerforscht, da Forscher beider Domänen nur einzelne Aspekte aus ihrer jeweiligen Perspektive untersucht haben (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001, S. 480). Die meisten CE-Beiträge sind außerdem deskriptiv-normativer Natur und bisher nicht empirisch abgesichert. Dazu gehören ein Set von in der Academia anerkannten Definitionen und eine Typologie, die verschiedene Formen von CE unterscheidet (Covin & Miles, 1999; Sharma & Chrisman, 1999). Darüber hinaus thematisieren bereits einige wenige empirische Analysen bestimmte Teilaspekte von Corporate Entrepreneurship. Es fehlt aber noch immer ein konsistentes Modell, das den unternehmerischen Prozess in großen, etablierten Organisationen systematisiert und dazu

6

Einleitung

ausreichend empirisch fundiert ist (Shane & Venkataraman, 2000, S. 217). Das Problem äußert sich auch darin, dass das CE-Konzept außerhalb der akademischen Gemeinschaft noch überwiegend unbekannt ist (Thornberry, 2001). Einen empirisch validierten Ansatz brachte dagegen nur die Strategieprozessforschung hervor. Der bekannteste Bezugsrahmen, der von Bower, Burgelman und Gilbert stammt, beschäftigt sich vor allem mit dem Phänomen des „Internal Corporate Venturing“. Die Erscheinung des „Strategic Renewal“, die hier im Zentrum des Interesses steht, lässt dieser aber weitgehend aus (Bower, 1970a, 1970b; Burgelman, 1983a, 1983b, 1984a, 1984b). Da das Modell trotzdem einen guten Ansatzpunkt für die Konzeption der empirischen Untersuchung bietet, knüpft die vorliegende Studie an der neuesten, revidierten Variante des Modells an (Bower & Gilbert, 2005).3 Aufgrund der steigenden Dynamik in den Märkten, der schnelleren Technologieentwicklung und dem zunehmenden Alter vieler Unternehmen, das meist mit organisationaler Trägheit einhergeht, gewinnt die Forschung am Übergang zwischen Entrepreneurship und Strategischem Management zunehmend an Bedeutung. Wie mehrere Autoren fordern, muss in der Zukunft ein ganzheitlicher Ansatz entwickelt werden, um als Basis für weitere Forschungen auf dem Feld gelten zu können (Covin & Miles, 1999, S. 60; Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001, S. 488; Ireland, Reutzel & Webb, 2005, S. 564; Shane & Venkataraman, 2000, S. 224). Einen wesentlichen Vorstoß unternahmen die namhaften Wissenschaftler Michael Hitt und Dan Schendel mit der Gründung des „Strategic Entrepreneurship Journal“ zu Beginn des Jahres 2007 (Schendel & Hitt, 2007). Sie etablieren damit das gleichlautende Forschungsfeld und setzen an der aktuellen wissenschaftliche Diskussion beider Disziplinen an. Ihr Ziel ist es, durch eine integrative Sicht beider Felder einen ganzheitlichen Ansatz für „Strategic Entrepreneurship“ zu entwickeln. In diesem Feld nun will die vorliegende Studie einen wesentlichen Beitrag leisten. Da es jedoch noch vergleichsweise jung ist, wird ein qualitativer Ansatz auf Basis einer Einzelfallstudie verfolgt. Folglich handelt es sich um eine explorativ angelegte Arbeit mit dem primären Ziel der Theoriegenerierung bzw. -erweiterung. Mithilfe der

3

Für eine ausführliche Darstellung des verwendeten Modells und seiner Weiterentwicklung vgl. Kap. 4, für die methodische Herangehensweise mit dem Einsatz eines konzeptionellen Bezugsrahmens vgl. Kap. 5.2.

Einleitung

7

Methode der Grounded Theory werden zentrale Kategorien, Konstrukte und Wirkungszusammenhänge des Phänomens der strategischen Erneuerung in einem spezifischen Industriekontext identifiziert und Ableitungen für die Kompetenzentwicklung in großen, etablierten Unternehmen gebildet. Die besonderen Eigenschaften eines traditionsreichen, weit diversifizierten Medienhauses machen die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck für eine Untersuchung im Feld „Strategic Entrepreneurship“ besonders interessant. Wie schon in der Einleitung erläutert, befindet sich das Unternehmen nach einer langen Phase der Stabilität derzeit in einer Situation diskontinuierlichen Wandels und steht damit stellvertretend für andere Medienunternehmen, die vor der Herausforderung einer strategischen Erneuerung stehen.

1.2 Forschungsfragen Die Forschungsfragen wurden zunächst deduktiv aus dem Forschungsinteresse für das Konzept des Corporate Entrepreneurships und der Idee, Medienunternehmen zu untersuchen, entwickelt. Anschließend wurde – einem induktiven Ansatz folgend – die Forschungsfrage in Expertengesprächen mit Praktikern aus verschiedenen Medienunternehmen konkretisiert und auf deren aktuelle Situation bezogen. Es stellte sich heraus, dass die Prozesse der Ressourcenallokation und Strategieformierung von zentraler Bedeutung für die Analyse des Untersuchungsgegenstands sind. Daher wurde der Falluntersuchung ein konzeptioneller Bezugsrahmen in Form des bewährten Strategieprozessmodells von Bower, Burgelman und Gilbert zugrunde gelegt, der als „theoretisches Sprungbrett“ für die empirische Untersuchung diente (Bower, 1970a, 1970b; Bower & Gilbert, 2005; Burgelman, 1983a, 1983b, 1984a, 1984b). So wurde versucht, mit dem Thema an aktuelle Forschungen an der Schnittstelle von Entrepreneurship und Strategischem Management anzuschließen und gleichzeitig eine für die Praxis zentrale Problemstellung zu formulieren. Basierend auf dem Bezugsrahmen leistet die vorliegende Dissertation erstens eine empirisch fundierte Darstellung der Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozesse des Fallunternehmens. Aus dieser vorwiegend deskriptiven Analyse wird abgeleitet, welche organisationsspezifischen Fähigkeiten für die strategische Erneuerung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck von übergeordneter Bedeutung sind und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden mussten. Drittens werden diese Erkenntnisse in praktischen Handlungsempfehlungen für die strategische

8

Einleitung

Erneuerung von Medienunternehmen und einer Erweiterung des konzeptionellen Bezugsrahmens verdichtet. Auf dem Forschungsziel und der Problemeingrenzung aufbauend lautet die forschungsleitende Frage dieser Studie wie folgt: Wie können große, diversifizierte Medienunternehmen, die diskontinuierlichem Wandel unterliegen, durch systematische Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozesse unternehmerische Chancen identifizieren, bewerten und in innovativen Geschäftsmodellen umsetzen, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen? Das Sub-Set zu dieser Forschungsfrage behandelt folgende Teilaspekte: • Welche exogenen (Produkt- und Kapitalmarkt-Kontext) und endogenen Faktoren (struktureller und strategischer Kontext) wirken auf den Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozess? • Wie kann das Top-Management den strukturellen und strategischen Kontext des Unternehmens (z. B. Anreizsysteme, Freigabekompetenzen bei Investitionsentscheidungen, Kommunikationsstrukturen) gezielt beeinflussen, um den veränderten Bedingungen des Produkt- und Kapitalmarktkontexts zu begegnen? • Welche dynamischen Fähigkeiten und muss das Unternehmen entwickeln, um unternehmerisches Engagement im Unternehmen zu fördern und sich kontinuierlich strategisch zu erneuern, und welche organisationalen Voraussetzungen für den Kompetenzaufbau muss es schaffen? • Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozessen und der tatsächlich realisierten Strategie des Unternehmens?

Einleitung

9

1.3 Abgrenzung der Thematik Die Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem Thema stellen, können in der vorliegenden Studie nicht vollumfänglich analysiert werden. Vielmehr beschränkt sich der Autor auf die Prozesse der Ressourcenallokation, Strategieformierung und Kompetenzentwicklung, welche die Basis für die Identifizierung, Bewertung und Umsetzung neuer Ideen zu innovativen Geschäftsmodellen sind und im Zentrum des Phänomens der strategischen Erneuerung stehen. Aus dem in der Einleitung skizzierten Zielsystem von Medienunternehmen, das neben finanziellen Zielen meist auch auf verlegerische Ansprüche von seriösem Qualitätsjournalismus gerichtet ist, leiten sich zahlreiche normative Fragen ab: Welche Priorität genießen die finanziellen Interessen der Eigentümer? Welchen Stellenwert nimmt dagegen die publizistische Verantwortung ein? Obwohl diese Fragestellungen höchst interessant und relevant sind, können diese normativen Punkte „guter“ Unternehmensführung in der vorliegenden Studie nicht näher thematisiert werden. Sie konzentriert sich ausschließlich auf die strategische Ebene des Managements. Gleichwohl zeigt das hier beschriebene Spannungsfeld die Bedeutung und Aktualität des Themas der Dissertation auf: Eine klare normative Vision und strategische Ausrichtung bedingen einander. Vielmehr noch ist eine normative Wertorientierung eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche strategische Unternehmensführung (Ulrich, 2001). Im Sinne eines Instrumentariums zur strategischen Erneuerung soll diese Studie daher einen Beitrag dazu leisten, klare normative Vorstellungen von verlegerisch „richtiger“ Führung umsetzen zu können. Die persönlichen Einstellungen und Verhaltensweisen der Manager von Medienunternehmen sind in diesem Rahmen von sekundärer Bedeutung. Diese wissenschaftliche Diskussion, deren Untersuchungseinheit der Mitarbeiter im Großunternehmen an sich ist, firmiert unter dem Titel „Intrapreneuring“ und ist bereits hinreichend untersucht worden (Doh & Pearce, 2004; Hornsby, Kuratko & Zahra, 2002; Jones & Butler, 1992; Pinchot, 1985; Russell, 1999). Es geht dabei um die Frage, wie man Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen bindet, indem man sie zu „Mitunternehmern“ macht. Der Aspekt der Mitarbeiterbeteiligung spielt in der vorliegenden Arbeit ebenfalls eine wichtige Rolle. In Abgrenzung zu anderen Studien fokussiert sie aber primär die organisationale Ebene, indem sie Prozesse, Routinen und Strukturen zur verstärkten Einbindung der Mitarbeiter untersucht.

10

Einleitung

Darüber hinaus ist eine reine Branchenbetrachtung, in der die Rahmenbedingungen der Medienindustrie analysiert werden, nicht das primäre Anliegen dieses Forschungsprojekts. Die allermeisten Studien über die deutsche Medienbranche legen ihrer Betrachtung eine solche „marktbasierte“ Sichtweise zugrunde (Sjurts, 2002; Scherf, Neus, Tietz & Wäsche, 2008; Röper, 2004). Während die meisten wissenschaftlichen Beiträge über die deutsche Medienindustrie also einen industrieökonomischen Ansatz verfolgen, liegt dieser Studie die ressourcenbasierte Perspektive zugrunde. Es geht darum, das Phänomen der strategischen Erneuerung exemplarisch am Beispiel eines Medienunternehmens und dessen Ressourcenbasis zu erklären. Dieses Vorgehen unterstreicht somit den Neuigkeitswert der Dissertation. Die Internationalisierungsstrategien von Medienkonzernen werden in dieser Studie nur insoweit thematisiert, wie sie zur Diskussion der Ressourcenallokation, Strategieformierung und Kompetenzentwicklung beitragen. Das Feld der Internationalisierung wird also weitgehend ausgeklammert, da hierzu bereits mehrere Studien vorliegen (Habann & Herrmann, 2006; Sjurts, 2004, S. 22-29; Schroeder, 1994; Schulte-Hillen, Ganz & Althans, 2001). Schließlich soll an dieser Stelle betont werden, dass es sich um eine qualitativexplorativ angelegte Studie handelt, die keinen Anspruch auf statistische Repräsentativität erhebt. Die Erkenntnisse der Arbeit lassen sich im Einzelfall analytisch für Unternehmen der Medienindustrie, Familienunternehmen anderer Branchen (funktionale Abgrenzung), und speziell für den deutschsprachigen Raum (regionale Abgrenzung) generalisieren. Diese Frage wird ausführlich im methodischen Teil in Kapitel 5 behandelt.

1.4 Aufbau Die vorliegende Dissertation gliedert sich in vier Teile: Teil I der Dissertation bereitet die theoretische Basis für die Analyse des Phänomens der strategischen Erneuerung. Neben definitorischen Grundlagen und der Präsentation des aktuellen Stands der Corporate Entrepreneurship-Debatte wird mit dem „Capability-based View“ sowohl das der Studie zugrunde liegende Paradigma dargelegt als auch das Konzept der dynamischen Fähigkeiten eingeführt, das für die empirische Analyse von zentraler Bedeutung ist. Schließlich wird das deskriptive Strategieprozessmodell von Bower, Burgelman und Gilbert als konzeptioneller Bezugsrahmen für die Datenerhebung und analyse vorgestellt (Bower & Gilbert, 2005).

Einleitung

11

Im zweiten Teil der Studie werden die methodischen Grundlagen für den Gang ins Feld gelegt. Wichtige Eckpunkte der explorativen Forschungsstrategie auf Basis einer Einzelfallstudie sind der Einsatz von teilstandardisierten Leitfadeninterviews als primäre Methode der Datenerhebung sowie des Grounded Theory-Ansatzes als Methode der qualitativen Datenanalyse, die mithilfe der Software ATLAS.ti durchgeführt wurde. Den Kern der Dissertation bildet der dritte Teil, in dem die Ergebnisse der empirischen Analyse von Ressourcenallokation und Strategieformierung bei der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck dargestellt werden. Dabei orientiert sich der empirische Teil stark an der Struktur des verwendeten konzeptionellen Bezugsrahmens. Kapitel 7 befasst sich mit den exogenen Kontextfaktoren (Produkt-/Markt-Kontext, Kapitalmarkt-Kontext). Kapitel 8 und 9 umfassen eine Vorstellung des Fallunternehmens, die Analyse der endogenen Kontextfaktoren (strategischer Kontext, struktureller Kontext), sowie der Kernprozesse der Ressourcenallokation und Strategieformierung. In Kapitel 10, das im Sinne einer Synthese und Ergebnisdiskussion einen Bogen von der Ressourcenallokation und Strategieformierung zur Entwicklung organisationsspezifischer Kompetenzen schlägt, werden schließlich sieben dynamische Fähigkeiten identifiziert, die für die strategische Erneuerung von Holtzbrinck und den Aufbau strategischer Erfolgspositionen von übergeordneter Bedeutung sind. Während die Kapitel 7 und 8 überwiegend deskriptiven Charakter aufweisen, folgen Kapitel 9 und 10 einer explorativen, theoriebildenden Logik, indem der konzeptionelle Bezugsrahmen im Bereich der Kernprozesse und der auf ihn wirkenden Kontextfaktoren ausdifferenziert und im Bereich der Ergebnisvariable um den Aspekt der Entwicklung dynamischer Fähigkeiten erweitert und diese dadurch präzisiert wird. Der vierte und letzte Teil schließt die Studie mit einer Zusammenfassung zur strategischen Erneuerung von Medienunternehmen ab. Dabei werden zunächst die Folgerungen für Praxis und Theorie getrennt dargestellt, bevor die theoretischen und methodischen Grenzen der Arbeit aufgezeigt werden. Ein Ausblick auf potenzielle zukünftige Forschungsthemen im Zusammenhang mit dem Phänomen der strategischen Erneuerung beendet den letzten Teil. Abbildung 1-I umreißt den Aufbau der Dissertation.

12

Einleitung

Teil

Kapitel

Einleitung

Theoretischer Rahmen

Forschungsfeld: Strategic Entrepreneurship

Basiskonzepte

Konzeptioneller Bezugsrahmen

Forschungsdesign und empirische Methoden

Forschungsdesign

Empirische Methoden & Gütekriterien

Aufbau der Dissertation

Fallstudie

Exogene Kontextfaktoren: Medienindustrie

Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck

Endogene Kontextfaktoren: RAP & Strategieformierung

Diskussion: Entwicklung dynamischer Fähigkeiten

Fazit und Ausblick

Praktische Implikationen: Strategische Erneuerung

Theoretische Implikationen: Entwicklung dynamischer Fähigkeiten

Theoretische & methodische Grenzen

Zukünftige Forschungsthemen und Ausblick

Anhang

Empirische Erhebung

Leitfaden für teilstandardisierte Interviews

Ergebnisse der Datenanalyse

Daten zum Medienmarkt in Deutschland

Legende

Desk Research Field Research

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 1-I

Aufbau der Dissertation

Theoretischer Rahmen

Teil I

13

Theoretischer Rahmen

Im folgenden Teil wird die Studie in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion eingeordnet. Die theoretische Aufarbeitung ist dabei von besonderer Bedeutung, da sich die Dissertation an der Schnittstelle zweier Forschungsfelder – der Disziplin des Strategischen Managements und der Entrepreneurship-Forschung – bewegt. Diese beiden Felder lassen sich wiederum nicht eindeutig zu bestimmten Wissenschaftsdisziplinen zuordnen. Sie gehen auf verschiedenste Ansätze und Hintergrundtheorien zurück, die bspw. der Organisationstheorie, der Psychologie, der Soziologie, der Anthropologie und der Ökonomie entstammen (Low & MacMillan, 1988). Diese Vielfalt zeigt schon, dass es in dieser Literaturaufarbeitung nicht darum gehen kann, einen lückenlosen Überblick der Felder Corporate Entrepreneurship und Strategisches Management zu geben. Das Ziel der folgenden Übersicht ist daher enger gefasst: Der erste Teil der Dissertation soll dem Leser ein einheitliches Vorverständnis der Thematik ermöglichen sowie die für die Studie zentralen Konzepte aus beiden Disziplinen darstellen und aufzeigen, an welcher Stelle der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion diese Dissertation ansetzt.4 Warum setzt diese Arbeit an der Schnittstelle von Entrepreneurship-Forschung und Strategischem Management an? Ausgangspunkt war – wie bereits in der Einleitung dargestellt – zunächst die praktische Problemstellung, die sich im Zusammenhang mit der Situation der Medienindustrie stellt. Der Kern der Problematik liegt in der Frage, wie Medienunternehmen unternehmerische Chancen nutzen können, um sich strategisch zu erneuern. Der Corporate Entrepreneurship-Ansatz ist deshalb ein idealer Bezugsrahmen für die Analyse der Situation in der Medienbranche, weil er auf die Identifikation, Bewertung und Nutzung bisher ungenutzter Chancen abstellt (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001, Abschn. 2.2) und daher die Problematik, in der sich die 4

Bei der Konzeption der Forschungsfragen wurde besonders auf die Anschlussfähigkeit der Forschungsfragen geachtet, um einen maximalen Erkenntnisfortschritt zu erzielen (Spoun & Domnik, 2004, S. 86). Durch das gezielte Anknüpfen dieser Studie an ausgewählte Beiträge der Corporate Entrepreneurship- und Strategieprozessforschung wird der in jüngster Zeit immer wieder geäußerten Kritik einiger prominenter amerikanischer Entrepreneurship-Wissenschaftler an der europäischen Forschung Rechnung getragen. Diese kritisieren, dass im europäischen Raum zu wenig auf die Beiträge anderer Wissenschaftler eingegangen würde, dadurch kein fruchtbarer Forschungsdialog entstünde und in letzter Konsequenz der Erkenntnisfortschritt in vielen Feldern der Forschung zu gering ausfiele (Gartner, 2007; Gartner, Davidsson & Zahra, 2006).

14

Theoretischer Rahmen

Medienunternehmen befinden, adäquat abbilden kann. Thornberry (2001, S. 2) stellt fest: „Corporate Entrepreneurship can be a powerful antidote to large company staleness, lack of innovation, stagnated top line growth, and the inertia that often overtakes the large, mature companies of the world.” Die von Thornberry genannten Eigenschaften treffen allesamt auf die traditionellen Medienhäuser zu, die sich nun schnellem, diskontinuierlichen Wandel ausgesetzt sehen. Im zweiten Kapitel wird zunächst der aktuelle Stand der Forschung umrissen, in dessen Fokus die Diskussion zu „Strategic Entrepreneurship“ steht. In Kapitel 3 werden die für die Dissertation zentralen Grundkonzepte vorgestellt sowie Begriffe und Konstrukte definiert. Aus Platzgründen werden nur die Konzepte dargestellt, welche später auch als Erklärungsansätze für die Dissertation dienen und daher unerlässlich für die vorliegende Arbeit sind. Es wird jeweils begründet, warum gerade diese Konzepte für die Studie zentrale Bedeutung haben. In Kapitel 4 wird das Modell des Ressourcenallokationsprozesses von Bower, Burgelman und Gilbert als konzeptioneller Bezugsrahmen für die empirische Analyse des Fallunternehmens eingeführt.

Theoretischer Rahmen

2

15

Das Forschungsfeld Strategic Entrepreneurship: Gemeinsame Schnittstelle von Strategieprozessforschung und Entrepreneurship-Disziplin

Um ein Verständnis für den Kontext der Entrepreneurship-Theorie zu erhalten, soll hier zunächst auf die Wurzeln des Forschungsfelds rekurriert werden. In groben Zügen werden die herausragenden Meilensteine vorgestellt und in Bezug zur vorliegenden Arbeit gesetzt. Dieses Vorgehen ermöglicht zu einem späteren Zeitpunkt eine gezielte Theorieanalyse, die alle wichtigen Aspekte von Corporate Entrepreneurship erfasst und die Arbeit in einem größeren Ganzen platziert.

2.1 Entrepreneurship In Anlehnung an Busenitz et al. (2003) und Shane & Venkataraman (1997, 2000) wird das Feld Entrepreneurship definiert als „die wissenschaftliche Untersuchung der Frage wie, durch wen, und mit welchen Effekten unternehmerische Chancen, wie neue Produkte oder Dienstleistungen, identifiziert, bewertet, und genutzt werden können“ (Busenitz et al., 2003; Shane & Venkataraman, 2000, S. 218; Venkataraman, 1997) Diese Definition bezieht sich im Vergleich zu früheren Definitionen nicht nur auf das Individuum, also den Unternehmer als Person, sondern trägt auch einem zweiten Phänomen Rechnung; nämlich der Existenz ungenutzter unternehmerischer Chancen. So sind sowohl mögliche Quellen von solchen Chancen und die Prozesse der Identifizierung, Bewertung und Nutzung dieser Chancen („identification, selection and exploitation of opportunities“), als auch die Individuen, die in diesen Prozess eingebunden sind, Gegenstand der Betrachtung der Entrepreneurship-Disziplin. Shane & Venkataraman (2000, S.218) identifizieren drei Forschungsfragen, die Organisationstheoretiker untersuchen: Erstens die Frage, warum, wann und wie Chancen für neue Produkte oder Dienstleistungen entstehen („emergence, growth“); zweitens warum, wann und wie gewisse Individuen und nicht andere diese Chancen entdecken und nutzen („individual characteristics of the entrepreneur“); und drittens warum, wie und wann verschiedene Handlungsmuster angewendet werden, um diese Chancen zu nutzen („entrepreneurial processes, modes of organization“; Shane & Venkataraman, 2000). Mit letzterer Frage beschäftigt sich das vorliegende Dissertationsprojekt. Es soll folglich der Prozess untersucht werden, der die Bündelung vorhandener und neuer Ressourcen bzw. Kompetenzen sowie deren konsequenten Einsatz mit dem Ziel der

16

Theoretischer Rahmen

Realisierung von zuvor ungenutzten Marktpotenzialen involviert. Entrepreneurship kann verstanden werden als “context-dependent social process through which individuals and teams create wealth by bringing together unique packages of resources to exploit marketplace opportunities” (Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001, S. 51-52). Diese Definition weist bereits darauf hin, dass in dieser Studie die ressourcenbasierte Perspektive eingenommen wird und der Autor an die Strategieprozessforschung anschließt.5 Nicht untersucht wird hingegen die Person des Unternehmers per se. Diese Diskussion ist Gegenstand vieler anderer Studien wie auch der Schumpeter’schen Überlegungen (Schumpeter, 1935) und soll hier nicht weiter thematisiert werden. Die Analyse der vorliegenden Studie beschränkt sich auf die Organisationsebene.

2.2 Corporate Entrepreneurship (CE) Bei der wissenschaftlichen Diskussion des Themas Corporate Entrepreneurship stellt sich zunächst ein zentrales Problem: Was genau ist unter dem Begriff überhaupt zu subsumieren? Während sich sowohl Theoretiker als auch Praktiker einig sind, dass das Konzept einen vielversprechenden Weg zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und damit neuem Wachstum darstellt, besteht bezüglich der Frage, wann eine Firma als „unternehmerisch“ bezeichnet werden kann und was darunter genau zu verstehen ist, wenig Konsens (Fueglistaller, Müller & Volery, 2004, S. 202). Ein einheitlicher theoretischer Rahmen für CE existiert auch zum heutigen Zeitpunkt noch nicht. Viele Autoren fordern daher eine stärkere empirische Absicherung der zumeist normativ hergeleiteten Konstrukte, deren wiederum viele existieren, sowie eine Vereinheitlichung der Begriffe mit dem Ziel der Schaffung einer gemeinsamen Verständigungsbasis (Gartner, Davidsson & Zahra, 2006; Grégoire, Noel, Déry & Béchard, 2006; Ireland & Webb, 2007). Deshalb wird in diesem Abschnitt zunächst auf das CEKonzept selbst eingegangen, bevor anschließend eine Typologie verschiedener Formen von CE vorgestellt wird. Während die Entrepreneurship-Debatte sehr weit gefasst ist, bezieht sich der Terminus Corporate Entrepreneurship auf eine Diskussion, die sich lediglich auf spezielle Modi unternehmerischer Aktivität konzentriert. CE fokussiert auf bestehende Organisationen

5

In Kap. 4 wird auf die zugrunde liegende Perspektive ausführlich eingegangen.

Theoretischer Rahmen

17

(Fueglistaller, Müller & Volery, 2004, S. 201) und geht von der Annahme aus, dass es mit zunehmender Größe und zunehmendem Alter der Unternehmen zu „organisationaler Trägheit“ kommt (C. M. Christensen, 2003). Diese Ermüdungserscheinungen, die im schlimmsten Fall zum Stillstand der Unternehmensentwicklung führen, verhindern nicht nur weiteres Wachstum, sondern machen die betroffenen Firmen für Konkurrenten und neue Wettbewerber angreifbar. Der unternehmerische Geist soll mittels Innovation erhalten bzw. zurückgewonnen werden. “CE is a key means of accumulating, converting, and leveraging resources for competitive purposes such as developing product, process, and administrative innovations to rejuvenate and redefine the firm and its markets or industries” (Floyd & Woolridge, 1999; Covin & Miles, 1999). CE befasst sich daher mit der Erneuerung bzw. Verjüngung von bestehenden Organisationen. Das Konzept wird als ein “…set of activities, attitudes, and actions to regain entrepreneurial spirit” verstanden (Sharma & Chrisman, 1999, S. 11-27; Thornberry, 2001, S. 1). In einem, für die weitere Forschung auf dem Feld zentralen, Beitrag definieren Sharma & Chrisman (1999) CE als “…the process whereby an individual or a group of individuals, in association with an existing organization, create a new organization, or instigate renewal or innovation within that organization” (Sharma & Chrisman, 1999, S. 18). 2.2.1 Die Rolle des Innovationsbegriffs in der CE-Diskussion Das Innovationskonzept ist im CE-Kontext besonders bedeutend, weil es anerkannter Maßen den kleinsten gemeinsamen Nenner von Entrepreneurship darstellt (Covin & Miles, 1999, S. 47). Innovation ist das zentrale Instrument des CE-Konzepts und die wichtigste Komponente der Unternehmensstrategie (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001). Es ist Prozess und Produkt zugleich und steht daher im Zentrum der Analyse von Corporate Entrepreneurship. Leider ist der Begriff schwammig, weil er für die unterschiedlichsten Phänomene verwendet wird. Deshalb wird das Konstrukt für die vorliegende Studie definiert und seine Dimensionen im Rahmen von CE erläutert. Unter „Innovation“ kann das „Produkt einer Erfindung und dessen Kommerzialisierung“ verstanden werden (Afuah, 1998; zit. in Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001, S. 53). Die Existenz von etwas Neuem allein, sei es eine Markt-, Produkt-, oder administrative Neuheit, ist nicht hinreichend. Um von Innovation sprechen zu können, muss eine Idee zur Marktreife entwickelt werden.

18

Theoretischer Rahmen

Der Begriff Innovation kann entlang von zwei verschiedenen Dimensionen klassifiziert werden. Unterschieden wird zwischen Neuigkeitswert (inkrementelle bzw. radikale Innovation; C. M. Christensen, 2003) und Art der Innovation (Produkt-, Prozess- bzw. administrative Innovation; Dess, Lumpkin & McGee, 1999; Hamel, 2006). Die erste Dimension geht auf die Schumpeter’sche Diskussion zurück und wird im Kapitel 3.1 näher beleuchtet. Wie bereits in der CE-Definition von Covin und Miles (1999) zum Ausdruck kommt, können entlang der zweiten Dimension drei verschiedene Innovationsarten unterschieden werden: Produktneuheiten, Prozessverbesserungen und administrative Innovationen. Die meisten Autoren in der CEForschung beziehen sich fast ausschließlich auf die ersten beiden Typen (vgl. z. B. Dougherty, 1992; Leonard-Barton, 1992; Miller & Friesen, 1982; Srivastava & Lee, 2005). “CE incorporates process as well as product innovation. A combination of both strategies is required” (Dess, Lumpkin & McGee, 1999). Hamel (2006) hält dagegen die administrativen Innovationen für die bedeutendste Kategorie. Durch diese Innovationen finden nachhaltige Veränderungen statt, die die gesamte Organisation betreffen. Alternativ zur Bezeichnung „administrative Innovation“ verwendet er den Begriff „Management Innovation“ (Hamel, 2006). Im Rahmen der vorliegenden Studie werden alle drei Innovationsarten untersucht, um wichtige Aspekte nicht zu früh auszuklammern. Hinsichtlich des Neuigkeitsgrads werden radikale Innovationen, die zu Diskontinuitäten für Medienunternehmen führen, im Zentrum der Betrachtung stehen. Außerdem wird in der Diskussion und im Fazit auf Management-Innovationen und die damit zusammenhängende Entwicklung dynamischer Fähigkeiten in den Medienunternehmen eingegangen. 2.2.2 Typologie: Formen von Corporate Entrepreneurship Grundsätzlich werden in der CE-Diskussion drei verschiedene Phänomene unterschieden. Erstens die Entstehung eines neuen Geschäfts innerhalb einer existierenden Organisation („Corporate Venturing“), zweitens die Transformation von gesamten Organisationen durch strategische Erneuerung und eine unternehmerische Philosophie („Strategic Renewal“; Guth & Ginsberg, 1990, S. 5; Covin & Miles, 1999, S. 48; Schaper & Volery, 2004, S. 366) und drittens die Initiierung von Produkt- bzw. Prozessinnovationen im Kontext eines bestehenden Unternehmens (auch „Intrapre-

Theoretischer Rahmen

19

neuring“ genannt; Covin & Miles, 1999, S. 48).6 Abbildung 2-I gibt einen Überblick über die verschiedenen Begriffe, die unter dem CE-Begriff subsumiert werden. Entrepreneurship

Independent Entrepreneurship

Corporate Entrepreneurship

Corporate Venturing

Internal Corporate Venturing

External Corporate Venturing

Dimensions:

• Joint Ventures

• Structural Autonomy

• Spin-offs

• Degree of Relatedness

• Venture Capital Initiatives

• Extent of Innovation

Innovation

Strategic Renewal

• Nature of Sponsorship Quelle: Sharma & Chrisman (1999).

Abbildung 2-I

Definitorische Einordnung von Corporate Entrepreneurship

Im Rahmen dieser Studie ist insbesondere der Fall der strategischen Erneuerung (auch assoziiert mit dem Terminus „Transformation“; Gartner & Brush, 2006) von Bedeutung. Covin & Miles (1999) unterscheiden vier Typen von Corporate Entrepreneurship. Diese werden nachfolgend kurz vorgestellt und in Beziehung zur Differenzierung anderer Autoren gesetzt. Nachhaltige Regeneration Firmen, die sich nachhaltig regenerieren, „regularly and continuously introduce new products and services or enter new markets“ (Covin & Miles, 1999, S. 51). Sie nutzen proaktiv die noch nicht ausgeschöpften Marktpotenziale, um einen ständigen Strom 6

Der Begriff „Intrapreneuring“ wurde maßgeblich von Pinchot geprägt (Pinchot, 1985).

20

Theoretischer Rahmen

von Innovationen zu erzeugen. Diese Unternehmen sind in der Lage, Produkt-MarktPotenziale rechtzeitig zu erkennen und zu kapitalisieren. Beispiele für Firmen, die sich nachhaltig regenerieren sind 3M, Motorola und Mitsubishi, die einen Ruf als „Innovationsmaschinen“ genießen. Diese Unternehmen haben ihre gesamte Organisation, also Kultur, Systeme und Prozesse, unternehmerisch ausgerichtet. Dabei spielen Flexibilität, Agilität und Schnelligkeit eine entscheidende Rolle (Covin & Miles, 1999, S. 51). Wie im Abschnitt 2.2 erläutert wird, handelt es sich um wesentliche Eigenschaften, die Komponenten einer unternehmerischen Orientierung sind. Organisationale Verjüngung Von einer organisationalen Verjüngung wird im Zusammenhang mit CE gesprochen, wenn eine Organisation „seeks to sustain or improve its competitive standing by altering its internal processes, structures, and / or capabilities“ (Covin & Miles, 1999, S. 52). Im Gegensatz zu anderen Formen von CE wird genau dann von einer organisationalen Verjüngung gesprochen, wenn die Innovation lediglich auf die Organisation als solche und nicht auf etwaige strategische Veränderungen zielt. Diese Unterscheidung ist wichtig, da es nicht immer Anpassungen der Strategie bedarf, um eine Organisation unternehmerisch auszurichten. Häufige Manifestationen einer organisationalen Verjüngung sind die Neuordnung einzelner Aktivitäten der Wertschöpfungskette eines Unternehmens (Porter, 1980) oder die Rekombination der internen Ressourcenallokation. Beispiele für Unternehmen, die sich erfolgreich verjüngen, sind Procter & Gamble oder General Electric. Die Innovationen, durch die sich diese und andere Unternehmen verjüngen konnten, führten (1) zu einer dauerhaften Verbesserung von Geschäftsabläufen, (2) zu neuem Wert für die Kunden und (3) erhielten, respektive verbesserten die Fähigkeit der betroffenen Organisation, die verfolgte Strategie umzusetzen (Covin & Miles, 1999, S. 52). Strategische Erneuerung Unternehmen, die sich strategisch erneuern, versuchen ihre Positionierung in den von ihnen bearbeiteten Märkten und gegenüber ihren Wettbewerbern anzupassen, indem sie die Wettbewerbsregeln proaktiv umgestalten. In Abgrenzung zur organisationalen Verjüngung, die Veränderungen der Organisation selbst betrifft, geht es bei der strategischen Erneuerung darum, die Strategien mit Blick auf die externen Rahmenbedingungen zu modifizieren (Covin & Miles, 1999, S. 52). Um von strategischer

Theoretischer Rahmen

21

Erneuerung sprechen zu können, reicht eine rein inkrementelle Anpassung der Produkt-Markt-Strategie nicht aus. Vielmehr müssen die Wettbewerbsbedingungen eines Marktes so verändert werden, dass vorhandene Ressourcen effektiver eingesetzt bzw. ungenutzte Chancen besser verwertet werden. Das Phänomen der strategischen Erneuerung kann beispielsweise in Turnaround-Situationen beobachtet werden: Nach stetem Rückgang der Verkaufszahlen in der Motorrad-Branche hat sich Harley Davidson grundlegend erneuert, indem der amerikanische Traditionsproduzent klassischer Motorräder massiv in Produkt- und Prozessentwicklung investiert hat und sich als Premiumhersteller mit den Merkmalen ausgezeichnete Qualität, erstklassiger Service und Kundenorientierung positionierte. Zentrales Kriterium für den Fall der strategischen Erneuerung ist also die Existenz einer neuen Strategie, die aktivierend für die Organisation wirkt und zu langfristigen Wettbewerbsvorteilen führt (Covin & Miles, 1999, S. 53). Neudefinition von Geschäftsbereichen Unter „domain redefiniton“ (Covin & Miles, 1999, S. 54) versteht man im CE-Kontext den Fall, in dem ein Unternehmen proaktiv eine Produkt-Markt-Kombination findet, welche andere Wettbewerber bisher noch nicht entdeckt und erschlossen haben. Ziel ist auch hier der Aufbau von langfristig-nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen wie z. B. das Setzen des Industriestandards oder – allgemeiner gefasst – eines Benchmarks für die folgenden Wettbewerber. Zwei verbreitete Formen von „domain redefinition“ sind „bypass strategies“ und „product-market pioneering“ (Covin & Miles, 1999, S. 54). Von ersterer wird gesprochen, wenn ein Akteur den Wettbewerb in eine neue ProduktMarkt-„Arena“ verschiebt, indem er neue Produkte oder Dienstleistungen anbietet. Merrill Lynch hat Anfang der achtziger Jahre einen Allround-Brokerage-Account eingeführt und ist so den Friktionen der Finanzdienstleistungsbranche aus dem Weg gegangen. Die Investmentbank hat zudem den Industriestandard gesetzt. Andere Banken haben über zehn Jahre benötigt, um Merrill Lynchs Vorsprung wieder einzuholen (Covin & Miles, 1999, S. 54). Eine zu Covin und Miles alternative Typologie schlägt Thornberry (2001) vor. Er unterscheidet ebenfalls vier Formen, wobei diese weitgehend mit der Typologie von Covin und Miles korrespondieren (Thornberry, 2001, S. 6-7). „Corporate Venturing“ entspricht der ersten hier vorgestellten Form von CE, „Intrapreneuring“ entspricht der nachhaltigen Regeneration, „Organizational Transformation“ kann der strategischen

22

Theoretischer Rahmen

Erneuerung zugerechnet werden. „Industry Rule Breaking“ kann analog zur Neudefinition von Geschäftsbereichen gesehen werden.7 Obwohl der primäre Fokus der vorliegenden Studie auf das Phänomen der strategischen Erneuerung der Medienunternehmen gerichtet ist, ist a priori nicht klar, welchen der hier vorgestellten Typen die Situation des Fallunternehmens zuzurechnen ist. Deshalb ist ein Ziel der empirischen Analyse, die Situation des Fallunternehmens an der theoretischen Typologie zu spiegeln. Tabelle 2-I gibt abschließend einen Überblick über die verschiedenen Formen von Corporate Entrepreneurship. CE-Typ

Fokus von CE

Basis für Wettbewerbsvorteil

Frequenz der unternehmerischen Aktionen

Stärke des negativen Effekts, falls unternehmerische Aktion nicht erfolgreich

Nachhaltige Regeneration

Neue Produkte oder neue Märkte

Differenzierung

hohe Frequenz

niedrig

Organisationale Verjüngung

Die Organisation selbst

Kostenführerschaft

mittlere Frequenz

niedrig bis mittel

Strategische Erneuerung

Verfolgte Strategie

variiert

geringe Frequenz

mittel bis hoch

Neudefinition von Produkt/ MarktArenen

Schaffung und Ausbeutung neuer Produkt/MarktArenen

Schnelle Antwort auf Veränderungen

selten

variiert

Quelle: Covin & Miles (1999).

Tabelle 2-I

7

Typologie der Formen von Corporate Entrepreneurship

Baden-Fuller und Stopford bezeichnen „industry rule breaking“ als „frame-breaking change“ (Baden-Fuller & Stopford, 1992).

Theoretischer Rahmen

23

2.3 Strategic Entrepreneurship (SE) Corporate Entrepreneurship bewegt sich an der Schnittstelle von EntrepreneurshipForschung und der Disziplin des Strategischen Managements. Es kann sogar behauptet werden, dass CE zuerst von der Strategieprozessforschung beeinflusst wurde. Trotz der Überlappung beider Bereiche haben sich Entrepreneurship-Forschung und Strategisches Management weitestgehend unabhängig voneinander entwickelt (Shane & Venkataraman, 2000; Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001). In jüngster Zeit fordern führende Autoren immer häufiger die Integration beider Felder: “However, to create the most value entrepreneurial firms also need to act strategically. This calls for an integration of entrepreneurial and strategic thinking” (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001, S. 479). Venkataraman und Sarasvathy (2001) bemühen einen, auf Shakespeares „Romeo und Julia“ basierenden, bildhaften Vergleich, um die Vorteile einer integrierten Analyse herauszustellen. Danach sei Strategisches Management, das die EntrepreneurshipFacette außer Acht ließe, wie ein Balkon ohne Romeo. Umgekehrt wäre Entrepreneurship-Forschung, die die strategische Perspektive unterschlage, wie ein Romeo ohne Balkon (Venkataraman & Sarasvathy, 2001). Hitt et al. nennen das Konzept, das beide Sichtweisen integriert, „Strategic Entrepreneurship” (Abk.: SE; Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001; Hitt, 2002; Ireland, Hitt & Sirmon, 2003; Venkataraman & Sarasvathy, 2001). „Strategic Entrepreneurship is entrepreneurial action with a strategic perspective. […] Entrepreneurial action is the Romeo on the balcony“ (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001, S. 480). Im Kontext des SE-Konzepts können unternehmerische von strategischen Aktionen differenziert werden. Ireland et al. (2001) definieren unternehmerische Aktionen wie folgt: “Entrepreneurial actions entail creating new resources or combining new resources in new ways to develop and commercialize new products, move into new markets, and / or service new customers” (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001, S. 480). Als strategische Handlungen können dagegen die Selektion und Implementation der Unternehmensstrategie bezeichnet werden. Im Gegensatz dazu sind unternehmerische Aktionen neue Verhaltensweisen, mittels derer Firmen noch nicht identifizierte oder ausgeschöpfte unternehmerische Chancen nutzen. Das Strategische Management bildet also den Rahmen für unternehmerische Handlungen, die eine nachhaltige Wert-

24

Theoretischer Rahmen

generierung zum Ziel haben (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001; Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001; Kuratko, Ireland, Covin & Hornsby, 2005). Wie aus dem Vergleich mit dem in Abschnitt 2.1 vorgestellten EntrepreneurshipBegriff zu erkennen ist, lehnt sich die hier vorgestellte Definition an diesen an. Sie bezieht sich ebenfalls auf die Kombination bzw. Rekonfiguration von Ressourcen mit dem Ziel der Kommerzialisierung in neuen Märkten und der Kapitalisierung neuer Kundengruppen. Hier wird auch die Verbindung zum Innovationsbegriff deutlich, der ebenfalls die Kommerzialisierungsabsicht des Entrepreneurs voraussetzt. Bei SE handelt es sich nicht um eine in sich geschlossene Theorie, sondern um einen Oberbegriff für verschiedene Themenbereiche, die an der Schnittstelle von Entrepreneurship und Strategischem Management liegen. In mehreren Beiträgen wurden die Forschungsfelder von SE identifiziert, die verschiedene Facetten von Corporate Entrepreneurship beleuchten. Einige Felder wie bspw. die Messung der Unternehmensperformance wurden bereits in der CE-Diskussion behandelt. Andere Felder sind dagegen neu (z. B. organisationales Lernen). Hitt et al. unterscheiden beispielsweise die Felder externe Netzwerke, Ressourcen, organisationales Lernen, Top-Management Teams und Führung sowie Innovation und Internationalisierung (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001, S. 481; Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001). Dess et al. benennen außerdem Performance-Indikatoren, Leadership und soziale Austauschprozesse als weitere Felder (Dess et al., 2003). Der SE-Ansatz ist vor dem Hintergrund des zu untersuchenden Phänomens der strategischen Erneuerung besonders wegweisend für diese Dissertation, in deren Zentrum der unternehmerische Prozess steht. Er trägt der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion Rechnung, in der beide Disziplinen immer häufiger integriert behandelt werden.8 In Tabelle 2-II werden die Forschungsfelder und zentrale Begriffe nochmals zusammenfassend dargestellt.

8

Die Bedeutung des Themas Strategic Entrepreneurship zeigt auch die Gründung einer neuen wissenschaftlichen Publikation, des Strategic Entrepreneurship Journal durch verschiedene namhafte Vertreter der Entrepreneurship-Forschung und des Strategischen Managements (vgl. http://www.smsweb.org, Schendel & Hitt, 2007).

Theoretischer Rahmen

Forschungsfeld / Basisbegriff

Definition

Entrepreneurship

Entrepreneurship is seen as new combinations including the doing of new things or the doing of things that are already being done in a new way. New combinations include (1) introduction of new good, (2) new method of production, (3) opening of a new market, (4) new source of supply, (5) new organizations (Schumpeter, 1935). Entrepreneurship is the ability to perceive new opportunities. This recognition and seizing of the opportunity will tend to “correct” the market and bring it back to equilibrium (Kirzner, 1973). Entrepreneurship research seeks to understand how opportunities to bring into existence future goods and services are discovered, evaluated, and exploited, by whom and with what consequences (Venkataraman, 1997). Context-dependent social process through which individuals and teams create wealth by bringing together unique packages of resources to exploit marketplace opportunities (Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001, S. 51-52).

Corporate Entrepreneurship

[CE is] the process whereby an individual or a group of individuals, in association with an existing organization, create a new organization, or instigate renewal or innovation within that organization (Sharma & Chrisman, 1999, S. 18). [CE is the process] by which members of an existing firm bring into existence products and markets which do not already exist within the firm (Venkataraman, Macmillan & McGrath, 1992).

Strategic Entrepreneurship

All management actions and decisions concerning the creation of new businesses and the related development of innovations from new or reconfigured resources, regardless of the scope of such development efforts (i.e. from startups to large, established firms; Day, 1992; Stevenson & Jarillo, 1990). Strategic Entrepreneurship is entrepreneurial action with a strategic perspective (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001).

Innovation

Innovation is the effort to create purposeful, focused change in an enterprise’s economic or social potential. It is the specific function of entrepreneurship, whether in an existing business, a public service institution, or a new venture started by a lone individual (Drucker, 1985, S. 67, 1998, S. 152) Innovation is the sum of invention plus the commercialization of that invention (Afuah, 1998, zit. in: ; Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001, S. 53).

Strategic Renewal

The label of strategic renewal is used […] to refer to the corporate entrepreneurship phenomenon whereby the organization seeks to redefine its relationship with its markets or industry competitors by fundamentally altering how it competes (Covin & Miles, 1999, S. 52). Transformation of organizations through renewal of the key ideas on which they are built (Guth & Ginsberg, 1990, S. 5).

Entrepreneurial Actions

Entrepreneurial actions entail creating new resources or combining new resources in new ways to develop and commercialize new products, move into new markets, and / or service new customers (Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001; Kuratko, Ireland, Covin & Hornsby, 2005).

Strategic Actions

Strategic actions involve developing and sustaining the competitive advantages needed to exploit entrepreneurial opportunities (Ireland, Hitt & Sirmon, 2003, S. 966).

Tabelle 2-II

Übersicht der Forschungsfelder und zentraler Basisdefinitionen

25

26

3

Theoretischer Rahmen

Basiskonzepte: Relevante Beiträge aus Entrepreneurship- und Strategieprozessforschung

Die Literaturanalyse ergibt, dass zur Erklärung des CE-Phänomens nicht nur ein theoretischer Ansatz herangezogen wird, sondern dass bei der wissenschaftlichen Untersuchung des Themas Corporate Entrepreneurship auf viele Theorien sehr unterschiedlicher Herkunft abgestellt wird. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts baut Schumpeter mit seinen Gedanken zum Innovationskonstrukt auf die Konjunkturzyklentheorie der Volkswirtschaftslehre auf (Kondratieff & Stolper, 1935; Schumpeter, 1935, 1944). Weitere ökonomische Theorien, die in der CE-Diskussion eine große Rolle spielen, sind z. B. die Transaktionskostentheorie (Coase, 1937), der Realoptionen-Ansatz (Ireland, Hitt & Sirmon, 2003; McGrath, 1999; Zahra & Dess, 2001), mikroökonomische Ansätze wie Ricardorenten (Ricardo, 1817) und die Agency-Theorie (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001). Frühe Analysen zu den Charakteristika des Entrepreneurs gehen vor allem auf psychologischbehavioralistische Ansätze zurück (Schaper & Volery, 2004, S. 5). Bestimmend für die Entwicklung des CE-Felds aber waren hauptsächlich Theorien des Strategischen Managements wie etwa der „Resource-based View“ (Penrose, 1959; Wernerfelt, 1984), die Systemtheorie, wissensbasierte Ansätze wie das organisationale Lernen, Leadership- und Humankapital-Theorien sowie das Strategic Fit-Konzept (Dess et al., 2003; Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001; Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001; Naman & Slevin, 1993; Zajac, Kraatz & Bresser, 2000). Eine umfassende Vorstellung aller theoretischen Ansätze im Rahmen dieser Studie würde weder aus Platzgründen realisierbar noch zielführend für die konzeptionelle Darstellung des Dissertationsprojekts sein. Deshalb werden im Folgenden nur jene Ansätze aufgezeigt, die als Untersuchungs- und Erklärungsbasis für die Dissertation fungieren. Erstens wird auf die Wurzeln des Felds Entrepreneurship eingegangen (Kirzner, 1973; Schumpeter, 1935, 1944) und die Renaissance der Schumpeter’schen Theorie zu technologischen Innovationszyklen vorgestellt (Kap. 3.1; C. M. Christensen, 2003). Zweitens wird der „Capability-based View“ als Perspektive für die empirische Analyse eingeführt und das für diese Sichtweise zentrale Konstrukt der „Dynamic Capabilities“ erläutert (Kap. 3.2; Collis, 1994; Collis & Montgomery, 1995, 1998; Eisenhardt & Martin, 2000; Teece, Pisano & Shuen, 1997; Teece, 2007; Winter,

Theoretischer Rahmen

27

2003). Schließlich wird ein Praxismodell für unternehmerisches Management in großen, etablierten Organisationen eingeführt (Kap. 3.3; Schaper & Volery, 2004).

3.1 Diskontinuierlicher Wandel durch schöpferische Zerstörung und radikale Innovation Wie bereits im ersten Kapitel ausführlich diskutiert wurde, befindet sich die Medienindustrie in einer Situation diskontinuierlichen Wandels, die mit einer radikalen Veränderung der vermarkteten Produkte (Wachstum der digitalen Medien, Entstehung neuer Geschäftsmodelle) und der bearbeiteten Märkte (Leser- und Anzeigenmarkt) einhergeht. Dadurch werden traditionelle Produkt-Markt-Arenen wie beispielsweise der Markt für Tageszeitungen bedroht, während andernorts neue entstehen. Der österreichische Volksökonom Joseph Alois Schumpeter bezeichnete diese Entwicklung mit dem Begriff der „Schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter, 1935). Er argumentiert, dass der wirtschaftliche Fortschritt nicht kontinuierlich verläuft, sondern durch „Gegenbewegungen, Rückschläge [und] Vorfälle der verschiedensten Art“ geprägt ist (Schumpeter, 1935, S. 323) und dass „…das Neue in der Regel nicht aus dem Alten herauswächst, sondern neben das Alte tritt und es niederkonkurriert und alle Verhältnisse so ändert, dass ein besondrer „Einordnungsprozess“ nötig wird“ (Schumpeter, 1935, S. 322). Dieser Prozess ist folglich Bedingung für die Entstehung von Innovation (Schumpeter, 1944). In der ökonomischen Analyse der Konjunkturzyklen, die auf die Kondratieffs Theorie der „langen Konjunkturwellen“ (Kondratieff & Stolper, 1935) aufbaut, bezeichnet Schumpeter den Entrepreneur als „Innovator“, der seinen Erfolg durch ständiges Streben nach Innovation sucht. Durch diesen Prozess der Rekombination von Produktionsfaktoren entsteht eine wirtschaftliche Entwicklungsdynamik und sozialer Wandel (Schumpeter, 1935, S. 99-109). Schumpeter markiert damit den Ausgangspunkt für die Erklärung des „besondren Einordnungsprozesses“, der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie zur Medienindustrie ist. Seine Beiträge erlebten in den neunziger Jahren eine Renaissance, die auch die Forschung des Strategischen Managements maßgeblich beeinflusste und dazu führte, dass das Thema Entrepreneurship immer öfter Eingang in die wissenschaftliche Diskussion fand (Baden-Fuller & Stopford, 1992; Burgelman, 1983a, 1983b, 1984a, 1984b; Guth & Ginsberg, 1990; Low & MacMillan, 1988; Stevenson & Jarillo, 1990).

28

Theoretischer Rahmen

Dabei spielt Christensen (2003) mit seinem Buch „The Innovator’s Dilemma“ eine entscheidende Rolle. Er greift darin Schumpeters Gedanken zur „Schöpferischen Zerstörung“ auf und unterscheidet nachhaltige von disruptiven Technologien. Während nachhaltige Technologien zu inkrementellen Produkt- oder Prozessverbesserungen führen, sind disruptive Technologien mit radikalem, diskontinuierlichem Wandel verbunden und können bestehende Geschäftsmodelle zerstören. Sie implizieren immer einen völlig neuen Kundenwert, obwohl bisherige Produkte bzw. Leistungen zunächst noch leistungsfähiger sind.9 Analog zur Differenzierung von nachhaltigen und disruptiven Technologien unterscheidet Christensen inkrementelle von radikaler Innovation (C. M. Christensen, 2003).10 Dabei steht die inkrementelle Innovation für stetige Produkt- oder Prozessverbesserungen, die den Wettbewerbsvorteil eines Anbieters sichern, während radikale Innovation zu tiefgreifenden Veränderungen der Marktstruktur, der Wettbewerbsbedingungen und neuen Produkten bzw. Dienstleistungen führt. Nur durch radikale Innovation kommt es zu etwas wirklich Neuem, auch wenn damit meist die Zerstörung alter Wettbewerbsvorteile verbunden ist. Wie bereits in der Einleitung aufgezeigt, verläuft der Wandel in der Medienindustrie so grundlegend, dass die Form der disruptiven Innovation in Abgrenzung zur Gattung der nachhaltigen Innovation im Zentrum der Betrachtung dieser Studie steht. Auf dieser Unterscheidung aufbauend besteht das von Christensen beschriebene Paradox darin, dass gutes Management selbst die Wurzel des Versagens etablierter Unternehmen ist. Dieses nimmt die Spielregeln einer Industrie als gegeben an und strebt nach stetigen inkrementellen Produkt- oder Prozessverbesserungen. Die 9

10

Als Beispiel für eine solche disruptive Technologie kann die Internet-Telefonie angeführt werden. Das sogenannte „Voice over IP“-Verfahren ermöglicht nicht nur weltweite Verbindungen, sondern kann mit einem „Instant Messaging System“ und Videotelefon kombiniert werden. Zunächst waren sowohl die Verbindungsqualität wie auch die Zuverlässigkeit dem herkömmlichen Telefonnetz unterlegen. Innerhalb kürzester Frist ist die neue Technologie aber zur Marktreife verbessert worden und ersetzt bereits in einigen Bereichen die bisher dominante Festnetz-Telefonie. Weitere Informationen zum Voice over Internet Protocol finden sich auf der Website der amerikanischen Federal Communication Commission (vgl. http://www.fcc.gov/voip). Im Vergleich zu Christensens Differenzierung unterscheiden O’Reilly & Tushman (2004) „incremental innovations“, „architectural innovations“ und „discontinuous innovations“, wobei die zweite Kategorie „architectural innovations“ auf technologische Innovationen abhebt (O'Reilly & Tushman, 2004, S. 77).

Theoretischer Rahmen

29

Entstehung von radikalem Wandel verläuft aber irrational und stellt die Spielregeln der Branche in Frage. Gerade die logischen und analytisch konsequenten Entscheidungen der Unternehmensleitung, die für den Erfolg der Firma entscheidend sind, führen dann häufig zu organisationaler Trägheit und zum Verlust der Marktführerschaft in einer Branche. Deshalb ist es gerade in reifen Industrien besonders wichtig, Spielraum für Neues und zum Experimentieren zu schaffen (C. M. Christensen, 2003, S. 98-99). Dieses Spannungsfeld bezeichnet Christensen als „Innovator’s Dilemma“ (C. M. Christensen, 2003, S. 8). Um der Gefahr, die von disruptiven Innovationen für bestehende Geschäftsmodelle ausgeht, adäquat zu begegnen, sollte das Unternehmen sowohl stetige Produkt- und Prozessverbesserungen im Kerngeschäft vornehmen als auch geeignete Ressourcen für die Entwicklung neuer Technologien vorsehen. Es bedarf daher eines Balanceakts des Managements, um nicht dem Dilemma zu erliegen, die organisationale Trägheit zu vermeiden und so neues Wachstum zu realisieren (C. M. Christensen, 2003). Die Arbeit von Christensen ist theoretisch in eine weitaus umfassendere Diskussion im Strategischen Management eingebunden. Nach Duncan (1976) sollten Unternehmen, deren Umfeld sich durch eine hohe Umweltdynamik, insbesondere durch diskontinuierlichen Wandel und radikale Innovation auszeichnet, gleichzeitig sowohl innovations- als auch effizienzorientiert ausgerichtet werden. Er bezeichnete Unternehmen, die den Spagat zwischen Innovation und Wachstum einerseits sowie Optimierung und Effizienz andererseits meistern können, deshalb als „beidhändige Organisationen“ (Duncan, 1976). Duncan eröffnete damit eine intensive organisationstheoretische Debatte, die eine wichtige Rolle im Strategischen Management einnimmt (Levinthal & March, 1993; March, 1991; O'Reilly & Tushman, 2004; Raisch & Birkinshaw, 2008). O’Reilly und Tushman (2004) gehen in ihrer Studie explizit auf den Aspekt geeigneter Organisationsstrukturen im Zusammenhang mit beidhändigen Unternehmen ein. Sie untersuchten 35 Projekte, deren Ziel die Lancierung einer radikalen Innovation war und stellten fest, dass der Erfolg dann am größten war, wenn die Projektteams in von der Kernorganisation unabhängigen Einheiten operierten, die allerdings auf der Ebene des Top-Managements eng eingebunden waren. Wesentliche Erfolgsfaktoren der beidhändigen Organisationen sind dabei die Konsistenz der Kommunikation durch das Top-Management, die weitgehende Entscheidungsautonomie der neuen Einheit, eigene Strukturen und Abläufe zu etablieren sowie die Anpassung der Anreizsysteme,

30

Theoretischer Rahmen

die auf die Förderung des Austauschs zwischen alten und neuen Einheiten gerichtet sein müssen. Besonders wichtig ist dabei die Wahrung der organisationalen Integrität auf allen Management-Ebenen, also der Autonomie auf operativer und Projektebene und der engen Integration auf Ebene des Top-Managements, wie sie z. B. in der Fallstudie von USAtoday.com, dem Online-Ableger einer großen amerikanischen Tageszeitung konsequent durchgehalten wurde (O'Reilly & Tushman, 2004, S. 79).

3.2 Dynamische Fähigkeiten und die ressourcenbasierte Perspektive des Unternehmens Für die saubere Analyse des Forschungsproblems und eine zielgerichtete Beantwortung der Forschungsfrage ist ein Erklärungsrahmen unabdingbar. Aufbauend auf der Spiegelung der Problemlage in der Medienindustrie an Schumpeters und Christensens Überlegungen zu Innovationszyklen und diskontinuierlichem Wandel wird in der Folge der „Capability-based View“ als Untersuchungsperspektive eingeführt. Insbesondere wird aufgezeigt, warum die vorliegende Studie in der Tradition dieser theoretischen Strömung platziert werden soll. Der „Capability-based View“ (Abk.: CBV; Teece, Pisano & Shuen, 1997; Eisenhardt & Martin, 2000) ist ein dem ressourcenbasierten Paradigma (Abk.: RBV; Wernerfelt, 1984; Barney, 1991; Leonard-Barton, 1992; Prahalad & Hamel, 1990) verwandter Ansatz. Diese Sicht geht wiederum auf Penroses „Theory of the Growth of the Firm“ zurück (Penrose, 1959). Im Gegensatz zu industrieökonomischen Ansätzen (Andrews, 1971; Bain, 1956; Porter, 1980, 1985) führen die Anhänger des RBV und der ihm verwandten Ansätze Performance-Unterschiede auf die firmenspezifische Ressourcenausstattung eines Unternehmens zurück. Die zentralen Annahmen der ressourcenbasierten Ansätze sind (1) die Heterogenität der Ressourcenverteilung, (2) die begrenzte Mobilität der Ressourcenausstattung eines Unternehmens, also die begrenzte Handel- und Transferierbarkeit und (3) die Einzigartigkeit dieser Ressourcen. Der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens besteht folglich deshalb, weil es über knappe, den Wettbewerbern überlegene und firmenspezifische (und daher begrenzt transferierbare) Ressourcen verfügt. Diese Wettbewerbsvorteile können sich beispielsweise in besonderen Fähigkeiten des Unternehmens (z. B. Effizienz- oder Effektivitätsvorteilen), im exklusiven Zugang zu Kapital oder in der Verfügbarkeit von besonders qualifiziertem Personal manifestieren. Aus der begrenzten Mobilität der Ressourcen folgt, dass ein Wettbewerbsvorteil über die Zeit bestehenbleibt und damit nachhaltig ist (Wernerfelt, 1984, 1995).

Theoretischer Rahmen

31

Darauf aufbauend entwickelte Barney (1991) die sog. „VRIM-Attribute“. Danach ist ein Wettbewerbsvorteil genau dann nachhaltig, wenn er wertvoll („valuable“), knapp in Bezug auf seine Verfügbarkeit („rareness“), für Wettbewerber schwer imitierbar („inimitable“) und schwer transferierbar („immobility“) ist (Barney, 1991). Durch nachhaltige Wettbewerbsvorteile entstehende Erträge kann das Unternehmen in Form von Renten abschöpfen. Unter dem Begriff der „Rente“ wird im Zusammenhang mit dem RBV eine überdurchschnittliche Rendite verstanden, die durch die überlegene Ressourcenausstattung des Unternehmens entsteht. Präziser gesagt handelt es sich um die Erträge, die über den Opportunitätskosten des Ressourceneinsatzes in einer Branche liegen, ohne dass dadurch neue Wettbewerber in den Markt drängen würden (Müller-Stewens & Lechner, 2001, S. 277). Der RBV und die ihm verwandten Ansätze zielen analytisch auf die Innenwelt des Unternehmens („inside out“-Betrachtung). Die Vertreter des „Capability-based View“ kritisieren am RBV, dass die Bedeutung eines langfristig nachhaltigen Wettbewerbsvorteils überbetont wird, weil diese in dynamischen Märkten nie von langer Dauer sein könnten. Wichtiger sei vielmehr die Fähigkeit des kontinuierlichen Wandels; die Routine, ständig neue Routinen zu lernen (Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1106, 11171118). Diese Kritik wird speziell in Märkten relevant, die diskontinuierlichem Wandel unterlegen sind. Die Medienmärkte befinden sich in einer solchen Situation. Porters „Competitive Forces“-Ansatz hingegen (Porter, 1980, 1985), der seine Wurzeln im Paradigma der „Industrial Organization“ hat (Andrews, 1971; Bain, 1956), setzt auf der Ebene eines abgrenzbaren Markts an, in dem die Unternehmen bestimmte strategische Positionen einnehmen, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen bzw. zu verteidigen. Das strategische Verhalten der Unternehmen, insbesondere ihre Positionierung im Markt sowie ihre Adaptionsfähigkeit an Marktbedingungen, sind die bestimmenden Faktoren für ihre finanzielle Performance. Im Kontrast zum ressourcenbasierten Paradigma betrachtet Porter das Unternehmen als „Black Box“ von außen. Die Attraktivität eines Marktes und die Anpassungsfähigkeit an die Marktbedingungen sind damit zentrale Kriterien für den Unternehmenserfolg, der sich nicht in Renten, sondern in ökonomischem Gewinn ausdrückt. Die industrieökonomische Perspektive bezeichnet man auch als „outside in“-Betrachtung, da deren primärer Fokus die Außenwelt-Analyse des Unternehmens ist. Die Vertreter des ressourcenbasierten Paradigmas kritisieren an Porters Modell jedoch, dass es zu statisch ist und die Marktdynamik nicht adäquat erfasst (Barney, 1991; Wernerfelt, 1984).

32

Theoretischer Rahmen

Der „Capability-based View“ trägt dieser Kritik Rechnung, indem seine Urheber von dynamischen Märkten ausgehen. Teece et al. (1997) vertreten die Meinung, dass Wettbewerbsvorteile beim CBV auf sog. „dynamic capabilities“ (Teece, Pisano & Shuen, 1997) beruhen und nicht – wie bei der ressourcenbasierten Perspektive – auf den heterogenen und damit firmenspezifischen Ressourcen des Unternehmens selbst. Die dynamischen Fähigkeiten werden definiert als „the firms processes that use resources – specifically the processes to integrate, reconfigure, gain and release resources – to match and even create market change. Dynamic capabilities thus are the organizational and strategic routines by which firms achieve new resource configurations as markets emerge, collide, split, evolve, and die” (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 516; Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1107). Der Terminus „dynamisch“ bezieht sich also auf das sich schnell verändernde Marktumfeld (Auflösung von Marktgrenzen, hohe Unsicherheit durch Diskontinuitäten) und die Kompetenz eines Unternehmens, in dieser Umgebung erfolgreich zu agieren. Insbesondere betrifft dies die Fähigkeit des „market-timings“, also die Fähigkeit, Innovationen zum richtigen Zeitpunkt zu lancieren, als auch die „time-to-market“ zu reduzieren, also die Fähigkeit, Entwicklungszyklen zu verkürzen und Innovationen schnell im Markt einzuführen (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 515). Als „Fähigkeiten“ bezeichnen Teece et al. (1997) die „Akkumulation, Koordination, Integration und Rekonfiguration von internem und externem organisationalen Wissen, Ressourcen und funktionalen Kompetenzen mit dem Ziel, den Anforderungen des dynamischen Umfelds zu entsprechen.“ Die Basis der Fähigkeiten bildet ein Set von einfachen Routinen, Kompetenzen und komplementären Ressourcen, die für Wettbewerber nur schwer imitierbar sind (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 515, 524). Laut Teece et al. ist schon das reine Verständnis der organisationalen Prozesse und das Wissen darüber, wie diese im Zusammenhang mit wechselnden Wettbewerbskontexten beeinflusst werden können, per se eine dynamische Fähigkeit eines Unternehmens (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 525). Beispiele hierfür sind die Fähigkeiten, Allianzen zu bilden, neues Wissen in der gesamten Organisation schnellstmöglich verfügbar zu machen und anzuwenden sowie effektive Prozesse der strategischen Entscheidungsfindung zu implementieren. Auch ein innovativer Prozess der Produktentwicklung stellt eine solche dynamische Fähigkeit dar (Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1108).

Theoretischer Rahmen

33

Darüber hinaus ist laut Teece et al. die Fähigkeit eines Unternehmens, organisationale Prozesse zu entwickeln, die sowohl den Anforderungen neuer Technologien genügen als auch das Kerngeschäft abdecken, eine dynamische Fähigkeit (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 520). Auf die Medienindustrie übertragen bedeutet dies, dass ein Unternehmen prozessual so aufgestellt sein muss, dass es sowohl Produkt- und Prozessinnovationen, wie z. B. digitale Medienprodukte, Cross-Advertising in mehreren Medienkanälen oder Mehrfachverwertung von Content über mehrere Medienprodukte hinweg fördert, als auch die effiziente Organisation des Kerngeschäfts, etwa der Printmedien, der Fachbuch-Verlage oder der TV-Sparte, ermöglicht. Die hier erläuterten Fähigkeiten sind daher Voraussetzungen für die Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen aus unternehmerischen Chancen, die durch den schnellen Wandel des Marktumfelds entstehen. Zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen „dynamic capabilities“ dann, wenn sie schwer replizierbar sind, d. h. von einer konkreten Wettbewerbssituation auf eine andere transferiert werden können und darüber hinaus auch nicht imitierbar, d. h. durch Wettbewerber replizierbar sind (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 525). Dies kann z. B. auch durch den Schutz intellektuellen Eigentums gewährleistet sein, kommt aber zumeist dadurch zustande, dass die zugrunde liegenden Prozesse und Routinen komplexe, interdependente Phänomene sind, die auf dem implizitem Wissen der involvierten Mitarbeiter basieren. Der Entstehungsprozess von dynamischen Fähigkeiten ist außerdem durch Pfadabhängigkeiten geprägt (Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1109-1110). Diese ergeben sich aus den unterschiedlichen internen und externen Bedingungen, unter denen die Unternehmen operieren. Solche Pfadabhängigkeiten können z. B. frühere Fehler eines Unternehmens, Unterschiede in den Organisationskulturen oder verschieden ausgestaltete Anreizsysteme sein. Ein Hauptmerkmal von „dynamic capabilities“, die die zuvor genannten Bedingungen der Nichtimitierbarkeit und Nichtreplizierbarkeit erfüllen, ist die fehlende Existenz eines etablierten Marktes für deren Austausch, abgesehen von der firmeninternen Fungibilität (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 518). Eisenhardt und Martin sehen den CBV als sinnvolle Erweiterung und Ergänzung zum RBV, widersprechen Teece et al. aber im Bezug auf die organisationale Einzigartigkeit der Fähigkeiten. Sie sind der Meinung, dass dynamische Fähigkeiten nebst aller Heterogenität im Detail durchaus Gemeinsamkeiten über verschiedene Unternehmen

34

Theoretischer Rahmen

hinweg aufweisen können und daher auch austauschbar sind. Sie betonen, dass Wettbewerbsvorteile in Märkten, in denen schneller, diskontinuierlicher Wandel herrscht, nur selten nachhaltig sind und unterscheiden daher zwei Situationen, in denen dynamische Fähigkeiten jeweils verschiedene Formen annehmen. In moderat-dynamischen Märkten nehmen die Fähigkeiten, auf denen die Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens beruhen, die Gestalt von detailliert ausgestalteten, stabilen analytischen Prozessen an, deren Ergebnis vorhersehbar ist. In hochdynamischen Märkten hingegen treten sie in der Form von einfachen, sehr fragilen Prozessen experimenteller Natur auf, deren Ergebnis nicht a priori feststeht. Mithilfe von dynamischen Fähigkeiten ist es dem Unternehmen möglich, seine Ressourcenbasis anzupassen. Daher dienen sie als Grundlage für den Aufbau von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen (Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1110-1118). Warum wird in dieser Arbeit mit dem „Capability-based View“ ein ressourcenorientierter Ansatz zugrunde gelegt? Das Hauptargument für die besondere Eignung des CBV ist, dass sich damit das zu untersuchende Phänomen der strategischen Erneuerung am besten erfassen lässt. Wie bereits in der Einleitung ausgeführt wurde, befindet sich die Medienbranche in einem Umbruch, der durch Diskontinuitäten und radikalen Wandel gekennzeichnet ist.11 Teece et al. (1997) verbinden den CBV sogar explizit mit der Theorie Schumpeters, die bereits eingehend erläutert wurde: „Our approach is especially relevant in a Schumpeterian world of innovation-based competition, price/performance rivalry, increasing returns, and the ‚creative destruction’ of existing competencies“ (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 509). Ein zweites Argument für den Einsatz des CBV in der vorliegenden Studie ist dessen enge Verbindung zur Entrepreneurship-Forschung. Während sich der RBV lediglich auf die Betrachtung von Ressourcen als Determinanten von Wettbewerbsvorteilen konzentriert, stehen beim CBV die organisationalen Prozesse und strategischen Routinen im Mittelpunkt der Analyse (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 509). Mit Bezug auf das CE-Konzept ist beispielsweise der Prozess der Identifikation, Bewertung und Nutzung von unternehmerischen Chancen eine dynamische Fähigkeit, die als Basis für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil dienen kann. Die Identifikation unter-

11

Für eine ausführliche Darstellung der Situation, in der sich große, etablierte Medienunternehmen befinden, vgl. Kap. 7.

Theoretischer Rahmen

35

nehmerischer Chancen steht im Zentrum des CBV-Konzepts und grenzt es von den Ansätzen des “industrial organization”-Paradigmas ab. „In short, identifying new opportunities and organizing effectively and efficiently to embrace them are generally more fundamental to private wealth creation than is strategizing, if by strategizing one means engaging in business conduct that keeps competitors off balance, raises rival’s costs, and excludes new entrants” (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 509). Drittens existieren nur wenige Untersuchungen über die deutsche Medienbranche, die einen ressourcenbasierten Ansatz verfolgen. Viele Beiträge legen die industrieökonomische Perspektive zugrunde oder stellen in Fallstudien lediglich die historische Entwicklung und die Marktsituation der Unternehmen dar (vgl. z. B. Schroeder, 1994; Sjurts, 2002). Um eine gezielte Analyse der Situation in der Medienindustrie unter dem Vorzeichen diskontinuierlichen Wandels zu erstellen, ist der Nutzen des CBVKonzepts besonders groß. Deshalb fungiert das Paradigma als „Denkweise“ für die empirische Erhebung und Analyse. Ziel ist es, Kompetenzen, Routinen und Fähigkeiten des Fallunternehmens zu identifizieren, die für die strategische Erneuerung im Kontext der Medienindustrie von großer Relevanz sind. Dem Autor ist dabei bewusst, dass im Verlauf der wissenschaftlichen Diskussion über „dynamic capabilities“ immer wieder Kritik an diesem Konzept geäußert wurde. Diese zielt vor allem darauf, dass dynamische Fähigkeiten komplexe, schwierig zu beobachtende Phänomene sind, manche Autoren den Terminus „dynamic capabilities“ für eine Tautologie halten und den Urhebern vorhalten, dass das empirische Fundament des Konzepts zu dünn sei (Collis, 1994; Collis & Montgomery, 1998; Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1114; Winter, 2003). Daher wird das CBV-Paradigma vor allem als Perspektive verwendet, anhand derer die Daten erhoben, codiert, verdichtet und interpretiert werden. Insbesondere in der Ergebnisdiskussion und im Fazit wird auf dynamische Fähigkeiten abgehoben, die das Fallunternehmen entwickelt hat, um unter der gestiegenen Komplexität und Dynamik der Medienmärkte erfolgreich zu agieren. Diese werden konkret benannt und ihre Komponenten beschrieben, um der hier genannten Kritik, dynamische Fähigkeiten seien ein vages Konzept, zu begegnen. Abschließend gibt Tabelle 3-I einen Überblick über das DC-Konzept.

36

Theoretischer Rahmen

Begriff

Definition

Dynamic Capabilities

The firms’ processes that use resources – specifically the processes to integrate, reconfigure, gain and release resources – to match and even create market change. Dynamic capabilities thus are the organizational and strategic routines by which firms achieve new resource configurations as markets emerge, collide, split, evolve, and die (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 515). Set of specific identifiable [strategic and organizational] processes such as product development, strategic decision making, and alliancing (Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1105). Overall, dynamic capabilities are best conceptualized as tools that manipulate resource configurations (Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1118).

Tabelle 3-I

Definitionen des Konstrukts der dynamischen Fähigkeiten

3.3 Vier Schritte zur Förderung von Corporate Entrepreneurship Neben den theoretischen Basiskonzepten soll hier ein praktischer Orientierungsrahmen vorgestellt werden, an dem Manager ihr Handeln ausrichten können. Schaper und Volery (2004) präsentieren ein solches Modell, in welchem sie vier Schritte für die Entwicklung von neuem unternehmerischen Denken in der existierenden Organisation benennen (Schaper & Volery, 2004, S. 376). Der erste Schritt umfasst die Definition einer möglichst klar verständlichen Vision, Mission und Strategie. Ziel ist es, nicht nur nach neuen Möglichkeiten des inkrementellen Wachstums zu suchen, sondern auch bewusst das existierende Geschäftsmodell in Frage zu stellen. Nur so kann es zu radikaler Innovation kommen. Das bedingt eine offene Kultur, die innovatives Verhalten belohnt und Fehler der Mitarbeiter toleriert. Damit ein kontinuierlicher Innovationsprozess angestoßen und etabliert werden kann, müssen divergente Entscheidungs- und Kreativitätsprozesse gezielt gefördert und vom Top-Management unterstützt werden (zweiter Schritt). Insbesondere das Mittlere Management spielt eine zentrale Rolle bei der Lancierung, Umsetzung und Verankerung von Innovationsprojekten. Drittens müssen geeignete Strukturen aufgebaut werden, um die Projekte zu institutionalisieren. Sie können in Form einer traditionellen Forschungs- und Entwicklungseinheit ins Unternehmen integriert oder separat in einer Venture-Division oder einem Corporate Venture Capital (CVC)-Fund verankert werden. Oft wird das Geschäft separiert, auf Ebene der Holding aber eng integriert. Dieser Ansatz verspricht den maximalen Freiraum für Innovationsprojekte bei gleichzeitig enger Abstimmung mit der Gesamtstrategie des Mutterkonzerns. Viertens sollten die

Theoretischer Rahmen

37

Entlohnungssysteme so angepasst werden, dass Leistung aus unternehmerischer Aktivität entsprechend belohnt wird. Dazu bedarf es einer leistungsorientierten Entlohnung in der Innovationseinheit. Schließlich müssen Vision, Strategie und unternehmerische Grundwerte durch das Top-Management geeignet kommuniziert werden, um als Basis für Corporate Entrepreneurship auf allen Ebenen des Unternehmens fungieren zu können und die organisationale Kreativität zu fördern. Das Modell von Volery und Schaper ist zusammenfassend in Abbildung 3-I dargestellt. Es liefert erstens Anhaltspunkte für zu adressierende Fragestellungen im Rahmen der empirischen Analyse. Zweitens dient das Modell als Basis für die Erkenntnisspiegelung der Fallanalyse, die im Fazit zu praktischen Handlungsempfehlungen für die spezifische CE-Form der strategischen Erneuerung verdichtet werden. 1. Develop a vision and a strategy ƒ Mission Statement ƒ Welcome new ideas ƒ Set up a framework that allows prudent risk taking

4. Reward according to results • Creative compensation • Different types of rewards • Tailor rewards to employees

Communicate • Face-to-face • Target frontline supervisors • Tell powerful stories • Promote open communication • Meetings / events • Intranet / E-Mail

2. Create a culture of innovation • Allow divergent thinking • Develop supervisory encouragement • Tolerate failures, learn from mistakes

3. Develop organisational support • Traditional R&D • New venture division • Venture capital fund

Quelle: Schaper & Volery (2004).

Abbildung 3-I

Vier Schritte zur Förderung von Entrepreneurship in einer existierenden Organisation

38

4

Theoretischer Rahmen

Konzeptioneller Bezugsrahmen: Das Modell der Ressourcenallokation und Strategieformierung

Nachdem in Kapitel 3 der aktuelle Stand der Forschung in der EntrepreneurshipDisziplin und im Strategischen Management skizziert wurde, wird im folgenden Kapitel das Modell des Ressourcenallokationsprozesses (RAP) von Bower, Burgelman und Gilbert als konzeptioneller Rahmen für die empirische Analyse eingeführt und in Bezug zur Forschungsfrage der Studie gesetzt. Im Abschnitt 4.1 wird das Strategieprozessmodell von Bower und dessen Erweiterung sowie empirische Fundierung durch Burgelman dargestellt, das das theoretische Fundament des RAP-Modells bildet (Bower, 1970a, 1970b; Burgelman, 1983a, 1983b, 1984a, 1984b). Anschließend wird der für die Beantwortung der Forschungsfrage zentrale theoretische Bezugsrahmen, das revidierte RAP-Modell vorgestellt (Abschnitt 4.2; Bower & Gilbert, 2005).

4.1 Autonomes und induziertes strategisches Verhalten im Prozess der Strategieformierung Bereits die Definition hat die zentrale Bedeutung der prozessualen Dimension von Corporate Entrepreneurship herausgestellt. Um den Prozess der strategischen Erneuerung von Medienunternehmen im Umfeld diskontinuierlichen Wandels erfassen zu können, bedarf es eines adäquaten Rahmens, mit dessen Hilfe sowohl der strategische als auch der unternehmerische Prozess erfasst werden kann. Robert Burgelman hat bereits Anfang der achtziger Jahre ein Modell vorgelegt, das nach wie vor wesentlichen Einfluss auf die wissenschaftliche Diskussion im Feld Corporate Entrepreneurship hat (Burgelman, 1983a, 1983b, 1984a, 1984b). Es baut auf Bowers Überlegungen zur Strategieformierung auf (Bower, 1970a, 1970b), dessen Modell hier zunächst skizziert wird. Anschließend soll auf Burgelmans Erweiterung und Unterscheidung von autonomen und induziertem strategischen Verhalten eingegangen werden. Darüber hinaus wird argumentiert, warum diese Modelle am besten geeignet sind, den CE-Prozess abzubilden. Bowers Prozessmodell unterteilt die Strategieformierung in drei Phasen, die mit der Einbindung von unterschiedlichen Management-Ebenen assoziiert sind. Danach formieren sich viele strategische Entscheide durch Initiativen des Operativen Managements auf der Ebene der Geschäftseinheiten. Diese erste Phase des Strategieformierungsprozesses bezeichnet Bower als „Definition“. In der zweiten

Theoretischer Rahmen

39

Phase bedarf es breiter Unterstützung, damit eine strategische Initiative umgesetzt wird und an Momentum gewinnt. Diese Phase bezeichnet Bower als „Impetus“; in der Revision seines Modells schlägt er den Begriff „Selektion“ vor (Bower & Gilbert, 2005). Wie sich aus Abbildung 4-I erkennen lässt, verlaufen diese Phasen „bottom up“. Sie bilden sich also an der Basis und emergieren dann durch die Unterstützung des Mittleren Managements, was Bower zufolge eine bestimmende Rolle in der Impetus-Phase einnimmt (Burgelman, 1983b, S. 233-234; Noda & Bower, 1996, S. 160). Das Top-Management nimmt in einem dritten Schritt nur noch indirekt Einfluss auf den Strategieformierungsprozess. Es setzt den Rahmen für die strategischen Aktivitäten der Geschäftseinheiten und schafft so die nötigen Voraussetzungen wie z. B. organisatorische Strukturen, Anreizsysteme und Investitionsrahmen für unternehmerisches Handeln. Diese Bedingungen bezeichnet Bower als den „strukturellen Kontext“ (Bower, 1970a; zit. in Müller-Stewens & Lechner, 2001, S. 47-48), der als Selektionsmechanismus für unternehmerische Projekte fungiert. Die einzelnen Initiativen richten sich am gesetzten strukturellen Rahmen aus und konkurrieren intern um die verfügbaren Ressourcen. Während die erste und zweite Phase den deskriptiven Teil des Bower-Modells darstellen und vor allem auf die inhaltliche Dimension fokussieren (Bower & Gilbert, 2005, S. 442), ist der abschließende dritte Schritt normativpräskriptiver Natur, verläuft „top down“ und betont die prozessuale Komponente der Strategieformierung (Bower, 1970a; Noda & Bower, 1996, S. 160; Bower & Gilbert, 2005, S. 443). Bower kam zur überraschenden Schlussfolgerung, dass die auf oberster Unternehmensebene institutionalisierte strategische Planung weit weniger Einfluss auf die tatsächliche Unternehmensstrategie hat als bis dato angenommen (Bower, 1970a; zit. in Müller-Stewens & Lechner, 2001, S. 47). Der strukturelle Kontext, in den das Unternehmen eingebettet ist, hat damit signifikanten, manchmal gar deterministischen Einfluss auf die Unternehmensstrategie. Der evolutionäre „bottom up“-Prozess verläuft sehr langsam und ist die bestimmende Kraft der Strategieformierung. So lässt sich auch erklären, warum in großen, diversifizierten Unternehmen eine organisationale Trägheit entsteht, die besonders in Phasen schnellen, diskontinuierlichen Wandels zur großen Gefahr für das Überleben der Firmen wird (C. M. Christensen & Bower, 1996; C. M. Christensen, 2003). Das Top-Management kann unter diesen Voraussetzungen nur durch gezielte, sorgfältig geplante Interventionen und oft nur indirekt über eine Veränderung der Kontextbedingungen auf den Strategieprozess Einfluss nehmen (Bower, 1970a, 1970b; Bower & Gilbert, 2005, S. 440-442).

40

Theoretischer Rahmen

Hier zeigt sich bereits der größte Vorteil, den die deskriptiven Modelle von Bower und Burgelman gegenüber anderen Ansätzen der strategischen Planung aufweisen. Sie tragen der Tatsache Rechnung, dass unternehmerisches Verhalten nicht per Dekret durch das Top-Management aufgesetzt werden kann, sondern solche Initiativen oft auf operativer Ebene oder im Mittleren Management entstehen und umgesetzt werden. Diese Sichtweise steht im Gegensatz zu den ersten präskriptiven Ansätzen der strategischen Planung, die von einem bestimmenden Einfluss der Unternehmensleitung ausgehen, die Strategien vor allem „top down“ durchsetzt.12 Für die Analyse des Phänomens der strategischen Erneuerung von Medienunternehmen, die oft dezentral aufgestellt sind und in dynamischen Märkten agieren, wird bewusst auf ein rein präskriptives Modell der Strategieformierung verzichtet, und an Stelle dessen ein Ansatz verwendet, der sowohl präskriptive als auch deskriptive Elemente aufweist. Definition

Impetus

Structural Context

Corporate Management

Division Management Business Unit Management Quelle: Bower (1970a).

Abbildung 4-I

12

Bowers Prozessmodell der Strategieformierung

Die präskriptiven Strategiemodelle unterscheiden sich von ihren deskriptiven Gegenstücken durch ein grundlegend anderes Verständnis des Strategieformierungsprozesses. Sie gehen über die reine Beschreibung des Prozesses selbst hinaus und liefern normative Gestaltungsvorgaben, wie der Prozess selbst abzulaufen hat. Kritiker sehen vor allem die Gefahr einer Reduktion der komplexen Abläufe auf die zwei Phasen „Formulierung“ und „Implementierung“, die so nicht die Realität abbilden und daher als Erklärungsansatz nicht ausreichen. Die bedeutendsten präskriptiven Theorien entstanden bereits Mitte der sechziger Jahre. Es handelt sich um das Modell der Harvardschule (Ansoff, 1965; Bain, 1956) und die strategische Planung, die das Harvardmodell ausdifferenziert (Andrews, 1971; C. R. Christensen, Andrews, Bower & Learned, 1973). Ein weiteres deskriptives Strategieprozessmodell, das in Forschung und Praxis weitgehende Beachtung gefunden hat, ist der Bezugsrahmen von Henry Mintzberg (Mintzberg & Waters, 1985).

Theoretischer Rahmen

41

An Bowers Forschung zur Strategieformierung in Unternehmen setzt Burgelman an, der am Beispiel des internen Corporate Venturing-Prozesses in einem großen, diversifizierten Unternehmen ebenfalls ein Strategieprozessmodell entwickelte (Burgelman, 1983a, 1983b, 1984a, 1984b). Er argumentiert, dass über den strukturellen Kontext hinaus vor allem der strategische Kontext für die Strategieformierung relevant ist. Diesen definiert er als „[an] organizations’ concept of strategy“ (Burgelman, 1983b, S. 237); einen politischen Prozess, der auf allen Ebenen des Unternehmens abläuft.

Autonomous Strategic Behavior

Strategic Context

Concept of Corporate Strategy

Induced Strategic Behavior

Strong Influence

Structural Context

Weak Influence

Quelle: Burgelman (1983a, 1983b, 1984a, 1984b).

Abbildung 4-II

Burgelmans Unterscheidung von autonomem und induziertem strategischen Verhalten

Das erweiterte Modell des internen Corporate Venturing ist Abbildung 4-II dargestellt. Burgelman unterscheidet induziertes strategisches von autonomem strategischen Verhalten. Ersteres zeichnet sich durch ein im Sinne der existierenden Unternehmensstrategie konformes Vorgehen aus, das lediglich zu inkrementellem Wachstum führen kann. Autonomes strategisches Verhalten hingegen hält nicht an den durch die Unternehmensleitung legitimierten Strategien fest, sondern steht zum Teil im Widerspruch zu diesen und geht darüber hinaus. Burgelman assoziiert autonomes strategisches Verhalten mit der Entstehung radikaler Innovationen. Nur mittels unlegitimierten, nicht konformen Verhaltens können echte Produkt- bzw. Prozessinnovationen entstehen. Diese autonomen Initiativen, die durch neue Ideen auf allen Organisationsebenen entstehen können, müssen daher vom Mittleren Management bei der Unter-

42

Theoretischer Rahmen

nehmensleitung durchgesetzt und durch diese offiziell legitimiert werden. Das geschieht zum einen durch die Anpassung der strategischen Ausrichtung des gesamten Unternehmens an die neuen Bedingungen, die sich durch die dauerhafte Integration der Initiativen ergeben haben. Hierbei handelt es sich um den strategischen Kontext (Burgelman, 1983b, S. 237-238). Darüber hinaus wird zumeist eine Veränderung des strukturellen Kontexts durch das Top-Management notwendig. Dazu zählen Anpassungen der organisatorischen Strukturen und der administrativen Systeme wie z. B. Anreizmechanismen, Organisationsstrukturen, und Informations- und Kommunikationssysteme. Strategischer und struktureller Kontext werden also der tatsächlichen Entwicklung nachträglich angeglichen und Änderungen in der strategischen Ausrichtungen nachvollzogen (Burgelman, 1983b, S. 239). Burgelmans Ergebnisse zeigen, dass radikaler Wandel, der mit autonomem strategischen Verhalten verbunden wird, weniger in der Form strategischer Planung als „top down“-Prozess gemeistert werden kann, sondern vor allem durch „bottom up“-Experimenten und Selektion der unternehmerischen Initiativen durch das Mittlere Management stattfindet (Burgelman, 1983b, S. 242). Obwohl Burgelman mit dem internen Corporate Venturing lediglich eine spezielle Art von CE untersucht hat, ist das Modell wegweisend für alle Formen von Corporate Entrepreneurship, weil es sowohl den Transformationsprozess von ungenutzten unternehmerischen Chancen zu kommerzialisierten Produkten oder Dienstleistungen als auch dessen Beeinflussung durch die Aktivitäten des Top-Managements abbildet (Burgelman, 1983b, S. 224). Burgelman selbst schlägt vor, das Modell auf andere Situationen zu übertragen (Burgelman, 1983b, S. 241). Daher soll es in dieser Studie auf den Prozess der strategischen Erneuerung der Medienunternehmen angewendet werden. Burgelmans Modell hat bis heute bestimmenden Einfluss auf die CE-Diskussion, weil es hier letztlich um die Frage geht, wie im Rahmen eines großen, diversifizierten Unternehmens neue Strategien entstehen. Wie bereits in der definitorischen Bestimmung (vgl. Abschnitt 2.2) erläutert wurde, steht dieser Entstehungsprozess im Zentrum des Phänomens der Strategischen Erneuerung. Bowers Modell und dessen Weiterentwicklung durch Burgelman können die komplexen Interaktionen des Strategieformierungsprozesses ganzheitlich erfassen. Schwerpunkt von Burgelmans Ansatz ist zudem das autonome strategische Verhalten, welches mit radikalem, diskontinuierlichem Wandel assoziiert wird und damit den Kern des CE-Konzepts präzise erfasst.

Theoretischer Rahmen

43

4.2 Das revidierte Modell der Ressourcenallokation Bower und Gilbert präsentieren eine Erweiterung und Revision des Bower-Burgelman Modells, das einzelne Phasen des Strategieformierungsprozesses genauer ausdifferenziert und sie mit dem Prozess der Ressourcenallokation verbindet (Bower & Gilbert, 2005). Dabei soll klargestellt werden, dass der Prozess neben der Allokation von Finanzkapital auch den gezielten Einsatz und die Entwicklung von Humankapital beinhaltet. Bower und Gilbert reduzieren die drei Phasen der Modelle von Bower und Burgelman auf zwei Phasen, die sich in einzelnen Fällen überschneiden können und sowohl sequenziell als auch iterativ verknüpft sind („Definition“ und „Selektion“). Im Gegensatz zu den ursprünglichen Modellen von Bower und Burgelman unterscheiden sie explizit zwischen dem eigentlichen Ressourcenallokationsprozess und Kräften, die bestimmenden Einfluss auf den Prozess haben. Sie ergänzen diese außerdem um weitere Kontextfaktoren, die in anderen Beiträgen während der vergangenen Jahre identifiziert wurden (Bower & Gilbert, 2005; Gilbert & Bower, 2002; Gilbert, 2005, 2006; Noda & Bower, 1996; Raynor & Bower, 2001). Der eigentliche Ressourcenallokationsprozess wird in die Phasen „Definition“ und „Selektion“ unterteilt. Die erste, hauptsächlich deduktiv ablaufende Phase, fokussiert auf inhaltliche Entwicklung der Unternehmensstrategie. Bower und Gilbert bezeichnen diese Phase als „Definition“: „One process is focused on the content of strategic thinking from the very broad to the very concrete“ (Bower & Gilbert, 2005, S. 442). Die zweite, mit dem Terminus „Selektion“ beschriebene Phase, korrespondiert mit der „Impetus“-Phase im originären Bower-Modell und betrifft die eigentliche Ressourcenallokation, also die Auswahl der unternehmerischen Initiativen, die mit Ressourcen ausgestattet und damit umgesetzt werden. „The other process is focused on the choice of projects and business plans to propose, to sponsor and to improve funding” (Bower & Gilbert, 2005, S. 442-443). Im revidierten Modell sind die Prozesse sowohl „bottom up“ als auch „top down“ angelegt. Sie finden auf allen Ebenen des Unternehmens statt. Neue Kräfte, die einen wesentlichen Einfluss auf den Ressourcenallokationsprozess haben, sind der Kapitalmarkt- und der Produkt-/Markt-Kontext. Die Unterscheidung des eigentlichen Ressourcenallokationsprozesses von internen und externen Kontextfaktoren trägt dem Forschungsergebnis Rechnung, dass das Top-Management über die Wirkungsmechanismen und Interdependenzen, die im Zusammenhang mit der Ressourcenallokation und der Strategieformierung auftreten, häufig nicht oder nur unzureichend

44

Theoretischer Rahmen

im Bild ist (Bower & Gilbert, 2005, S. 441, 445). Oft kann die Unternehmensleitung aber gerade durch die Beeinflussung dieser Faktoren am effektivsten auf die Strategieformierung im Unternehmen einwirken. Deshalb ist eine genaue Kenntnis der bestimmenden Kräfte eine Voraussetzung für eine erfolgreiche strategische Erneuerung des Unternehmens. Schließlich umfasst das revidierte Modell Feedback-Zyklen von der realisierten Strategie zu den Kräften, die die Definitions- und Selektionsprozesse beeinflussen. Diese stellen den iterativen Charakter und die komplexen Wechselwirkungen, die während der Ressourcenallokation und Strategieformierung auftreten, heraus (Bower & Gilbert, 2005, S. 445). Das revidierte Bower Burgelman RAP-Modell ist in Abbildung 4-III dargestellt.

Structural and Strategic Context

Capital Market Context

Corporate

Middle

Operating

Definition

Selection

Aligning

Committing

Translating

Brokering

Initiating

Championing

Realized Strategy

Product Market Context

Quelle: Bower & Gilbert (2005).

Abbildung 4-III

Das revidierte Modell der Ressourcenallokation und Strategieformierung

Die Prozesse der Definition und Selektion führen zur realisierten Strategie des Unternehmens, die als abhängige Variable neu explizit genannt wird. Diese Änderung des Modells betont, dass das Ergebnis der Prozesse nicht einzelne, diskrete RessourcenCommitments sind, sondern faktisch zur tatsächlich realisierten Strategie des Unternehmens führen. Damit wird klar, dass die Entscheidungen zur Ressourcenallokation

Theoretischer Rahmen

45

eng mit der Strategieformierung verknüpft sind und daher die Schlüssel zur strategischen Erneuerung der Unternehmen sind. Wie sich schon in der Pilot-Fallstudie gezeigt hat, kann das RAP-Modell die Situation, in der sich die Medienbranche derzeit befindet, adäquat abbilden. Veränderte Kundenbedürfnisse, neue Produkt-/Markt-Kombinationen und alternative Formen der Finanzierung führen sowohl zur Veränderung des strukturellen und des strategischen Kontexts als auch zu einem fundamental andersartigen Ressourcenallokationsprozess in Medienunternehmen. Daher soll es als empirisches Analyseraster im Sinne eines konzeptionellen Bezugsrahmens eingesetzt werden und als Basis für die weitere Theorieentwicklung dienen (Miles & Huberman, 1994, S. 18). Bower und Gilbert stellen in ihrem Rückblick auf den 35-jährigen Entstehungsprozess des RAP-Modells fest, dass der Kernprozess und damit die Phasen der “Definition” und der “Selektion” sowie verschiedene Kontexte wie z. B. unterschiedliche Industrien über die Zeit und Märkte hinweg besonders stabil geblieben sind (Bower & Gilbert, 2005, S. 440-441). Diese Robustheit des Modells ist ein wichtiges Gütekriterium, was es für den Einsatz als konzeptionellen Bezugsrahmen prädestiniert. Dementsprechend orientiert sich die gesamte empirische Analyse – insbesondere die qualitative Datencodierung sowie die Struktur des empirischen Teils – am hier vorgestellten RAP-Modell.

Forschungsdesign und empirische Methoden

47

Teil II Forschungsdesign und empirische Methoden Nachdem im ersten Teil auf die für diese Studie wesentlichen Beiträge und Anknüpfungspunkte der Entrepreneurship- und Management-Theorie eingegangen wurde, ist der zweite Teil dem Forschungsdesign, dem Methoden-Set sowie dem Aufbau der Dissertation gewidmet. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, warum gerade das hier vorgeschlagene Forschungsdesign die theoretische und empirische Analyse leitet. Dabei manifestiert sich das Forschungsdesign nicht als generische Anwendung einer bestimmten und beliebig gewählten Methode, sondern konstituiert sich als Zusammenspiel mehrerer methodischer Ansätze, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Die Güte dieses „Methodenkonzerts“ bemisst sich insofern an der Geschlossenheit des Forschungsdesigns, die sich Punch (2005) zufolge in einer engen Verbindung zwischen Forschungsfrage und -design ausdrückt (Punch, 2005, S. 19-21). Insbesondere die enge Verzahnung der erhobenen Daten, der verwendeten Analyseverfahren, und der Darstellung der Ergebnisse in Form von Studien bestimmt letztendlich die Konsistenz der wissenschaftlichen Analyse und die Qualität des Erkenntnisfortschritts (Strauss & Corbin, 1998, S. 12). In dieser Studie wird ein qualitativer Ansatz gewählt, der auf die Exploration des Phänomens der strategischen Erneuerung in großen, diversifizierten Unternehmen der deutschen Medienindustrie gerichtet ist. Dabei wird mit der Methode der Grounded Theory (Glaser & Strauss, 1967; Strauss & Corbin, 1998) ein spezielles Verfahren der qualitativen Forschung gewählt. Dieses auf Theoriebildung bzw. -erweiterung gerichtete Vorgehen baut auf einen konzeptionellen Bezugsrahmen (Miles & Huberman, 1994) auf, der mit dem Strategieprozessmodell von Bower, Burgelman und Gilbert (2005) bereits in Kapitel 4.2 eingeführt wurde. Schließlich kommt das Verfahren im Rahmen einer Einzelfallstudie zum Einsatz. Der Aufbau des zweiten Teils der Dissertation orientiert sich an den einzelnen Schritten des Forschungsprozesses in ihrer chronologischen Abfolge.13 Kapitel 5 skizziert die Grundzüge des Forschungsplans, die im vorigen Absatz benannt wurden. In

13

Die zeitliche Abfolge bezieht sich auf einen idealtypischen Prozess, der in dieser Form nicht existiert. Wie sich im Verlauf des Kapitels zeigen wird, ist der Forschungsprozess vielmehr iterativer Natur und daher durch einen ständigen Wechsel zwischen den einzelnen Schritten gekennzeichnet.

48

Forschungsdesign und empirische Methoden

Kapitel 6 wird das Vorgehen in der empirischen Erhebung, Analyse und Interpretation beschrieben und erläutert, wie die wissenschaftliche Qualität der Studie durch die Ausrichtung des Forschungsprozesses an etablierten qualitativen Gütekriterien sichergestellt wurde. Bevor auf das Forschungsdesign eingegangen wird, soll hier nochmals der Neuigkeitswert dieser Arbeit im Vergleich zu anderen Beiträgen über die Medienindustrie im deutschsprachigen Raum herausgestellt werden: Wie bereits in der Einleitung und im Theorieteil dargestellt wurde, zwingen der schnelle Wandel und das dynamische Wettbewerbsumfeld der Medienbranche den Wissenschaftler dazu, die Probleme mit adäquaten Theorien zu analysieren. Viele Arbeiten bemühen die, für statische Marktbedingungen entsprechenden, industrieökonomischen Ansätze, wie z. B. Michael Porters „Five Forces“ (Porter, 1980, 1985). Diese Studie berücksichtigt die neue Situation dadurch, indem sie auf einem ressourcenbasierten Ansatz aufbaut (Wernerfelt, 1984, 1995) und die Innenperspektive des Fallunternehmens einnimmt.

Forschungsdesign und empirische Methoden

5

49

Forschungsdesign

Um die Verbindung zwischen Forschungsdesign und Forschungsfrage herzuleiten, wird hier nochmals die forschungsleitende Frage aus Kapitel 1.2 rekapituliert: Wie können große, diversifizierte Medienunternehmen, die diskontinuierlichem Wandel unterliegen, durch systematische Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozesse unternehmerische Chancen identifizieren, bewerten und in innovativen Geschäftsmodellen umsetzen, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen? Zuallererst stellt sich die Frage nach dem Forschungsziel, welches verfolgt werden soll. Während deskriptiv angelegte Arbeiten auf die reine Beschreibung des Untersuchungsgegenstands zielen, gehen explorative Studien einen Schritt weiter: Sie stellen die Frage nach dem „Wie?“ und dem „Warum?“, also Fragen nach Natur und Funktionsweise des Untersuchungsgegenstands und den Gründen dafür (Volery, zit. in: Dana, 2004, S. 791; Punch, 2005, S. 15; Spoun & Domnik, 2004, S. 75). Wie aus der Forschungsfrage hervorgeht, liegt der Betrachtungsfokus dieser Studie auf prozesshaften Phänomenen wie der Ressourcenallokation, der Strategieformierung und dem organisationalen Kompetenzaufbau, jedoch nicht auf der unternehmerischen Person selbst. Dies entspricht auch der Entwicklung der CE-Diskussion, die immer häufiger auf den unternehmerischen Prozess abzielt, weil sich herausgestellt hat, dass persönliche Eigenschaften von Unternehmern zu vielfältig sind, um daraus generelle Schlüsse ableiten zu können (Volery, zit.in: Dana, 2004, S. 782). In den meisten Fällen, so das Resultat der ersten Gespräche mit Praktikern, sind die unternehmerischen Prozesse noch nicht institutionalisiert, sondern nur latent vorhanden. Obwohl in der CE-Forschung bereits erste, vorwiegend theoretisch-normative Ansätze vorliegen, die das Feld systematisieren (Covin & Miles, 1999; Shane & Venkataraman, 2000), existiert bisher auch in der Entrepreneurship-Theorie noch keine einheitliche, empirisch gefestigte Abbildung des unternehmerischen Prozesses. In der wissenschaftlichen Diskussion von „Strategic Entrepreneurship“ geht es jetzt darum, mit empirischen Arbeiten Beiträge zur weiteren Entwicklung des Felds zu leisten. Erste empirische Studien erschienen bspw. von Gilbert und Jennings & Hindle (Gilbert, 2006; Jennings & Hindle, 2004). Vor diesem Hintergrund erscheint ein explorativer Ansatz, der die Systematik der Ressourcenallokation, Strategieformierung und der Entwicklung organisations-

50

Forschungsdesign und empirische Methoden

spezifischer Fähigkeiten offenlegt, als besonders zweckmäßig. Daher wird ein qualitativer Ansatz auf Basis des Grounded Theory-Verfahrens im Rahmen einer Einzelfallstudie verfolgt.

5.1 Methodische Basis: Das Verfahren der Grounded Theory Bei der Methode der Grounded Theory handelt es sich um ein spezielles Verfahren der qualitativen Forschung, das maßgeblich durch Barney Glaser und Anselm Strauss entwickelt wurde (Glaser & Strauss, 1967). Es kann von anderen qualitativen Methoden wie z. B. der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring, 2007) abgegrenzt werden. Grounded Theory ist Methode (Prozess) und Ergebnis (Theorie) zugleich. Der Begriff lässt sich als „gegenstandsbegründete oder -verankerte Theorie“ übersetzen (Flick, 2007, S. 476). Die epistemologischen Wurzeln der Methode liegen im Pragmatismus und im symbolischen Interaktionismus, in deren Tradition bedeutende Erkenntniswissenschaftler, Moralphilosophen, und Sozialpsychologen wie Herbert Blumer, George Herbert Mead, Thomas Kuhn und Paul Feyerabend stehen (Blumer, 1954, 1971, 1973, 1977, 1980; Dewey & Suhr, 1995, 2004; Feyerabend, 1976, 1978, 1979; Kuhn, 1976; Mead, 1965; Mead & Strauss, 1969). Die erkenntnistheoretische Position des Pragmatismus geht letztlich auf William James und Charles Sanders Peirce zurück, die Wahrheitsbildung als einen in Erfahrungen begründeten Prozess verstanden, der eng mit Handlungen in der praktischen Lebenswelt verbunden ist. Peirce’ Wissenschaftsverständnis kommt in der „pragmatischen Handlungsmaxime“ zum Ausdruck, die er in seinen Aufsätzen „The fixation of beliefs“ und „How to make our ideas clear“ formuliert hat: „Consider what effects, that might conceivably have practical bearings, we conceive the object of our conception to have. Then, our conception of these effects is the whole of our conception of the object“ (Peirce, 1877, 1878). Im Gegensatz zu Poppers „Kritischem Rationalismus“, bei dem a priori formulierte Hypothesen, bestehende Theorien und anerkannte Konzepte kontinuierlich an der Realität getestet werden, um mithilfe der Methode der Falsifikation einen Erkenntnisfortschritt zu erzielen (Popper, 1935), treten die Vertreter der pragmatistischen Weltsicht für einen offenen, von bestehenden Theorien unvoreingenommenen, auf subjektiven Erfahrungen gegründeten Forschungsansatz ein. Neue Erkenntnisse setzen sich demnach in praktischen, empirisch überprüfbaren Handlungen durch. Theorien

Forschungsdesign und empirische Methoden

51

verstehen sich vor diesem Hintergrund dagegen als Perspektiven auf die Welt, die zeitund raumabhängig sind und daher einem Prozess ständigen Wandels unterliegen. Sie müssen daher kontinuierlich „konstruiert, de- und rekonstruiert, und revidiert“ werden (Strauss & Corbin, 1998). Das wichtigste Gütekriterium einer Studie ist folglich auch die praktische Relevanz der entwickelten Theorien (Kuhn, 1976). Mit Blumers Worten gesprochen hängt der Wert einer Theorie maßgeblich davon ab, wie dicht ihre Verbindung mit der praktischen Welt ist: „Theory is of value in empirical science only to the extent to which it connects fruitfully with the empirical world“ (Blumer, 1954). Die „phänomenologische“ Position von Glaser & Strauss, die im Kontrast zur „logikodeduktiven“ Position der Rationalisten steht (Glaser & Strauss, 1967, S. 15), kommt in der Natur des Grounded Theory-Ansatzes zum Ausdruck. Die Urheber der Methode betonen demnach deren Offenheit, Prozesshaftigkeit, und Methodenpluralismus. Im Gegensatz zu anderen Methoden der qualitativen Sozialforschung ist die Grounded Theory primär auf die Generierung von neuer Theorie ausgerichtet. Dabei handelt es sich nicht um eine auf hypothetischen Annahmen basierende, sondern um eine auf empirischen Daten gestützte Konzeptualisierung der Wirklichkeit, die einem kontinuierlichen Erkenntnisprozess unterworfen ist. Theorie ist insofern nur „subjektiv erfahrbar“ (Glaser & Strauss, 1967). Phänomene werden laut Glaser & Strauss durch einen systematischen Prozess der Theoriegenerierung erkannt, analysiert und interpretiert, der auf einem Set von bestimmten Techniken der Abstraktion basiert. Die Techniken des theoretischen Samplings, der komparativen Analyse, sowie der offenen, axialen und selektiven Codierung sind zentrale Elemente zur Generierung von Grounded Theory, die als eine „auf empirischen Daten gegründete Theorie“ verstanden wird (Glaser & Strauss, 1967, S. 8).14 Der von den Pragmatisten propagierte Methodenpluralismus, der mit der Forderung einer anarchistischen Koexistenz verschiedener epistemologischer Grundpositionen einhergeht (Feyerabend, 1976), wurde von Wissenschaftlern aller Disziplinen heftig kritisiert. Den Vertretern dieser positivistischen Weltsicht wurde vorgehalten, eine

14

Die Analysetechniken der Grounded Theory-Methode werden in Kap. 6.3 detailliert erläutert.

52

Forschungsdesign und empirische Methoden

„anything goes“-Mentalität zu befördern, die überhaupt keine Regeln mehr kenne (Gellner, 1975; Musgrave, 1974). Dabei wurde aber die pluralistische Position mit einer methodologischen Beliebigkeit verwechselt, die eben nicht das Ziel des Pragmatismus ist. Das Grounded Theory-Verfahren mit seinen ausgefeilten Techniken der Datenanalyse beweist, dass gerade die systematische Anwendung vielfältiger Methoden zu echtem Erkenntnisfortschritt und Theoriegenerierung führt. Diese Haltung wird in dieser Arbeit durch eine bewusst gewählte und nachvollziehbare Forschungsstrategie, eine stringente Methodenauswahl und den Bezug auf eine klare wissenschaftstheoretische Grundposition unterstrichen. Grundsätzlich lassen sich zwei Strömungen von Grounded Theory unterscheiden, die im Bezug auf die Behandlung von theoretischem Vorwissen und Hypothesen differieren. Strauss entwickelte anfangs der neunziger Jahre die Methode mit der Einführung des axialen Codierparadigmas weiter (Flick, 2007, S. 479; Strauss & Corbin, 1990, S. 127-131). Strauss versteht unter dem Codierparadigma ein „analytisches Werkzeug, das hilft, Struktur und Prozess zu integrieren“ (Strauss & Corbin, 1990, 1998, S. 123). Strukturen (Eigenschaften von Kategorien und Sub-Kategorien, Kontextvariablen, Kausalbedingungen, intervenierende Variablen) werden so mit Aktionen (Handlungsstrategien, Konsequenzen) in Beziehung gesetzt, um zentrale Phänomene einer Theorie zu beschreiben.15 In seinem Werk „Emergence versus Forcing“ wirft Glaser seinem Kollegen Strauss vor, dass durch den expliziten Einbezug von theoretischem Vorwissen bestimmte theoretische Strukturen geradezu „präskriptiv erzwungen“ würden, und so letztendlich der offene, emergente Charakter des ursprünglichen Grounded Theory-Verfahrens verloren ginge (Glaser, 1992). Glasers radikalerer Ansatz fordert daher vom Forscher die Grounded Theory ohne Vorwissen, bestehende Urteile und Annahmen über die Sachverhalte, Handlungen und Einstellungen der Untersuchungsobjekte zu generieren. Die aktuelle wissenschaftliche Diskussion führt dagegen ins Feld, dass der Ausschluss von Vorwissen praktisch nicht umsetzbar ist, weil jeder Forscher subjektiv vorgeprägt ist. In dieser Dissertation wird hingegen dem moderaten Ansatz von Strauss & Corbin gefolgt, was sich in der Erstellung von Netzwerkstrukturen nach dem Codier-Para-

15

Für eine vollständige Aufstellung der Codier-Familien vgl. Glaser & Strauss, 1967; zit. in: Flick, 2007, S. 481.

Forschungsdesign und empirische Methoden

53

digma niederschlägt. Das Schema, nach welchem zentrale Phänomene in dieser Arbeit codiert wurden, ist in Abbildung 5-I illustriert.16

Kontextfaktoren

CTX ->>

Kausale Bedingungen

Phänomen

IVC

Intervenierende Bedingungen

*} ->> IVC CS ISA

CS

*}

Eigenschaften

Konsequenzen

ST

Handlungsstrategien

Eigenschaft von Kausale Bedingung von Intervenierende Variable Konsequenz „is a“ (einfachste Verknüpfung)

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Strauss & Corbin (1998) und das Coding-Schema von ATLAS.ti.

Abbildung 5-I

Das Codier-Paradigma nach Strauss & Corbin

5.2 Konzeptioneller Bezugsrahmen: Die Konstrukte des Strategieprozessmodells von Bower, Burgelman & Gilbert als sensibilisierende Konzepte Wie sich im Verlauf der Vorgespräche in der präempirischen Phase gezeigt hat, können die Grundzüge der Ressourcenallokation, der Strategieformierung und der Kompetenzentwicklung in Medienunternehmen mithilfe eines Strategieprozessmodells 16

Vgl. Anhang C.2.

54

Forschungsdesign und empirische Methoden

beschrieben werden. Insbesondere zum Ressourcenallokationsprozess liegen bereits empirisch getestete Studien vor, an die angeschlossen werden kann (Bower, 1970a; Bower & Gilbert, 2005; Burgelman, 1983b; Gilbert & Bower, 2002; Gilbert, 2005, 2006). Die bewährte Konzeptualisierung von Bower, Burgelman & Gilbert wurde schließlich herangezogen, weil sie einen idealen Ausgangspunkt für die sich anschließende empirische Analyse darstellt. Das Modell dient daher als konzeptioneller Bezugsrahmen, da es die untersuchten Phänomene in ihren Grundkonzepten und -kategorien adäquat abbildet (Bower & Gilbert, 2005). Hinsichtlich des Einbezugs von theoretischem Vorverständnis folgt diese Studie daher der Haltung von Strauss & Corbin, indem bestehendes theoretisches Wissen und a priori formulierte Annahmen bewusst Eingang in die empirische Analyse finden. Trotz des vergleichsweise fokussierten Ansatzes durch die Verwendung theoriegeleiteter Konstrukte wurde der Blick in der präempirischen Phase zunächst unabhängig vom konzeptionellen Bezugsrahmen auf die großen Sinnzusammenhänge und Grundgesetze wie beispielsweise die Funktionsweise der Ressourcenallokation und der Strategieformierung gerichtet.17 Dieses Vorgehen sollte der Gefahr vorbeugen, dass relevante Kausalitäten und Interdependenzen, die außerhalb des Bezugsrahmens liegen, ausgeblendet werden und dadurch der Erkenntnisgewinn geschmälert wird. Auf Basis des bereits existierenden Bezugsrahmens versteht sich die Forschungsfrage im Kontext der aktuellen wissenschaftlichen CE-Diskussion daher primär als theoriebildend und theorieerweiternd (Punch, 2005, S. 16). Das Theoriemodell wird dementsprechend auch nicht als „unantastbar“ angesehen. Im Einklang mit den Vorschlägen der Urheber des Modells wird es in dieser Studie auf die spezifische Situation der Medienindustrie angewendet und – wo nötig – angepasst oder erweitert.18 Die Konstrukte des theoriegeleiteten Modells werden im Sinne von Blumer (1954) als „sensibilisierende Konzepte“ für die weitere Theorieentwicklung eingesetzt. Blumer grenzt sie von den „definitiven Konzepten“ ab, die sich durch allgemein anerkannte Definitionen und klare Spezifikationen auszeichnen. Sensibilisierenden Konzepten dagegen fehlt eine solche generelle und eindeutige Charakte17

Auf das genaue Vorgehen bei der Datencodierung wird noch in Kap. 6.3 eingegangen.

18

Bower & Gilbert fordern Forscher dazu auf, das Modell in anderen situativen und theoretischen Kontexten anzuwenden, es auf spezifische Arten von Ressourcenentscheidungen zu beziehen und es dadurch zu präzisieren, zu modifizieren oder zu erweitern (Bower & Gilbert, 2005).

Forschungsdesign und empirische Methoden

55

risierung. Sie fungieren als Leitlinien für die weitere Analyse im spezifischen empirischen Kontext. Während definitive Konzepte präskriptiv vorgeben, wie die Welt zu sehen ist, sind sensibilisierende Konzepte Referenzpunkte, die Aufschluss darüber geben, was untersucht werden sollte (Blumer, 1954, S. 8). In diesem Sinne hat das Modell von Bower, Burgelman & Gilbert eine forschungsleitende Funktion und stellt lediglich den Ausgangspunkt für die empirische Arbeit dar. Durch den Einsatz des konzeptionellen Bezugsrahmens werden die Anschlussfähigkeit an die aktuelle wissenschaftliche Diskussion und der Erkenntnisgewinn erhöht. Blumer expliziert die Forderungen wichtiger Wissenschaftler in Bezug auf die Neuausrichtung von sozialwissenschaftlicher Forschung: „Have them [social theorists] orient their theory to the vast bodies of accumulated research findings and develop theory in the light of such findings” (Blumer, 1954). Neben der Anschlussfähigkeit lassen sich weitere Argumente für den Einsatz eines konzeptionellen Bezugsrahmens ins Feld führen. Der Einsatz eines Bezugsrahmens ist in diesem Forschungsprojekt besonders sinnvoll, weil er bei dem bewusst offen angelegten Forschungsdesign hilft, den nötigen Fokus in den Phasen der Datenerhebung und -analyse zu behalten. Er dient somit als Schutz gegen Informationsüberlastung und Datenwust, die gerade bei qualitativen Studien eine große Gefahr darstellen (Miles & Huberman, 1994, S. 55).

5.3 Forschungsansatz: Einzelfallstudie Für das hier verfolgte explorative Forschungsdesign bietet sich ein qualitativer Ansatz auf Basis einer Einzelfallstudie an (Yin, 2003). Diese gründet hauptsächlich auf Interviews mit Mitarbeitern der drei im Bower Burgelman-Modell dargestellten Ebenen (Top-Management, Mittleres Management, Projektteams). Nach jedem Interview wird der Frageleitfaden erneut überarbeitet und gegebenenfalls auch die Forschungsfrage präzisiert, um das zugrunde liegende Forschungsproblem stärker einzugrenzen und einzelne Aspekte im Detail zu analysieren. Dadurch bedingt ist die forschungsleitende Frage im präempirischen Stadium vergleichsweise unspezifisch formuliert (Punch, 2005, S. 24) und wird erst sukzessive stärker eingegrenzt. Diese Vorgehensweise reflektiert die Tatsache, dass die Studie in einem relativ jungen Forschungsfeld angesiedelt ist, bei dem selbst zentrale Konstrukte und Kategorien noch nicht spezifiziert wurden und noch keine in sich geschlossene Theorie existiert (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001, S. 488). Der Autor hält daher eine Methode, bei

56

Forschungsdesign und empirische Methoden

der eine iterative Weiterentwicklung und Präzisierung der Forschungsfrage, Konstrukte und Theorie möglich ist, in diesem Kontext für besonders zielführend (Miles & Huberman, 1994, S. 17). Im Bewusstsein, dass dieses Forschungsprojekt mit begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet ist, wurden trotz des verhältnismäßig offenen, qualitativen Ansatzes die generellen Forschungsfragen in mehrere spezifische Fragestellungen (Sub-Set zur Forschungsfrage) übersetzt, um von Anfang an den nötigen Betrachtungsschwerpunkt zu setzen und so zu verhindern, dass das Projekt ausufert (Miles & Huberman, 1994, S. 55; Punch, 2005, S. 32-43).19 Anhand der in den Interviews erhobenen Daten wird die Forschungsfrage dann sukzessive präzisiert und angepasst. Dieses Vorgehen ist analog zu Burgelmans Methode zu verstehen, die er bei seiner qualitativen Studie zu „Internal Corporate Venturing“ angewandt hat. Dabei hat er die Forschungsfrage durch Interviewergebnisse und Beobachtungen vor und nach den Interviews immer wieder neu definiert bzw. nach und nach enger gefasst (Burgelman, 1983b). Yin unterscheidet Fallstudien entlang zweier Dimensionen: Einerseits kann zwischen der Anzahl der betrachteten Fälle in Einzel- und Reihenfallstudien („single- resp. multiple Case Studies“; Yin, 2003, S. 39-42; „intrinsic, instrumental, and collective case studies“; Stake, 1995) differenziert werden. Zweitens wird auf Basis der Untersuchungseinheit(en) in holistische und eingebettete Designs unterschieden („holistic resp. embedded design“; Yin, 2003, S. 42-45). In dieser Arbeit wird eine Einzelfallstudie mit holistischem Design zur Anwendung kommen. Primäre Untersuchungseinheit ist dabei die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, ein etabliertes deutsches Medienhaus, das seinen traditionellen Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit im PrintSegment hat. Einige Forscher stehen der Fallstudienmethode kritisch gegenüber: Sie argumentieren, dass deren Grad an wissenschaftlicher Genauigkeit zu gering und die Basis zur Generalisierung der Erkenntnisse nicht gegeben sei. Diese Vorurteile können durch eine wichtige Differenzierung widerlegt werden. Während eine statistische Generalisierung der Ergebnisse tatsächlich nur bei Befragungen oder Experimenten möglich ist, kommt bei Fallstudien die Technik der analytischen Generalisierung zum 19

Vgl. Subset zu der forschungsleitenden Frage in Kap. 1.2

Forschungsdesign und empirische Methoden

57

Zug (Yin, 2003, S. 10-11, 32-33). Auf diesen fundamentalen Unterschied wird noch in Abschnitt 6.3 eingegangen. Die Fallstudienmethode bietet sich für diese Studie insbesondere deshalb an, da die Untersuchungseinheit in erster Linie ein Unternehmen ist, das im Kontext seines Wettbewerbsumfelds untersucht wird (Punch, 2005, S. 19). Sie folgt damit einem „naturalistischen“ Ansatz, der auf „Menschen, Dinge und Ereignisse in ihrem natürlichen Umfeld“ (Punch, 2005, S. 141) gerichtet ist und den Einsatz multipler Methoden und Datenquellen erlaubt. Die Charakteristika der Methodenvielfalt und der naturalistischen Darstellungsform qualifizieren die Fallstudie in besonderem Maße, sie mit dem Grounded TheoryVerfahren zu kombinieren. Ein ethnografisches Vorgehen hingegen hätte sich angeboten, wenn die Person des Unternehmers oder die Organisationskultur der Medienunternehmen im Zentrum des Forschungsinteresses stehen würden. Das ist in dieser Studie nicht der Fall. Darüber hinaus muss bei einer Ethnografie viel Zeit für die Datenerhebung eingeplant werden, was den Rahmen dieser Dissertation sprengen würde.

58

6

Forschungsdesign und empirische Methoden

Empirische Methoden

6.1 Fallauswahl und Stichprobe Da das Forschungsinteresse dem Thema Corporate Entrepreneurship gilt, wurde mit der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck ein großes, diversifiziertes Verlagshaus für die Einzelfallanalyse ausgewählt. Bei Holtzbrinck handelt es sich um ein etabliertes Traditionsunternehmen der Medienindustrie, dessen Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit hauptsächlich im Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftensegment lag (funktionale Abgrenzung) und dessen Heimmarkt im deutschsprachigen Raum liegt (regionale Abgrenzung). Das Unternehmen entspricht in Bezug auf sein Produkt-/Markt-Portfolio, seine Eigentümerstruktur, seine Unternehmenskultur und sein Wettbewerbsverhalten dem Prototyp eines etablierten Wettbewerbers, der während einer langen Periode in einem eindeutig abgrenzbaren, statischen Markt mit stabilem Wachstum agierte. Analog zu anderen etablierten Medienunternehmen wurde das ausgewählte Fallunternehmen Mitte der neunziger Jahre plötzlich mit einer Situation schnellen, diskontinuierlichen Wandels konfrontiert. Diese Entwicklung wurde durch die Emergenz neuer Technologien, namentlich dem Internet und den digitalen Medien sowie innovativer Geschäftsmodelle induziert. Sie schlug sich in einem grundlegend veränderten Mediennutzerverhalten, der schnellen Veränderung von Branchenstrukturen, der Auflösung von Marktgrenzen und dem damit verbundenen Eintritt neuer Wettbewerber nieder. Diese Situation prädestiniert das ausgewählte Unternehmen zur Untersuchung der formulierten Forschungsfrage, weil sie auf die strategische Erneuerung von etablierten Unternehmen fokussiert, die mit schnellem, diskontinuierlichem Wandel konfrontiert werden. Aufgrund der Parallelen zur Entwicklung anderer Medienhäuser sind die Ergebnisse der Fallstudie durchaus für andere Wettbewerber in der deutschen Medienindustrie relevant.20 In die Stichprobe wurden erstens Mitarbeiter der oberen Managementebene miteinbezogen, die in den letzten Jahren als Sponsoren von neuen strategischen Initiativen wie z. B. Innovationsprojekten aufgetreten sind, also signifikant an Entscheidungen der Ressourcenallokation und der Strategieformierung beteiligt waren. Außerdem wurden Mitarbeiter des Mittleren Managements interviewt, die strategische Initiativen ange-

20

Zur Generalisierbarkeit der Erkenntnisse vgl. Kap. 6.4 sowie Kap. 13

Forschungsdesign und empirische Methoden

59

stoßen haben bzw. mit der Umsetzung dieser Projekte betraut waren. Im Sinne der Technik des „theoretical sampling“ (Flick, 2007, S. 292; Glaser & Strauss, 1967; Strauss & Corbin, 1990, 1998, S. 73) wurde die Stichprobe sukzessive erweitert, indem sowohl bewusst Interviewpartner mit unterschiedlichen Hintergründen ausgewählt wurden, als auch Personen, die Gemeinsamkeiten mit den vorangehenden Interviewpartnern aufwiesen. So wurden nicht nur Mitglieder verschiedener Organisationsebenen befragt, sondern anhand von zentralen Kategorisierungen auch gezielt Repräsentanten gegensätzlicher Fälle ausgewählt. Analog der Kategorisierung in traditionelle und neue Geschäftsfelder wurden Vertreter beider Bereiche, wie z. B. einerseits der Verlagsgruppe Handelsblatt als Beispiel für eine klassische Geschäftseinheit und andererseits des neuen Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital, interviewt. Da laut Aussage von Mitgliedern der Verlagsleitung der Schwerpunkt der strategischen Erneuerung der Verlagsgruppe im Bereich von Holtzbrinck Digital liegt, wurden insbesondere Gespräche mit den Geschäftsführern der Digital-Gesellschaften Holtzbrinck eLab, Holtzbrinck Ventures und Holtzbrinck Networks geführt. Insgesamt wurde der Prozess des theoretischen Samplings solange fortgesetzt, bis Theoriesättigung eintrat, also keine neuen Dimensionen und Ausprägungen mehr aus dem Datenmaterial emergierten.21 Tabelle 6-I fasst die Auswahl der Interviewpartner zusammen. Ebene

Auswahlkriterien

Senior Management / Corporate Level

ƒ Mitglieder des Vorstands bzw. des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrats, die an den Entscheidungen der Ressourcenallokation beteiligt sind.

Business Unit / Newspaper Level

ƒ Mitarbeiter, die als Sponsoren von neuen strategischen Initiativen auftreten. ƒ Projektleiter von neuen strategischen Initiativen wie z. B. Innovationsprojekten.

Operating / Venture Level

ƒ Mitarbeiter, die neue strategische Initiativen vorgeschlagen bzw. angestoßen haben. ƒ Mitarbeiter, die mit der Umsetzung von Innovationsprojekten befasst sind.

Tabelle 6-I

21

Auswahl der Interviewpartner

Auf den Aspekt der Theoriesättigung wird noch detailliert in Kap. 6.3 eingegangen.

60

Forschungsdesign und empirische Methoden

6.2 Datenerhebung Als primäre Quelle der Datenerhebung wurden teilstandardisierte Experteninterviews mit Mitarbeitern aller Organisationsebenen durchgeführt (Bähring, Hauff, Sossdorf & Thommes, 2008; Hopf, 2007; zit. in: Flick, 2007, S. 349-360; Lamnek, 2005; Punch, 2005, S. 168-178). Der Frageleitfaden wurde in einer präempirischen Phase auf Basis von fünf Expertengesprächen mit Mitgliedern des Fallunternehmens sowie weiterer großer, diversifizierter Medienunternehmen entwickelt. Die Vorgespräche wurden vollständig transkribiert und einzelne Passagen mithilfe der QDA-Software ATLAS.ti codiert. Dabei lag der Schwerpunkt zunächst auf der offenen und axialen Codierung. Die aus dem ersten Codierprozess resultierende Kategorienliste stellte schließlich die Grundlage zur Entwicklung des Leitfadens dar. Zudem wurde der Leitfaden nach jedem Interview konkretisiert und ggf. erweitert, um die konzeptionelle Dichte zentraler Kategorien zu erhöhen. Die Gespräche in der präempirischen Phase dienten vor allem dazu, relevante Aspekte im Zusammenhang mit dem Thema und der Forschungsfrage frühzeitig zu erkennen und so die praktische Relevanz der Studie zu sichern. Insgesamt wurden 16 Interviews mit einer Länge von jeweils 60 bis 90 Minuten erhoben.22 Die Gesprächspartner wurden vorab über Thema und Erkenntnisinteresse der Studie informiert, um ihnen die Chance zu geben, sich auf das Gespräch vorzubereiten. Die Interviews wurden im einvernehmlichen Einverständnis mit den Gesprächspartnern digital aufgezeichnet. Beobachtungen und Eindrücke vor, während und nach den Interviews wurden darüber hinaus in einem Interviewprotokoll schriftlich festgehalten. Während der Interviews wurde bewusst vermieden, den Fragebogen in einer bestimmten Reihenfolge „abzuarbeiten“. Darüber hinaus wurde darauf geachtet, die Fragen so offen wie möglich zu formulieren und Suggestivfragen zu vermeiden (Hopf, 2007). Aspekte, die in den bereits geführten Gesprächen von besonderer Relevanz waren und durch die Gesprächspartner erneut thematisiert wurden, wurden wo möglich weiter vertieft, indem an bestehende Sachverhalte oder Berichte anderer Gesprächspartner angeknüpft wurde. Dieses Vorgehen zielte darauf, einen Gesprächs-

22

Für eine vollständige Aufstellung der geführten Interviews vgl. Anhang A.1.

Forschungsdesign und empirische Methoden

61

fluss aufzubauen, den Gesprächspartner zu weiteren Erzählungen zu motivieren, und so von der künstlichen Interviewsituation zu abstrahieren (Bähring, Hauff, Sossdorf & Thommes, 2008). Insofern enthalten die Interviews auch narrative Elemente. Mit dieser vergleichsweise offenen Gesprächstechnik wurde versucht, standardisierte Antworten zu vermeiden und die nötige Datentiefe zu erreichen, die für qualitative Arbeiten ein bedeutendes Gütekriterium ist (Hopf, 2007, S. 356). Obwohl der Schwerpunkt bei den Interviews auf der Erhebung von Fakten wie Ereignissen, Handlungen, und Strukturen liegt, wurde den Befragten die Möglichkeit gegeben, auch persönliche Meinungen zu äußern (Yin, 2003, S. 89-92). Falls das Gespräch drohte, zu weit vom eigentlichen Thema abzuschweifen, wurde es anhand des Leitfadens wieder auf einen anderen Aspekt des Themas zurückgeführt. Im Anschluss an die Gespräche wurden die digitalen Aufzeichnungen vollständig transkribiert und die Rohtranskripte im Sinne einer Erstkorrektur nachbearbeitet. Etwaige Unstimmigkeiten wurden in Absprache mit den Gesprächspartnern geklärt. Anschließend wurden die Transkripte in die hermeneutische Einheit der QDASoftware zur Datenanalyse eingelesen. Die Primärdaten aus den Interviews wurden durch die Dokumentenanalyse von – wo zugänglich – internen Berichten, Präsentationen und Planpapieren, Unternehmensdaten, sowie Marktstudien komplementiert. Darüber hinaus dienten Medienberichte über das Fallunternehmen, direkte Wettbewerber, und die deutsche Medienbranche sowie einige ausgewählte Ländermärkte dazu, die Aussagen der Interviewpartner zu überprüfen und Anstoß für weitere Fragen zu geben. Durch die Analyse dieser Sekundärdaten wurde eine Daten- und Methodentriangulation möglich, was die Konsistenz der Ergebnisse erhöht (Flick, 2004; Patton, 1987).23 Mit demselben Ziel wurde während der Datenerhebung und -analyse ein Fallstudienprotokoll angelegt (Yin, 2003, S. 38, 67-77). In diesem wird neben dem Interviewleitfaden auch zu den verschiedenen Datenquellen der Belege referiert. Diese werden in einer separaten Fallstudien-Datenbank, der sog. „hermeneutischen Einheit“24, 23

Für eine Übersicht über analysierte interne Planpapiere vgl. Anhang A.2; die Medienberichte wurden zitiert und finden sich im Literaturverzeichnis. Eine Auswahl der wichtigsten Markt- und Unternehmensdaten ist in Anhang D aufgeführt.

24

Die Grundbegriffe der qualitativen Datenanalyse sowie die Funktionalität der QDA-Software ATLAS.ti werden im Kap. 6.3 erläutert.

62

Forschungsdesign und empirische Methoden

abgelegt und so in die Software zur qualitativen Datenanalyse eingebunden. Anhand dieser Hilfsmittel, dem Fallstudienprotokoll und der Datenbank, wird eine lückenlose Beweiskette aufgebaut, die als Grundlage für den eigentlichen Fallstudienreport dient (vgl. dazu auch Yin, 2003, S. 100). Die Wahl des Erhebungsinstruments wurde von folgenden drei Kriterien abhängig gemacht: (1) die Art der Forschungsfrage, (2) das Ausmaß der Kontrolle, das der Forscher über die zu untersuchenden Phänomene hatte, und (3) das Ausmaß des Schwerpunkts auf aktuellen im Gegensatz zu historischen Ereignissen (Yin, 2003, S. 5). Die Forschungsfrage fokussiert auf die Prozesse der Ressourcenallokation, der Strategieformierung, und der organisationalen Kompetenzentwicklung. Die untersuchten Abläufe sind komplexe, interdependente Phänomene, die zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht oder nur rudimentär bekannt waren. Der Vorteil des Interviews und der Beobachtung gegenüber anderen Datenerhebungsmethoden – wie beispielsweise der Umfrage oder dem Experiment – ist die Flexibilität der beiden Instrumente. Während ein Experiment immer in einer kontrollierten und damit künstlichen Laborumgebung stattfindet, können mithilfe von Interviews und Beobachtungen auch komplexe soziale Prozesse in der realen Welt adäquat beschrieben und analysiert werden (Yin, 2003, S. 3-10). Dies entspricht auch der Wahl des vergleichsweise offenen Grounded Theory-Ansatzes, mit dem Handlungen, Einstellungen, und Ereignisse in der realen Lebenswelt erfasst werden sollen (Glaser & Strauss, 1967). Quantitative Methoden wie z. B. Umfragen haben zudem den Nachteil, dass sie meist zu standardisierten Antworten führen, die die Komplexität und Interdependenz der Zusammenhänge nicht vollständig abbilden können. Zweitens sind unternehmerische Prozesse aufgrund ihrer dynamischen Charakteristika nicht durch den Forscher kontrollierbar. Das schließt den Einsatz des Experiments als Methode der Datenerhebung aus. Drittens liegt der Schwerpunkt des Interesses vorwiegend auf Ereignissen wie z. B. organisatorischen Abläufen und intendierten Strategien in ihrem aktuellen Kontext, und nur in zweiter Linie auf der Analyse historischer Daten. Eine Stärke der Fallstudienmethode ist, dass sie die Analyse von Phänomenen in ihrem aktuellen Umfeld ermöglicht, weil sie auf verschiedene Datenerhebungsquellen abstellt (Yin, 2003, S. 13). Das führt in Bezug auf diese Arbeit dazu, dass die Dokumentenanalyse und Beobachtung eine ergänzende Funktion haben.

Forschungsdesign und empirische Methoden

63

6.3 Datenanalyse Für eine gute Fallstudie ist es besonders wichtig, schon in einem frühen Stadium der Forschung eine genaue Vorstellung von der einzusetzenden Analysestrategie zu entwickeln. Ein klarer Plan in Bezug auf die Datenauswertung hilft dem Forscher bereits während der Erhebungsphase dabei, den Blick auf die für die Fragestellung wichtigen Aspekte und Zusammenhänge zu richten. Dadurch verringert sich die Gefahr, irrelevante Daten zu sammeln (Punch, 2005; Miles & Huberman, 1994). Die in dieser Studie verfolgte Strategie wird nachfolgend erläutert. Die Analysestrategie der vorliegenden Studie leitet sich direkt aus den Forschungsfragen, dem Forschungsdesign und dem verwendeten konzeptionellen Bezugsrahmen von Bower, Burgelman und Gilbert (Bower & Gilbert, 2005; Burgelman, 1983b)25 ab. Unter Einsatz der Analysetechniken von Grounded Theory wurde eine qualitative, computergestützte Datenanalyse durchgeführt. Wie bereits in Kapitel 5 ausführlich erläutert wurde, kann das Ziel einer explorativ angelegten Einzelfallstudie nur in einer analytischen Generalisierung (Yin, 2003, S. 32) bestehen. Die Methode der analytischen Generalisierung mithilfe des Grounded Theory-Ansatzes zeigt zugleich das Ziel und die Grenzen der Dissertation auf.26 Deshalb wird das Vorgehen hier mit Bezug auf das Forschungsdesign dieser Studie genauer erläutert. Im Gegensatz zur statistischen Generalisierung, bei der von einzelnen Fällen mittels statistischer Methoden auf eine Gesamtheit geschlossen wird, können bei einer analytischen Generalisierung einzelne Fälle im Zusammenhang mit der Fallstudienmethode wie Experimente verstanden werden, bei denen mithilfe dezidierter Analysetechniken Kategorien und Ausprägungen im Datenmaterial identifiziert und in Konzepten und Mustern zu Theorien verdichtet werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer analytischen Generalisierung kann signifikant gesteigert werden, wenn erste theoretische Annahmen existieren, die Aufschluss über zu erhebende Daten geben. Solche Annahmen über die Prozesse der Ressourcenallokation, der Strategieformierung und der Kompetenzentwicklung wurden bereits zu 25

Für die Darstellung des konzeptionellen Bezugsrahmens vgl. Kap. 4.2; die Rolle, die dieser im Forschungsdesign spielt, ist in Kap. 5.2 erläutert.

26

Analog zu den Begriffen „statistical“ resp. „analytical generalization“ verwendet Stake die Begriffe „scientific“ resp. „naturalistic generalization“ (Stake, 1995, S. 260).

64

Forschungsdesign und empirische Methoden

einem frühen Zeitpunkt im Forschungsprozess aufgestellt. Dies geschah mit der Methode des „theoretischen Samplings“ (Strauss & Corbin, 1998, S. 73), indem ständig neue „sensibilisierende Fragen an die Daten gestellt“ wurden (Strauss & Corbin, 1998, S. 77). Ziel dieser Analysestrategie war es, Anomalien im Datenmaterial aufzudecken und für generelle Konzepte zu sensibilisieren, die aus speziellen Basiskategorien abstrahiert werden können. Die iterative Vorgehensweise des Verfahrens bedingt, dass theoretische Annahmen während des Analyseprozesses ständig angepasst, modifiziert und ggf. verworfen werden. Insofern wurden die getroffenen Hypothesen stetig weiterentwickelt. Dieser Prozess wurde dabei durch die Technik der „komparativen Analyse“ geleitet, die ein wichtiges Element von Grounded Theory ist. Durch das Anstellen von theoretischen Vergleichen werden Kategorien und Dimensionen im Datenmaterial aufgedeckt, in zentralen Konstrukten abstrahiert und konzeptualisiert und dadurch die Theorie sukzessive präzisiert und erweitert (Strauss & Corbin, 1998, S. 78, 93-99). Die Sensibilisierung für neue Konzepte, das Anstellen theoretischer Vergleiche, und die Aggregation in zentralen Konstrukten stellt den eigentlichen Kern der Theoriebildung durch Grounded Theory dar (Strauss & Corbin, 1998, S. 144). Der konkrete Forschungsprozess lief wie schließlich wie folgt ab: Mithilfe einer Software zur qualitativen Datenanalyse wurden die gewonnenen Daten nach der Methode von Strauss & Corbin codiert (Strauss & Corbin, 1998; Miles & Huberman, 1994).27 In Abbildung 6-I ist der Coding-Prozess mit einer Ansicht der QDA-Software ATLAS.ti illustriert. In einem ersten Schritt wurde die Technik der offenen Codierung nach Strauss & Corbin eingesetzt, indem eine Mikroanalyse der Interviewtranskripte und Dokumente durchgeführt wurde. Einzelne Wörter, Sätze oder Textpassagen wurden mit Codes bezeichnet und in Kontextkommentaren beschrieben.28 Obwohl zentrale Kategorien durch den bereits existierenden konzeptionellen Bezugsrahmen schon definiert sind, 27

In dieser Studie wird die bewährte Software ATLAS.ti in der aktuellen Version 5.2 verwendet, die sich durch eine besonders intuitive Benutzerführung sowie umfangreiche Funktionen zur Datenanalyse auszeichnet (vgl. http://www.atlasti.de, Bähring, Hauff, Sossdorf & Thommes, 2008, S. 106; Kelle, 2007).

28

Die einzelnen Coding-Techniken wie z. B. „in vivo coding“, „line-by-line coding“, „sentence coding“, und „paragraph coding“ sind in Strauss & Corbin beschrieben und sollen daher hier nicht im Einzelnen ausgeführt werden (Strauss & Corbin, 1990).

Forschungsdesign und empirische Methoden

65

wurde die mikroanalytische Untersuchung bewusst angewendet, um zu verhindern, dass zentrale Konzepte und Kategorien, die nur generisch oder gar nicht im Bezugsrahmen benannt sind, zu früh ausgeblendet wurden (Strauss & Corbin, 1998, S. 155).

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 6-I

Coding mit ATLAS.ti

Im zweiten Schritt wurden die Interviewtranskripte, Dokumente, und Beobachtungsprotokolle anhand einer axialen Codierung analysiert. Dabei wurden zentrale Konzepte, Kategorien und Subkategorien des Modells entlang ihrer Dimensionen und Ausprägungen genau spezifiziert und so die Theorie sukzessive erweitert. Darüber hinaus ermöglicht dieses Vorgehen eine komparative Analyse von Extremfällen (Yin, 2003; Eisenhardt, 1989). Dazu wurden zunächst Cluster von zusammengehörigen Kategorien um zentrale Kategorien gruppiert und als Code-Familie in der hermeneutischen Einheit abgelegt. Anschließend fand eine erste Bereinigung redundanter Kategorien statt, indem doppelte Codes verschmolzen wurden. Ergebnisse des zweiten Schritts waren Netzwerkstrukturen, in denen die Beziehungen zwischen den Kategorien dargestellt wurden. Vor der Visualisierung in Netzwerken wurden die Beziehungen zwischen Kategorien in den Kontextkommentaren übergeordneter Konzepte

66

Forschungsdesign und empirische Methoden

ausformuliert. Drei Arten von Netzwerken werden in dieser Studie differenziert. Erstens wurden die zentralen Modellelemente des konzeptionellen Bezugsrahmens, also des Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozesses und der auf ihn wirkenden Kontextfaktoren, ausdifferenziert. Dazu zählt insbesondere die Unterscheidung von Mustern und Prozessabläufen der Ressourcenallokation entlang verschiedener Subkategorien und deren Eigenschaften.29 Zweitens wurden zentrale Konzepte zu einzelnen Phänomenen verdichtet, die in Form von Coding-Paradigmen dargestellt sind. Dabei wurden die Kategorien analog von Strauss & Corbin (1998) in kausale, kontextuelle und intervenierende Variablen sowie Handlungsstrategien, Eigenschaften und Konsequenzen unterschieden. Drittens wurden Typologien von Ausprägungen wichtiger Konzepte wie z. B. digitaler Geschäftsmodelle aufgedeckt und als Strukturbäume visualisiert.30 Der dritte Schritt bestand in einer selektiven Codierung des vorhandenen Datenmaterials. Dabei wurden die zuvor induktiv gebildeten Kategorien, Konzepte und Dimensionen durch die gezielte Analyse einzelner Textpassagen in einer deduktiven Vorgehensweise weiter ausdifferenziert. Insbesondere die identifizierten dynamischen Fähigkeiten, die für die strategische Erneuerung von Medienunternehmen von entscheidender Bedeutung sind, wurden in diesem Schritt im Sinne von strategischen Routinen genauer untersucht. Anhand der komparativen Analysetechnik wurden gezielt kritische und gegensätzliche Aussagen gesucht, um die Theorie zu verdichten. Dabei müssen Aussagen, die im Widerspruch zu der gebildeten Theorie stehen, nicht unbedingt dazu führen, diese zu verwerfen. Vielmehr helfen solche Statements, die Validität der Theorie zu erhöhen (Strauss & Corbin, 1998, S. 159-160). An dieser Stelle soll klargestellt werden, dass die Verfahren der offenen, axialen und selektiven Codierung nicht in einer sequenziellen Abfolge nacheinander, sondern in einem ständigen Wechsel zwischen den einzelnen Phasen in iterativer Weise angewandt wurden. So lag der Schwerpunkt der Analysetechnik auf einer induktiven Vorgehensweise sowie offenem und axialem Codieren, während in den späteren Phasen die Deduktion und selektive Codierung überwog. Die Kunst der Codierung ist

29

Für eine Übersicht über die RAP-Muster vgl. Kap. 9.3 und Tabelle 9-II.

30

Die Netzwerkstrukturen sind in Form von Strukturbäumen, Coding-Paradigmen und Typologien in Anhang C dargestellt.

Forschungsdesign und empirische Methoden

67

es, die Verfahren und Methoden situationsadäquat einzusetzen (Strauss & Corbin, 1998, S. 136). Der Prozess der qualitativen Datenanalyse ist zusammenfassend in Abbildung 6-II beschrieben. Datenaufbereitung

Coding-Prozess

Theoriebildung Visualisierung in Grafiken und Vertextung der Ergebnisse in Fallstudien & Cross-CaseAnalyse

Transkription der Interviews, Anlegen einer hermeneutischen Einheit Hinzufügen der primären Dokumente (Transkripte, PPTSlides, etc.)

tradtionelle Business Unit, z.B. Handelsblatt

Holtzbrinck Digital

Direkte Produktdiversifizierte Medienunternehmen /Markt-Wettbewerber

Wettbewerbsintensität

Mikrokodierung relevanter Textpassagen (in vivo coding, line-by-linecoding, paragraph coding)

tendenziell gering, aber: mittel- bis langfristig steigende Tendenz

hoch

Markteintrittsbarrieren

hoch

niedrig

Marktvolumen

hoch, Tendenz abnehmend

niedrig, Tendenz zunehmend

Ergebnisbeitrag für Verlagsgruppe

hoch, Tendenz fallend

niedrig, Tendenz steigend

Wachtumspotenzial

gering, teilweise Stagnation und Rückgang

hoch, teilweise 40-50% Umsatzwachstum

Varietät der Geschäftsmodelle

gering, da statische Märkte mit Kernprodukten

hoch, da volatile Märkte in der Wachstumsphase

diversifizierte Medienunternehmen

VC-/PE-Gesellschaften

langfristig

variiert von kurz- bis langfristig

KapitalmarktWettbewerber Investitionshorizont der Kapitalgeber

Perzeption von Unsicherheit {1-1}~

Organisationale Entwicklungsgeschwin digkeit {4-3}~

Erstellung und Beschreibung der Kategorien, Subund SuperKategorien in Form von Codes

Online-Only-Player Rubrikenportale diversifizierte Medienunternehmen

*} Reifegrad des Geschäftsfelds {2-5}

*}

Perzeption strategischer Relevanz {1-2}

Perzeption von Machbarkeit {1-2}

IVC

IVC

IVC

Struktureller Kontext Business Unit Level {0-10}~ ->>

*} Technologieaffinität des Managements {1-3}~

*} *}

CS *}

*}

=> Kapitalmarkt-Wettbe werber {4-4}

Unternehmerisches Verhalten {9-4}~ CS

proaktiv-offensives Verhalten {0-1}

reaktiv-defensives Verhalten {0-1}

Kognitive Perzeption von Wandel {7-10}~

->> Capital Market Context {6-11}

Chance {0-1}~

Investitionsverhalte n {8-5}~

*} *}

zyklisches Verhalten {0-1}

azyklisches Verhalten {0-1}

Gefahr {3-1}~

Verdichtung von Kategorien bzw. Konzepten in Netzwerken (Paradigmen, Typologien) Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 6-II

Der iterative Prozess der qualitativen Datenanalyse in der Übersicht

Ziel der empirischen Analyse war es, Muster in den Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozessen zu identifizieren, um „Best Practices“, Erfolgsfaktoren, und benötigte organisationale Fähigkeiten ableiten zu können. Diese Muster bestehen aus sequenziell ablaufenden (Inter-)Aktionen (z. B. in Form von strategischen Routinen, Prozessabläufen), die ebenfalls codiert wurden. Dadurch konnten Rückschlüsse auf den Aufbau und die Funktionsweise der Ressourcenallokation und Strategieformierung gezogen werden. Neben diesen Prozessabläufen wurden relevante Kontextfaktoren identifiziert, die auf die Prozesse der Ressourcenallokation und der

68

Forschungsdesign und empirische Methoden

Strategieformierung wirken (vgl. Kap. 9, Strauss & Corbin, 1998). Die Datenerhebung und -codierung wurde erst beendet, nachdem sich ein hoher Grad der Theoriesättigung einstellte, d. h. keine neuen, für die Theorie wesentlichen Konstrukte, Kategorien und Eigenschaften mehr identifiziert werden konnten (Strauss & Corbin, 1998, S. 143). In der Synthese (vgl. Kap. 10, Yin, 2003, S. 133-137) wurde schließlich abgeleitet, welche Implikationen die Veränderungen von Ressourcenallokation und Strategieformierung, die durch den schnellen, diskontinuierlichen Wandel im dynamischen Umfeld induziert wurden, für die Entwicklung von organisationsspezifischen Fähigkeiten in großen, diversifizierten Medienunternehmen haben. Diese wurden schließlich in Erfolgsfaktoren für das Management von Medienunternehmen zusammengefasst (vgl. Kap. 11).

6.4 Gütekriterien Kapitel 6 zu den empirischen Methoden schließt mit einer Betrachtung der Gütekriterien, die zur Qualitätsicherung des Forschungsprozesses und dessen Ergebnisse angelegt wurden. Um dem Vorwurf wissenschaftlicher Ungenauigkeit und fehlender Stringenz bei der Anwendung von qualitativen Methoden bereits im Ansatz zu begegnen, wurde das Forschungsdesign laufend auf bestimmte Gütekriterien überprüft. Dabei muss beachtet werden, dass herkömmliche Gütekriterien für quantitative Studien wie Objektivität, Validität und Reliabilität im qualitativen Kontext nicht halten. Sie können daher nicht einfach übernommen werden und müssen durch adäquate Maßstäbe für qualitative Forschung wie z. B. Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses, kommunikative Validität und wahrgenommene (praktische) Relevanz der Ergebnisse substituiert werden (Bähring, Hauff, Sossdorf & Thommes, 2008; Mayring, 2002, S. 140). Im Folgenden wird dargelegt, an welchen Kriterien die Stringenz der Forschungsergebnisse dieser Dissertation überprüft und ihre Qualität dadurch erhöht wurde. Erstes und wichtigstes Gütekriterium einer qualitativen Arbeit, die in der Tradition der Grounded Theory verfasst wurde, ist die praktische Relevanz der Forschungsergebnisse. Es geht hier um die Plausibilität der Erkenntnisse, die als Substitut für das Kriterium der Validität fungieren kann (Weick, 1989). In dieser Studie wurde die Plausibilität vor allem über eine kommunikative Validierung (Flick, 2007, S. 495; Mayring, 2002) der Fallstudienergebnisse mit Mitgliedern des Fallunternehmens erhöht. Die Resultate dieser Konfrontation von Vertretern des Fallunternehmens mit

Forschungsdesign und empirische Methoden

69

den Interpretationen des Forschers fanden im Rahmen der Verdichtung und Revision der entwickelten Theorie Eingang in die empirische Analyse. Die reine Sicherstellung der wissenschaftlichen Gültigkeit stellt aber kein hinreichendes Kriterium für die praktische Validität der Resultate dar. Ergebnisse können also wissenschaftlich valide und trotzdem praktisch irrelevant sein. Der praktische Wert einer Arbeit bemisst sich demnach an ihrer Fähigkeit, eine „dialektische Spannung“ aufzubauen und einen Dialog in Gang zu setzen (Arbnor & Bjerke, 1997, S. 234-235). Deshalb wurden die Gesprächspartner aufgefordert, nicht nur auf Plausibilität im engeren Sinne zu prüfen, sondern auch die praktische Relevanz der Ergebnisse einzuschätzen. Die situativ beschränkte Gültigkeit führt auch dazu, dass die Reliabilität ein ungeeignetes Qualitätskriterium für die Beurteilung der qualitativen Studie ist. Wäre die Wiederholungsreliabilität in einer qualitativen Studie gegeben, müsste man deren Qualität ernsthaft anzweifeln, weil dies ein Indikator für einen fehlenden Facettenreichtum der Studie wäre (Flick, 2007, S. 490). Diese ist im Rahmen von qualitativen Studien aber gerade beabsichtigt. Die Genauigkeit der Ergebnisse bemisst sich daher nicht an der Wiederholbarkeit des Fallstudien-Experiments, sondern an dessen analytischer Tiefe, die durch eine hohe argumentative Stringenz hergestellt wird. Wie bereits erläutert wurde, kann im Rahmen einer qualitativen Studie keine statistische Repräsentativität der Ergebnisse beansprucht werden (Yin, 2003). Das qualitative Forschungsdesign erlaubt jedoch die Herstellung von analytischer – also argumentativer – Repräsentativität. Die Ergebnisse der Grounded Theory sind demnach immer nur für einen bestimmten zeitlichen und räumlichen Kontext gültig. Mithilfe einer in dieser Studie zum Einsatz kommenden Daten-, Forscher- und Theorientriangulation wurde die Qualität der Ergebnisse wesentlich gesteigert. Erstens wurde eine Datentriangulation durch den Einbezug verschiedener Datenquellen wie Interviews, interne Planungsdokumente und Präsentationen, Medienberichte, Unternehmensdaten und Marktstudien umgesetzt. Zweitens wurden die Interviews teilweise von zwei Forschern durchgeführt oder eine Person nacheinander von beiden Forschern interviewt und so eine Forschertriangulation möglich. Durch die gemeinsame Diskussion der Ergebnisse wurden wichtige Zusammenhänge kommunikativ validiert und ein gemeinsames Verständnis hergestellt. Dadurch konnte die sog. inter-coder reliability (Denzin, 2003, S. 491; Flick, 2007) gesteigert werden. Eng mit der analytischen Repräsentativität verbunden ist zweitens eine begrenzte Objektivität der Studie, die durch die Techniken des theoretischen Samplings und der

70

Forschungsdesign und empirische Methoden

komparativen Analyse (Strauss & Corbin, 1998) sichergestellt werden konnte. Die theoretische Dichte der Arbeit wurde durch die Begründung zentraler Konzepte an jeweils mehreren Interviewaussagen gesteigert, die entweder die entwickelte Theorie bestätigten oder verwarfen. In letzterem Fall wurde nach alternativen Erklärungen gesucht und die Theorie entsprechend angepasst (Mayring, 2002). Denzin und Flick bezeichnen dieses Vorgehen als Theorientriangulation (Denzin, 2003; Flick, 2004). Schließlich wurde während des Forschungsprozesses darauf geachtet, dass er nachvollziehbar und transparent bleibt. Zur Steigerung der Transparenz dient die Dokumentation der Systematik des empirischen Prozesses von der Anlage des Forschungsdesigns bis hin zu den Methoden und Techniken der Datenanalyse und der Ergebnisdarstellung in den vorliegenden Kapiteln 5 und 6 (Mayring, 2002, S. 144-145). Zur Erhöhung der Nachvollziehbarkeit trugen außerdem die vollständige Transkription der Interviews sowie der Einsatz der QDA-Software ATLAS.ti, über die eine lückenlose Beweiskette von den Ergebnissen bis zu den ihnen zugrunde liegenden Daten geführt wurde, bei (Kelle, 2007). So wurde eine sog. argumentative Interpretationsabsicherung (Mayring, 2002, S. 145) realisiert, indem der interpretative Text im empirischen Teil über die Zitation der Quotations aus der Analysesoftware auf einzelne Auszüge aus dem Datenmaterial und die vom Forscher dazu verfassten Kontextkommentare zurückverfolgt werden kann.

Fallstudie

71

Teil III Fallstudie Nachdem im ersten Teil das theoretische Fundament in Form der Strategieprozessforschung (Bower, 1970a, 1970b; Bower & Gilbert, 2005; Burgelman, 1983b, 1984a) sowie des kompetenzenbasierten Ansatzes (Collis, 1994; Collis & Montgomery, 1995, 1998; Teece, Pisano & Shuen, 1997; Teece, 2007) vorgestellt und im zweiten Teil die empirischen Methoden der Datenerhebung und -analyse ausgeführt wurden, widmet sich der dritte Teil der Fallanalysenstudie, indem das untersuchte Phänomen der strategischen Erneuerung am Beispiel der Medienunternehmen analysiert wird. Die Analyse basiert hauptsächlich auf den Ergebnissen der qualitativen Datenanalyse und orientiert sich am in Kapitel 4.2 vorgestellten Modell des Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozesses, um einen möglichst engen Bezug zwischen Forschung und Empirie herzustellen. Kapitel 7 zeigt aktuelle Entwicklungen im Umfeld der Medienunternehmen auf und setzt die Fälle in einen größeren Zusammenhang, der sich in Form der exogenen Faktoren des Produkt-/Markt-Kontexts und des Kapitalmarkt-Kontexts im RAPModell wiederfindet. Das Kapitel bildet insofern eine methodische Ausnahme, als dass hier im Gegensatz zur ressourcenbasierten Anlage des gesamten Forschungsprojekts (inside out-Ansatz) eine marktbasierte Perspektive (outside in-Ansatz) eingenommen wird, um die Umfeldveränderungen in der Medienindustrie adäquat zu analysieren. Die Umfeldanalyse ist den eigentlichen Fallanalysen vorangestellt, die in den Kapiteln 8 und 9 folgen und aus ressourcenbasierter Perspektive die anderen Elemente des RAP-Modells, endogene Einflussfaktoren und RAP-Muster, fundieren. Abschließend zeigt Kapitel 10 auf, welche dynamischen Fähigkeiten die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck entwickelt hat, um sich strategisch zu erneuern und welche organisationalen Voraussetzungen das Management dafür schaffen musste.

72

7

Fallstudie

Diskontinuierlicher Wandel in der Medienindustrie

In diesem Kapitel wird zunächst der profunde Wandel der Medienindustrie anhand zweier Einflussfaktoren des RAP-Modells, dem Produkt-/Markt-Kontext und dem Kapitalmarkt-Kontext, aufgezeigt. Dabei werden sowohl die Ergebnisse der qualitativen Datenanalyse als auch der Sekundäranalyse von Medienberichten, vorliegenden Marktdaten sowie Studien zur Mediennutzung und zur Entwicklung des Werbemarkts mit einbezogen. Die Veränderungen im Produkt-/Markt-Kontext und Kapitalmarkt-Kontext haben starke Auswirkungen auf den Ressourcenallokationsprozess und die realisierte Strategie der Medienunternehmen. Das Verständnis dieser exogenen Faktoren ist Voraussetzung für die aktive Gestaltung der Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozesse. Daher werden diese Umfeldentwicklungen im Folgenden deskriptiv dargestellt.

7.1 Exogener Einflussfaktor I: Produkt-/Markt-Kontext Nach dem Platzen der Internet-Blase schien es, als sei der Wandel durch die digitalen Medien inkrementeller Natur und würde – wenn überhaupt – nur langsam und gemächlich vonstatten gehen (The failure of new media, 2000). Die Evolution des Internets zum Massenmedium setzte sich aber fort und gewann immer mehr an Fahrt. Diese Entwicklung veränderte das Wettbewerbsumfeld der Medienindustrie nachhaltig. Die sog. „Digital Natives“ (Hamann, 2006), also die Generation, die mit den neuen Medien aufwächst, zwingt heutzutage die Medienkonzerne dazu, sich grundlegend zu wandeln und ihre Produkte den neuen Bedürfnissen der Mediennutzer anzupassen. In der Branche herrscht daher auch ein breiter Konsens, dass die Verlagshäuser die digitalen Märkte erobern müssen, um ihre Wettbewerbspositionen nachhaltig zu sichern und weiter zu wachsen (Flaig & Köster, 2008; Laufer, 2008; „Online gewinnt“: Springer-Vorstand Wiele sieht Zukunft im Internet, 2008). Die hohe Umfelddynamik in den Medienmärkten, insbesondere die höhere Entwicklungsgeschwindigkeit im Bereich der digitalen Medien, führt zu einer steigenden Komplexität des Marktumfelds und damit der Anforderungen an die Medienunternehmen.

Fallstudie

73

7.1.1 Entwicklung der Mediennutzung Durch die neuen Medien kommt es zu einer Fragmentierung der Mediennutzung. Die Konsumenten nutzen heute neben den traditionellen Medien wie Print, Radio und TV zunehmend neue Kanäle wie das Internet und mobile Endgeräte. Dabei erwarten die Nutzer, dass Inhalte auf den jeweiligen Nutzungskontext angepasst werden (Hitz, 2004).31 Sie verwenden das Internet vor allem, um sich über aktuelle Themen auf dem Laufenden zu halten. Von einer Tages- und Wochenzeitung erwarten die Konsumenten hingegen, dass sie aktuelle Nachrichten erklärt, kommentiert und einordnet. Hintergrundanalysen und Kommentare nehmen also einen höheren Stellenwert in der gedruckten Zeitung und Zeitschrift ein (Riecke, 2006b). Das veränderte Nutzerverhalten erhöht die Komplexität der Inhaltsproduktion, weil mit der Fragmentierung das Aufbrechen klassischer Produktbündel, das sog. „Unbundling“ verbunden ist (Quotation 11:27). Dadurch eröffnen sich den Medienunternehmen aber auch neue Chancen in Form innovativer Geschäftsmodelle und Absatzmärkte. Der veränderte Medienkonsum schlägt sich in besonders hohen Wachstumsraten der Online-Nutzung nieder. Die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer ist in Deutschland von zwei Minuten im Jahr 1997 auf ein Niveau von 57 Minuten im Jahr 2007 explodiert. Insbesondere bei jüngeren Bevölkerungsschichten ist das „Netz“ beliebt: 2007 nutzten 95,8% der 14- bis 19-Jährigen und 94,3 Prozent der 20- bis 29Jährigen das Internet zumindest gelegentlich; die überwiegende Mehrheit sogar täglich. Die durchschnittliche Verweildauer betrug in der jüngsten Bevölkerungsgruppe der 14- bis 19-Jährigen 2007 bereits 155 Minuten und liegt damit deutlich über dem Bevölkerungsschnitt.32 Jüngere Bevölkerungsschichten zeichnen sich nicht nur durch eine deutlich intensivere Nutzung des Internets, sondern auch durch stark veränderte Gewohnheiten in der Mediennutzung aus. Im Gegensatz zu den traditionellen Medien wie Print, Radio, und TV erlaubt das Internet eine aktive Partizipation der Nutzer. Die Konsumenten können plötzlich selbst Inhalte erstellen und veröffentlichen. Damit wandelt sich der Konsument zum sog. „Prosumenten“, der sowohl produziert als auch konsumiert (Hamann, 2006; Hanfeld, 2006; Scherf, Neus, Tietz & Wäsche, 2008, S. 3). In der 31

Vgl. dazu auch http://www.stateofthenewsmedia.org

32

Vgl. Anhang D.1, Abbildung D-VIII.

74

Fallstudie

Medienbranche spricht man hier von „User-generated Content“ und dem Phänomen des „Web 2.0“ (Hamann, 2006; Meckel, 2008). Motive für das aktive Engagement der Nutzer sind dabei vor allem die „Freude zum Austausch mit anderen zu interessanten Themen“ und der „Spaß bei der Erstellung von Beiträgen“, privater Exhibitionismus, und Egomanie (Hamann, 2006; Scherf, Neus, Tietz & Wäsche, 2008). Dan Gilmore, ein prominenter Online-Journalist in den Vereinigten Staaten, bezeichnet das „Blogging“ als „Aufstand der Leser und Zuschauer gegen die amerikanischen Medien“ (Hamann, 2006). Auch ältere Bevölkerungsschichten passen ihr Mediennutzungsverhalten im Netz an. Ein Beispiel dafür sind gestiegene Erwartungen der Leser im Bereich der Wirtschafts- und Finanzinformationen (Interview 12, Riecke, 2006b). Durch die aktive Nutzung zieht das Internet die volle Aufmerksamkeit der Mediennutzer auf sich und eignet sich daher hervorragend als Werbeplattform. Neben der positiven Entwicklung der Internet-Nutzung zeichnen sich in den traditionellen Medien vor allem negative Trends ab. Direkte Folge der fragmentierten Mediennutzung ist der Leserschwund bei den traditionellen Printmedien, der sich seit der deutschen Wiedervereinigung kontinuierlich fortsetzt. Seit 1998 sind die Auflagen von 28,9 Mio. auf 23,9 Mio. Exemplare pro Tag im Jahr 2008 gesunken. Vor allem jüngere Bevölkerungsschichten wandern ins Internet ab und lesen nur noch selten Tageszeitungen (Knappmann & Lachman, 2008).33 Der Auflagenverlust und sinkende Reichweiten werden dabei durch eine geringere Bindungskraft der traditionellen Medien verstärkt (Hamann, 2006). Allerdings zeigt sich der Print-Markt entgegen den landläufig verbreiteten Untergangsszenarien, die die zuvor skizzierte Entwicklung meist überzeichnen, erstaunlich robust. Insbesondere überregionale Tageszeitungen halten sich auf einem vergleichsweise hohen Auflagenniveau von 1,65 Mio. verkauften Exemplaren pro Tag (Knappmann & Lachman, 2008). Indiz dafür ist auch der stattliche Übernahmepreis für die hochprofitable Süddeutsche Zeitung, die durch die Südwestdeutsche Medienholding im Februar 2008 für 620 Mio. Euro akquiriert wurde (Knappmann & Lachman, 2008; Meier, 2008). Solche Übernahmen zeigen, dass Zeitungen und Zeitschriften nach wie vor attraktive Investitionsobjekte sind, die noch lange hohe Renditen versprechen.

33

Vgl. Anhang D.3, Abbildung D-XV.

Fallstudie

75

Ein Grund für die anhaltende Attraktivität von „Print“ könnte sein, dass der Konsum traditioneller Printmedien nur verhältnismäßig gering durch die Online-Nutzung substituiert wird. Laut einer Studie von Nielsen Netratings haben nur zehn Prozent der Online-Nutzer aufgehört, Zeitungen oder Zeitschriften zu kaufen und nur 20 Prozent geben weniger für Printmedien aus (Hamann, 2006). Weniger positiv entwickelt sich die Mediennutzung im Bereich des TV-Markts. Fernsehen wandelt sich vom Primär- zum „Nebenbei“-Medium, das zunehmend passiv konsumiert wird. Die TV-Nutzung wird deshalb verhältnismäßig stärker durch das Internet substituiert als Printmedien. Daher bedroht das Internet vor allem ein weiteres Wachstum der TV-Stationen. Das sog. „Videocasting“ im World Wide Web, die Veröffentlichung selbst gedrehter Videos auf Webportalen wie YouTube durch „Jedermann“, verstärkt diesen Trend noch (Hamann, 2006; Scherf, Neus, Tietz & Wäsche, 2008, S. 2-4, 13; Schmidt, 2006a). Die für die großen, diversifizierten Medienhäuser entscheidende Frage im Kontext des Wandels der Mediennutzung ist, ob die jungen Mediennutzer mit zunehmendem Alter ihre Gewohnheiten anpassen und zur Nutzung traditioneller Medienformen zurückkehren werden oder ob das in der Jugend antrainierte interaktive Nutzungsverhalten über den Lebenszyklus der Konsumenten beibehalten wird. Hierüber gehen die Meinungen weit auseinander. Einige Verleger sind der Meinung, dass Mediennutzer mit zunehmendem Alter sukzessive auf die Nutzung traditioneller Mediengattungen umstellen würden. Ein globales Expertenpanel der Medienindustrie, das im Auftrag von IBM Global Business Services vom Zentrum für Evaluation und Methoden der Universität Bonn befragt wurde, bezeichnete diese Annahme allerdings als Wunschdenken und geht davon aus, dass sich die einmal sozialisierte Mediennutzung auch in höheren Altersgruppen nicht fundamental verändere, weil jüngere Bevölkerungsschichten die Rolle der „early adopter“ einnähmen (Scherf, Neus, Tietz & Wäsche, 2008). Auch Verleger Dirk Ippen geht von einem nachhaltigen Wandel der Mediennutzung aus: „Das Internet ist ein Serienkiller und ist für alle Massenmedien beides: Eine Gefahr und eine Chance, die größte Medienrevolution seit Gutenberg vor 550 Jahren“ (Busse & Kilz, 2007). Der Wandel der Mediennutzung hat zudem auch tiefgreifende Auswirkungen auf den Journalismus und die Arbeit der Redaktionen. Der Internet-Journalismus emanzipiert sich nur sehr langsam gegenüber traditionellen Formen der Berichterstattung. Nachrichten werden durch das Internet zur Massenware. Daher müssen professionelle

76

Fallstudie

Redaktionen vermehrt Hintergrundinformationen liefern und „das Wesentliche herausstellen“. Laut Gordon Crovitz, dem Herausgeber des Wall Street Journal zielt ein solcher „erklärender Journalismus“ (Riecke, 2006b) auf einen nachhaltigen Vertrauensaufbau beim „Publikum“. Hochqualitative Medien müssen so zu Garanten der „Wahrhaftigkeit“ und „Zuverlässigkeit“ der Information werden (Tom Glocer, CEO Reuters & Steve Hayden, stellv. CEO der Werbeagentur Ogilvy Worldwide, in: Hanfeld, 2006). Manche Exponenten der Neuen Medien sehen angesichts der veränderten Mediennutzung noch gravierendere Veränderungen auf die Journalisten zukommen. Das Internet, so die Apokalyptiker, könnte in der langen Frist den Verlust der Funktionen des Journalisten als Vermittler bzw. Gatekeeper durch den „Prosumenten“ bewirken; es bestünde folglich die Gefahr der Disintermediation. Hierüber gehen die Meinungen aber ebenso weit auseinander. Tom Glocer, CEO von Reuters, ist der Ansicht, dass die Medien ihre Rolle als „Filter und Herausgeber“ (Hanfeld, 2006) behalten. 7.1.2 Entwicklung des Werbemarkts Nachdem die Internet-Blase anfangs des neuen Jahrtausends geplatzt war, erodierten die Werbeeinnahmen der traditionellen Medienhäuser auf breiter Front. Im Jahr 2003, als die Talsohle durchschritten wurde, wuchs das Werbeaufkommen in den Folgejahren jedoch wieder robust auf mehr als 30 Mia. Euro (Bialek & Siebenhaar, 2008).34 Die Werbung wuchs damit aber schwächer als das BIP (Deutsche Medien finden wieder festen Boden, 2005). In der Schweiz setzte sich eine leicht rückläufige Marktentwicklung in den Jahren 2005 und 2006 fort, bevor das Werbevolumen 2007 vergleichsweise stark um 15,2 Prozent auf 410,2 Mio. Euro stieg (sda, 2008; Schlechter Jahresbeginn für die Werbemedien, 2006). In Deutschland flaute das Wachstum der Werbeausgaben 2008 merklich ab, was zumindest teilweise auf die internationale Finanzkrise zurückgeführt wird.35 Im Ausland wurden bei überregionalen Zeitungen wie z. B. Le Monde und der New York Times u. a. wegen der rezessiven Stimmung bereits Stellen gestrichen (Piper, 2008; Schön, 2008). Auch die

34

Wachstum 2004: 1,6 Prozent, Wachstum 2007: 2 Prozent (Bialek & Siebenhaar, 2008), vgl. dazu auch Anhang D.2, Abbildung D-XI, Abbildung D-XII.

35

Prognose für 2008: ca. 3,8 Prozent (Zenith Optimedia, in: Siebenhaar, 2008).

Fallstudie

77

Tageszeitung USA Today hat jüngst einen starken Gewinneinbruch erlitten (Knappmann & Lachman, 2008; Schön, 2008). Analog zum Lesermarkt besteht auch im Werbemarkt eine Gefahr der Disintermediation (Scherf, Neus, Tietz & Wäsche, 2008). Es könnte demzufolge eine Situation entstehen, in der die Wertschöpfungskette der Medienindustrie von beiden Enden unter Druck gesetzt würde. Auf der einen Seite verfügen die Konsumenten über mehr Macht, da sie über eine größere Auswahl an Inhaltsanbietern und Medienkanälen verfügen, selbst als Inhaltsproduzenten agieren und für sie niedrigere Umstellungskosten beim Anbieterwechsel anfallen. Im Bereich der Finanzinformationen wird diese Entwicklung noch dadurch verschärft, dass Unternehmen als Großabnehmer von Inhalten immer häufiger fusionieren und dadurch Effizienzvorteile beim Inhaltseinkauf realisieren. Durch die Fusionswelle der vergangenen Jahre in Europa im Allgemeinen und in Deutschland im Speziellen sowie durch IT-Systeme, die eine Effizienzsteigerung im Einkauf von Werbeflächen bewirken sollen, konzentriert sich auch der Anzeigenmarkt (Quotation 12:25). Daraus resultiert ein gestiegener Druck auf Lieferantenseite. Schließlich befürchten einige Branchenbeobachter, dass Werbetreibende und Konsumenten über eine Online-Plattform direkt zusammenarbeiten und damit die großen Medienunternehmen aus der Wertschöpfungskette vollständig verdrängen oder zumindest deren Marktmacht stark schwächen könnten, was als „Disintermediation“ bezeichnet wird (Scherf, Neus, Tietz & Wäsche, 2008, S. 16). Die Medienhäuser begegnen dieser Entwicklung durch verstärkte Konsolidierungsbestrebungen. So hat das Handelsblatt kürzlich seine Anzeigenvertriebsorganisation restrukturiert (Quotation 12:25). Darüber hinaus entsteht für die etablierten Medienhäuser eine wesentliche Bedrohung durch einen potenziellen Markteintritt von Gratiszeitungen, die in der Schweiz bereits mit durchschlagendem Erfolg vertrieben werden (Brauner & Stock, 2006), in Deutschland durch koordinierte Aktionen der etablierten Medienkonzerne aber immer wieder aus dem Markt gedrängt werden konnten. So kam es z. B. zum sog. „Kölner Zeitungskrieg“ im Jahr 2000: Nach der Markteinführung eines Gratis-Morgenmagazins durch die norwegische Schibsted-Gruppe36 starteten die Verlage Axel Springer und DuMont Schauberg eine Gegenoffensive und fluteten den Markt so lange 36

Vgl. http://www.schibsted.no

78

Fallstudie

mit einem kostenlosen Pendant, bis der ausländische Konkurrent schließlich aufgab (Knappmann & Lachman, 2008). Branchenkennern zufolge ist es aber eine Frage der Zeit, bis Gratiszeitungen auf dem deutschen Markt Fuß fassen. Entsprechende Pläne liegen bereits in den Schubladen der Zeitungsverleger. Die veränderte Mediennutzung mit den hohen Wachstumsraten im Internet schlägt sich sukzessive in der Budgetverteilung der Werbetreibenden nieder. Ende der neunziger Jahre bewegte sich das Marktvolumen für Online-Werbung noch auf einem sehr niedrigen Niveau und zeichnete sich durch eher verhaltenes Wachstum aus, so dass Online-Werbung bei der Planung des „Media Mix“ nicht weiter ins Gewicht fiel (Quotation 1:9). Mit dem Kollaps der New Economy brach der kleine Markt dann völlig ein und die alte Ordnung schien zunächst wieder hergestellt (The failure of new media, 2000). Nachdem der Markt sich 2003 wieder fing, erlebte „Online“ dann plötzlich einen Boom mit enormen jährlichen Wachstumsraten von bis zu 50 Prozent; wenn auch zunächst nur auf kleiner Basis (Hamann, 2006; Siebenhaar, 2006b).37 Das Wachstum setzte sich auch im Jahr 2007 mit 43 Prozent fort, was einem Marktvolumen von 11,2 Mia. Euro entsprach (Onlinewerbemarkt wächst rekordverdächtig, 2008). Die Online-Medien beginnen dadurch allmählich, wirtschaftlich tragfähig zu werden, so dass inzwischen auch große Verlage diese Entwicklung nicht mehr einfach ignorieren können und mehr oder weniger gezielt in den Online-Sektor investieren (Flaig & Köster, 2008; „Online gewinnt“: Springer-Vorstand Wiele sieht Zukunft im Internet, 2008). Da der Anteil der Online-Werbeausgaben am gesamten Budget mit 8,9 Prozent dem Anteil der Online-Nutzung an der täglichen Mediennutzungsdauer in Deutschland von ca. 14,6 Prozent deutlich hinterherhinkt, kann man von einem weiteren Wachstum in der nahen Zukunft ausgehen (Schmidt, 2006a).38 Für dieses Phänomen, das speziell im deutschen Markt auftritt, gibt es vielfältige Ursachen und Erklärungen. Neben kulturellen Unterschieden zwischen dem deutschsprachigen Europa und den USA, wo Online-Werbung schon wesentlich verbreiteter ist, sehen viele Branchenkenner das Problem in der bisher unzureichenden Erfolgsmessung von Online-Werbung (Nuttall & Waters, 2008). Diese gestaltet sich schon deshalb sehr schwierig, weil sich viele 37

Vgl. Anhang D.1, D.2, Abbildung D-I, Abbildung D-IX bis Abbildung D-XII.

38

Vgl. Anhang D.1, Abbildung D-III.

Fallstudie

79

Konsumenten zunächst über das Internet informieren und so ihre Kaufentscheidung vorbereiten, letztendlich aber dann doch im Laden kaufen. Durch systematisch falsche Bewertungen der Effektivität der Werbeform „Internet“ auf Basis dieser SegmentVerkaufszahlen durch die Controlling-Abteilungen der Werbetreibenden, kommen diese bei der Budgetverteilung zu stark verzerrten Ergebnissen zugunsten der klassischen Medien. „Die Deutschen messen sich zu Tode“, so Philipp Schindler, Nordeuropa-Chef von Google, über die Werbetreibenden in Deutschland (Schmidt, 2006a). Google kann nach wie vor den weitaus größten Anteil der Werbeausgaben auf sich vereinigen. Besonders im Suchwort-Marketing verfügt Google über eine starke Marktposition.39 Parallel zur gestiegenen Komplexität bei der Erstellung von Inhalten im Internet steigt auch im Bereich des Anzeigenvertriebs die Marktdynamik. Neben vielfältigen neuen Werbeformen40 lassen sich verschiedene Typen von innovativen Geschäftsmodellen unterscheiden, die sich teilweise oder vollständig über Werbung finanzieren.41 Um den Werbemarkt adäquat zu analysieren, werden im Folgenden die wichtigsten Gattungen von Geschäftsmodellen einzeln betrachtet. News-Sites Nachrichtenportale stellen eine der zentralen Kategorien von Geschäftsmodellen dar. Insbesondere ihre Nähe zum Kerngeschäft der traditionellen Medienkonzerne macht diese Gattung für deutsche Verleger interessant. Manche Unternehmer sehen eine Gefahr für ihr nachrichtenbasiertes Kerngeschäft durch nutzer- oder suchmaschinenbewertete Portalseiten, die Nachrichten und Agenturmeldungen von Drittanbietern aggregieren:42 „Es kann nicht sein, dass die Medienhäuser in Deutschland grob 39

Google vereint ca. 50 Prozent des Marktvolumens des Online-Werbemarktes auf sich (Schmidt, 2008). Umsatz 2007: 16,6 Mia. Dollar, Gewinn 4,2 Mia. Dollar.

40

Insbesondere können die Kategorien Grafik-Werbung (Banners, Suchmaschinen-Werbung), VideoWerbung und Mobile-Werbung unterschieden werden (Schmidt, 2008).

41

Für eine Übersicht der in der Phase der qualitativen Datenanalyse am Beispiel Holtzbrinck abgeleiteten Geschäftsmodell-Typologie vgl. Anhang C.3.1. Eine alternative Klassifizierung von Geschäftsmodellen des „Web 2.0“ findet sich bei (Högg, Martignoni, Meckel & StanoevskaSlabeva, 2006, S. 8) bzw. (Meckel, 2008, S. 50).

42

Beispiele für solche Portale sind z. B. Google News (vgl. http://www.news.google.com), das in den USA sehr erfolgreiche Portal für nutzerbewertete Nachrichten digg.com (vgl. http://www.digg.com), sowie dessen deutsches Gegenstück yigg.de (vgl. http://www.yigg.de).

80

Fallstudie

geschätzt neun Milliarden Euro für Nachrichteninhalte ausgeben, die sie dann kostenlos ins Internet stellen“, so Verleger Christian DuMont Schütte (Schmidt, 2008; Meck, 2007; Siering, 2006). Andererseits leiten diese Portale potenzielle Nutzer auf die Webpräsenzen der traditionellen Zeitungen und Zeitschriften. Einige Verleger haben trotzdem schon selbst Ventures gestartet, um einen „Fuß in die Tür zu setzen“.43 Rubrikenanzeigen, Auktionen, E-Commerce Im Bereich der Rubrikenportale ist der Kannibalisierungseffekt gegenüber den traditionellen Medien am größten. Das liegt vor allem darin begründet, dass das Internet seine Funktion als Matchmaking-Plattform durch den einfachen und regional unbeschränkten Zugang sowie zusätzliche Filter-Funktionen wesentlich besser und effizienter erfüllt als traditionelle Medienformen wie Tageszeitungen und -zeitschriften das jemals leisten könnten. Durch Netzwerkeffekte sowie regional, funktional und zeitlich unbeschränkten Zugang der Konsumenten zu den Informationen im Netz kommt es zu einer Abwanderung der Rubrikenanzeigen ins Internet (Riecke, 2006a). Diese Entwicklung ist nicht neu: Rubrikenportale und E-Commerce-Plattformen gehörten zu den ersten Geschäftsmodellen, die wirtschaftlich tragfähig wurden. Beste Beispiele dafür sind die Online-Plattformen der Scout24-Gruppe, das InternetAuktionshaus eBay und der Online-Buchhändler Amazon.44 Die Gründung des Anzeigennetzwerks ISA durch die Verlagshäuser Holtzbrinck, Ippen, und WAZ sowie ca. 40 weiterer Verlage45 war eine Maßnahme, um den Rückgang des klassischen Rubrikenanzeigen-Geschäfts abzumildern und aufzufangen (Quotation 40:1). Social Communities, Blogging Sites Sog. „Social Communities“, also soziale Netzwerke, in denen sich Menschen mit ähnlichen Interessen zusammenfinden und vernetzen können, erfreuen sich in jüngster Vergangenheit hoher Beliebtheit und haben ein rasantes Wachstum erlebt. Sie gehören

43

Z. B. die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck mit ihrem Anfang des Jahres 2008 gestarteten Portal zoomer.de (vgl. http://www.zoomer.de)

44

Zur Scout-Gruppe gehören die Angebote autoscout24.de, immoscout24.de, und friendscout24.de.

45

Zum Portfolio der ISA-Gruppe zählen stellenanzeigen.de, immowelt.de, autoanzeigen.de, motoso.de und markt.de.

Fallstudie

81

zu den am häufigsten und intensivsten genutzten Angeboten im Internet, weshalb sich auch zunehmend etablierte Medienhäuser in diesem Marktsegment engagieren.46 Die genaue Kenntnis der Nutzerprofile, die häufig reichhaltige Zusatzinformationen wie z. B. demografische Angaben und persönliche Interessen und Vorlieben der Konsumenten enthalten, erlaubt eine präzisere Ansprache von bestimmten Käufersegmenten durch zielgruppengerechte Werbung, wodurch Streuverluste reduziert und die Effizienz von Marketing-Kampagnen der Werbetreibenden erhöht werden kann (Hamann, 2006). Das deutsche Studentenportal StudiVZ, das Anfang 2007 durch die Holtzbrinck-Gruppe akquiriert wurde und die höchsten Nutzerzahlen im deutschsprachigen Raum vorweisen kann, hat das sog. „Targeting“-Konzept, die Segmentierung von Nutzern nach bestimmten Kriterien, Anfang 2008 eingeführt (StudiVZ setzt auf Targeting für gezielte Online-Werbung, 2007). Das Kapitalisierungspotenzial der zielgruppengerechten Werbung ist aufgrund des Nutzungskontextes allerdings bei Suchmaschinen wie Google höher als bei sozialen Netzwerken und Nachrichtenportalen (Schmidt, 2008). Das offenbart eine zentrale Schwäche dieser Geschäftsmodelle: Die Nutzer der Netzwerke fühlen sich durch Werbung in sozialen Netzwerken stärker gestört als auf Nachrichtenportalen oder in Suchmaschinen, weil der Nutzungskontext ein völlig anderer ist. Während der Konsument Suchmaschinen unter anderem gezielt dazu einsetzt, um Kaufentscheidungen zu treffen oder vorzubereiten, verfolgt er in sozialen Netzwerken die Intention, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Entsprechend fühlt sich der Medienkonsument im intimen Umfeld eines solchen Netzwerks durch kommerzielle Angebote gestört. Dadurch erzielen Werbetreibende mit Werbung bei Google eine höhere Abschlussquote als in sozialen Netzwerken. Zudem bestehen nach wie vor Probleme mit dem Respekt der Privatsphäre des Nutzers und dem damit verbundenen Datenschutz im Kontext sozialer Netzwerke (Hamann, 2007). Ein weiterer Problembereich stellt die Datenintegrität dar: Die Publikation von „schlüpfrigen Inhalten“ durch einzelne Nutzer zeitigen öffentliche Kritik und bergen

46

Z. B. die Akquisition des Studentennetzwerks StudiVZ durch Holtzbrinck Anfang des Jahres 2007 (Stöcker, 2007).

82

Fallstudie

die Gefahr von Reputationsverlusten für die Anbieter (Lindner, 2006).47 Folgen dieser Entwicklung sind eine tiefe Verunsicherung der Nutzer und vergleichsweise geringe Werbeeinnahmen (Lemm, 2008).48 Daher besteht die Gefahr, dass Nutzer einer Plattform sehr schnell zu anderen Wettbewerbern abwandern. Diese Entwicklung wird dadurch vereinfacht, dass die Nutzer im Netz sehr niedrige Umstellungskosten beim Anbieterwechsel haben (Siebenhaar, 2006b). Speziell jüngere Mediennutzer sind „notorisch illoyal“ (Lindner, 2006). Daher muss der sog. „Coolness-Faktor“, die Attraktivität des Angebots für den Konsumenten, kontinuierlich gepflegt werden (Lindner, 2006). Abschließend kann konstatiert werden, dass die Werbeform, die in sozialen Netzwerken funktioniert, noch gefunden werden muss. Bisher stellt es sich als sehr schwierig heraus, die „Web 2.0“-Geschäftsmodelle zu kapitalisieren (Meckel, 2008, S. 54; Nuttall & Waters, 2008; Schmidt, 2008). Mobile Internet & Location-Based Services Google-CEO Eric Schmidt geht davon aus, dass die nächste große Welle der InternetNutzung durch das mobile Internet geprägt wird (Schmidt, 2008). Treiber dieser Entwicklung sind entsprechende Zugangsgeräte (z. B. Apples „iPhone“), die den Zugang vereinfachen und beschleunigen sowie der allgemeine Preisverfall in der Mobiltelefonie, der zu günstigen Datentarife wie „Flatrates“ führt (Meckel, 2008, S. 61-63). Experten erwarten, dass der Markt für mobiles Internet in naher Zukunft noch deutlich wachsen wird (Meckel, 2008, S. 60). Insbesondere sog. „location-based services“ bieten Nutzern im Zusammenhang mit dem mobilen Internet einen hohen Zusatznutzen (Schürmann, 2006). Die Verbindung 47

Ein Beispiel dafür ist das Hypertargeting-System Beacon des von Rupert Murdochs News Corp. akquirierten Netzwerks MySpace. Bisher haben Nutzer über Profileinstellungen zur Privatsphäre die Möglichkeit, das System abzuschalten (sog. „opt-out“). Kritiker fordern weitergehende Regelungen, die vorsehen, dass ein Nutzer das System ausdrücklich aktivieren muss, wenn er zielgruppengerechte Werbung erhalten möchte (sog. „opt-in“). In Deutschland wurden kürzlich neue Datenschutz-Richtlinien für soziale Netzwerke erlassen (Datenschutzkonforme Gestaltung sozialer Netzwerke, 2008).

48

Während Google allein im ersten Quartal 2008 einen Umsatz von ca. 5 Mia. Dollar generierte, erwartet die MySpace-Mutter Fox Interactive für das gesamte Jahr 2008 einen Umsatz von ca. 1 Mia. Dollar. Der Umsatz des Netzwerks Facebook wird für den Vergleichszeitraum auf ca. 350 Mio. Dollar geschätzt (Lemm, 2008).

Fallstudie

83

von GPS-Daten und Landkarten49 führt schon heute zu interessanten Geschäftsmodellen, bei denen oft ein Ertragssplitting zwischen Inhaltsanbieter und Distributor, wie z. B. Google, vorgesehen wird. Bereits im Jahr 2006 hatten mehr als ein Drittel der Suchanfragen im Internet einen lokalen Bezug (Schmidt, 2006b, 2008). Mit der Entwicklerplattform Android will Google eine Möglichkeit bieten, Anwendungen für mobile Endgeräte zu entwickeln, die den Nutzen des mobilen Internets steigern. So soll der Markt gezielt angestoßen werden (Schmidt, 2008). 7.1.3 Folgen der Entwicklung für traditionelle Medienhäuser Insgesamt ist das Marktvolumen des Medienkonsums durch die KomplementärNutzung und den besseren Zugang mithilfe neuer Endgeräte und größerer Bandbreiten über die vergangene Dekade gewachsen. Wie in den beiden vorigen Kapiteln gezeigt wurde, steigt die Komplexität des Marktumfelds durch Fragmentierung, „Unbundling“ und neu eintretende Wettbewerber. Gleichzeitig sind die etablierten Medienhäuser mit diskontinuierlichem Wandel durch die hohe Volatilität und das rasante Wachstum der digitalen Medienmärkte konfrontiert. Aus dieser Entwicklung resultieren sowohl strategische als auch strukturelle Herausforderungen. Es kommt jetzt darauf an, ob sich die Medienunternehmen im Markt für digitale Medien etablieren und damit von den neuen Chancen profitieren können oder ob sie den Markt den sog. „Online OnlyPlayern“ überlassen. Insbesondere die Konzernleitung darf dabei aber nicht die Entwicklung des Kerngeschäfts vernachlässigen, das nach wie vor den größten Ergebnisbeitrag erbringt. Wie reagierten die etablierten Medienunternehmen bisher auf diese Entwicklung? Rückblickend auf die letzten zehn Jahre lässt sich ein erstes Fazit ziehen. Während des ersten Booms der „New Economy“ kam es zu einer kurzfristigen Überreaktion der etablierten Unternehmen. Die deutschen Medienhäuser tätigten teilweise hohe Investitionen durch Akquisitionen von Internet-Plattformen und den Aufbau eigener Internet-Redaktionen zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Diese Investitionen standen in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit dieser Geschäftsmodelle, da sich sowohl Marktvolumen als auch -wachstum noch auf sehr niedrigem Niveau bewegten (Quotation 1:9). Gründe dafür waren u. a. eine unzureichende Breitbandabdeckung,

49

Z. B. Google Maps.

84

Fallstudie

die fehlende Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für hochqualitative Inhalte im Internet und Probleme in Bezug auf den Schutz geistigen Eigentums (The failure of new media, 2000). Die Medienunternehmen begingen ihrerseits den Fehler, PrintInhalte unverändert im Internet zu publizieren, ohne die Unterschiede beider Mediengattungen in Bezug auf deren Nutzungskontext zu berücksichtigen (Quotation 1:13). Zudem hat sich herausgestellt, dass ein Geschäftsmodell mit Bezahlinhalten lediglich im Zusammenhang mit zeitsensitiven und datengetriebenen Informationen funktioniert, die auf Leser einer spezifischen Interessengruppe zugeschnitten sind (Riecke, 2006b; Hanfeld, 2006).50 Die massiven Investitionen, die während der Krise Anfang des neuen Jahrtausends größtenteils abgeschrieben werden mussten, resultierten hauptsächlich aus der Angst, dass es zu einer schnellen Substitution der Printmedien durch das Internet kommen könnte (Gilbert & Bower, 2002; Gilbert, 2005; Knappmann & Lachman, 2008; Riecke, 2006b; The failure of new media, 2000). Nach dem Zusammenbruch der „New Economy“ sahen sich die Verlagshäuser gezwungen, in allen Bereichen zu restrukturieren. Insbesondere die Tageszeitungen, die sowohl unter Auflagen- als auch unter Anzeigenverlusten litten, traf die Krise besonders hart, da ihr Rubrikengeschäft ins Internet abwanderte. Prominente Beispiele dafür sind die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Bernhardt & Meyer-Lucht, 2004; Glotz & Meyer-Lucht, 2004). Die zukünftige Entwicklung des Werbemarkts ist heute schwer zu prognostizieren. Lothar Leonard, Chairman der Werbeagentur Ogilvy & Mather, geht von einer mittelfristigen Aufteilung der Werbebudgets von jeweils der Hälfte in On- und Offline aus (Bialek & Siebenhaar, 2008). Daher wird sich, wie bereits im vorigen Abschnitt dargestellt wurde, der Konsolidierungstrend bei den traditionellen Medien fortsetzen.51 Dabei müssen die Verlage berücksichtigen, dass hier früher oder später eine Konsolidierungsgrenze erreicht wird (Quotation 8:1). Das Ergebnis lässt sich folglich

50

Ein Beispiel dafür sind Finanzinformationen, wie sie z. B. vom Wall Street Journal oder durch Reuters erfolgreich online vermarktet werden (Riecke, 2006b; Hanfeld, 2006).

51

Kaufzeitungen müssen tendenziell stärkere Umsatzrückgänge kompensieren als Regionalzeitungen (Umsatzrückgange:. 1,5 bis Kaufzeitungen: ca. 5 Prozent p.a., Regionalzeitungen Osten: ca. 3 Prozent, Regionalzeitungen Westen: ca 2 Prozent; Quotation 1:8; Anhang D.3, Abbildung D-XIII bis Abbildung D-XVI).

Fallstudie

85

nicht dauerhaft durch die Realisierung von Effizienzvorteilen verbessern. Infolge des hohen Kostendrucks besteht außerdem die Gefahr einer Qualitätsreduktion bei der Inhaltserstellung (Riecke, 2006b). Nach Meinung von Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit Online, ist schon heute ein Überangebot qualitativ hochstehender Inhalte und Tageszeitungen vorhanden (Knappmann & Lachman, 2008). Die Medienhäuser können mittel- bis langfristig daher nur durch Zukäufe oder über organisches Wachstum im Bereich der digitalen Medien wachsen (Quotation 8:1). Durch die schwierige Kapitalisierbarkeit von Print-Inhalten im Internet52 entsteht die Gefahr sinkender Gewinnmargen. Die Firmen unternehmen daher große Anstrengungen, ihre erfolgreichen Print-Marken ins Netz zu portieren und sich konsequent an den veränderten Bedürfnissen der Medienkonsumenten zu orientieren (Quotation 1:17). Inzwischen mehren sich aber auch die Vorwürfe, die Medienhäuser würden angesichts der düsteren Aussichten blindwütig in verschiedene Marktsegmente diversifizieren und verfolgten keine kohärente Strategie.53 In jüngster Zeit verzeichnen die Medienunternehmen steigende Umsätze im Bereich der digitalen Medien.54 Die großen Verlage haben bei der Erschließung der neuen Märkte einen maßgeblichen Vorteil durch die hohe Glaubwürdigkeit ihrer Marken. Diese Entwicklung lässt auf eine Koexistenz von neuen und alten Medien (Siebenhaar, 2006b) und eine verstärkte Integration von „Online“ und „Print“ schließen (Hamann, 2006). Dieser Schluss stützt das sich bisher immer wieder bestätigende Riepl’sche Gesetz, das aussagt, dass sich die Mediennutzung durch das Aufkommen einer neuen Medienform gleichmäßig auf neue und alte Medien verteilt (Riepl, 1913). Abbildung 7-I zeigt die Ergebnisse der qualitativen Datenanalyse des exogenen Einflussfaktors „Produkt-/Markt-Kontext“. Dabei haben diese nur eine unterstützende Funktion, weil das Hauptgewicht auf der Sekundäranalyse von Medienberichten und Marktstudien lag. 52

Vgl. Kap. 7.1.2

53

Die Kritiker beziehen sich z. B. auf extensive Investitionen in Online-Geschäfte durch die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und Axel Springer oder die Diversifikation der WAZGruppe in den Bereich Lokalfernsehen und weitere Auslandsbeteiligungen (Knappmann & Lachman, 2008).

54

Z. B. Rupert Murdochs News Corp., die im Geschäftsjahr 2005/06 300 Mio. Dollar Umsatz mit den neuen Medien generierte, davon nimmt das Netzwerk MySpace ca. 30 Prozent, also geschätzte 100 Mio. Dollar ein (Knappmann & Lachman, 2008).

86

Fallstudie Produkt-/Markt-Kontext

Kategorien

Sub-Kategorien

Ausprägungen

Produkt-/Markt-Kontext Variablen Wettbewerber

diversifizierte Medienunternehmen Wissenschaft & Bildung

Online-Only-Player

Rubrikenportale

Belletristik & Sachbuch

Zeitungen

Magazine

TV

Digitale Medien

Eintrittshürden

hohe Barriere

niedrige Barriere

Wettbewerbsintensität

hoch

niedrig

Marktabgrenzbarkeit

regional und/oder funktional abgrenzbar Konzentration Anzeigenverkauf Konzentration Lesermarkt

nicht abgrenzbar

Fragmentierung Mediennutzung

Unbundling

Marktsegment

Marktmacht

Lieferantenmacht Abnehmermacht

Marktpositionierung Marktvolumen Kundenbedürfnisse

Intensität der Mediennutzung

Quelle: Qualitative Datenanalyse, vgl. Anhang C.1.3.

Abbildung 7-I

Variablen des Produkt-/Markt-Kontexts

7.2 Exogener Einflussfaktor II: Kapitalmarkt-Kontext Neben dem veränderten Produkt-/Markt-Kontext hat sich auch der KapitalmarktKontext für die Medienfirmen grundlegend gewandelt. Obwohl die meisten deutschen Medienunternehmen nach wie vor in privater Hand und daher vom Kapitalmarkt unabhängig sind, nimmt die Bedeutung dieses exogenen Einflussfaktors für die Ressourcenallokation und Strategieformierung in den Firmen aus verschiedenen Gründen kontinuierlich zu. Makroökonomische Entwicklungen wie der Zusammenbruch der „New Economy“ im Jahr 2001 und die Finanzmarktkrise im Jahr 2008, die im amerikanischen Hypothekenmarkt wurzelte, wirken sich gravierend auf die strategische Ausrichtung der Medienunternehmen aus. Durch die Internet-Krise waren die Unternehmen gezwungen, ihre Strategien in Bezug auf die digitalen Medien zu überdenken (Quotation 2:8). Bei Holtzbrinck scheiterte das zunächst intendierte Modell der börsenkotierten InternetHolding am gestiegenen Druck des Kapitalmarkts und führte letztendlich zur

Fallstudie

87

Gründung der heutigen VC-Einheit Holtzbrinck Ventures (Quotation 15:3).55 Die Kreditkrise führt dazu, dass bei strategischen Investitionen in Beteiligungen Wettbewerber aus dem Private Equity-Markt durch deren geringere finanzielle Potenz seltener zum Zug kommen und damit die Konkurrenzfähigkeit der Medienunternehmen auf dem Markt für Wagniskapital steigt (Quotation 9:24). Zweitens agieren in jüngster Zeit Finanzinvestoren in den Vereinigten Staaten sehr aggressiv im Bezug auf börsenkotierte Medienunternehmen.56 Wie sich an der raschen Konsolidierung des amerikanischen Zeitungsmarkts zeigt, haben die neuen Eigner hohe Renditeerwartungen. Den Übernahmen folgen daher oft Sparkurse, die in vielen Fällen zu Massenentlassungen und damit zum „Ausbluten“ der Redaktionen führen (Piper, 2008; Schön, 2008). Deutsche Verleger stehen dem Modell einer börsenkotierten Holding denn auch kritisch gegenüber: „Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass Zeitungen nicht an die Börse gehören“, so Jochen Gutbrod, stellvertretender CEO von Holtzbrinck (Busse, 2008). Zunehmend interessieren PE-Unternehmen und „Hedge Funds“ auch für den deutschen Markt (Höfinghoff, 2008). Dieser Einfluss ist für den deutschen Markt von mittel- bis langfristiger Relevanz, sollte aber bereits heute in die strategische Planung mit einbezogen werden, da erste Anzeichen für eine solche Entwicklung bereits auszumachen sind. So ist die Zahl der Übernahmen in der deutschen Verlagsbranche 2007 auf ein Rekordhoch von 240 Transaktionen gestiegen, was einen Anstieg von 46 Prozent in den Print-Verlagen und im Buchhandel bedeutet (Kubsova, 2008). Folglich ist – wie bereits im vorigen Kapitel erläutert wurde – ein reiner Konsolidierungskurs der traditionellen Medienhäuser gefährlich, weil mittelfristig die Konsolidierungsgrenze erreicht wird. Spätestens dann müssen Investitionen in digitale Medien getätigt werden, um den durch das Internet induzierten Wandel der Mediennutzung zu überleben. Manche Branchenkenner halten daher die exorbitanten Renditeerwartungen von Finanzinvestoren für übertrieben: „Wenn die Verlage die InternetWelle überleben wollen, müssen sie aufhören, die Axt zu schwingen“, so Zeitungsberater John Morton (Schön, 2008). Daher etablieren sich in der Medienindustrie auch 55 56

Vgl. Kap. 8.2 Beispiele für Übernahmen von Medien durch Finanzinvestoren sind die Zeitungen New York Times, Los Angeles Times, Chicago Tribune und die Seattle Times sowie die Übernahme des Wall Street Journal durch Rupert Murdochs News Corp.

88

Fallstudie

wieder Corporate VC-Gesellschaften, die sich im Bereich der digitalen Medien engagieren. So z. B. Holtzbrinck Ventures, die zu den aktivsten CVC-Gebern in Deutschland überhaupt gehören, Burda Digital Ventures und Bertelsmann mit seinem BDMI-Fund (Schwarz, 2008).57 Obwohl 2008 die Investitionstätigkeit im deutschen VC-Markt zunächst zurückgegangen ist, sind VC- und PE-Gesellschaften bedeutende Wettbewerber im Markt für Medienbeteiligungen. Daher müssen sich die Medienunternehmen als Kapitalgeber dem intensiven Wettbewerb stellen, indem sie neue Kompetenzen im Bereich der alternativen Beteiligungsfinanzierung aufbauen und Strukturen wie z. B. Entlohnungssysteme grundlegend anpassen (Quotation 14:15). Dabei bilden gerade die gesunde, langfristige Finanzierung und die dadurch bedingte hohe Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt, durch die sich die meisten deutschen Medienhäuser auszeichnen, eine gute Basis für nachhaltiges Wachstum durch geschicktes Beteiligungsmanagement (Quotations 13:3, 14:2, 15:20).58 Schließlich besteht gerade im Bereich der digitalen Medien die Gefahr von Investitionen in Geschäftsmodelle von langfristig zu geringer Substanz, da Bewertungen oft nicht auf Umsatzzahlen oder Gewinnmargen basieren, sondern in Ermangelung dieser reine Nutzer-Multiples zur Bewertung herangezogen werden. Die Folge sind hohe Investitionskosten, die in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle stehen (Lindner, 2006; Knappmann & Lachman, 2008).59 Im Unterschied zur ersten Welle des Internet-Booms Ende der neunziger Jahre existieren heute viele kleine Geldtöpfe, aus denen potenzielle Gründer schöpfen können. Dadurch sind Gründer einzelnen Investoren nicht hilflos ausgeliefert, sondern behalten in der Frühphase die Kontrolle über ihr Unternehmen (Siering, 2006).60 In Abbildung 7-II werden 57

Der Bertelsmann Digital Media Investments-Fund ging aus dem Inkubator Bertelsmann Valley und der VC-Einheit des Verlagshauses Random House, einem Unternehmensbereich der Bertelsmann AG, hervor (vgl. http://www.randomhouse.com/bdmifund/pages/about.html).

58

Dieser für die Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozesse zentrale Aspekt wird in Kapitel 9 weiter vertieft.

59

Beispiel ist das Studentenportal StudiVZ, das für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag Anfang 2007 durch die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck akquiriert wurde, die MySpace-Akquisition durch News Corp. in einer Höhe von 580 Mio. Dollar im Sommer 2005, und die Akquisition des Frauenportals aufeminin.com durch den Axel Springer Verlag im Oktober 2007, das im ersten Quartal einen Gewinneinbruch um 30 Prozent verzeichnete (Knappmann & Lachman, 2008).

60

Auch die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck verfolgt die Strategie, im Bereich der digitalen Medien viele kleine Investitionen zu tätigen und Klumpenrisiken zu vermeiden (Quotation 9:24).

Fallstudie

89

die Ergebnisse der qualitativen Datenanalyse in Bezug auf den exogenen Kontextfaktor „Kapitalmarkt“ dargestellt. Kapitalmarkt-Kontext Sub-Kategorien

Kategorien

Ausprägungen

Kapitalmarkt-Kontext Variablen Kapitalmarkt-Wettbewerber Makroökonomische Rahmenbedingungen Grad der Kapitalmarktabhängigkeit Investitionshorizont der Kapitalgeber Gesellschaftsform Konsequenzen Reputation bei Kapitalgebern

diversifizierte Medienunternehmen Bubble Burst

Private Equity / Venture Capital Gesellschaften Subprime Crisis

hohe Abhängigkeit

geringe Abhängigkeit

kurzfristige Perspektive

mittelfristige Perspektive

private Gesellschaft

börsenkotierte Gesellschaft

hoch

niedrig

Quelle: Qualitative Datenanalyse, vgl. Anhang C.1.2.

Abbildung 7-II

Variablen des Kapitalmarkt-Kontexts

langfristige Perspektive

90

8

Fallstudie

Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck

Nachdem im vorigen Kapitel zunächst der Kontext erläutert wurde, in den die Ressourcenallokation und Strategieformierung der großen, diversifizierten Medienunternehmen eingebettet sind, gibt dieses Kapitel einen Überblick über das im Rahmen einer Fallstudie empirisch untersuchte Unternehmen, die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. In Abschnitt 8.1 wird zunächst das Unternehmen selbst vorgestellt, bevor in Abschnitt 8.2 aufgezeigt wird, wie Holtzbrinck mit den Herausforderungen umgeht, die sich im Bereich der digitalen Medien stellen.

8.1 Historie, Geschäftsfelder und Ausrichtung der Verlagsgruppe Mit einem Umsatz von fast 2,5 Mia. Euro und über 15.000 Mitarbeitern gehört die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck zu den größten diversifizierten Medienunternehmen in Deutschland.61 Den Grundstein für das bis heute eigentümergeführte Familienunternehmen legte Georg von Holtzbrinck im Jahr 1948 mit der Gründung einer Hausbücherei und weiteren Buchreihen in Stuttgart. Bis Mitte der achtziger Jahre blieb das seit Ende der fünfziger Jahre unter dem Namen „Deutscher Bücherbund“ firmierende Unternehmen die größte Tochtergesellschaft der späteren Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. In den sechziger Jahren übernahm man zunächst den S. Fischer Verlag, bevor Holtzbrinck weitere Beteiligungen an bedeutenden deutschen Verlagen wie Rowohlt, Droemer und Kindler erwarb. Zwischen 1969 und 1971 stieg das Unternehmen ins Tageszeitungsgeschäft ein, indem es sich beim Handelsblatt, Deutschlands größter Zeitung für Wirtschafts- und Finanzinformationen, und der Saarbrücker Zeitung beteiligte. Von 1980 bis 2001 führte der Sohn des Firmengründers, Dieter von Holtzbrinck, die Geschäfte der Verlagsgruppe. In dieser Ära wuchs der Gruppenumsatz sowohl im Inals auch im Ausland stark von ca. 350 Mio. Euro auf fast zwei Mia. Euro.62 So übernahm Holtzbrinck Mitte der achtziger Jahre die amerikanischen Verlage Scientific American und Henry Holt. 1989 stieg die Verlagsgruppe aus dem ehemaligen Kerngeschäft aus, indem der Deutsche Bücherbund verkauft wurde. Mitte der neunziger 61

Vgl. Anhang D.5, Abbildung D-XX bis Abbildung D-XXV.

62

Vgl. Ibid.

Fallstudie

91

Jahre akquirierte Holtzbrinck den Verlag Macmillan und weitete damit sein Portfolio auch auf die Regionen Asien, Afrika, Australien und Lateinamerika aus. Im Jahr 2006 gehörte Holtzbrinck nach Bertelsmann, Axel Springer und Gruner & Jahr mit einem im Ausland generierten Umsatzanteil von 51,9 Prozent zu den internationalsten Medienfirmen Deutschlands.63 Die Jahre 2001 bis 2006 waren durch eine Phase des Generationswechsels gekennzeichnet: Nach über 20 Jahren an der Spitze der Verlagsgruppe zog sich Dieter von Holtzbrinck 2001 aus der Geschäftsleitung zurück, um den Übergang bis zu seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Unternehmen im Jahr 2006 als Vorsitzender des Aufsichtsrats mitzugestalten. Sein Bruder Dr. Stefan von Holtzbrinck übernahm 2001 die Geschäftsführung und lenkt seither die Geschicke des inzwischen global tätigen Medienhauses. Er und seine Schwester Monika Schoeller-von Holtzbrinck, die seit 1974 als Geschäftsführerin der Verlage S. Fischer amtiert, halten seit dem Ausscheiden von Dieter von Holtzbrinck, der sein Vermögen schrittweise in eine sozial engagierte, gemeinnützige Familienstiftung überführt, jeweils 50 Prozent an der Verlagsgruppe (di Lorenzo, 2006; Siebenhaar, 2006a). Die Aktivitäten der Verlagsgruppe gliedern sich heute in die vier Geschäftsfelder Publikumsverlage, Bildung und Wissenschaft, Zeitungen und Wirtschaftsinformationen und Elektronische Medien und Services. Neben zahlreichen Regionalzeitungen wie z. B. dem Trierischen Volksfreund, dem Berliner Tagesspiegel und dem Konstanzer Südkurier gehören die überregionale Wochenzeitung Die Zeit und die Verlagsgruppe Handelsblatt mit den Publikationen Handelsblatt, Junge Karriere und Wirtschaftswoche zur Verlagsgruppe. Außerdem zählen neben Rowohlt und S. Fischer renommierte Publikumsverlage wie Kiepenheuer & Witsch und in den Vereinigten Staaten Farrar, Straus & Giroux sowie St.Martin’s Press auch Fachverlage wie J.B. Metzler, Schäffer-Poeschel und die Nature Publishing Group zum global tätigen Medienunternehmen (Bartels, 2008). Holtzbrinck zeichnet sich seit seiner Gründung durch eine gelebte Dezentralität aus (Quotations 9:22, 10:4, 11:6). Schon Firmengründer Georg von Holtzbrinck ließ den Verlagen, an denen er sich beteiligte, ein Maximum an Autonomie (Geißler, 2008). Auch heute kommt das in der hohen Entscheidungsfreiheit zum Ausdruck, die die 63

Vgl. Anhang D.4, Abbildung D-XVII.

92

Fallstudie

Führungskräfte der einzelnen Holtzbrinck-Gesellschaften genießen. Entsprechend schmal ist daher die Holtzbrinck-Holding in Stuttgart aufgestellt. In der Geschäftsführung des Konzerns und den zentralen Bereichen arbeiten nur ca. 70 Angestellte (Quotations 7:4, 9:22, 10:4, 11:6, 16:12, Jochen Gutbrod im Interview: „Wir müssen im Internet einiges ausprobieren“, 2007). Mit der dezentralen Aufstellung der Verlagsgruppe ist eine ausgeprägt unternehmerische Grundhaltung verbunden, die auf die Individualität der einzelnen Mitarbeiter baut und sich durch eine hohe Personenorientierung auszeichnet (Gomez & Zimmermann, 1999). „Holtzbrinck lebt sehr stark vom Einzelunternehmertum“, sagt Stephan Roppel, Geschäftsführer und Gründer des Holtzbrinck eLab, Holtzbrincks Inkubator für digitale Medien (Quotation 11:5). Es gilt das „Unternehmer vor Ort-Prinzip“, an dem auch der heutige CEO Stefan von Holtzbrinck festhält (Quotation 12:3). Konzerndenken sei ihm fremd; die intellektuell-kreative Tätigkeit der Lektoren und Verleger stünde dem entgegen, so der Familienunternehmer (Bartels, 2008). Das beste Beispiel dafür ist die Gründung des eLab durch Roppel. „Komm, Stephan, wenn Du Lust hast, was Eigenes zu machen, dann machst Du das jetzt“, bestärkte man ihn damals in der Verlagsführung (Quotation 10:25). Der heute 45-jährige Familienunternehmer Stefan von Holtzbrinck setzt auf strategische Kontinuität, eine klare Wertorientierung, sowie die Berechenbarkeit und Nachvollziehbarkeit seiner Führungsentscheidungen (Quotations 16:12, 14:14, Bartels, 2008). Dazu gehört auch der Verzicht auf finanzielle Exzesse, was bedeutet, dass Holtzbrinck nur vernünftige Preise für Akquisitionen zahlt (Quotation 5:5). Das TopManagement pflegt einen informellen und direkten Führungs- und Kommunikationsansatz, der sich durch flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege und ein hohes Vertrauen in die Führungsfähigkeit der einzelnen Manager auszeichnet. In Bezug auf die hohe Autonomie der einzelnen Einheiten kann aber nicht von einem „Laissezfaire“-Ansatz gesprochen werden, da sich das Mutterhaus umgehend einschaltet, falls sich eine Einheit nicht wie geplant entwickelt und Unterstützungsbedarf besteht (Quotations 9:22, 10:16, 11:22, 11:35, 10:58). Wie im folgenden Kapitel noch ausgeführt wird, gilt dieses Credo nicht nur für die Zeitungen und Verlage, sondern ist auch für die Aktivitäten der Verlagsgruppe im stark wachsenden Bereich der Neuen Medien ein bedeutender Erfolgsfaktor. Kleinster gemeinsamer Nenner aller Holtzbrinck-Gesellschaften ist der hohe Qualitätsanspruch aller Verlage, Zeitungen und anderer Medienbeteiligungen (Quotations

Fallstudie

93

10:57, 11:26). Hohes Renommée genießen z. B. der amerikanische Publikumsverlag Farrar, Straus & Giroux, der einige Pulitzer- und 21 Literaturnobelpreisträger verlegt, und der Rowohlt Verlag, zu dessen Autoren Kurt Tucholsky, Hans Fallada, Robert Musil, Jean-Paul Sartre, Albert Camus und Elfriede Jelinek zählen. Der hohe publizistische Anspruch und die strategische Kontinuität stehen bei Holtzbrinck daher über dem Ziel der Profitmaximierung (Quotation 14:14). So wäre das Engagement bei der Neva Media GmbH, die unter dem Namen „Mobile 3.0“ eine Plattform für mobiles Fernsehen vermarktet, fast an der Tatsache gescheitert, dass ein beteiligter Co-Investor zunächst auf der Vermarktung von pornografischen Inhalten bestand. Erst als er von dieser Forderung Abstand nahm, beteiligte sich Holtzbrinck an dem gemeinsamen Konsortium von Hubert Burda Media und weiteren Investoren (Quotation 9:23, Lachman, 2006). Neben den traditionellen Medien hat das Management in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um im Feld der digitalen Medien Fuß zu fassen. Der Ausbau des vierten Geschäftsfelds Elektronische Medien und Services zum strategisch relevanten Standbein Holtzbrinck Digital ist bereits in vollem Gange. Ziel ist es, den Umsatzanteil von Holtzbrinck Digital bis zum Jahr 2011 auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. „Wir wollen dem Leser ins Internet folgen“, begründet Dr. Jochen Gutbrod, CFO und stellvertretender CEO der Verlagsgruppe, das strategische Ziel, das die Verlagsgruppe mit der Diversifikation in die neue Medienwelt verfolgt (Busse, 2008; Flaig & Köster, 2008). Im folgenden Abschnitt wird die Entwicklung des neuen Geschäftsfelds und dessen Bedeutung für die Gesamtstrategie von Holtzbrinck dargestellt.

8.2 Die Entwicklung des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital Die Neuen Medien wurden bei Holtzbrinck erstmals Mitte der neunziger Jahre als Thema von strategischer Relevanz wahrgenommen. Abgesehen von der Akquisition eines Multimedia-Verlags im Jahr 1993, der Sachbücher und Lexika multimedial aufbereiten und auf CD-ROMs publizieren sollte, orientierten sich die Geschäfte zu dieser Zeit ausschließlich am Kerngeschäft der regionalen und überregionalen Zeitungstitel. 1995 verfügten bereits alle Zeitungen der Verlagsgruppe über eigene Online-Präsenzen, die angesichts der zunächst geringen Öffentlichkeit im Netz und der hohen Mehrbelastung der Journalisten teilweise unter großem Widerstand der Redaktionen aufgebaut wurden. Auf den neuen Plattformen wurden die Inhalte der Printmedien größtenteils unverändert publiziert. Parallel dazu etablierte man in der

94

Fallstudie

Holtzbrinck-Zentrale das Kompetenzzentrum Neue Medien, das nach dem Modell einer internen Unternehmensberatung den Holtzbrinck-Tochterverlagen bei der Konzeption und Umsetzung ihrer Online-Aktivitäten zur Seite stehen sollte (Quotations 1:6, 10:2). Dieser proaktive Umgang mit dem Aufkommen des Internets entsprang einer defensiven Strategie. In dieser Frühphase der Neuen Medien nahmen die Redaktionen das Internet als Bedrohung für ihr Kerngeschäft wahr, das innerhalb kürzester Frist das Geschäft ihrer Print-Titel kannibalisieren und damit zu massiven Auflagenverlusten sowie einem Einbruch des Anzeigenmarkts führen könnte. Darüber hinaus propagierten einige Unternehmensberatungen, dass es im Internet nur darauf ankäme, wer über die richtigen Inhalte verfüge. Die Verlage – so auch Holtzbrinck – investierten hohe Summen in den Aufbau der digitalen Aktivitäten. Alle begingen den gleichen Fehler, klassische Inhalte aus den gedruckten Medienformen ohne Berücksichtigung des unterschiedlichen Nutzungskontexts unverändert ins Netz zu transferieren (Quotations 1:2, 1:13, 2:1). Wie bereits in Kapitel 8.1 gezeigt wurde, stand den hohen Investitionen der etablierten Verlage ein vergleichsweise geringes Marktvolumen gegenüber. In der Konsequenz mussten die Medienunternehmen, darunter auch Holtzbrinck, hohe Verluste verbuchen. Der Multimedia-Verlag war wirtschaftlich nicht tragfähig und wurde daher bereits Ende der neunziger Jahre wieder verkauft, weil die exorbitant hohen Produktionskosten geringen Absatzzahlen gegenüberstanden. Das Kompetenzzentrum Neue Medien scheiterte letztendlich an der fehlenden Akzeptanz der HoltzbrinckVerlage und widersprach als „zentrale Intelligenz“ der Logik der Dezentralität, wie sie im Hause Holtzbrinck seit jeher gelebt wurde und war daher nicht mit der HoltzbrinckKultur kompatibel. Zudem war das Kompetenzzentrum nicht in der Lage, tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln, während die finanzielle Verantwortung für die Projekte allein bei den Tochtergesellschaften lag. Diese erste Entwicklungsphase kann als Lernprozess bezeichnet werden, der sich durch die allgemeine Faszination, die vom Internet als Plattform für neue Geschäftsmodelle ausging, die nicht vorhandene Erfahrung im Umgang mit dem neuen Medium und die fehlende Bereitschaft, sich in wichtigen Kernmärkten wie z. B. den Rubrikenanzeigen selbst zu kannibalisieren, auszeichnete. Zentrale Erkenntnis bei Holtzbrinck war, dass die technologischen Marktpotenziale allein nur eine notwendige Bedingung für den Innovationserfolg sind, hinreichend für den Geschäftserfolg hingegen erst die

Fallstudie

95

Fähigkeit ist, die Potenziale durch die Umsetzung in wirtschaftlich tragfähigen Geschäftsmodellen zu realisieren. Im Gegensatz zu den etablierten Medienunternehmen gelang es vor allem jungen Start Up-Unternehmen, die Potenziale der Neuen Medien zu heben (Quotations 1:1, 1:4, 1:13, 10:2, 10:5, 10:8, 10:10). Gegen Ende der neunziger Jahre gewann das Geschäft mit den digitalen Medien zunehmend an Bedeutung. Nach dem Weggang des Bereichsleiters Neue Medien übernahm im Jahr 1998 mit Michael Grabner, damals zweiter Mann in der Geschäftsführung, ein enger Vertrauter von Dieter von Holtzbrinck die Verantwortung für das Geschäftsfeld Elektronische Medien. Der Bereich umfasste neben Investitionsobjekten im Bereich der Neuen Medien ursprünglich auch Radio- und TV-Beteiligungen wie z. B. Anteile an den Sendern NTV und Sat.1 (Quotation 14:1). In dieser Boomphase tätigten die Medienhäuser, darunter auch Holtzbrinck, noch höhere Investitionen in ihre Online-Aktivitäten, da die traditionellen Geschäftsbereiche hohe Gewinne abwarfen, die in Digitalbeteiligungen reinvestiert werden konnten. Die etablierten Medienhäuser versuchten, den großen Online Only-Playern durch eigene strategische Allianzen Paroli bieten zu können. So investierte Holtzbrinck gemeinsam mit dem Axel Springer Verlag, T-Online, McKinsey & Company und dem Weltbild-Verlag u.a. in den Online-Buchversand booxtra, der heute unter dem Namen buecher.de zum Portfolio von Holtzbrinck Networks zählt, in das schwedische Karriereportal Jobline, das 2001 an das führende Portal Monster verkauft wurde und in die Plattform Infoseek, die später von Disney übernommen wurde und heute nicht mehr existiert. Diese Kooperationen scheiterten vor allem daran, dass alle Beteiligten Mitspracherechte beanspruchten und das Geschäft nach traditionellem Muster betrieben. Bei den OnlineZeitungen hingegen bauten viele Unternehmen eigene Online-Redaktionen auf, die Inhalte speziell für das Internet produzierten, weil das Management zunehmend realisierte, dass sich Online- und Print-Inhalte grundlegend voneinander unterschieden (Quotations 1:5, 1:7, 1:15, 13:1, 16:1). Just auf dem Höhepunkt der ersten Internet-Welle gründete Holtzbrinck im April 2000 die bestehenden Internet-Beteiligungen in eine Corporate Venture Capital-Gesellschaft unter dem Namen Holtzbrinck NetworXs AG aus. Das neue Unternehmen sollte nach dem Modell einer börsenkotierten Internet-Beteiligungsholding in Geschäftsmodelle der Neuen Medien investieren und sich am Kapitalmarkt durch Dividenden-

96

Fallstudie

ausschüttungen refinanzieren (Quotation 13:1, 16:1).64 Als Geschäftsführer wurde zunächst Konstantin Urban berufen, der im Mai 1998 als Bereichsleiter Neue Medien von Gemini Consulting zu Holtzbrinck wechselte. Die Gesellschaft wurde mit 65 Mio. Euro „committed capital“ ausgestattet, die für Neuinvestitionen und Nachfinanzierungen zur Verfügung standen. Ende des Jahres 2000 stieg außerdem die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), einer der größten Kreditgeber der gesamten Verlagsgruppe, mit zehn Prozent bei Holtzbrinck NetworXs ein, während die Verlagsgruppe weiterhin mit einem Anteil von 90 Prozent am Aktienkapital die neu gegründete Gesellschaft mehrheitlich beherrschte. 2001 übernahm Stefan von Holtzbrinck die Verlagsleitung von seinem Bruder Dieter von Holtzbrinck, der an die Spitze des Aufsichtsrats wechselte. In der Folge brach der „Neue Markt“ endgültig ein. Das Geschäftsmodell der von Holtzbrinck erst kürzlich gegründeten Internet-Holding scheiterte damit noch vor Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit, da die Erträge aus Dividenden ausfielen. Der geplante Börsengang von Holtzbrinck NetworXs wurde abgesagt und in der Not das Geschäftsmodell angepasst, indem ab sofort ein klassischer, exit-orientierter VCAnsatz verfolgt wurde. Holtzbrinck NetworXs agierte fortan als Corporate Venture Capital-Geber, der sich mit dem Kapital aus den Verkäufen einzelner Beteiligungen refinanzierte.65 Zu diesem Zeitpunkt stieß Martin Weber als CFO zum noch jungen Team, der aus seinen früheren Tätigkeiten bei der Bayerischen Kapitalbeteiligungs GmbH, der VC-Gesellschaft der Bayerischen Landesbank, und bei dem InternetVenture Netlife, dessen Börsengang er maßgeblich mitgestaltete, sowohl VC- als auch IPO-Erfahrung mitbrachte. Ziel der Geschäftsführer Urban und Weber war es immer, die Verlagsgruppe in die Entwicklung von NetworXs eng mit einzubinden. Sie argumentierten, dass die Verlagsgruppe durch die NetworXs-Aktivitäten strategisches Wissen im Bereich der Neuen Medien aufbauen könne, bereiteten alle Unterlagen mit größter Sorgfalt auf und pflegten einen engen Austausch mit der Verlagsleitung (Quotations 13:1, 13:13, 13:14, 15:3).

64

Dieses Geschäftsmodell verfolgten damals außerdem der deutsche Internet Service Provider United Internet (u.a. GMX, web.de und 1&1), die amerikanische CMGI, die japanische Gesellschaft Softbank.

65

Der Verkauf einzelner Beteiligungen wird im Kontext der VC-Finanzierung als „exit“ bezeichnet.

Fallstudie

97

Im Gegensatz zu den meisten Wettbewerbern investierte Holtzbrinck NetworXs auch während der sich anbahnenden Konsolidierungsphase in den Jahren 2001 bis 2003 weiter in die Neuen Medien. In dieser Zeit finanzierte Holtzbrincks Online-Ableger die Eigengründung Parship nach, eine Online-Plattform für Partnerschaftssuche, die heute das umsatzstärkste digitale Venture der Verlagsgruppe überhaupt ist. Neben dieser Finanzierung akquirierte NetworXs Ende 2002 auch den Online-Buchhändler BOL und stieg bei dem Mobile Services Provider mindmatics ein. Das azyklische Investitionsverhalten wurde möglich, weil die Verlagsführung trotz der schlechten Marktperspektiven an der Strategie, sukzessive eine strategische Erfolgsposition im Bereich der digitalen Medien aufzubauen, festhielt. Diese bedeutende Entscheidung des Top-Managements ging auf drei Faktoren zurück: Einerseits ist die Verlagsgruppe als Familienunternehmen vom Kapitalmarkt weitgehend unabhängig, was dem Management prinzipiell die Möglichkeit gab, an ihrer Strategie in Bezug auf die Neuen Medien festzuhalten. Zweitens spielte die Holtzbrinck-Kultur, die auf Dezentralität und strategischer Kontinuität basiert, eine wesentliche Rolle bei unternehmerischen Entscheidungen des Verlegers und der Geschäftsführung. Drittens ist das Festhalten der Verlagsgruppe an ihren Internet-Beteiligungen auch darauf zurückzuführen, dass die LBBW als wichtiger Kreditgeber der Holtzbrinck-Gruppe noch kurz vor dem Platzen der Internet-Blase mit einer relativ hohen Beteiligung bei Holtzbrinck NetworXs eingestiegen war. Eine Terminierung der Internet-Aktivitäten wäre unweigerlich mit einem Gesichtsverlust vor einem bedeutenden Fremdkapitalgeber einhergegangen. Schließlich umfasste das Portfolio von Holtzbrinck NetworXs vor allem Minderheitsbeteiligungen an frühphasigen Unternehmen, bei denen der Bewertungsabfall in der Konsolidierungsphase vergleichsweise gering ausfiel. Finanziell wurden die Investitionen in der Konsolidierungsphase mit dem frischen Kapital, das aus der LBBW-Beteiligung stammte und Mitteln aus dem Verkauf von Jobline an die Job-Plattform Monster finanziert. Rückblickend stellt Urban fest, dass in dieser Phase die besten Investitionen getätigt wurden (Quotation 13:1). Die Entscheidung, am eingeschlagenen Weg festzuhalten, kann als bestimmend für die weitere Entwicklung des neuen Geschäftsfelds „Holtzbrinck Digital“ bezeichnet werden (Quotations 11:24, 13:1, 13:14, 14:3, 16:2). Nach den Krisenjahren 2001 und 2002 wurde in den Jahren 2003 und 2004 die Talsohle durchschritten und das Portfolio von Holtzbrinck NetworXs wuchs wieder. Während erste Beteiligungen den „Break-Even Point“ erreichten, war das Investitions-

98

Fallstudie

kapital hingegen aufgezehrt. Um frisches Kapital zu erhalten, entschied sich das Management in Absprache mit Jochen Gutbrod, der nach längerer Beratungstätigkeit für Stefan von Holtzbrinck 2003 als CFO zur Verlagsgruppe wechselte und das Geschäft mit den Neuen Medien betreute, für einen sog. „secondary primary“. Bei der Transaktion sollten einer oder mehrere Co-Investoren einen Minderheitsanteil an Holtzbrinck NetworXs übernehmen und im Gegenzug dafür gemeinsam mit der Verlagsgruppe neues Kapital bereitstellen. Die Resonanz des Kapitalmarkts war hoch, da NetworXs bereits ein bestehendes Portfolio vorweisen konnte und dadurch die sog. „J-Curve“66 verkürzt werden konnte. Insgesamt acht Angebote von Goldman Sachs, LGT Capital und anderen Investoren lagen Urban und Weber vor. Mit LGT Capital und zwei kleineren Co-Investoren verhandelte man schließlich bis Ende des Jahres 2005 die Details des Vertrags: LGT sollte 40% des NetworXs-Portfolios abkaufen und dafür gemeinsam mit Holtzbrinck 50 Mio. Euro frisches Kapital bereitstellen. Kurz vor Abschluss des Vertrags intervenierte schließlich die Geschäftsführung der Verlagsgruppe, indem sie die Transaktion im letzten Moment absagte und darauf bestand, die finanziellen Mittel für das weitere Wachstum von NetworXs selbst bereitzustellen. Gründe für diesen strategischen Entscheid waren die Wahrnehmung in der Holding, dass die Online-Aktivitäten wegen des veränderten Nutzungsverhaltens der Medienkonsumenten und der allgemeinen Marktentwicklung von hoher strategischer Relevanz für die Entwicklung der gesamten Holtzbrinck-Gruppe seien sowie der Umstand, dass man durch den Einstieg eines weiteren Investors sein „bestes Team ein Stück weit in die Unabhängigkeit“ entlassen hätte, so Konstantin Urban (Quotation 14:3). Urban und Weber arbeiteten anschließend ein Konzept aus, dass eine Aufteilung des Portfolios auf zwei rechtlich getrennte Gesellschaften vorsah: Während exit-orientierte Minderheitsbeteiligungen in der Einheit Holtzbrinck Ventures aufgehängt werden sollten, sah man vor, strategische Beteiligungen, die sich durch robustes Wachstum, stabile Erlöse und erste Profite auszeichneten, in die Gesellschaft Holtzbrinck

66

Die sog. „J-Curve“ beschreibt in diesem Zusammenhang den Verlauf der Entwicklung eines Geschäftsmodells bis zur Erreichung der Profitabilität.

Fallstudie

99

Networks67 zu überführen. Außerdem sollten künftig die Management-Teams der Ventures unternehmerisch beteiligt werden. Neben der Möglichkeit der variablen Anreizentlohnung erhielt Holtzbrinck Ventures die Möglichkeit, auch selbst zu gründen. Die neue Organisationsstruktur mit Holtzbrinck Ventures als CVCGesellschaft und Holtzbrinck Networks in Form einer nicht börsenkotierten InternetHolding wurde zu Beginn des Jahres 2006 umgesetzt und die Gesellschaften mit neuem Kapital ausgestattet (Quotations 13:1, 14:3, 16:5). Zudem gründete Holtzbrinck auf Initiative des Leiters Unternehmensentwicklung, Dr. Stephan Roppel,68 im Januar 2006 mit dem Holtzbrinck eLab eine dritte Einheit, die sich als Inkubator für Start Ups im Bereich der Neuen Medien versteht. Diese Projekte befinden sich noch in der Gründungsphase und stehen damit am Anfang ihrer Entwicklung. Die Entscheidung, mit dem eLab ein weiteres Vehikel für Geschäftsmodelle der digitalen Medien aufzubauen, entsprang zum einen dem Defizit, mit dem VC-Arm Holtzbrinck Ventures bisher vor allem Minderheitsbeteiligungen zu besitzen und aufgrund des dadurch bedingten Kontrolldefizits Synergien mit dem Kerngeschäft nur begrenzt realisieren zu können. Andererseits zogen mit dem wieder aufkeimenden Wachstum auch die Bewertungen und damit die Preise für gute Investitionsobjekte im VC-Markt an. Dadurch sanken die Opportunitätskosten für organisches Wachstum durch Eigengründungen, die man bei Holtzbrinck bisher nicht explizit forcierte. Aus diesen Gründen entstand der strategische Entscheid, neben den Zukäufen über Ventures und Networks in Zukunft vermehrt selbst zu gründen. Neben diesen strategischen Überlegungen führten aber auch kulturelle Gründe zur Gründung des ersten deutschen Inkubators für Neue Medien. Das Top-Management räumte Roppel damals die Freiheit ein, seine eigene Idee zu verfolgen und setzte damit hohes Vertrauen in seine Person. Darüber hinaus war ein Ansatz auf der grünen Wiese, als Alternative zu einer Ansiedlung in einem der Kerngeschäftsfelder des Konzerns, besser mit dessen dezentraler Organisation vereinbar. Die Verlagsleitung war überzeugt, dass der Markt der digitalen Medien nach seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten funktionierte. Nach dem 67

Das mit einem „X“ geschriebene Holtzbrinck NetworXs (die Schreibweise war eine Reminiszenz der „New Economy“) ging also in den Gesellschaften Holtzbrinck Ventures und Holtzbrinck Networks auf.

68

Dr. Stephan Roppel war bereits seit 1995 als Leiter des Kompetenzzentrums Neue Medien bei Holtzbrinck beschäftigt. 1999 stieg er beim Online-Buchändler Amazon ein, bevor er im Dezember 2004 als Leiter Unternehmensentwicklung zu Holtzbrinck zurückkehrte (Quotation 10:14).

100

Fallstudie

ersten operativen Jahr umfasste das Portfolio von eLab bereits fünf Internet-Ventures (Quotations 10:24, 10:27). Die Geschäftsführung der Holtzbrinck-Gruppe gab mit der Einführung der neuen zwei- bzw. dreigliedrigen Struktur mit Holtzbrinck Networks, Ventures und eLab das Ziel aus, bis 2011 20 Prozent des Umsatzes in den digitalen Medien zu generieren. In den Jahren 2006 bis 2008 folgte daher eine intensive Expansionsphase. In dieser Zeit akquirierte Networks u. a. das Regionalportal meinestadt.de, das in direkter Konkurrenz zu den Regionalzeitungsverlagen steht. Den vorläufigen Höhepunkt der Wachstumsoffensive markierte die vollständige Übernahme von Anteilen des Studentennetzwerks StudiVZ am 2. Januar 2007, das mit den Ablegern SchülerVZ und MeinVZ zum größten Studentenportal in Europa avancierte.69 Mit einem Portfolio von über 30 Beteiligungen zählt Holtzbrinck Ventures heute zu den größten deutschen VCInvestoren im Bereich der Neuen Medien.70 Das Portfolio von Holtzbrinck Networks umfasst insgesamt neun strategische Beteiligungen, von denen die Online-Partnerschaftsagentur Parship den mit Abstand höchsten Umsatz- und Gewinnbeitrag abliefert (Quotation 13:1). Das eLab betreibt momentan 19 Ventures, an denen Holtzbrinck die Mehrheit besitzt.71 Im Wachstumsfeld Holtzbrinck Digital wurde 2007 ein Umsatz von 171 Mio. Euro erwirtschaftet (Quotations 13:1, 14:3, 16:5, 16:6). Abbildung 8-I fasst die Entwicklung der Online-Aktivitäten der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck im Kontext der Marktentwicklung, die durch den Verlauf des TecDax illustriert wird, zusammen.

69

StudiVZ hatte im Juni 2008 laut IVW-Liste 5,4 Mia. Page Impressions und 176 Mio. Visits. Während die Zahl der Visits weitgehend konstant bleibt, gehen die Page Impressions seit ihrem Höchststand von 6 Mio. PI’s im März 2008 zurück (StudiVZ setzt auf Targeting für gezielte Online-Werbung, 2007).

70

Vgl. http://www.holtzbrinck-ventures.com

71

Vgl. http://www.holtzbrinck-elab.com

Fallstudie

101

2000

vor 2000 Ende der 90er Jahre: Erste Joint Ventures im New MediaBereich mit anderen Medienkonzernen

2001

2002

April 2000: Gründung Holtzbrinck Networxs ƒ Beitrag Holding: 65 Mio. € committed capital ƒ Erste Beteiligungen: booxtra, Infoseek, Jobline

2000: 10%-Beteiligung der LBBW an Holtzbrinck Networxs ƒ Beitrag 10 Mio. €, der v.a. in den Krisenjahren 2001-03 eingesetzt wurde

2003

2004

2005

2006

2007

Steigende strategische Bedeutung des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital

2001-03: Antizyklische Investitionen Akquisition von BOL, Nachfinanzierung von Ende 2005: Parship Strategisches Ziel der

2001: Einbruch des Neuen Markts, Absage geplanter Börsengang von Holtzbrinck Networxs

2007: Umsatzbeitrag ca. 170 Mio. €

Holding: zukünftig sollen 20% des Umsatzes mit den neuen Medien eingefahren werden.

Daher Absage des geplanten „secondary primary“ mit LGT Capital und 1-2 kleineren Investoren durch Holtzbrinck-Holding

Anfang 2006: Neue Organisationsstruktur & Start Holtzbrinck eLab ƒ Aufteilung in Holtzbrinck Networks und Holtzbrinck Ventures ƒ Ausstattung von Ventures mit Carry-Programm und Möglichkeit, Equity zu vergeben

Quelle: Eigene Darstellung. * Konjunkturentwicklung, dargestellt anhand des TecDAX, 10Y, logarithmiert, 5-Tages-Intervall, vgl. http://www.cortalconsors.de

Abbildung 8-I

2008

Die Entwicklung des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital*

102

9

Fallstudie

Ressourcenallokation und Strategieformierung bei Holtzbrinck

Wie im Kapitel 8.2 erläutert, reagierte die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck auf die Emergenz der digitalen Medien und die damit verbundenen Umfeldveränderungen sehr frühzeitig mit dezentralen Innovations- und Wachstumsinitiativen in den einzelnen Tochterverlagen, die zunächst im Kontext hoher Unsicherheit entstanden. Vor dem Hintergrund einer Branchenentwicklung, die sich durch Überinvestitionen, Aktionismus und Selbstkannibalisierungsängste auszeichnete, kam es in der Konsequenz zum Scheitern vieler digitaler Geschäftsmodelle und der Strukturkrise anfangs des neuen Jahrtausends (Quotations 2:1, 10:2). Geprägt von diesen Erfahrungen disruptiven Wandels und der nachhaltig veränderten Mediennutzung bildete sich bei der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck während der vergangenen Dekade ein komplexes System von unterschiedlichen Finanzierungsansätzen heraus, das schließlich zu ersten wirtschaftlichen Erfolgen im Bereich der digitalen Medien führte. Den Kern dieses neuen Ansatzes des „Corporate Venturing“ bildet ein gestaffelter Ressourcenallokationsprozess, der in diesem Kapitel vorgestellt wird. In diesem Zusammenhang ist besonders interessant, dass dieser strukturierte Ansatz der Ressourcenallokation nicht per Dekret durch das Top-Management aufgesetzt wurde, sondern mit der Zeit in der Organisation „Holtzbrinck“ reifte. Wie bereits in Kapitel 8.2 illustriert, ist der heutige Erfolg nicht nur das Ergebnis weitsichtiger Planung der Verlagsleitung, sondern gründet auch auf einzelnen Initiativen von Mitarbeitern des Operativen und Mittleren Managements. In Bezug auf den während der Datenerhebung und -analyse verwendeten konzeptionellen Bezugsrahmen von Bower, Burgelman und Gilbert (Bower, 1970a, 1970b; Bower & Gilbert, 2005; Burgelman, 1983a, 1983b, 1984a, 1984b) wurden durch diese strategischen Initiativen, die als autonomes strategisches Verhalten des Operativen und Mittleren Managements qualifiziert werden können, verschiedene Anpassungen des strategischen und strukturellen Kontexts notwendig, die das Top-Management während der vergangenen Jahre nachvollzogen hat. Dazu zählt z. B. der Entschluss, im Rahmen der Wachstumsstrategie der Verlagsgruppe dem neuen Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital strategische Priorität einzuräumen. Neben diesem rein reaktiven Nachvollziehen der Entwicklungen („bottom up“Prozess) kann und sollte das Top-Management durch die gezielte Veränderung des

Fallstudie

103

strategischen und strukturellen Kontexts auch aktiv auf den Strategieprozess und die Ressourcenallokation Einfluss nehmen („top down“-Prozess), um so das Unternehmen strategisch zu erneuern. Für die aktive Gestaltung des Wandels im komplexen Umfeld ist die detaillierte Kenntnis der Wirkungsweise der endogenen Kontextfaktoren, in die der Ressourcenallokationsprozess in der eigenen Organisation eingebettet ist, eine zentrale Voraussetzung.72 Wie im Kapitel 10 gezeigt wird, müssen die Veränderungen im Einklang mit der Unternehmenskultur, Organisationsstruktur und der strategischen Ausrichtung der Verlagsgruppe stehen, damit sie zur Entwicklung neuer organisationsspezifischer Fähigkeiten führen. Insofern kann hier von einer hohen Pfadabhängigkeit im Sinne des Konzepts der „dynamic capabilities“ gesprochen werden (Collis, 1994; Collis & Montgomery, 1995, 1998; Teece, Pisano & Shuen, 1997; Teece, 2007; Winter, 2003; Zollo & Winter, 2002).73 In den Kapiteln 9.1 und 9.2 werden zunächst die endogenen Kontextfaktoren bei Holtzbrinck analysiert und es wird gezeigt, wie diese auf den RAP wirken und wo die Hebel für das Top-Management liegen. Dabei werden die Konzernebene („Corporate Level“) sowie die Ebene der Geschäftsbereiche („Business Unit Level“) jeweils separat betrachtet. Die vier Muster des Ressourcenallokationsprozesses, wie sie bei Holtzbrinck vorzufinden sind, werden in Kapitel 9.3 anhand wichtiger Dimensionen beschrieben und Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten herausgestellt. Anschließend wird in Kapitel 9.4 der dreiphasige Ansatz von Holtzbrinck Digital beschrieben, der als Gesamtkonzept die ersten drei Muster der Ressourcenallokation „seed stage finance“, „early stage finance“ und „late stage / expansion finance“ integriert sowie kritische Erfolgsfaktoren für das Management der einzelnen Phasen ableitet.

72

Zum konzeptionellen Bezugsrahmen, der Wirkung der endogenen Kontextfaktoren auf den RAP, und den daraus entstehenden Einflussmöglichkeiten des Top-Managements auf die Strategieformierung im Unternehmen vgl. Kap. 4.

73

Zum Konzept der dynamischen Fähigkeiten und der Bedeutung von Pfadabhängigkeiten vgl. Kap. 3.2.

104

Fallstudie

9.1 Endogener Einflussfaktor I: Strategischer Kontext Die Entwicklungen im Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital sind für die gesamte Verlagsgruppe von hoher Bedeutung und haben daher substanzielle Auswirkungen auf den strategischen Kontext der gesamten Organisation. Das folgende Kapitel orientiert sich an den Kategorien und Ausprägungen, die im Rahmen der qualitativen Datenanalyse identifiziert werden konnten. Sie sind in Abbildung 9-I zusammengefasst. Strategischer Kontext Sub-Kategorien

Kategorien Strategischer Kontext

Strategischer Kontext Corporate Level Strategischer Kontext Business Unit Level

Variablen Strategische Zielorientierung

Portfolioausrichtung

Ausprägungen

Strategische Intention

Wachstum / Innovation

Strategischer Planungshorizont

langfristig-strategisch

Konsolidierung / Effizienzsteigerung kurzfristig-opportunistisch

Unternehmerisches Verhalten

proaktiv-offensiv

reaktiv-defensiv

Diversifikationsgrad

Fokussierung auf Kernkompetenzen antizyklisches Verhalten

Diversifikation

Investitionsverhalten

zyklisches Verhalten

Strategische Investitionsarena

Quelle: Qualitative Datenanalyse, vgl. Anhang C.1.5.

Abbildung 9-I

Dimensionen des strategischen Kontexts und deren Ausprägungen

9.1.1 Strategischer Kontext auf Konzernebene Während man in den 90er Jahren noch defensiv auf die Neuerungen durch die digitalen Medien reagiert hat, geht Holtzbrinck inzwischen sehr proaktiv mit der veränderten Mediennutzung und den damit verbundenen Herausforderungen um. Indem die Verlagsleitung dieses Thema besonders betont, richtet sie das Unternehmen konsequent auf Wachstum und Innovation aus. Bei der Umsetzung dieser aggressiven Innovationsstrategie nimmt das Top-Management in der Aufbauphase bewusst auch Redundanzen und Ineffizienzen in Kauf. Obwohl die digitalen Medien das primäre Entwicklungsfeld der Verlagsgruppe sind, investiert Holtzbrinck nach wie vor hohe Summen in die Entwicklung der Kerngeschäftsbereiche. Während bei Holtzbrinck Digital eine Innovationsstrategie verfolgt wird, handelt es sich bei Investitionen in den traditionellen Medien hingegen häufig um Maßnahmen zur Prozessoptimierung, Effizienzsteigerung und Sicherung der Ertragskraft (Quotations 1:2, 1:25, 2:1, 9:3, 9:17, 9:18, 10:18, 10:56, 11:34, 13:2, 15:20).

Fallstudie

105

Der Verleger und die Verlagsführung zielen mit der verfolgten Strategie auf die Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolgs und den Aufbau von strategischen Erfolgspositionen. Die publizistische Verantwortung des Verlegers ist dabei immer von größerer Wichtigkeit als eine kurzfristige Profitmaximierung. Insbesondere bei Akquisitionen und Desinvestitionen im Bereich der digitalen Medien ist aber auch ein beherztes opportunistisches Handeln von entscheidender Bedeutung (Quotations 1:25, 9:8, 9:23, 10:56, 15:10, 16:12). Da die Verlagsgruppe stark diversifiziert ist, existiert kein klar abgesteckter inhaltlicher Korridor für Beteiligungen. Allen Holtzbrinck-Tochtergesellschaften ist der hohe publizistische Anspruch ihrer Produkte gemein. Abgesehen von einigen Ausnahmen, wo sich neue strategische Chancen bieten und man deshalb gezielt diversifizieren möchte, ist dabei die Verwandtschaft zum Kerngeschäft ein bedeutendes Kriterium für den Investitionsentscheid. Die hohe Kontinuität und Langfristigkeit in der Ausrichtung des Familienunternehmens sowie die weitgehende Unabhängigkeit von der aktuellen Kapitalmarktentwicklung machen antizyklische Investitionen in gewissen Grenzen erst möglich. Diese Antizyklik ist, gepaart mit der relativ breiten Investitionsarena und der hohen Reputation der Verlagsgruppe, der bedeutende Erfolgsfaktor beim Aufbau des Geschäfts mit den Neuen Medien (Quotations 1:19, 10:56, 11:24, 11:26, 14:2, 14:3, 16:12). Wie bereits in Bezug auf die strategische Priorisierung zum Ausdruck kam, muss das Top-Management im Hinblick auf die strategische Zielorientierung und die Portfolioausrichtung gleichzeitig in unterschiedlichen, sich teilweise widersprechenden Dimensionen denken. Da die Portfolios im Digitalbereich angesichts niedriger Transaktionsvolumina sehr fein gegliedert sind, beansprucht die Entwicklung des neuen Geschäftsfelds das Top-Management stark. Die hohen Zeitressourcen, die die Verlagsleitung beim Aufbau des neuen Geschäftsfelds einsetzen muss, lassen sich vor dem Hintergrund eines Umsatzbeitrags, der im Vergleich zu den Kerngeschäftsbereichen noch sehr gering ist, manchmal nur schwer rechtfertigen. Eine wichtige Aufgabe der Geschäftsführung ist es daher, die Balance zwischen Wachstum und Innovation im neuen Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital einerseits und der Weiterentwicklung des Kerngeschäfts mit den klassischen Medien andererseits zu halten. Dieser Punkt wird in Kapitel 10.3.1 weiter vertieft (Quotations 1:27, 2:11, 5:2, 5:4, 6:4, 14:20).

106

Fallstudie

9.1.2 Strategischer Kontext auf Geschäftsfeld-Ebene Auch innerhalb des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital behalten die Kategorisierungen des strategischen Kontexts ihre Gültigkeit.74 Nach Meinung von Konstantin Urban, Geschäftsführer von Holtzbrinck Networks und Mitgestalter der Internet-Strategie des Verlagshauses, sollte ein Medienkonzern das Thema „Neue Medien“ genauso strategisch angehen wie die strategische Planung seiner traditionellen Geschäftsfelder – zumindest insofern einmal der Grundsatzentschluss gefasst wurde, dieses neue Feld zu besetzen (Quotation 13:5). Im Gegensatz zur strategischen Planung auf Verlagsgruppenebene, die abhängig von der jeweils betroffenen Tochtergesellschaft sowohl Wachstums- als auch Konsolidierungsstrategien verfolgt, ist das Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital umfassend auf Wachstumsziele ausgerichtet. Demzufolge stehen während des Aufbaus heutige Ergebnisbeiträge des neuen Bereichs zugunsten der Nutzung zukünftiger Ertragschancen des Wachstumsfelds klar im Hintergrund (Quotation 9:3). Eine solch eindeutige Rolle der einzelnen Tochtergesellschaften im Rahmen der Gesamtstrategie der Verlagsgruppe ist für die strategische Erneuerung des Medienhauses essenziell. Diese Erkenntnis konnte man bereits durch die Erfahrungen mit den ersten OnlineAktivitäten von Holtzbrinck gewinnen: Differenzen hinsichtlich der strategischen Zielorientierung stellten einen zentralen Grund für das Scheitern des Kompetenzzentrums Neue Medien dar. Dessen Mitglieder dachten in strategisch-langfristigen Kategorien, während die vom Kompetenzzentrum beratenen Einheiten der traditionellen Medien in kürzeren Zyklen planten, weil sie auf Basis ihres jährlichen Ergebnisbeitrags incentiviert wurden. In der Konsequenz waren die Erwartungen beider Seiten miteinander unvereinbar. Bezüglich des Planungshorizonts der einzelnen Tochterunternehmen ist es daher für die Verlagsleitung besonders wichtig, die richtigen Anreize zu setzen und diese kongruent zu den strategischen Zielen der jeweiligen Einheit anzulegen (Quotation 10:7).75 Auf die strategische Intention und den Planungshorizont der einzelnen Tochtergesellschaften bezugnehmend lässt sich eine interessante Parallele zu den Erkenntnissen von O’Reilly & Tushman (2004) beobachten. Die beiden Forscher 74

Vgl. Abbildung 9-I

75

Vgl. Kap. 8.2

Fallstudie

107

stellten fest, dass es aus Sicht des Mutterkonzerns sinnvoll ist, eine einzelne Tochtergesellschaft während eines bestimmten Zeitraums entweder auf Wachstumsziele oder auf die Nutzung von Effizienzvorteilen auszurichten. Beide Ziele lassen sich auf Geschäftsfeldebene demnach nur selten miteinander vereinbaren, während Manager auf Konzernebene die Fähigkeit beherrschen müssen, in beiden Kategorien gleichzeitig zu denken. Ähnlich stellt sich die Situation bei Holtzbrinck dar: Während einzelne Geschäftsfelder bzw. Tochterunternehmen eine eindeutige Rolle in Bezug auf die Gesamtstrategie der Verlagsgruppe einnehmen, verfolgt die Holding eine doppelte Zielsetzung, die in der strategischen Zielorientierung des jeweiligen Geschäftsfelds zum Ausdruck kommt (O'Reilly & Tushman, 2004). Aufgrund des dynamischen Marktumfelds im Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital ist dessen Planungshorizont, insbesondere im exit-orientierten Bereich der Corporate Venture Capital-Finanzierung, deutlich kurzfristiger als in den traditionellen Geschäftsfeldern. Um im Bereich der Neuen Medien erfolgreich zu sein, muss man einerseits wesentlich schneller und opportunistischer agieren, andererseits aber konsequent den Aufbau von langfristigen Werten verfolgen (Quotations 9:11, 9:23, 13:18, 15:5). Die Geschäftsführer der Digitalgesellschaften eLab, Ventures und Networks werden deshalb nicht auf Basis einer jährlichen Ergebnisverantwortung beurteilt, sondern sind incentiviert, Werte über die mittlere Frist (ca. 3-5 Jahre) zu schaffen. Diese auf mittel- bis langfristige Ziele ausgerichtete Entlohnung ist eine wichtige Voraussetzung für das richtige „market timing“, weil es die Freiheitsgrade für die strategische Planung des Mittleren Managements in dem noch jungen Feld der digitalen Medien erhöht und so zu einem engen Vertrauensverhältnis zwischen den einzelnen Einheiten und der Holding führt (Quotations 11:16, 13:29, 15:20).76 Analog der Holding strukturieren die Digitalgesellschaften Ventures, Networks und eLab ihre Portfolios innerhalb zuvor bestimmter Kriterien autonom. Die Investitionsarena von Holtzbrinck Digital umfasst Investitionen in Geschäftsmodelle der Neuen Medien, die im „Business-to-Consumer“-Segment positioniert sind, sich durch einen hohen Qualitätsanspruch und starke Marken auszeichnen und innerhalb Europa agieren (Quotations 13:4, 13:8, 13:26, 14:17). Seit 2007 betreut mit Jörg Dörnemann ein Manager der Holding das gesamte Digitalportfolio. Er fördert den Austausch der 76

Vgl. Kap. 10.2.2

108

Fallstudie

Digitalgesellschaften und der Kerngeschäftsbereiche untereinander und unterstützt so die Geschäftsführung der Verlagsgruppe. Ab 2008 ist eine erste Konsolidierungsrunde geplant, um nach der starken Expansion der Jahre 2004 bis 2007 das Portfolio neu zu strukturieren. Das unternehmerische Risiko soll durch eine ausgewogene Mischung von verschiedenen digitalen Geschäftsmodellen, die in „Clustern“ geordnet werden, angemessen diversifiziert werden. Darüber hinaus sollen verstärkt Synergien zwischen den einzelnen Ventures gehoben werden (Quotations 9:3, 9:7, 13:26).77 Im Kontrast zu Holtzbrinck Digital stehen Manager und Journalisten der klassischen Medien dem Internet nach wie vor sehr kritisch gegenüber. Fehlende Erfahrungen mit dem neuen Medium und eine deutlich niedrigere Technologieaffinität im Vergleich zu den Mitarbeitern der Digitalgesellschaften führen zu einem geringen Vertrauen gegenüber Innovationsprojekten im Bereich der digitalen Medien. Das Personal in den traditionellen Einheiten empfindet die technologische Entwicklung oft als Bedrohung ihres Kerngeschäfts und fürchtet, dass verstärkte Online-Aktivitäten der Selbstkannibalisierung bewährter Geschäftsmodelle Vorschub leisten könnten. Zudem ist die Produktion von Online-Inhalten mit einer hohen Zusatzbelastung für die Redaktionen verbunden. Eine „trial and error“-Kultur, wie sie beispielsweise im Holtzbrinck eLab zur Anwendung kommt, lässt sich in diesem Umfeld nicht etablieren. Die fehlende Innovationssensitivität, niedrige Technologieaffinität und die primäre Ausrichtung auf Effizienzziele sind wesentliche Gründe für die defensive Haltung der klassischen Geschäftsbereiche gegenüber den digitalen Medien. Trotzdem ist die Sensitivität gegenüber den neuen Medien, nicht zuletzt durch erste Erfolge von Holtzbrinck Digital, in den vergangenen Jahren auch in den traditionellen Verlagen kontinuierlich gestiegen und zunehmend die Bereitschaft zum Wandel vorhanden (Quotations 1:3, 10:7, 10:16, 10:40, 10:41, 11:16). Dieser Punkt wird in Kapitel 10.2.3 im Detail beleuchtet.

77

Zu den Diversifikationskriterien vgl. Anhang C.3.1, Typologie „Geschäftsmodelle digitale Medien“

Fallstudie

109

9.2 Endogener Einflussfaktor II: Struktureller Kontext Analog zur genauen Kenntnis des strategischen Kontexts ist ein detailliertes Wissen über den strukturellen Kontext für die Verlagsleitung von zentraler Bedeutung. Der strukturelle Kontext lässt sich wesentlich leichter und direkter durch das TopManagement beeinflussen, weil er hauptsächlich tangible Elemente wie z. B. die Organisationsstruktur, Anreizsysteme, und formelle Kommunikationssysteme umfasst.78 Abbildung 9-II gibt einen Überblick der im Rahmen der Datenanalyse identifizierten Kategorien. Struktureller Kontext Kategorien Struktureller Kontext

Sub-Kategorien

Ausprägungen

Organisationsstruktur Organisationskultur

Variablen Struktureller Kontext Corporate Level

Organisationsform

Finanzholding

ManagementHolding

Organisationskonfiguration

dezentrale Konfiguration

zentrale Konfiguration

Hierarchieorientierung

flache Hierarchie

steile Hierarchie

Grad interner Kooperation

geringe Kooperation

intensive Kooperation

Intraorganisationale Mobilität geringe Mobilität

hohe Mobilität

Verlegerische Grundprizipien Direkte & informelle Strategische Kommunikation Kontinuität Struktureller Kontext Business Unit Level

Profit-CenterStruktur

Einbindungsmodus des Geschäftsfelds

Separation von Kerngeschäft

Integration in Kerngeschäft

Autonomiegrad

hohe Autonomie

geringe Autonomie

Innovationsansatz

trial & error

sequenziell

Technologieaffinität des Managements

hohe Affinität

niedrige Affinität

Management-Incentivierung

variable Entlohnung Fixentlohnung

Organisationale hohe Entwicklungsgeschwindigkeit Geschwindigkeit

geringe Geschwindigkeit

Reifegrad des Geschäftsfelds Frühphase

Wachstumsphase

Publizistischer Qualitätsanspruch

Unternehmerische Grundhaltung

Reifephase

Wendephase

Quelle: Qualitative Datenanalyse, vgl. Anhang C.1.4.

Abbildung 9-II

Dimensionen des strukturellen Kontexts und deren Ausprägungen

9.2.1 Struktureller Kontext auf Konzernebene Auf den strukturellen Kontext auf Gruppenebene soll hier nur noch kurz eingegangen werden, da er bereits in Kapitel 8.1 ausführlich beschrieben wurde. Zu den Merkmalen 78

Vgl. Kap. 4

110

Fallstudie

der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck zählen eine ausgeprägt dezentrale Konfiguration, flache Hierarchien und Entscheidungswege sowie eine hohe Autonomie der Geschäftsführer der einzelnen Tochtergesellschaften. Das eigentümergeführte Familienunternehmen baut auf Werte wie Kontinuität, Qualität und Individualität. Damit ist auch ein hohes Maß an Einzelunternehmertum verbunden (Quotations 5:5, 9:22, 10:3, 10:4, 11:6, 12:3, 13:17, 14:14, 16:12). Während die dezentrale Aufstellung der Verlagsgruppe große Vorteile mit sich bringt, findet der Austausch zwischen ihren einzelnen Gesellschaften vergleichsweise selten statt. Dadurch ist auch die Mobilität des Personals innerhalb der Gruppe sehr gering. Das erschwert die Nutzung von Synergiepotenzialen wie beispielsweise die Einführung von gruppenweiten IT-Systemen (Quotations 5:7, 11:13, 11:29, 11:30). Auf diesen Aspekt wird detailliert in Kapitel 10.3.2 eingegangen. 9.2.2 Struktureller Kontext auf Geschäftsfeld-Ebene Da die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck sowohl regional als auch funktional stark diversifiziert ist, existieren auf Ebene der Geschäftsfelder große Unterschiede hinsichtlich des strukturellen Kontexts. Das neue Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital hebt sich hinsichtlich seiner Hierarchieorientierung, seiner Entwicklungsgeschwindigkeit, des Reifegrads der Geschäftsmodelle und der Technologieaffinität des Managements stark von den Kerngeschäftsbereichen ab (Quotations 9:12, 10:7, 11:13). Aus diesem Grund wurde der neue Bereich von den „Konzernstrukturen entfesselt“ (Quotation 9:12) und in separate Einheiten ausgegliedert. Flache Hierarchien und eine besonders hohe Autonomie der Digitalgesellschaften zeichnen das junge Wachstumsfeld aus. Durch die hohe Autonomie wird die Handlungsfähigkeit der einzelnen Einheit erhöht, was angesichts der hohen Entscheidungsfrequenz und des Tempos ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Weitere Merkmale des neuen Ansatzes bei Holtzbrinck Digital sind eine variable Entlohnung der einzelnen Venture-Teams in Form einer Equity-Beteiligung oder eines „carried interests“, eine auf die mittlere Frist gerichtete Incentivierung des Mittleren Managements, also der Geschäftsführer der einzelnen Einheiten, und der neue „trial and error“-Innovationsansatz, der erst durch eine hohe Risikodiversifikation möglich wird (Quotations 1:23, 2:9, 9:12, 10:29, 11:16, 11:22, 12:12, 16:13, 16:38). Konstantin Urban spricht angesichts des hohen Freiheitsgrads

Fallstudie

111

und des extremen Vertrauens, das ihm das Top-Management entgegenbringt, von „paradiesischen Zuständen“ (Quotation 14:21). Dieser sog. „Greenfield Approach“ von Holtzbrinck Digital erscheint insbesondere im Zusammenhang dezentraler Organisationsstrukturen als gangbarer Weg zu mehr Innovation. Durch die Separation werden tradierte Investitionsstrukturen und Führungsansätze aufgebrochen und die Innovationsfähigkeit erhöht. Dabei ist es besonders wichtig, die finanzielle Verantwortung für ein Projekt immer an die Umsetzungsverantwortung zu koppeln, um eine eindeutige Zuordnung der Kompetenzen zu gewährleisten und eine Incentivierung auf Basis des Projekterfolgs zu ermöglichen (Quotations 9:12, 9:13, 10:17, 10:24, 11:9, 15:23). Wie bereits in Bezug auf den strategischen Kontext festgestellt, führt die Separation der innovativen Einheiten vom Kerngeschäft zumindest während der Aufbauphase auch zu Redundanzen und Ineffizienzen. Durch die fehlende Verzahnung mit dem Kerngeschäft bleiben Synergiepotenziale oft ungenutzt (Quotation 11:14). Eine spätere Reintegration einzelner Online-Geschäfte ins Kerngeschäft stellt deshalb eine Entwicklungsoption dar, die jedoch vom jeweiligen Einzelfall abhängt und sorgfältig geprüft werden muss. Neben der Realisierung von Synergiepotenzialen plant Holtzbrinck außerdem einen gezielten Wissenstransfer von erfolgreichen Modellen in Einheiten des Kerngeschäfts (Quotation 13:8). Dieser Schritt wird noch ausführlich in Kapitel 10.3.2 erläutert. In den traditionellen Geschäftsfeldern findet sich dagegen oft eine duale Organisationsstruktur wieder, die aus einer vergleichsweise großen Redaktion und einem relativ schmal aufgestellten Management besteht (Quotation 8:2). Da diese Einheiten oft auf Effizienzziele ausgerichtet sind und deren jährlicher Beitrag zum Gruppenergebnis im Vordergrund der Entwicklung steht, werden für Innovationen regelmäßig Sonderbudgets verhandelt, die dann ausschließlich für konkrete, zuvor definierte Einzelprojekte bestimmt sind. Innovation findet in den traditionellen Verlagen daher oft nur im „Nebenjob“ statt (Quotation 10:40). Abschließend sind die strukturellen und strategischen Unterschiede zwischen den Kerngeschäftsbereichen und dem neuen Feld Holtzbrinck Digital in Tabelle 9-I dargestellt.

112 Tabelle 9-I

Fallstudie Unterschiede im strategischen und strukturellen Kontext von Kerngeschäftsbereichen und Holtzbrinck Digital Kerngeschäftsbereiche

Holtzbrinck Digital

Zielorientierung der Holding

Effizienzfokus: Optimierung des jährlichen Ergebnisbeitrags

Innovationsfokus: Wertentwicklung durch organisches Wachstum

Strategische Intention der Holding

Konsolidierung

Wachstum

Planungshorizont der Holding

kurzfristig

mittel- bis langfristig

Top-Management Involvement

niedrig

hoch

Autonomiegrad

hoch

hoch, aber enge Verflechtung auf Top-Management-Ebene

Unternehmerisches Verhalten

tendenziell reaktiv-defensiv

tendenziell proaktiv-offensiv

Investitionsverhalten

zyklisch

antizyklisch

Innovationsansatz

ƒ „linear-sequenzieller“ Ansatz ƒ Finanzierung über Sonderbudgets ƒ lange Entwicklungszyklen

ƒ „trial and error“-Ansatz ƒ Finanzierung über Globalbudgets ƒ kurze Entwicklungszyklen

Kognitive Wahrnehmung von Wandel

Wandel als Gefahr, Selbstkannibalisierungsängste

Wandel als Chance

Hierarchieorientierung

ƒ traditionell organisiert ƒ formelle Entscheidungsstrukturen

ƒ flache Hierarchien ƒ informelle Kommunikation ƒ kurze Entscheidungswege

Management-Incentivierung

hohes Fixum, ergebnisbasierte Geschäftsführer-Tantieme

hoher variabler Anteil (Equity-/CarryProgramm)

Technologieaffinität des Managements

tendenziell niedrig

tendenziell hoch

Quelle: Qualitative Datenanalyse, vgl. Anhang C.1.4, C.1.5, C.2.1.

Fallstudie

113

9.3 Muster der Ressourcenallokation Bei Holtzbrinck können vier Muster des Ressourcenallokationsprozesses unterschieden werden: „Seed-Finanzierung“, „Frühphasen-Finanzierung“, „Expansions- / Spätphasen-Finanzierung“, und „Klassische Finanzierung“. Die beiden letzteren Prozesse sind sehr ähnlich und unterscheiden sich vor allem in der Höhe der Investitionsvolumina und der Höhe der Bewertungsfaktoren. Nachfolgend werden die identifizierten Prozessmuster vorgestellt und Erfolgsfaktoren abgeleitet. 9.3.1 Seed-Finanzierung Holtzbrinck gründete 2006 mit dem Holtzbrinck eLab den ersten deutschen Inkubator für Neue Medien, der „Seed“-Investitionen79 tätigt. Analog der theoretischen Definition von Schefczyk generiert das eLab innovative Ideen im Bereich der digitalen Medien, entwickelt daraus wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle, gründet in der Folge eigene Unternehmen und begleitet deren Entwicklung durch Finanzierung, Beratung und Netzwerkaufbau. Neben Eigengründungen kauft das eLab auch extrem frühphasige Unternehmen zu und entwickelt deren Geschäftsmodelle bis zur Marktreife. In klarer Abgrenzung zum CVC-Arm Holtzbrinck Ventures hält das eLab immer die Mehrheit an seinen Portfoliounternehmen (Quotations 3:3, 10:21, 11:2). Ziel des Inkubators ist es, erfolgreiche Geschäftsmodelle langfristig in Form von strategischen Beteiligungen zur Internet-Holding Holtzbrinck Networks zu überführen (Quotation 11:32). Der Innovationsprozess des eLab basiert auf der These, dass viele Geschäftsideen, die zunächst vielversprechend klingen, aus ex ante unabsehbaren Gründen von den Kunden nicht angenommen werden. In dieser Frühphase der Ideengenerierung und umsetzung sind das Ausfallrisiko und damit die Gefahr, die Anfangsverluste nicht kompensieren zu können, vergleichsweise hoch. Daher versucht das eLab, mithilfe einer hohen Prozessstrukturierung mit klar definierten Meilensteinen sowie dem Hinauszögern des Zeitpunkts der eigentlichen Unternehmensgründung die Ressourcencommitments zu staffeln und damit die Anfangsinvestitionen sowie das 79

Unter dem Begriff der „Seed-Phase“ versteht Schefczyk die „Vorbereitung einer Unternehmensgründung durch Finanzierung der Ausreifung und Umsetzung einer Idee in verwertbare Resultate bis hin zum Prototyp. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt hier in Forschungsinvestitionen und Produktentwicklung bei Unternehmen in Gründung“ (Schefczyk, 2006, S. 24).

114

Fallstudie

damit verbundene finanzielle Risiko zu minimieren. Das ermöglicht eine frühzeitige Selektion wirtschaftlich tragfähiger Geschäftsmodelle. Stephan Roppel, Geschäftsführer des eLab, spricht in diesem Zusammenhang von einer „trial and errorKultur“, die sich durch „Intelligenz, Erfahrung und Freiheit“ auszeichnet (Quotations 10:29, 10:30, 10:35). Der Seed-Prozess Um das Konzept des „frühzeitigen Scheiterns“ (Quotation 10:30) zu institutionalisieren, hat man beim eLab einen idealtypischen Vier-Phasen-Prozess definiert, den man bei Holtzbrinck als „eLab Funnel“ bezeichnet hat. In der ersten Phase, die sehr offen gestaltet und divergierender Natur ist, werden anhand verschiedener Methoden Ideen für neue Geschäftsmodelle generiert. In der sich anschließenden Research-Phase erstellt der verantwortliche Mitarbeiter eine Marktstudie, in der neben einer Konkurrenzanalyse auch die technische Machbarkeit des Produkts und potenzielle Risiken wie z. B. rechtliche Vorgaben im Rahmen von Ausschlusskriterien geprüft werden (Quotations 10:33, 10:36). In diesem zweiten Schritt, der etwa sieben bis zehn Personentage dauert, investiert das eLab zwischen fünf und zehntausend Euro, um letztendlich zu entscheiden, ob eine Idee weiterverfolgt wird oder nicht. Während sich die Ideengenerierungs- und Research-Phase durch einen vergleichsweise hohen Freiheitsgrad auszeichnen, werden im weiteren Prozess klare Meilensteine definiert, bei deren Verfehlung ein Projekt im Sinne des „trial and error“-Ansatzes beendet wird (Quotation 10:34). Im dritten Schritt, der mit ca. zwei bis drei Monaten und 50 bis 70 Tausend Euro Investitionskosten veranschlagten Konzeptionsphase, wird ein Prototyp programmiert, der bereits alle Grundfunktionen des Produkts enthält (Quotations 10:32, 10:37). In der vierten und abschließenden Phase, die auch als „Beta Testing“ bezeichnet wird, entwickelt man das Produkt bis zur Marktreife. Es wird zunächst ohne zusätzliche Marketingmaßnahmen in den Markt eingeführt, um es dort im kleinen Rahmen zu testen. Für die vierte Phase werden weit höhere finanzielle Mittel im Bereich von ca. 150 bis 400 Tausend Euro benötigt, weil hier ein eigener Projektleiter eingestellt wird und Personalkosten anfallen. Der typische eLab-Gründer steht noch am Anfang seiner Karriere, bringt aber meistens fünf bis zehn Jahre Berufserfahrung im Management digitaler Medien mit. Entweder hat er sich bereits selbst als Gründer betätigt oder will sich nach einer erfolgreichen Linienkarriere in einem großen Konzern beruflich umorientieren. Neben einem Basisgehalt wird er in der Regel zusätzlich in Form einer Equity-Beteiligung incentiviert (Quotation 11:31).

Fallstudie

115

Meistens wird nach Abschluss des Prozesses auch die Entscheidung für oder wider die eigentliche Gesellschaftsgründung getroffen (Quotations 10:31, 10:38). Mit der Gründung eines Unternehmens wird im Regelfall auch eine erste Finanzierungsrunde durchgeführt, bei der nicht mehr von Seed Stage- sondern von Start Up-Finanzierung gesprochen wird (Quotation 10:39). Wie Abbildung 9-III zeigt, ist der „eLab Funnel“ in der Form eines Innovationstrichters aufgebaut. Während in den ersten neun Monaten seit Bestehen des eLab ca. 30-40 Research-Themen bearbeitet wurden, erreichten nur ca. 15-20 Projekte die BetaPhase. Davon wiederum überführte man nur etwa sieben bis acht Projekte in die BetaPhase (Quotation 10:45).

Quelle: http://www.holtzbrinck-elab.com

Abbildung 9-III

Der Holtzbrinck eLab Funnel-Prozess: In vier Stufen von der Idee zur Marktreife

Erfolgsfaktoren im Seed-Prozess Roppel betont, dass der Erfolg eines Ventures in der Frühphase vor allem von den Qualitäten des Management-Teams abhängt. Insbesondere Kreativität, Flexibilität und Experimentierfreudigkeit sind wesentliche Eigenschaften, über die das VentureManagement verfügen muss, um spätere Anpassungen des Geschäftsmodells dynamisch nachvollziehen zu können. Daher hat man sich entschlossen, das Personal am Unternehmen zu beteiligen (Quotations 11:31, 16:25). Darüber hinaus ist der Netzwerkaufbau ein entscheidender Erfolgsfaktor für die weitere Entwicklung, bei dem das Netzwerk des Gründers und das des eLab sowie die hohe Reputation der Verlagsgruppe wesentliche Erfolgsfaktoren sind. Die Nutzung eines solchen

116

Fallstudie

Netzwerks zielt auf den Transfer von interdisziplinärem Wissen außerhalb der Unternehmensgrenzen der Verlagsgruppe (Quotations 11:31, 10:22, 10:23). 9.3.2 Frühphasen-Finanzierung Den Bereich des frühphasigen „Corporate Venturing“ deckt die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck mit einer eigenen Corporate Venture Capital-Gesellschaft80 ab, die im Gegensatz zu den meisten anderen Fonds dieser Art auch selbst oder in Partnerschaft mit anderen Investoren gründet (Quotation 15:4).81 Wie bereits in Kapitel 9.2 beschrieben, unterhielt Holtzbrinck mit Holtzbrinck NetworXs bereits seit Anfang 2000 eine eigene Einheit, die neben strategischen Beteiligungen auch Minderheitsbeteiligungen an Gründungsunternehmen im Bereich der Neuen Medien erwarb. Erst mit dem Strategiewechsel hin zur exit-orientierten Unternehmensfinanzierung, den Holtzbrinck nach dem Zusammenbruch des Neuen Markts vollzog, und der Neuaufnahme von frischem Kapital zum Jahreswechsel 2005/06 entstand mit Holtzbrinck Ventures die unternehmenseigene CVC-Gesellschaft in ihrer heutigen Form, die durch Martin Weber, einem der beiden Geschäftsführer von Ventures und Networks, operativ geleitet wird (Quotation 16:11). Im Gegensatz zur Internet-Holding Holtzbrinck Networks, die darauf ausgerichtet ist, strategisch wichtige Digitalbeteiligungen langfristig zu halten, verfolgt der CVC-Arm von Holtzbrinck eine klassische, exit-orientierte Finanzierungsstrategie und misst sich dabei an führenden VC-Gesellschaften. Das primäre Ziel einer Minderheitsbeteiligung durch Holtzbrinck Ventures ist es daher nicht, den Beitrag des eigenen Portfolios zum Gruppenergebnis zu maximieren, sondern den Beteiligungswert von schnell wachsenden Unternehmen zwischen dem Zeitpunkt des Kaufs und des Verkaufs durch den gezielten Aufbau einer guten Marktposition zu entwickeln (Quotations 3:9, 7:2, 15:2, 15:4). Auch wenn der CVC-Investitionsprozess im Einzelfall sehr unterschiedlich verläuft, ist er durch klar definierte Ziele und deren Überprüfung an zuvor bestimmten Meilen80

„Mit dem Begriff „Corporate Venture Capital“ (CVC) bezeichnet man die Finanzierung von Gründungsunternehmen durch Großunternehmen indirekt über eine spezielle Corporate Venture Capital-Gesellschaft“ (Witt, 2005).

81

Für eine Einordnung in den Lebenszyklus des „Corporate Venturing“ vgl. Abbildung 9-IV und Anhang C.3.2.

Fallstudie

117

steinen stark strukturiert. Werden die Ziele verfehlt, wird keine Nachfinanzierung bereitgestellt und die Beteiligung terminiert. Insofern verfolgt Holtzbrinck Ventures analog zum eLab einen „trial and error-Ansatz“ (Quotation 1:23). Urban zufolge kommt es vor allem darauf an, dass die Frage, von wem und wie die Investitionsentscheidung gefällt wird, eindeutig geklärt ist. Bei Holtzbrinck Ventures trifft Urban die Entscheidung gemeinsam mit dem zweiten Geschäftsführer Martin Weber. Dabei reicht es aus, wenn nur einer der beiden Partner von einer Investition überzeugt ist (Quotation 13:19). Der CVC-Prozess Der idealtypische CVC-Prozess beginnt mit der Akquise eines neuen Ventures. Oft werden gute Venture-Manager durch Agenten wie z. B. M&A-Berater oder „Business Angels“ empfohlen. Blindeinreichungen werden hingegen fast nie berücksichtigt (Quotation 14:19). In diesem Kontext ist es wichtig, ein Netzwerk in der VC-Branche und im Bereich der digitalen Medien aufzubauen. Beim Aufbau des sog. „Deal Flows“ sind neben der hohen Reputation der Verlagsgruppe auch der Besuch von Gründersymposien, eine gezielte Medienarbeit und das Networking mit anderen Investoren hilfreich (Quotation 15:8). Nach einer ersten Beurteilung der Unterlagen trifft der zuständige Investment Manager mit dem zukünftigen Venture-Management zusammen, bei dem es das Geschäftsmodell, die zukünftige Marktpositionierung präsentiert und sich selbst vorstellt. Besteht nach der ersten Sitzung prinzipielles Interesse, gibt Ventures ein sog. „Term Sheet“ bzw. einen „Letter of Intent“ ab. Darin werden die Bedingungen einer Kapitalbeteiligung wie z. B. Finanzierungsumfang, Bewertungshöhe sowie weitere Rechte und Grundzüge der künftigen Zusammenarbeit spezifiziert. Im Anschluss an die Gegenzeichnung des „Term Sheets“ durch das zu finanzierende Venture, durch das häufig auch Exklusivität vereinbart wird, führt der Investment-Manager eine detaillierte „Due Diligence“ nach verschiedenen Kriterien wie z. B. Wettbewerbsumfeld, Technologie, Management-Team und Finanzen durch. Oft weicht der Prozess deutlich vom hier beschriebenen Vorgehen ab. Während in einigen Fällen mehrere Parteien zur „Due Diligence“ eingeladen werden und erst anschließend ein „Letter of Intent“ mit Exklusivität abgegeben wird, werden bei anderen Investitionsprojekten mehrere Sitzungen durchgeführt, um das ManagementTeam besser kennenzulernen (Quotation 13:19). Da Holtzbrincks CVC-Arm fast ausschließlich Frühphasen-Investitionen tätigt, ist die Datenbasis für die Durchführung der „Due Diligence“ meist sehr klein, sodass die

118

Fallstudie

Erfahrung und das Bauchgefühl des Investment-Managers sowie des Partners bei der Investitionsentscheidung eine bedeutende Rolle spielen. Aus diesem Grund stellen nach Meinung von Weber und Urban auch Business-Pläne mit detaillierten Finanzkalkulationen zu einem solch frühen Zeitpunkt keine sinnvolle Basis für die Investitionsentscheidung dar (Quotations 13:16, 13:22). Alternative Beurteilungsmethoden sind das Benchmarking an bereits existierenden Ventures mit ähnlichen Geschäftsmodellen, Sensitivitätsanalysen und die Plausibilisierung einzelner Aspekte durch Gespräche mit dem zukünftigen Management-Team. Bei der Beurteilung stehen qualitative Kriterien wie z. B. die potenzielle Marktgröße, das Geschäftsmodell und die Qualität des zukünftigen Management-Teams im Vordergrund der „Due Diligence“. Oft wird dabei zu wenig Zeit in die Marktforschung investiert, die eigentlich eines verhältnismäßig geringen Ressourceneinsatzes bedarf (Quotation 15:24). Im Zusammenhang mit der Beurteilung des Marktpotenzials eines Geschäftsmodells ist Urban der Meinung, dass die Möglichkeit bestehen muss, das eingesetzte Kapital mindestens zu verzehnfachen, weil sonst die Start Up-Verluste der ausfallenden Investitionsobjekte nicht ausreichend kompensiert werden können (Quotations 15:6, 15:18). Vor dem Vertragsabschluss und der ersten Auszahlung bedarf es noch der Gremienzustimmung der beiden Geschäftsführer von Holtzbrinck Ventures (Quotations 15:5, 15:6). Ist der Vertrag erst einmal zustande gekommen, unterstützt Holtzbrinck Ventures das neue Portfoliounternehmen mit umfassendem technischem und betriebswirtschaftlichem Know-how und öffnet ihm sein Netzwerk innerhalb und außerhalb der Verlagsgruppe. Insbesondere in den Bereichen Marketing, Strategieentwicklung und Finanzen profitieren die Management-Teams von der langjährigen HoltzbrinckErfahrung (Quotation 15:12). Werden die vereinbarten Ziele nicht erreicht, stellt Holtzbrinck keine Nachfinanzierung zur Verfügung und terminiert die Investition. Anfangs hielt man bei Ventures zu lange an schlechten Investitionen fest, weil die CVC-Gesellschaft einen starken Anreiz hatte, sich innerhalb der Verlagsgruppe zu bewähren. Mit der Zeit wurde man mutiger, seltener und in kleineren Tranchen nachzufinanzieren und schlechte Beteiligungen früh zu beenden, falls sich der gewünschte Erfolg nicht einstellte (Quotation 15:19). Innerhalb des ersten Jahres kann Holtzbrinck absehen, ob eine Investition ausfällt oder nicht. Ob das Investitionsobjekt Gewinn abwirft oder nur die Anfangsinvestitionen rekapitalisiert werden, stellt sich aber erst wesentlich später heraus (Quotation 15:18).

Fallstudie

119

Mittel- bis langfristig kommt es schließlich zum Exit, also zum Verkauf einer Beteiligung. Häufig wird der Exit durch einen exogenen Vorfall, wie z. B. ein Kaufangebot vom Markt, einen Bieterwettbewerb oder durch die Erreichung eines vordefinierten, geplanten Abrechnungszeitpunkts, zu dem Holtzbrinck Ventures bestimmte Verkaufsrechte ausübt und einen Fonds schließen möchte, induziert. Strategisches Ziel der Verlagsgruppe ist die Überführung der profitablen VC-Beteiligungen in die Internet-Holding Holtzbrinck Networks, die versucht, die Beteiligung auf einen strategischen Mehrheitsanteil aufzustocken. Obwohl eine Überführung in einem solchen Fall innerhalb der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck abläuft, müssen dabei in der Regel immer Marktpreise bezahlt werden, die z. B. durch ein externes Angebot oder einen Bieterwettbewerb82 zustande kommen. In Einzelfällen wurde auch bereits im VC-Vertrag ein sog. „right of first refusal“, ein Vorkaufsrecht für Holtzbrinck Networks, in Verbindung mit einer sog. „Put“-Regelung für das VentureManagement vereinbart, und darüber bestimmte Vorkaufsrechte sowie Kauf- bzw. Verkaufspreise a priori festgelegt (Quotations 13:9, 14:4). Erfolgsfaktoren im CVC-Prozess Wie aus der Beschreibung des VC-Prozesses bei Holtzbrinck in diesem Abschnitt abgeleitet werden kann, ist eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen VC-Investor, über eine genaue Fachkenntnis im VC-Bereich zu verfügen. Diese Feststellung könnte man zunächst als trivial qualifizieren; sie ist jedoch insbesondere im Zusammenhang der meist unerfahrenen Corporate VC-Investoren besonders zu betonen. Auf den ersten Blick mag das VC-Geschäft zwar aus Sicht des Mutterkonzerns vergleichsweise einfach erscheinen, zeichnet sich aber bei genauerer Betrachtung durch eine hohe Komplexität aus. Im Gegensatz zu traditionellen M&ABeteiligungen sind VC-Verträge mit Liquidationspräferenzen und Veto-Rechten langfristig ausgerichtet, auf „Exit getrimmt“, mit vielen Detailbedingungen verbunden und unterscheiden sich so grundlegend vom klassischen Beteiligungsmanagement in der Holding des Mutterhauses. Zudem führen professionellere Gründer und steigende Bewertungen von potenziellen Investitionsobjekten zu einer Professionalisierung des

82

Ein Beispiel für einen Bieterwettbewerb ist die Überführung des Studentenportals StudiVZ, an dem sich Holtzbrinck Networks Anfang 2007 in einem Wettbewerb mit der Axel Springer AG und weiteren Bietern die Mehrheit sicherte (vgl. Stöcker, 2007).

120

Fallstudie

deutschen VC-Markts und steigenden Anforderungen an die VC-Investoren (Quotations 13:15, 15:9, 15:10). Daher ist eine zentrale Erfolgsvoraussetzung für jedes Großunternehmen, welches eine CVC-Gesellschaft betreiben will, neben dem Einsatz von internem Personal mit tiefgehendem Wissen über die eigene Organisation, vor allem externe Führungskräfte mit Erfahrung, Fachkenntnis und bestehendem Netzwerk im VC-Bereich zu akquirieren. Ein häufiger Fehler im Zusammenhang mit der personellen Aufstellung einer CVCEinheit ist, Controller oder Linienmanager aus dem eigenen Unternehmen mit der Gründung des neuen CVC-Arms zu betrauen. Diese verfügen im Regelfall über keine nennenswerte VC-Erfahrung, verfolgen andere Prioritäten und Ziele und haben eine andere Mentalität als VC-Investoren (Quotations 13:8, 15:22). Bei Holtzbrinck ergänzen sich die beiden Geschäftsführer von Ventures und Networks ideal: Während Konstantin Urban als früherer Bereichsleiter Neue Medien in der Holding bereits über genaue Kenntnisse der Verlagsgruppe verfügte, brachte Martin Weber ein profundes Wissen hinsichtlich der Vertragsgestaltung und Durchführung von VC-Finanzierungen mit (Quotations 13:15, 15:21). CVC sollte darüber hinaus immer nachhaltig und langfristig betrieben werden. Holtzbrinck hat im Gegensatz zu einigen Wettbewerbern wie etwa Bertelsmann während der Krisenjahre 2001 bis 2003 die CVC-Aktivitäten fortgesetzt und entgegen dem Trend genügend Kapital für antizyklische Investitionen zur Verfügung gestellt. Heute erweisen sich gerade die Beteiligungen, die in der Konsolidierungsphase akquiriert oder nachfinanziert wurden, als besonders werthaltig (Quotations 15:13, 15:21). Besonders in der Aufbauphase ist es zudem essenziell, dem unternehmenseigenen VCArm größtmögliche Autonomie einzuräumen, um die besten Management-Teams zu gewinnen und mithilfe attraktiver Incentivierungspakete zu motivieren. Nur ein wirklich gutes Management kann die Transformationen, die in der Frühphase der Wachstumsunternehmen notwendig werden, erfolgreich gestalten. Daher hat Holtzbrinck seine VC-Aktivitäten nicht nur strukturell, sondern auch räumlich getrennt und mit einem umfangreichen Carry-Programm ausgestattet. Das Investitionskomitee der Verlagsgruppe steckt daher auch nur einen finanziellen und strategischen Investitionsrahmen ab, innerhalb dessen die Geschäftsführer von Holtzbrinck Ventures einzelne Investitionen unabhängig von weiteren Vorgaben tätigen können. Dadurch wird auch der Abstimmungsbedarf reduziert und die strategische Handlungsfähigkeit der CVC-Einheit erhöht (Quotations 13:8, 14:6, 15:24, 16:8).

Fallstudie

121

In Bezug auf den Investitionsprozess ist es besonders wichtig, neben einer zielgerichteten Incentivierung des Managements auch bereit zu sein, schlechte Investitionen früh zu terminieren. Oft verwenden die Investment-Manager und die Geschäftsführer zu viel Aufmerksamkeit auf diese Investitionsprojekte, obwohl eigentlich die Entwicklung der guten Beteiligungen im Vordergrund stehen sollte. Die Bereitschaft bei Holtzbrinck, Projekte früh scheitern zu lassen, ist Teil eines Lernprozesses, durch den sich eine „trial and error“-Kultur herausgebildet hat (Quotations 13:15, 15:10, 15:19). Die Entscheidung, sich als Großunternehmen im Bereich der VC-Finanzierung zu betätigen, geht oft mit der Motivation einher, Wachstumsmärkte zu erschließen und eine Innovationsstrategie zu verfolgen. Obwohl diese Intention grundsätzlich sinnvoll und realisierbar erscheint, begehen viele Unternehmen, die eine CVC-Einheit betreiben, den Fehler, als strategischer Investor nur in Bereiche zu investieren, von denen angenommen wird, dass sie langfristig das Kerngeschäft stärken. Damit lösen sich die Mutterkonzerne von rein finanziellen Interessen und pochen bereits bei der Vertragsanbahnung auf Klauseln, die eine spätere Überführung erfolgreicher Ventures in das Kerngeschäft absichern. Diese Strategie funktioniert schon deshalb nicht, weil dadurch Zielkonflikte zwischen den Investoren und Portfoliounternehmen entstehen (Quotation 15:16). Das Engagement der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck im Bereich der VCFinanzierung gründet insofern auf zwei Motiven. Erstens geht man davon aus, dass Holtzbrinck den strategischen Vorteil durch seine Marktnähe und besondere Expertise im Medienmarkt nutzen kann, um langfristig erfolgreicher als ein klassischer VCGeber agieren zu können. Zweitens dient Holtzbrinck Ventures im Kontext des Wandels der Mediennutzung der strategischen Früherkennung der Verlagsgruppe. Holtzbrinck ist damit „früher an neuen Themen dran“, hat damit einen „Fuß in der Tür“ und partizipiert am Wachstum der digitalen Medien (Quotations 7:2, 15:14, 15:16). Dieser Aspekt wird in Kapitel 10.1.1 weiter vertieft. Darüber hinaus ist das strategische Ziel der Verlagsgruppe, erfolgreiche Ventures in dauerhafte Beteiligungen unter dem Dach der Internet-Holding zu überführen. Ob sich aus den VC-Investitionen später allerdings Synergien mit dem Kerngeschäft ergeben und diese sich in eine langfristig-strategische Beteiligung wandeln lassen, ist als Beurteilungskriterium für die Investitionsentscheidung zunächst irrelevant (Quotations 12:4, 14:22, 15:14, 15:16).

122

Fallstudie

9.3.3 Expansions- / Spätphasen-Finanzierung In Abgrenzung zur VC-Finanzierung sollen in der Spätphasenfinanzierung Wachstumsunternehmen in Beteiligungen von strategischem Wert überführt werden, über die das Mutterhaus mit einem Mehrheitsanteil die Kontrolle ausübt. Dabei ist eine Überführung aus dem Portfolio der VC-Einheit zur Internet-Holding nicht unbedingt mit großen Veränderungen in den Portfoliounternehmen verbunden, wenn auch sinnvoll, weil die Herausforderungen in der jeweiligen Lebenszyklusphase sehr unterschiedlicher Natur sind. Im Unterschied zur exit-orientierten „Early Stage“Finanzierung ist das primäre Ziel der Spätphase, den Ergebnisbeitrag bereits profitabler Portfoliounternehmen durch das „Herausarbeiten einer guten Marge“ zu erhöhen (Quotation 3:9).83 Die Portfoliounternehmen sollen also einen möglichst hohen Beitrag zum Gruppenergebnis leisten und langfristig gehalten werden. Da in der InternetHolding keine Erträge aus der Veräußerung von Beteiligungen anfallen, finanziert sich die Internet-Holding durch laufende Kapitalerhöhungen (Quotation 15:2). Holtzbrinck deckt die Spätphasenfinanzierung mit ihrer Internet-Holding Holtzbrinck Networks ab, die von Konstantin Urban in enger Absprache mit Martin Weber, dem Leiter der CVC-Einheit Holtzbrinck Ventures, geführt wird und 2006 aus der Aufteilung der Vorgängergesellschaft Holtzbrinck NetworXs in CVC-Vehikel und Internet-Holding entstanden ist (Quotation 16:10). Holtzbrinck Networks investiert innerhalb eines vorgegebenen Investitionsrahmens in digitale Geschäftsmodelle des „Business-to-Consumer“-Segments, die im Regelfall bereits signifikanten Umsatz generieren, über etablierte Marken verfügen, in ihrem Kerngeschäft den „Break-EvenPoint“ erreicht haben und damit von strategischer Relevanz für die gesamte Verlagsgruppe sind. Mittelfristig sollen einzelne „Cluster“ in Bezug auf die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle gebildet werden (Quotation 3:6,13:26, 14:4).84

83

84

Schefczyk definiert die „late stage“ bzw. „expansion“-Phase als „Finanzierung von Produktionsbeginn oder Wachstumsschritten für ein Unternehmen am „Break-Even-Point“. Schwerpunkt ist die Verbesserung der Eigenkapitalquote bei der Produktions- und Absatzausweitung, bei der Produktdifferenzierung oder bei der Marktentwicklung“ (Schefczyk, 2006). Für eine Typologie der digitalen Geschäftsmodelle vgl. Anhang C.3.1

Fallstudie

123

Der Strategic Venturing-Prozess Der Akquisitionsprozess bei spätphasigen Investitionen verläuft prinzipiell analog dem der VC-Finanzierung und unterscheidet sich vor allem hinsichtlich des Investitionsziels, der Bewertungskriterien und der Reife der Geschäftsmodelle. Nach einem Management-Meeting führt Holtzbrinck Networks eine detaillierte „Due Diligence“ durch und gibt einen „Letter of Intent“ ab, in dem die Bedingungen der Kapitalbeteiligung benannt werden (Quotation 13:19). Anschließend wird die Investitionsentscheidung im Geschäftsführergremium getroffen. Bei großen Investitionen steht die Holtzbrinck-Holding mit ihrer M&A-Abteilung beratend zur Seite. Außerdem ist immer auch der zuständige Geschäftsführer in der Verlagsführung involviert. Diese Absprachen verlaufen in der Regel informell und auf kurzem Dienstweg, weil die Entscheidungsgeschwindigkeit und damit die strategische Handlungsfähigkeit wichtige Erfolgsfaktoren für die erfolgreiche Prozessgestaltung sind. Im Fall der Akquisition des Studentenportals StudiVZ nahm der gesamte Prozess beispielsweise nur wenige Tage in Anspruch. Unter anderem aus diesem Grund konnte verhindert werden, dass andere Investoren zum Zuge kamen (Quotations 9:15, 11:22). Im Gegensatz zum Bewertungsprozess der VC-Finanzierung sind bei der Bewertung von spätphasigen Investitionsobjekten quantitative Aspekte von höherer Relevanz. Daher basiert die Bewertung immer auf einem detaillierten Business-Plan, auf dessen Basis wiederum die einzelnen Erlöstreiber identifiziert und der Beteiligungswert in einen „Stand-alone Value“, in potenzielle Synergien und in ein strategisches Premium aufgespaltet wird. Hinsichtlich der Bewertungsmethode gibt es kein einheitliches Vorgehen, meistens ist aber eine DCF-Analyse die entscheidende Leitlinie, die durch das Peer Group-Verfahren oder eine Multiple-Bewertung85 komplementiert wird (Quotations 3:6, 13:21). Auch den Beteiligungen von Holtzbrinck Networks wird das Holtzbrinck-Netzwerk wo sinnvoll und möglich erschlossen. Daneben werden die Ventures auch in den Bereichen der Strategieentwicklung und Ideengenerierung unterstützt (Quotation 13:10).

85

Zu einzelnen Bewertungsverfahren im Kontext der PE- und VC-Finanzierung vgl. Schefczyk, 2006, S. 174.

124

Fallstudie

Erfolgsfaktoren im Strategic Venturing-Prozess Holtzbrinck kann heute bereits auf eine lange Erfahrung im digitalen Beteiligungsmanagement bauen. Insbesondere die Aufteilung von früh- und spätphasigen Investitionen auf die VC-Gesellschaft Ventures und die Internet-Holding Networks hat sich als sinnvoll erwiesen. Durch die frühzeitige Beteiligung mit Venture Capital ergeben sich viele Chancen für die langfristige Überführung zu Beteiligungen von strategischem Wert. Dabei liegt der Vorteil von Networks darin, frühzeitig über vielversprechende Investitionsobjekte informiert zu sein und dadurch eine höhere Investitionssicherheit zu erreichen. Selten kann dadurch jedoch ein finanzieller Vorteil in Bezug auf den Kaufpreis geltend gemacht werden. Allerdings lässt sich über den gesamten Lebenszyklus der Akquisition eine Mischkalkulation anwenden: Durch eine frühzeitige Minderheitsbeteiligung zu verhältnismäßig günstigen Bedingungen wird die finanzielle Last einer späteren Aufstockung zu hohen Werten „abgemildert“ und so ein mittlerer Kaufpreis erzielt (Quotation 16:7). Durch die neuen Herausforderungen, die sich beim Übergang von der Früh- zur Wachstumsphase ergeben, wird häufig auch ein Wechsel im Management notwendig. Während in der Frühphase persönliche Eigenschaften wie Kreativität, Experimentierfreudigkeit und Flexibilität von besonderer Bedeutung sind, stellen die Aufgaben in der Wachstums- und Reifephase hohe Anforderungen an Führungsfähigkeit, Erfahrung und Detailkenntnis des Managements. Die Erfahrung von Holtzbrinck zeigt, dass meistens nach Abschluss der Start Up-Phase auch eine Veränderung im VentureManagement stattfindet (Quotation 3:9). 9.3.4 Klassische Finanzierung Neben Investitionen in digitale Geschäftsmodelle, die die autonom geführten Tochtergesellschaften getrennt von den Aktivitäten des neuen Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital tätigen, investiert Holtzbrinck auch nach wie vor in die klassischen Medien, wenn sich dort Konsolidierungsmöglichkeiten oder Effizienzpotenziale durch Verbundvorteile oder Prozessoptimierung ergeben. Ziel dieser Investitionen ist die Sicherung der eigenen Ertragskraft (Quotations 9:17, 9:18). Diese Aktivitäten werden hier unter dem Begriff „Klassische Finanzierung“ zusammengefasst. Der klassische Prozess des Beteiligungs-Managements, wie er bei Akquisitionen durch die Holding oder große Holtzbrinck-Tochtergesellschaften wie etwa der Verlagsgruppe Handelsblatt vorzufinden ist, unterscheidet sich nur geringfügig von

Fallstudie

125

dem in Kapitel 9.3.3 vorgestellten „Strategic Venturing“-Prozess in der InternetHolding. Daher arbeiten Holtzbrinck Networks und die M&A-Verantwortlichen in der Holding eng zusammen. Oft ergeben sich bei größeren Akquisitionen Bieterwettbewerbe, bei denen letztendlich die Gesellschafter der Mutterkonzerne über eine Investition entscheiden (Quotations 3:5, 3:7, 9:18). Weitere Unterschiede zwischen beiden Prozessen finden sich vor allem im Hinblick auf Bewertungsfaktoren und Investitionsvolumina. Durch die höheren Investitionssummen, die in den teilweise kapitalintensiven Bereichen der klassischen Medien getätigt werden, ergeben sich höhere Risiken bei Fehlinvestitionen. Daher ist der Bewertungsprozess in der Regel komplizierter und das vorliegende Datenmaterial umfassender. Die Bewertungsfaktoren sind zudem niedriger als bei Investitionen in Geschäftsmodelle der digitalen Medien, da sich die Akquisitionsobjekte der Verlagsgruppe meistens bereits in der Reife- oder Wendephase des Lebenszyklus befinden und nur noch gering wachsen (Quotations 14:5, 14:6). Anders als bei Investitionen im Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital sind bei Online-Investitionen in den klassischen Geschäftsfeldern, z. B. der Verlagsgruppe Handelsblatt, Synergiepotenziale mit dem Kerngeschäft ein wichtiges Beurteilungskriterium für die Investitionsentscheidung (Quotation 12:4). Tabelle 9-II fasst abschließend die hier vorgestellten Muster der Ressourcenallokation zusammen, die auf Basis der qualitativen Datenanalyse anhand empirisch identifizierbarer Dimensionen unterschieden werden.

126 Tabelle 9-II

Fallstudie Muster der Ressourcenallokation bei Holtzbrinck

Kategorie

SeedFinanzierung

FrühphasenFinanzierung

Expansions- / SpätphasenFinanzierung

Klassische Finanzierung

Investitionsziel

ƒ Organisches Wachstum durch Eigengründungen ƒ nicht exitorientiert

ƒ Wachstum durch Akquisitionen ƒ Organisches Wachstum durch Eigengründungen ƒ exit-orientiert

ƒ Wachstum durch ƒ Wachstum durch Akquisitionen Akquisitionen ƒ Beitrag zum ƒ Beitrag zum Gruppenumsatz & Gruppenumsatz & -ergebnis -ergebnis

Investitionsfrequenz*

ca. 50 Ideen p.a.

ca. 5 TA p.a.

unregelmäßig

Portfoliogröße

16 Ventures

35 Ventures

9 Ventures

Investitionsvolumen*

< 0,5 Mio. €

0,5-3 Mio. €

3-10 Mio. €

Prozessdauer

1 Woche

1-3 Monate

3-6 Monate

Prozessgeschwindigkeit

hoch

hoch

mittel bis hoch

mittel bis hoch

Primäre Prozessverantwortung

Holtzbrinck eLab

Holtzbrinck Ventures

Holtzbrinck Networks

Holtzbrinck Holding

Primäre Beurteilungskriterien

ƒ ManagementTeam ƒ Geschäftsmodell ƒ Marktvolumen

ƒ ManagementTeam ƒ Geschäftsmodell ƒ Marktvolumen

ƒ Marktvolumen/ -wachstum ƒ Ergebnisbeitrag ƒ Strategischer Fit mit Kerngeschäft

ƒ Ergebnisbeitrag ƒ Strategischer Fit mit Kerngeschäft

Bewertungsmethode

Eigengründung

ƒ ManagementMeeting ƒ Benchmarking, Marktforschung, Sensitivitätsanalysen

ƒ DCF- & MultipleBewertung bas. auf Business Plan ƒ Due Diligence ƒ ManagementMeeting

ƒ DCF- & MultipleBewertung bas. auf Business Plan ƒ Due Diligence ƒ ManagementMeeting

Bewertungsfaktor*

Eigengründung

> 3x Sales

2-3x Sales

0.6-1.1x Sales

Beteiligungsart

Eigengründung, Mehrheitsbeteiligung

Minderheitsbeteiligung

Mehrheitsbeteiligung

Mehrheitsbeteiligung

Primäre Anforderungen an VentureManagement

ƒ Kreativität ƒ Experimentierfreudigkeit

ƒ Kreativität ƒ Experimentierfreudigkeit

ƒ Führungserfahrung ƒ Fachkenntnisse

ƒ Führungserfahrung ƒ Fachkenntnisse

Innovationsansatz

trial & error, inside-out

trial & error, outside-in

sequenziell, outside-in

sequenziell, outside-in

Risikodiversifikation

hoch

mittel

gering

gering

unregelmäßig

> 10 Mio. €

Quelle: Qualitative Datenanalyse, vgl. Anhang C.1.1. * Die Angaben verstehen sich als Richtwerte, die den Regelfall betreffen, allerdings auch im Einzelfall stark abweichen können.

Fallstudie

127

9.4 Der dreistufige Ansatz der Ressourcenallokation bei Holtzbrinck Digital Die einzelnen Muster des RAP „Seed“ bzw. „Start Up“, „Frühphasen-Finanzierung“, „Expansions- / Spätphasen-Finanzierung“ und „Klassische Finanzierung“ decken unterschiedliche Lebenszyklusphasen der Venture-Entwicklung ab. Wie in Kapitel 9.3 gezeigt wurde, stellen sich in den verschiedenen Phasen, respektive Ansätzen, völlig unterschiedliche Herausforderungen und Erfolgsfaktoren, die die Wahl der organisatorischen Einbindung in die Verlagsgruppe und des Innovationsansatzes bestimmen. Das steigert die Komplexität für alle Beteiligten, besonders aber für das Top-Management. Dabei ist die Zuordnung der Lebenszyklusphasen zu den zuständigen HoltzbrinckEinheiten und Ansätzen nicht immer eindeutig, weil die Struktur historisch gewachsen und der Übergang zwischen einzelnen Phasen Einfluss ist.86 Besonders zwischen Holtzbrinck eLab und Holtzbrinck Ventures gibt es Überschneidungen, die aus der „Natur der Sache“ (Quotation 16:29) resultieren. Gründungen, Seed-Investitionen und Kapitalbeteiligungen lassen sich nicht trennscharf abgrenzen, da in jedem Fall eine „make or buy“-Entscheidung getroffen werden muss (Quotations 1:20, 7:5, 9:14, 16:27, 16:29). Die historisch gewachsene Struktur erhöht das Abstimmungspotenzial enorm. Zwischen den Geschäftsführern der am RAP beteiligten Einheiten im Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital besteht daher eine enge Absprache (Quotation 10:54). Um Redundanzen zu minimieren, die Absprachen zu erleichtern und das Portfolio besser zu strukturieren, hat die Verlagsleitung kürzlich in der Holding mit dem „Leiter Digitalbeteiligungen“ eine Position besetzt, durch die der Wissensaustausch institutionalisiert werden soll. Der gesamte Prozess ist anhand des Lebenszyklusmodells in Abbildung 9-IV dargestellt.

86

Vgl. Typologie „Ansätze des Corporate Venturing“, Anhang C.3.2

128

Fallstudie

Investitionsvolumina

Überführung meistens durch „Event“ (Networks hat „right of first refusal“), z. B.: ƒ Externes Kaufangebot ƒ Geplanter Exit von Ventures: Fondsclosing ƒ Abrechnungszeitpunkt Carry-Programm

Networks

Überführung intendiert

Ventures

eLab • Inkubator für Gründungen im Bereich der digitalen Medien ƒ zurzeit 16 Beteiligungen ƒ Extrem kleine Investitionsvolumina (ca. 10‘-500‘000 €)

Seed Stage

ƒ Bereitstellung von Venture Capital für Minderheitsbeteiligungen ƒ +/- 1-3 Mio. € Umsatz ƒ B-2-C-Geschäftsmodelle ƒ zurzeit 35 Beteiligungen

Early Stage

ƒ Profitable Mehrheitsbeteiligungen strategischer Bedeutung ƒ +/- 10 Mio. € Umsatz ƒ B-2-C-Geschäftsmodelle ƒ zurzeit 9 Beteiligungen ƒ werden derzeit durch 1-2 Investment-Manager betreut

Expansion / Late Stage

Phase des Lebenszyklus

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 9-IV

Die drei Stadien von Internet-Investitionen

Ziel des Stufenkonzepts ist immer die Überführung eigener Ventures von einer zur nächsten Stufe. So sollen erfolgreiche Gründungen des eLab und ausgewählte Portfoliounternehmen von Holtzbrinck Ventures zu Holtzbrinck Networks überführt werden (Quotation 3:4). Zurzeit besteht bezüglich der Durchlässigkeit des Phasenkonzepts noch die Schwierigkeit, dass viele Geschäftsmodelle noch nicht reif genug sind, um sie zu strategischen Beteiligungen zu transformieren, da Networks erst in einer späteren Phase des Lebenszyklus ansetzt. Dieser „Bruch“ in der Strategie resultiert aus unrealistischen Annahmen hinsichtlich der Entwicklungsgeschwindigkeit der jungen Ventures (Quotation 11:33). Eine besondere Herausforderung im Zusammenhang mit der Überführung von der Frühphase über die Wachstums- zur Reifephase eines Ventures ist die Gestaltung des Übergangs in Bezug auf das Management-Team und den Wandel der Geschäftsmodelle. Im frühphasigen Bereich muss das Venture-Management schnell, kreativ und

Fallstudie

129

flexibel agieren, um notwendige Anpassungen des Geschäftsmodells vornehmen zu können. In der Wachstums- und Reifephase muss sich das Management durch einen hohen Grad an Management-Erfahrung und Marktkenntnis sowie bestehende persönliche Netzwerke auszeichnen. „Beidhändige“ Manager, die alle benötigten Eigenschaften in ihrer Persönlichkeit vereinen, sind sehr selten zu finden. Durch die unterschiedlichen Anforderungen an das Venture-Management ist daher ein kritischer Erfolgsfaktor, geeignetes Führungspersonal zu gewinnen, das die Ventures zum Einstiegszeitpunkt nur noch bedingt aufbauen kann, um somit die notwendigen Transitionen des Management-Teams sowie des Geschäftsmodells im Verlauf des Lebenszyklus zu gestalten. Hier ist das Mittlere Management, insbesondere die Geschäftsführer der VC-Gesellschaft und der Internet-Holding, gefordert (Quotations 10:26, 16:36). Durch den gestaffelten RAP-Ansatz vermeidet Holtzbrinck Klumpenrisiken, weil man „viele kleine Wetten“ eingeht (Quotations 9:24, 10:15). Gilbert & Bower haben das Phänomen in ihrer Studie zu disruptivem Wandel beobachtet und bezeichnen das Vorgehen treffend mit dem Terminus „Staged Investments“ (Gilbert & Bower, 2002). Dabei ist die dezentrale Organisationsstruktur von Holtzbrinck ein entscheidender Erfolgsfaktor, um die durch den gestaffelten RAP entstehende Komplexität bewältigen zu können (Quotation 10:15). Der dreistufige Ansatz von Holtzbrinck kann als Kern der erfolgreichen Innovationsstrategie der Verlagsgruppe bezeichnet werden (Quotation 16:37). Auch wenn der stark strukturierte RAP aus heutiger Sicht intuitiv einleuchtet und geplant erscheint, wurde die heutige Struktur nicht am Reißbrett entwickelt, sondern ist über die Zeit organisch gewachsen. Dabei spielten initiative Angestellte, sog. „Intrapreneure“, eine wesentliche Rolle, die ihre Vision innerhalb des Unternehmens umgesetzt haben. Dieses Zwischenergebnis deckt sich mit den Erkenntnissen aus der deskriptiven Strategieprozessschule, dass Strategie nicht per Dekret durch das Top-Management erlassen wird, sondern in einem langwierigen Prozess emergiert (Bower, 1970a, 1970b; Bower & Gilbert, 2005; Burgelman, 1983b, 1984a, 1984b; Mintzberg & Waters, 1985).

130

Fallstudie

10 Diskussion: Entwicklung dynamischer Fähigkeiten im Kontext radikalen Wandels Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck begegnet der gestiegenen Umfelddynamik durch die veränderte Mediennutzung, die Einbrüche in Anzeigen- und Lesermärkten sowie durch die steigende Bedeutung alternativer Finanzierungsformen (vgl. Kapitel 7) mit dem Aufbau des neuen Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital (vgl. Kapitel 8). Der Einstieg in die digitale Medienwelt führt, insbesondere durch die gestiegene Varietät der Ressourcenallokationsprozesse, zu einer hohen Komplexität der Strategieformierung (vgl. Kapitel 9). Um der enormen Geschwindigkeit, der hohen Unsicherheit und der gestiegenen Komplexität Rechnung zu tragen, muss Holtzbrinck nicht nur seinen strukturellen Kontext an die neuen Umfeldbedingungen anpassen, sondern auch völlig neue strategische Routinen entwickeln, die Gegenstand des vorliegenden Kapitels sind. Mithilfe dieser organisationsspezifischen Fähigkeiten, die für die Erneuerung der Verlagsgruppe von zentraler Bedeutung sind, hat die Verlagsgruppe gelernt, den neuen Herausforderungen im dynamischen Wettbewerbsumfeld systematisch zu begegnen. Die neue Situation stellt hohe Anforderungen an alle Mitglieder der Organisation „Holtzbrinck“, hauptsächlich aber an die Verlagsleitung (TopManagement) und das Führungspersonal in den einzelnen Geschäftseinheiten (Mittleres Management). In den folgenden Kapiteln 10.1 bis 10.3 werden auf Basis der qualitativen Datenanalyse die dynamischen Fähigkeiten benannt, durch deren Aufbau sich die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck strategisch erneuert hat. Das Kapitel versteht sich als Theorie-Praxis-Synthese, die die Ergebnisse der qualitativen Datenanalyse den Erkenntnissen der Strategieprozessforschung gegenüberstellt und die theoretische Basis erweitert. Die insgesamt sieben identifizierten organisationsspezifischen Fähigkeiten lassen sich unter drei Kategorien subsumieren, die auf Basis von Erkenntnissen der Entrepreneurship- und der Strategieprozess-Forschung gebildet wurden (vgl. Kapitel 3 und 4): Erstens die Innovationsfähigkeit, zweitens die Umsetzungsfähigkeit (exploration resp. exploitation capability, vgl. O'Reilly & Tushman, 2004) und drittens die organisationale Wandelfähigkeit des Unternehmens. Während die Innovationsfähigkeit im konzeptionellen Bezugsrahmen von Bower, Burgelman & Gilbert vor allem die Definitionsphase des RAP und in der Entrepreneurship-Forschung die Chancengenerierung betrifft, kann die Umsetzungsfähigkeit mit der Selektionsphase des RAP bzw. der Chancenselektion und -verwertung assoziiert werden (Bower &

Fallstudie

131

Gilbert, 2005; Venkataraman, 1997). Die organisationale Wandelfähigkeit hebt schließlich auf die Veränderung bzw. Anpassung der gesamten Organisation, im speziellen Fall der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, ab.

10.1 Innovationsfähigkeit Wie dem Beobachter der Medienlandschaft in der Frühphase der Internetentwicklung drastisch vor Augen geführt wurde, scheiterten die etablierten Medienkonzerne auf ganzer Linie, als es darum ging, das Feld der Neuen Medien zu kommerzialisieren. Kleine „Start Ups“ haben die unternehmerischen Chancen, die mit der Emergenz des neuen Mediums entstanden, wesentlich früher als ihre großen Wettbewerber erkannt (Quotation 1:13).87 Diese Erkenntnis verwundert insofern nicht, als sie in Einklang mit Christensens Erkenntnissen zur „organisationalen Trägheit“ von großen, diversifizierten Unternehmen und Schumpeters Theorie der „kreativen Zerstörung“ steht (C. M. Christensen, 2003; C. M. Christensen & Bower, 1996; Schumpeter, 1935, 1944). Umso entscheidender ist die Frage, wie die Unternehmen diese Trägheit überwinden und so an Innovationskraft gewinnen können. Bei Holtzbrinck konnten zwei Fähigkeiten erkannt werden, die zur Stärkung der Innovationsfähigkeit des gesamten Unternehmens geführt haben: Erstens die Fähigkeit, Chancen frühzeitig zu erkennen (Strategische Früherkennungsfähigkeit) sowie zweitens die Fähigkeit, Wandel kognitiv richtig einzuordnen (Kognitive Einordnungsfähigkeit). 10.1.1 Strategische Früherkennungsfähigkeit Durch die Entwicklung des dreistufigen RAP-Ansatzes entwickelte Holtzbrinck eine besondere Kompetenz, Themen von strategischer Relevanz sehr frühzeitig zu erkennen. Während mit dem Seed-Ansatz des Holtzbrinck eLab mit Eigenentwicklungen ein „inside-out“-Ansatz verfolgt wird, verfolgen Holtzbrinck Ventures und Holtzbrinck Networks mit VC-Minderheitsbeteiligungen bzw. strategischen Investitionen einen schwergewichtig „outside in“-getriebenen Ansatz. Das dreistufige Modell sichert also, dass kein Thema „an Holtzbrinck vorbeigeht“, so Jörg Dörnemann, Leiter Digitalbeteiligungen der Holtzbrinck-Holding (Quotation 9:14). Für eine gezielte Ideengenerierung und spätere Chancenverwertung sind bei Holtzbrinck insbesondere der Aufbau eines erstklassigen Netzwerks und die 87

Vgl. Kap. 7, 8.2

132

Fallstudie

Gewinnung und Einbindung junger Unternehmer entscheidende Erfolgsfaktoren. Zum Netzwerk gehören sowohl externe Agenten wie z. B. M&A-Berater, Business Angels, und erfolgreiche Unternehmer als auch ein guter Zugang zum Top-Management der Verlagsgruppe, das sein Netzwerk gezielt für die Digitalgesellschaften öffnet und interessante „Proposals“ sowie Business-Pläne weiterleitet (Quotations 10:22, 10:23, 14:19, 16:35). Die Akquise von Unternehmern ist besonders wichtig, weil diese „nah am Markt und den Produkten dran sind“ und dadurch die strategische Relevanz von Themen oft früher erkennen (Quotation 1:14). Zusammenfassend sollte mit Blick auf eine funktionierende strategische Früherkennung der Prozess der Ideengenerierung und -selektion auf allen Ebenen des Unternehmens institutionalisiert, verschiedene methodische Zugänge genutzt und ein stark auf Forschung & Entwicklung fokussierter Ansatz etabliert werden, bei dem Innovation nicht mehr lediglich „im Nebenjob passiert“ (Quotation 10:40). Holtzbrinck hat diese Fähigkeit bereits im neuen Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital entwickelt, indem unternehmerische Potenziale sowohl „inside out“ als auch „outside in“ initiiert und verfolgt werden, Ideen sowohl „bottom up“ als auch „top down“ generiert werden und drittens mit den Handlungsoptionen Eigenentwicklung, VC-Minderheitsbeteiligung und strategische Mehrheitsbeteiligung gleich drei Ansätze zur Verfügung stehen, um Geschäftsideen gezielt zu verwerten (Quotations 9:14, 10:48, 10:54). 10.1.2 Kognitive Einordnungsfähigkeit Neben der Fähigkeit, strategische Themen frühzeitig zu erkennen, konnte die sog. kognitive Fähigkeit zur adäquaten Einordnung von Wandel, dem die Medienindustrie ausgesetzt ist, als bestimmende organisationale Kompetenz der Holtzbrinck-Gruppe identifiziert werden. Sie betrifft die Frage, ob das Management den Wandel als Chance oder als Gefahr für das Unternehmen auffasst. In der Frühphase wurde das Internet vorrangig als Bedrohung wahrgenommen. Mit fortschreitender Entwicklung steht der Chancenaspekt und damit eine positive Perzeption stärker im Vordergrund (Quotations 1:2, 2:1, 10:12). Wie Gilbert in seiner Forschung gezeigt hat, determiniert die kognitive Perzeption von Wandel durch die Führungskräfte des Unternehmens deren unternehmerisches Verhalten. Im Fall einer negativen Wahrnehmung fällt dieses Verhalten tendenziell reaktiv-defensiv aus und ist auf die Steigerung der Effizienz gerichtet, während beim Überwiegen des Chancenaspekts das Verhalten eher proaktiv-offensiver Natur ist und

Fallstudie

133

die Verbesserung der Innovationskraft der Einheit im Zentrum steht. Gilbert argumentiert, dass das Top-Management die Kapazität besitzen muss, den Wandel sowohl als Chance als auch Gefahr wahrzunehmen und damit in zwei gegenseitig konfligierenden Kategorien gleichzeitig zu denken (Gilbert, 2005, 2006). Im Fall von Holtzbrinck bedeutet das, dass das Top-Management in Bezug auf das Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital eine ausgeprägte Innovations- und Wachstumsstrategie verfolgt, andererseits dabei das Kerngeschäft nicht vernachlässigen darf und konsequent auf Effizienzsteigerung ausrichten muss. Da das Thema der digitalen Medien auch in den traditionellen Einheiten an Bedeutung gewinnt, ist man hier ebenfalls gefordert, eine kohärente Innovationsstrategie zu verfolgen. Wie eine solche aussehen könnte, wird in Kapitel 10.3 im Hinblick auf die organisationale Wandelfähigkeit des gesamten Unternehmens beleuchtet. Auf Ebene der Geschäftsfelder und der Projektteams hingegen führen konfligierende Einstellungen, laut Gilbert, zu Verwirrung, Ineffizienzen und bürokratischem Verhalten. Daher sollten unternehmerische Einheiten und Einheiten des Kerngeschäfts organisatorisch getrennt werden und jeweils konsequent entweder auf Steigerung der Effizienz oder auf Erhöhung der Innovationskraft ausgerichtet werden (Gilbert, 2005, 2006; O'Reilly & Tushman, 2004). Holtzbrinck hat mit der Gründung rechtlich und räumlich separater Einheiten, die nur auf der höchsten Ebene der Verlagsführung integriert sind, diesen Ansatz erfolgreich verfolgt. Dabei sollte nicht unterschlagen werden, dass dieser „Greenfield Approach“ die Aufmerksamkeit des TopManagements in hohem Maß bindet und partiell zu Redundanzen führen kann (Quotation 11:34).88 Voraussetzung für eine positive Perzeption von Wandel in den einzelnen Geschäftseinheiten ist, dass eine unternehmerische Chance überhaupt als strategisch relevant taxiert wird, was wiederum stark von der Fähigkeit zur strategischen Früherkennung abhängt.89 Darüber hinaus spielt die wahrgenommene Machbarkeit einer Geschäftsidee eine wesentliche Rolle für die Einstellung der Mitarbeiter gegenüber Innovationsprojekten. Erste Erfolge in den digitalen Medien und die Verbreitung dieser Erfolgsgeschichten in der Verlagsgruppe und ihren Tochtergesellschaften führen zum Aufbau 88

Zur Einbindung der Einheit Holtzbrinck Digital in den Mutterkonzern vgl. Kap. 9.2.2

89

Vgl. Kap. 10.1.1

134

Fallstudie

von strategischem Wissen im Umgang mit den digitalen Medien und regen andere Mitarbeiter an, eigene Projekte zu verfolgen und die zunehmend konkreten unternehmerischen Herausforderungen anzunehmen (Quotations 12:8, 12:9, 13:12). Direkter Ausdruck des unternehmerischen Verhaltens ist das Investitionsverhalten, das entweder zyklischer oder antizyklischer Ausprägung sein kann. Wie in den Kapiteln 8 und 9 bereits dargelegt wurde, war Holtzbrincks antizyklisches Investitionsverhalten unter hoher Unsicherheit und bei volatiler Marktentwicklung in den Krisenjahren 2001 bis 2003 ein bedeutender Erfolgsfaktor für den Aufbau des neuen Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital.90 Abschließend lässt sich konstatieren, dass sowohl die Fähigkeit, strategisch relevante Themen frühzeitig zu erkennen als auch die Fähigkeit, diese richtig einzuordnen, bestimmende Treiber zur Steigerung der Innovationsfähigkeit der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck waren.

10.2 Umsetzungsfähigkeit Eine zentrale Erkenntnis, die Holtzbrinck aus dem Aufbau des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital gezogen hat, war die Einsicht, dass Erkennung und Einordnung der technologischen Marktpotenziale allein nicht ausreichen, um im Feld der Neuen Medien erfolgreich zu agieren. Hinreichende Bedingung ist erst die Fähigkeit, diese unternehmerischen Chancen in wirtschaftlich tragfähigen Geschäftsmodellen umzusetzen (Quotation 10:8). Komponenten der Umsetzungskompetenz bei Holtzbrinck sind die Fähigkeit, Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse zu verkürzen (Strategische Handlungsfähigkeit), die Fähigkeit, zum richtigen Zeitpunkt in einen Markt einzutreten (Timing-Fähigkeit) sowie die Fähigkeit, Geschäftsmodelle während ihres Lebenszyklus kontinuierlich anzupassen (Transformationsfähigkeit). Zudem ist die Fähigkeit, die Kerngeschäftsbereiche mithilfe von Prozessinnovationen auf die Optimierung ihres Ergebnisbeitrags auszurichten, ein zentrales Element der Umsetzungsfähigkeit. Durch die Konsolidierungsgrenze, an die man hier früher oder später gelangt, ist dieser Aspekt für diese Studie über die strategische Erneuerung von Medienunternehmen von nachrangigem Interesse.

90

Die Zusammenhänge sind im Coding-Paradigma „Kognitive Perzeption von Wandel“ in Anhang C.2.5 dargestellt.

Fallstudie

135

10.2.1 Strategische Handlungsfähigkeit Der radikale Wandel verbunden mit der gestiegenen Komplexität, den kürzeren Entwicklungszyklen, den neuen Marktakteuren und der zunehmenden Medienkonvergenz bei gleichzeitiger Fragmentierung der Mediennutzung stellt hohe Anforderungen an das Management der Medienhäuser. In diesem dynamischen Umfeld gewinnt die strategische Handlungsfähigkeit, insbesondere des Operativen und Mittleren Managements, an Bedeutung. Ziel der Medienunternehmen muss es daher sein, die sog. „time to market“, die Entwicklungsdauer für neue Produkte und Prozesse, deutlich zu verkürzen. Bei Holtzbrinck hat sich gezeigt, dass die dezentrale Ausrichtung des Unternehmens, die mit einer „dünnen Holding-Struktur und sehr viel Entscheidungsfreiheit in den einzelnen Bereichen“ einhergeht, ein wichtiges Element der Innovationsstrategie im Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital ist (Quotation 10:4). Die hohe Handlungsfähigkeit manifestiert sich in der erhöhten Entscheidungsgeschwindigkeit durch kurze, informelle Entscheidungswege zwischen dem Mittleren Management und der Verlagsführung und führt zu einer Verkürzung der Entwicklungsdauer. Stephan Roppel, Geschäftsführer des Holtzbrinck-Inkubators eLab, bezeichnet den hohen Freiheitsgrad der einzelnen Einheit und die sich daraus ergebende Handlungsfähigkeit von Holtzbrinck als wesentlichen Erfolgsfaktor (Quotation 11:22). Ein gutes Beispiel für die hohe Handlungsfähigkeit der Verlagsgruppe ist der Erwerb der Mehrheit am Studentenportal StudiVZ anfangs des Jahres 2007. Für die Erstellung der „Due Diligence“ benötigte die Verlagsgruppe lediglich zwei Tage und erhielt nicht zuletzt wegen ihres schnellen und gleichzeitig kompetenten Vorgehens den Zuschlag (Quotations 9:15, 16:37). Aber auch in der Produktentwicklung kommt es auf die Schnelligkeit an. Eine wichtige Erkenntnis bei der Anlage des eLab-RAP war, dass man nicht erfolgversprechende Projekte früher scheitern lassen muss (Quotations 10:50, 10:51). Dieser Punkt wird noch im Zusammenhang mit dem „trial and error“Ansatz in Kapitel 10.2.3 vertieft. Zusammenfassend betrachtet, ist die Fähigkeit von Holtzbrinck, die „time to market“ zu verkürzen, für den erfolgreichen Aufbau des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital von entscheidender Bedeutung gewesen und daher ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil der Verlagsgruppe (Quotation 1:16).

136

Fallstudie

10.2.2 Timing-Fähigkeit Zweite Komponente der Umsetzungsfähigkeit ist die Kompetenz, zum richtigen Zeitpunkt angemessen zu agieren. Wie sich bei der frühen Entwicklung der neuen Mediengattung „Online“ in den 90er Jahren gezeigt hat, haben viele Verlage, darunter auch Holtzbrinck, den Fehler gemacht, zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Marktentwicklung hohe Summen in zum Teil vage Projekte zu investieren, ohne dabei deren Geschäftsmodelle ausreichend auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit zu prüfen. Dieses schnelle, äußerst rigide Verhalten war Ausdruck der Angst, dass das Kerngeschäft binnen kürzester Zeit in das Internet abwandern könnte.91 Ähnlich verhielt es sich in den Krisenjahren 2001 bis 2003, in denen viele Medienhäuser alle Online-Aktivitäten kurzerhand einstellten, obwohl gerade in dieser „schlechten Zeit“ die besten Investitionen getätigt werden konnten (Quotation 14:3). Voraussetzungen für ein gutes „market-timing“ beim Aufbau des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital waren die hohe Kontinuität der strategischen Planung, die tief in den Werten von Holtzbrinck verankert ist und die ausgeprägt dezentrale Organisation der Verlagsgruppe, die eine weitgehend autonome Entwicklung begünstigt hat. Eine auf die mittlere Frist und auf Wertgenerierung ausgerichtete Incentivierung der Geschäftsführer der Digitalgesellschaften, die im Gegensatz zu den Einheiten des Kerngeschäfts nicht auf Basis ihres jährlichen Ergebnisbeitrags abstellt und „extremes Vertrauen“ der Verlagsleitung in die Fähigkeiten des Mittleren Managements voraussetzt, gibt den neuen Einheiten die Freiheit, wenn notwendig auch antizyklisch zu investieren und „Chancen … auf sich zukommen zu lassen“, wie es Konstantin Urban, Geschäftsführer von Holtzbrinck Networks ausdrückt (Quotations 13:29, 15:20). Um die negative Wirkung von Fehlinvestitionen zu minimieren, wurde bei Holtzbrinck ein stark diversifizierender RAP-Ansatz etabliert, der sich durch das Eingehen „vieler kleiner Wetten“ auszeichnet (Quotations 10:15, 11:25). Außerdem werden durch den dreistufigen Ansatz mit dem Inkubator eLab, der CVC-Gesellschaft Ventures, und der Internet-Holding Networks die Investitionsvolumina dem Risiko-

91

In diesem Zusammenhang zeigt sich, wie stark sich die kognitive Perzeption von Wandel auf den RAP und die Strategieformierung auswirkt, vgl. Kap. 10.1.2.

Fallstudie

137

profil der einzelnen Investitionsobjekte angepasst und der Investitionsprozess über den Lebenszyklus hinweg gestaffelt.92 Der Ansatz von Holtzbrinck stimmt mit den bisherigen Erkenntnissen von Gilbert & Bower (2002), die vorschlagen, in Situationen diskontinuierlichen Wandels einen abgestuften Ansatz der Ressourcenallokation zu verfolgen, weitgehend überein (Gilbert & Bower, 2002, S. 99-100). Er kann aber hier um die Aspekte der angemessenen Risikodiversifikation und der adäquaten Management-Incentivierung erweitert werden. Ein gutes Timing zeichnet sich folglich durch drei Aspekte aus: Erstens geht es in Bezug auf die Innovationsstrategie und die damit verbundenen Ressourcencommitments darum, zum richtigen Zeitpunkt die gestaffelten Ressourcencommitments zu tätigen, zweitens wird das durch eine angemessene Risikodiversifikation begünstigt und drittens ist die geeignete, auf die mittlere bis lange Frist und Wertgenerierung gerichtete Incentivierung des Managements Bedingung für die erfolgreiche Implementierung einer solchen Timing-Strategie. 10.2.3 Transformationsfähigkeit Wichtigstes Element der Umsetzungskompetenz ist die Transformationsfähigkeit eines Unternehmens. Darunter wird hier die Fähigkeit verstanden, ein Geschäftsmodell von der ersten Idee bis zur Kommerzialisierung über den gesamten Lebenszyklus zu entwickeln. In Bezug auf die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle zu erfolgreichen Ventures zeichnet sich die Transformationsfähigkeit vor allem durch die erfolgreiche Gestaltung des Wandels der Geschäftsmodelle sowie der personellen Anpassungen in den Management-Teams aus (Quotations 10:26, 10:51). Durch die unterschiedlichen Anforderungen an das Venture-Management in den einzelnen Lebenszyklusphasen ist ein kritischer Erfolgsfaktor, die Transition(en) des Management-Teams erfolgreich zu gestalten. In der frühen Entwicklungsphase muss das Venture-Management kreativ und flexibel agieren, um notwendige Anpassungen des Geschäftsmodells vornehmen zu können. Im spätphasigen Bereich hingegen muss das Management-Team einen hohen Grad an Erfahrung, Marktkenntnis und ein bestehendes Netzwerk im Bereich der digitalen Medien mitbringen. Die Kreativität des in der Frühphase benötigten Entwicklers und die Unternehmermentalität des in der

92

Zum dreistufigen Ansatz der Ressourcenallokation vgl. Kap. 9.4

138

Fallstudie

Wachstums- und Reifephase erfolgreich agierenden Managers vereinen sich aber nur selten in einer Persönlichkeit. Daher wird früher oder später ein Wechsel im Management-Team notwendig, der zu Spannungen führen kann. Es ist eine wichtige Aufgabe des Mittleren Managements, diesen Wandel erfolgreich zu gestalten (Quotations 3:9, 10:26) Oft kann das Venture-Management erst im Verlauf des Entwicklungsprozesses absehen, dass sich einige Ideen aufgrund technischer oder rechtlicher Rahmenbedingungen nicht kommerzialisieren lassen oder schlicht nicht vom Markt angenommen werden. Gerade in der Früh- und der Wachstumsphase eines Ventures werden daher immer wieder Anpassungen des Geschäftsmodells notwendig. Im Hinblick auf die Aufstellung des Digitalgeschäfts erkannte Holtzbrinck schnell, dass es von besonderer Wichtigkeit ist, den einzelnen Venture-Teams ein Höchstmaß an Freiheit einzuräumen, gleichzeitig aber die Zielerreichung und den Prozessfortschritt der einzelnen Projekte systematisch zu kontrollieren. Holtzbrinck fand deshalb zum sog. „trial and error“-Ansatz, der einen grundlegenden Kulturwandel innerhalb der Verlagsgruppe darstellt.93 Die Konzeption der neuen Methode beruht auf der Beobachtung, dass ein Intrapreneur in den traditionellen Bereichen des Kerngeschäfts immer motiviert ist, sein einmal „erkämpftes“ Sonderbudget für sein Innovationsprojekt unbedingt zu verteidigen. Es handelt sich hierbei um einen systemimmanenten Fehler, der mit der Ausrichtung der Kerngeschäftsbereiche auf die Maximierung des jährlichen Ergebnisbeitrags zusammenhängt. Diese Geschäftslogik lässt bei Innovationsprojekten keinen Freiraum zum Experimentieren, da diese meist kostenintensiv und die Erfolgschancen zunächst sehr vage sind und, wenn überhaupt, erst in der mittleren Frist profitabel werden. Dieser hier als „linear-sequenziell“ bezeichnete, herkömmliche Ansatz führt neben einem zumeist zu späten Scheitern vieler Innovationsprojekte mit hohen Anfangsverlusten dazu, dass Innovation in den Bereichen des Kerngeschäfts nur „im Nebenjob passiert“ (Quotations 1:23, 10:29, 10:40).94

93

Zum Phänomen der „trial and error“-Kultur bei Holtzbrinck Digital vgl. das Coding-Paradigma „Innovationsansatz“ in Anhang C.2.3

94

Zur linear-sequenziellen Innovationskultur, die in den Kerngeschäftsbereichen vorgefunden werden kann, vgl. Kap. 9.2.2

Fallstudie

139

Der „trial and error“-Ansatz zeichnet sich durch eine strikte Prozessdefinition mit klar definierten Meilensteinen aus, bei deren Verfehlung keine Nachfinanzierung bereitgestellt wird. Der in Form eines Innovationstrichters konzipierte Prozess führt zu einem frühen Scheitern einiger Projekte, die sich entweder als nicht umsetzbar erweisen oder nicht vom Markt angenommen werden. Alle anderen Projekte werden in der jeweils folgenden Entwicklungsphase gezielt weiterverfolgt, was zu einer hohen Innovationsgeschwindigkeit führt. Durch den „trial and error“-Ansatz lassen sich die Entwicklungszyklen verkürzen und gleichzeitig Anfangsverluste minimieren. Am deutlichsten manifestiert sich die Methode im Holtzbrinck eLab, sie ist aber auch im Investitionsprozesses der CVC-Gesellschaft Holtzbrinck Ventures fest verankert (Quotations 10:29, 10:34, 11:16, 12:12, 16:13, 16:38).95 Zusammenfassend sichert der dreistufige RAP-Ansatz von Holtzbrinck Digital in Kombination mit dem „trial and error“-Ansatz in der Früh- und Wachstumsphase der Venture-Entwicklung die maximale Autonomie für die Management-Teams bei gleichzeitig hoher Innovationsgeschwindigkeit. Im Gegensatz zu den traditionellen Geschäftsbereichen gehört das Scheitern bei Holtzbrinck Digital zum System.96 Die nächsten logischen Schritte für die Entwicklung der Verlagsgruppe, die Nutzung von Synergiepotenzialen und der Wissenstransfer zwischen den einzelnen Ventures untereinander sowie mit den Kerngeschäftsbereichen des Mutterhauses, werden im Kapitel 10.3.2 genauer beleuchtet.

10.3 Organisationale Wandelfähigkeit Während die Innovations- und Umsetzungsfähigkeit hauptsächlich die Entwicklung einzelner Geschäftsfelder, insbesondere des neuen Bereichs Holtzbrinck Digital, betreffen, bezieht sich die Wandelfähigkeit auf die strategische Erneuerung des gesamten diversifizierten Medienunternehmens. Die Fähigkeit, den organisationalen Wandel zu gestalten, ist in erster Linie Aufgabe des Top-Managements. In Bezug auf Holtzbrinck sind die Fähigkeit, eine Balance zwischen radikaler Innovation und Wachstum einerseits und inkrementeller Innovation und Entwicklung des Kerngeschäfts andererseits zu finden, sowie die Fähigkeit, die interne Kooperation und den 95

Zu den Ressourcenallokationsprozessen von Holtzbrinck eLab und Holtzbrinck Ventures vgl. Kap. 9.3.1 und 9.3.2

96

Vgl. Kap. 9.4

140

Fallstudie

Wissenstransfer zwischen den Tochtergesellschaften der Verlagsgruppe zu fördern, zentrale organisationale Kompetenzen. 10.3.1 Moderationsfähigkeit Die Moderationsfähigkeit manifestiert sich in der Kapazität des Top-Managements, die Balance zwischen verschiedenen, manchmal gegensätzlichen strategischen und kulturellen Positionen im Unternehmen zu wahren. Es geht darum, eine klare strategische Linie verfolgen, dabei aber einen kulturellen Ausgleich innerhalb des Unternehmens zu finden (Quotation 6:4). In Bezug auf die strategische Erneuerung von Holtzbrinck sind für die Entwicklung dieser Fähigkeit drei Punkte entscheidend: Die strategische Zielorientierung, die maßgeblich von der kognitiven Perzeption von Wandel abhängt, die Einbindung der Geschäftsbereiche und Tochtergesellschaften sowie die geeignete Management-Incentivierung. Wie in Kapitel 9.1.1 herausgestellt wurde, muss das Top-Management bezüglich der strategischen Ausrichtung des gesamten Unternehmens eine doppelte Zielsetzung verfolgen. Einerseits ist der Wachstums- und Innovationsdruck durch das dynamische Marktumfeld und den durch das Internet induzierten Medienwandel deutlich gestiegen, andererseits wächst auch der Konsolidierungsdruck im Kerngeschäft, was das Ziel der Sicherung der Ertragskraft der gesamten Gruppe wichtiger werden lässt.97 Insbesondere der Aufbau des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital bindet die Aufmerksamkeit der Verlagsleitung stark (Quotations 1:27, 2:6, 5:2). „Die ohnehin nicht unkomplizierte Rollendefinition der Holding zwischen Berater, Coach, Enabler, Moderator einerseits und Mitgestalter, Kettenhund und Wahrer der Corporate Governance andererseits wird deshalb noch schwieriger“, erklärt Jörg Dörnemann, Leiter Digitalbeteiligungen in der Holtzbrinck-Holding (Quotations 9:15, 9:16, 14:20). Die strategische Zielorientierung ist zweitens stark von der kognitiven Wahrnehmung von Wandel in der gesamten Organisation abhängig. Das Top-Management muss daher gleichzeitig verschiedene, manchmal konfligierende Einstellungen und

97

Vgl. Kap. 9.1.1 sowie die Coding-Paradigmen „Kognitive Perzeption von Wandel“, Anhang C.2.5 und „Strategische Zielorientierung“, Anhang C.2.6

Fallstudie

141

Interessen vertreten, um den strategischen Herausforderungen in den jeweiligen Geschäftsfeldern adäquat zu begegnen.98 Drittens hat sich im Hinblick auf den Aufbau von Holtzbrinck Digital gezeigt, dass die strukturelle Einbindung eines Geschäftsfelds mit dessen strategischer Zielsetzung abgestimmt werden muss.99 Aufgrund starker Unterschiede im strukturellen Kontext der einzelnen Geschäftsfelder kann eine Einheit entweder nur auf Wachstum und Innovation oder auf Sicherung der Ertragskraft ausgerichtet werden. Das TopManagement muss daher klare Prioritäten für jede einzelne Geschäftseinheit setzen und den strukturellen Kontext konsequent auf das gesetzte Ziel ausrichten.100 Einen besonderen Punkt im Zusammenhang mit der Einbindung innovativer Einheiten stellt die bei Holtzbrinck vorzufindende duale Management-Incentivierung dar, die für die Ausrichtung der einzelnen Einheiten von entscheidender Bedeutung ist.101 Neue Incentivierungsmodelle wie die Beteiligung der Mitarbeiter des Mittleren Managements und der Venture-Teams an Eigenkapital bzw. Ertrag sind Voraussetzung für die Akquise und Bindung von Unternehmerpersönlichkeiten, die nur durch ein großes „Upside“ gewonnen werden können. Dieser Faktor ist damit entscheidend für den Erfolg von Holtzbrinck Digital. Die duale Management-Incentivierung führt einerseits zu einer Erhöhung der Innovationsfähigkeit und organischem Wachstum, zeitigt andererseits aber auch einen profunden Kulturwandel in der gesamten Organisation. Im Gegensatz zu Online-Unternehmern sind Manager der traditionellen Einheiten sehr risikoavers und bevorzugen daher eine feste Entlohnung. Eine Beteiligung am Eigenkapital ist in den traditionellen Geschäftsbereichen daher die seltene Ausnahme (Quotations 1:22, 2:9, 10:42, 10:44, 11:11, 14:7, 14:10, 14:15). Dem Top-Management kommt die Aufgabe zu, die Balance zwischen der Förderung von Unternehmertum einerseits und dem Schutz organisationaler Grundwerte und Führungsprinzipien andererseits zu wahren (Quotations 9:16, 14:8, 14:16, 16:10). Die

98

Vgl. Kap. 10.1.2

99

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem „Structure follows Strategy“-Paradigma (Chandler, 1962).

100

Vgl. Coding-Paradigma „Einbindung innovativer Einheiten“, Anhang C.2.1

101

Zum Phänomen der Anreizsysteme vgl. Coding-Paradigma „Duale Management-Incentivierung“, Anhang C.2.4

142

Fallstudie

systematische Incentivierung im Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital war eine bewusste Entscheidung der Verlagsführung und stellt einen „revolutionären Schritt gerade für ein Familienunternehmen wie Holtzbrinck“ dar, so eLab-Geschäftsführer Stephan Roppel (Quotation 11:10). Kennzeichnend für eine gute Moderationsfähigkeit des Top-Managements ist schließlich, verschiedene strategische Zielsetzungen gleichzeitig verfolgen zu können, den Wandel sowohl als Chance als auch Herausforderung für das Unternehmen zu betrachten und dies in eine überzeugende Strategie übersetzen zu können, die die Besonderheiten der unterschiedlichen strukturellen Kontexte der einzelnen Geschäftsbereiche ausreichend berücksichtigt und auf den Ausgleich zwischen den traditionellen und neuen Gesellschaften gerichtet ist. 10.3.2 Kooperationsfähigkeit Eine wesentliche Funktion des Top-Managements ist es, als Brückenbauer zu fungieren, den Wissenstransfer zwischen den Tochtergesellschaften zu intensivieren und so Synergiepotenziale zu heben (Quotations 12:5, 12:6). Obwohl bereits ein reger Wissensaustausch zwischen den Geschäftsführern der Digitalgesellschaften existiert und es explizites Ziel der Verlagsgruppe ist, Kooperationen zwischen den Tochtergesellschaften zu fördern, gelang es der Verlagsleitung bisher nicht in ausreichendem Maß, geeignete Anreize für einen systematischen Austausch zu setzen. Dieses Defizit ist ein grundlegender Nachteil der dezentralen Organisationsstruktur von Holtzbrinck und der bewusst geförderten „Unternehmervor-Ort“-Mentalität in den Tochtergesellschaften. Durch unterschiedliche strukturelle und kulturelle Bedingungen, wie beispielsweise differierende Anreizsysteme und unterschiedliche Standorte der Holtzbrinck-Töchter, fallen bei Kooperationen innerhalb der weit diversifizierten Verlagsgruppe vergleichsweise hohe Koordinationskosten an, was den Austausch wesentlich erschwert (Quotations 10:59, 11:30, 13:11, 15:15, 16:9). Zudem hat Holtzbrinck bisher keinen systematischen Prozess zur Erkennung von potenziellen Synergien etabliert. Insbesondere der Aufbau des neuen Geschäftsbereichs Holtzbrinck Digital hat zu Redundanzen und Ineffizienzen geführt, die zunächst bewusst in Kauf genommen wurden, in Zukunft aber minimiert werden sollen. Speziell durch die Verlinkung von stark frequentierten Online-Angeboten wie z. B. dem Studentenportal StudiVZ mit leicht kapitalisierbaren Geschäftsmodellen wie

Fallstudie

143

beispielsweise dem Postkartenversand Ahaoho können zwischen den Ventures von Holtzbrinck Digital Synergien gehoben werden.102 Des Weiteren lassen sich durch die Verknüpfung der Internet-Präsenzen der Tageszeitungen einerseits und der „Online Only“-Angebote andererseits große Verbundvorteile wie etwa höhere Reichweiten durch bessere Suchmaschinenrankings realisieren. So wurde auf den Zeitungsdependancen der Verlagsgruppe im Internet bereits eine Informationsbox mit Verlinkungen zu hilfreichen Online-Diensten aus dem Portfolio von Holtzbrinck Digital eingerichtet (Quotations 3:8, 9:5, 11:15, 11:30, 12:3).103 Holtzbrinck hat kürzlich mit dem „Leiter Digitalbeteiligungen“ eine Position in der Holding geschaffen, die Kooperationen innerhalb des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital sowie von Holtzbrinck Digital und den Geschäftsbereichen des Kerngeschäfts fördern soll. Außerdem soll der Know-how-Transfer intensiviert werden, welcher angesichts der neu entwickelten Fähigkeiten in den Digitalgesellschaften, wie beispielsweise die Fähigkeit zur strategischen Früherkennung, die Transformationsfähigkeit und VC-Kenntnisse von Holtzbrinck Ventures, ein enormes Potenzial für die strategische Erneuerung der Kerngeschäftsbereiche birgt (Quotations 3:8, 9:1, 9:5, 12:3, 13:8, 13:15).104 Zusammenfassend kann resümiert werden, dass die Förderung intraorganisationaler Kooperation zur verstärkten Realisation von Synergiepotenzialen und einem intensiveren Wissenstransfer führt, was wiederum in organischem Wachstum des gesamten Konzerns resultiert. Es ist wichtige Funktion des Top-Managements, diese Kooperationen zu intensivieren.

102

Zu der Verknüpfung von traffic-intensiven General Interest-Geschäftsmodellen mit spezialisierten, leichter monetarisierbaren Angeboten vgl. auch die Fallstudie AOL (Meckel, 2008, S. 103-104)

103

Vgl. Coding-Paradigma „Intraorganisationale Kooperation“, Anhang C.2.2 und Typologie „Synergiepotenziale digitale Medien“, Anhang C.3.3

104

Vgl. Coding-Paradigma „Organisationales Lernen und Aufbau dynamischer Fähigkeiten“, Anhang C.2.7

Fazit und Ausblick

145

Teil IV Fazit und Ausblick Ziel dieser Studie war es, das Phänomen der strategischen Erneuerung durch den Aufbau dynamischer Fähigkeiten im Kontext schnellen, disruptiven Wandels zu ergründen. Folgende Forschungsfrage diente dabei als Leitlinie für die theoretische und empirische Analyse: Wie können große, diversifizierte Medienunternehmen, die diskontinuierlichem Wandel unterliegen, durch systematische Ressourcenallokations- und Strategieformierungsprozesse unternehmerische Chancen identifizieren, bewerten und in innovativen Geschäftsmodellen umsetzen, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen? Teil I der Dissertation legte die theoretische Basis für die Analyse des Phänomens der strategischen Erneuerung. Neben definitorischen Grundlagen und der Präsentation des aktuellen Stands der Corporate Entrepreneurship-Debatte wurde mit dem „Capabilitybased View“ zugleich das der Studie zugrunde liegende Paradigma dargelegt als auch das Konzept der dynamischen Fähigkeiten eingeführt, das für die empirische Analyse von zentraler Bedeutung ist. Schließlich wurde das deskriptive Strategieprozessmodell von Bower, Burgelman und Gilbert als konzeptioneller Bezugsrahmen für die Datenerhebung und -analyse vorgestellt (Bower & Gilbert, 2005). Im zweiten Teil der Studie wurden die methodischen Grundlagen für den Gang ins Feld gelegt. Wichtige Eckpunkte der explorativen Forschungsstrategie auf Basis einer Einzelfallstudie waren der Einsatz von teilstandardisierten Leitfadeninterviews als primäre Methode der Datenerhebung sowie des Grounded Theory-Ansatzes als Methode der qualitativen Datenanalyse, die mithilfe der Software ATLAS.ti durchgeführt wurde. Den Kern der vorliegenden Studie bildet der dritte Teil, in dem die Ergebnisse der empirischen Analyse von Ressourcenallokation und Strategieformierung bei der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck dargestellt werden. Im Gegensatz zum konzeptionellen Bezugsrahmen von Bower, Burgelman und Gilbert (2005) ist die realisierte Strategie nicht einfach die Summe aller in einem bestimmten Zeitraum getätigten Ressourcencommitments, sondern auch Funktion der im Ressourcenallokationsprozess entwickelten organisationsspezifischen Kompetenzen. Es konnten schließlich sieben dynamische Fähigkeiten identifiziert werden, die für die strategische

146

Fazit und Ausblick

Erneuerung von Holtzbrinck und den Aufbau strategischer Erfolgspositionen von übergeordneter Bedeutung sind. Der folgende vierte und letzte Teil schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse die Studie zur strategischen Erneuerung von Medienunternehmen ab. Dabei werden zunächst die Folgerungen für Praxis und Theorie getrennt dargestellt (vgl. Kapitel 11 und 12), bevor die theoretischen und methodischen Grenzen der Studie aufgezeigt werden (vgl. Kapitel 13). Ein Ausblick auf potenzielle zukünftige Forschungsthemen im Zusammenhang mit dem Phänomen der strategischen Erneuerung (vgl. Kapitel 14) beendet den letzten Teil.

Fazit und Ausblick

147

11 Praktische Implikationen: Strategische Erneuerung von Medienunternehmen Die vorliegende Studie erhebt den Anspruch, Führungskräften von etablierten, diversifizierten Unternehmen der Medienindustrie, die sich in Situationen schnellen, disruptiven Wandels befinden, Leitlinien für die strategische Erneuerung ihrer Organisationen zu geben. Im folgenden Kapitel werden die wesentlichen Erkenntnisse aus Theorie und Empirie zu Grundsätzen für das Management von Medienunternehmen verdichtet und es wird herausgestellt, welche Beiträge diese Studie zur ManagementPraxis leistet. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Erkenntnisse dieser Studie, die weitgehend auf Daten einer Einzelfallstudie basieren, nicht unbesehen auf andere Unternehmens- oder Industriekontexte übertragen lassen. Deshalb sind Praktiker dazu aufgefordert, aus den folgenden Ergebnissen Schlüsse für die eigene Situation abzuleiten. Von besonderer praktischer Relevanz im Zusammenhang mit dem Thema dieser Studie sind die Fragen, welche organisationsspezifischen Kompetenzen Medienunternehmen aufbauen müssen, um sich strategisch zu erneuern, welche strategischen und strukturellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen und wie dieser Erneuerungsprozess abläuft. Die Dissertation illustriert einen spezifischen Weg zur strategischen Erneuerung am konkreten Fall eines etablierten Traditionsunternehmens, der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Bestehende Strukturen und Routinen aufbrechen Aus dem Holtzbrinck-Beispiel kann die zentrale Erkenntnis gewonnen werden, dass zumindest partiell bestehende Strukturen, tradierte Routinen und herkömmliche Führungsprinzipien verworfen werden müssen, um überhaupt neue Fähigkeiten entwickeln zu können. Nur so kann die organisationale Trägheit, in der sich viele etablierte Konzerne befinden, überwunden werden. Wie aus der theoretischen und empirischen Analyse dieser Studie zu schließen ist, umfasst die strategische Erneuerung im dynamischen Umfeld vier Schritte. Zunächst müssen die Unternehmensleitung und die Führungskräfte in den dezentralen Einheiten klare Ziele und Rollen für die gesamte Organisation sowie jeden Geschäftsbereich definieren. Zweitens müssen geeignete Strukturen geschaffen werden, damit die Erneuerung überhaupt möglich wird. Wenn diese Voraussetzungen geschaffen wurden, kann es drittens zur Entwicklung neuer Fähigkeiten kommen. Schließlich muss der dadurch

148

Fazit und Ausblick

einsetzende Erneuerungsprozess durch das Top-Management aktiv begleitet werden, damit er nachhaltig Früchte trägt. Diese Aufstellung von Handlungsempfehlungen suggeriert, dass der Evolutionsprozess linear und wohlgeordnet abläuft. Wie das Beispiel Holtzbrinck zeigt, ist die Entwicklung dynamischer Fähigkeiten eine iterative Sequenz, die sowohl durch die Unternehmensleitung „top down“ induziert wird als auch durch Initiativen einzelner Mitarbeiter „bottom up“ emergiert. Durch ein genaues Verständnis der Logik der strategischen Erneuerung können Führungskräfte aller Ebenen an diesem Prozess mitwirken und ihn gezielt beeinflussen.105 Klare Rollen und Ziele definieren Das Top-Management wird im dynamischen Umfeld zunehmend mit Zielkonflikten konfrontiert, die Denken in unterschiedlichen, teilweise inkonsistenten Dimensionen erfordern. Ein Beispiel aus dem Kontext der Fallstudie ist der zum neuen Geschäftsbereich Holtzbrinck Digital zählende CVC-Arm Holtzbrinck Ventures. Das VCGeschäft funktioniert nach völlig anderen Regeln als das angestammte Verlagsgeschäft. Während die VC-Einheit ihr Handeln hauptsächlich an finanziellen Interessen ausrichten, aggressiv agieren und oft opportunistisch Akquisitionschancen wahrnehmen muss, um erfolgreich zu sein, ist das Verlagsgeschäft ein auf langjährigen Autorenverträgen basierendes Traditionsmodell, das sich durch eine strategischlangfristige Planung, stabile Cash Flows und tendenziell defensives Wettbewerbsverhalten auszeichnet. Angesichts der steigenden Komplexität im dynamischen Wettbewerbsumfeld sind klare Zielsetzungen und Rollendefinitionen sowohl für die Ausrichtung des gesamten Unternehmens als auch für jeden Geschäftsbereich von größter Bedeutung. Diese können nicht im luftleeren Raum formuliert werden, sondern sind – ebenso wie die Entwicklung neuer Fähigkeiten – stark pfadabhängig. Die strategischen Ziele müssen mit den Werten der Firmenkultur, den Wettbewerbsbedingungen und den strukturellen Voraussetzungen in Einklang stehen. Nur auf Basis eines breiten Konsenses über Rollen, Ziele und organisationsspezifische Rahmenbedingungen können anschließend

105

Dieser Aspekt der Strategieformierung vereint die Erkenntnisse der deskriptiven mit der präskriptiven Strategieprozessschule und entspricht damit der Haltung von Bower, Burgelman und Gilbert, deren Modell als konzeptionelle Ausgangsbasis für die empirische Erhebung diente.

Fazit und Ausblick

149

wirkungsvolle Einflussfaktoren zur strategischen Erneuerung des Unternehmens und dessen Tochtergesellschaften abgeleitet werden. Für das Top-Management des Unternehmens bedeutet das, dass es sukzessive eine ausgleichende, Brücken bauende und wertorientierte Vorbildfunktion übernehmen muss, um die verschiedenen Subkulturen im Unternehmen miteinander zu vernetzen. Dabei sollten strategische und strukturelle Unterschiede bewusst zugelassen werden. Holtzbrinck orientierte sich bei der Entwicklung neuer Routinen an seinen Werten wie der Dezentralität und Autonomie der kleinsten Einheit, dem „Unternehmer vor Ort“Prinzip und dem hohen publizistischen Qualitätsanspruch des Verlags. Geeignete Strukturen etablieren Die Studie offenbart, dass die nachhaltige Veränderung strategischer Routinen fast immer auch eine Anpassung struktureller Bedingungen im Unternehmen impliziert. Dazu gehört neben der Wahl der geeigneten Einbindung der Geschäftsbereiche auch die bewusste Gestaltung von Anreizmodellen. Das Beispiel Holtzbrinck hat gezeigt, dass eine flexible Organisationsstruktur, die den innovativen Einheiten ein Maximum an Autonomie einräumt, dabei aber auf eine enge Interaktion zwischen dem TopManagement und den Geschäftsführern der dezentralen Einheiten setzt, eine erfolgversprechende Variante darstellt. Der neue Geschäftsbereich Holtzbrinck Digital wurde weitgehend vom Kerngeschäft abgetrennt und ist organisatorisch autonom. Gleichzeitig basiert die hohe Freiheit des Geschäftsfelds aber auf einem engen Vertrauensverhältnis zwischen Verlagsleitung und Geschäftsführern der Digitalgesellschaften, das sich durch eine hohe Frequenz schneller und informeller Absprachen und damit kurze Entscheidungswege auszeichnet. Die dünne HoldingStruktur der Verlagsgruppe, flache Hierarchien und das Prinzip der Dezentralität begünstigen den Erfolg von Holtzbrinck Digital. Sollen neue, organisationsspezifische Kompetenzen aufgebaut werden, muss die Unternehmensleitung außerdem der Frage der Management-Incentivierung große Beachtung schenken. Das Incentivierungsmodell muss sich ebenfalls an den Zielen und Rollen der einzelnen Geschäftsbereiche sowie an deren Wettbewerbsumfeld orientieren. Insbesondere zwischen den Kerngeschäftsbereichen und dem neuen Feld Holtzbrinck Digital bestehen hier große Unterschiede. Während das Kerngeschäft aus gutem Grund darauf ausgerichtet ist, seinen jährlichen Beitrag zum Gruppenergebnis zu maximieren, sind die Geschäftsführer der Digitalgesellschaften eLab, Ventures und

150

Fazit und Ausblick

Networks durch ein sog. Carry-Programm über eine mittlere Frist incentiviert, Werte zu schaffen. Der Management-Incentivierung kommt in Bezug auf die strategische Erneuerung eine zentrale Rolle zu, da durch neue Incentivierungsmodelle ein tiefgreifender Kulturwandel angestoßen wird. Die Kapitalbeteiligung von ausgewählten Mitarbeitern tangiert das Prinzip der internen Lohngerechtigkeit innerhalb des Konzerns beträchtlich, so dass das Top-Management hier eine ausgleichende Rolle einnehmen muss. Neue Incentivierungsmodelle sind zudem ein wesentlicher Treiber für eine erfolgreiche Akquisition von Führungskräften. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass die gezielte Personalgewinnung Voraussetzung für die strategische Erneuerung ist. Diese Aufgabe sollte daher hohe Priorität auf der Agenda des Top-Managements erhalten. Am Beispiel des Aufbaus von Holtzbrinck Digital kann die Bedeutung dieses Punkts unterstrichen werden. Bei einer Diversifikation in ein völlig unbekanntes Feld wie z. B. der VC-Finanzierung sollten neben internen Führungskräften mit profundem Wissen über die eigene Organisation auch externe Fachspezialisten gewonnen werden, die über fundierte Kenntnis der Spielregeln des neuen Gebiets verfügen. Der Erfolg des neuen Geschäftsbereichs hängt darüber hinaus von der Fähigkeit ab, erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten zu gewinnen, die die häufigen Transformationen der meist noch jungen Geschäftsmodelle erfolgreich gestalten können. Gute VentureTeams und Führungskräfte lassen sich aber nur über eine Erfolgs- oder Kapitalbeteiligung incentivieren. Die Verlagsleitung von Holtzbrinck hat sich deshalb bewusst dafür entschieden, das Management der einzelnen Ventures und die Geschäftsführer der Digitalgesellschaften am Erfolg bzw. Kapital zu beteiligen. Neue dynamische Fähigkeiten entwickeln Strukturelle Anpassungen wie die Separation von Geschäftsbereichen und die Einführung von neuen Incentivierungsmodellen allein führen aber noch nicht zum nachhaltigen Kompetenzaufbau im Unternehmen. Nur durch die Herausbildung und Institutionalisierung neuer strategischer Routinen kann das Unternehmen nachhaltig neue Fähigkeiten entwickeln. Dabei sind Ansätze, Verfahrensmuster und Führungsprinzipien in dynamischen Wettbewerbssituationen wesentlich komplexer, weil sie auf strategische und strukturelle Bedingungen der einzelnen Geschäftsbereiche und Tochtergesellschaften, deren strategische Ausrichtung und auf die Spielregeln der für sie relevanten Märkte Rücksicht nehmen müssen.

Fazit und Ausblick

151

Im Gegensatz zu strukturellen Veränderungen ist die Entwicklung und nachhaltige Verankerung neuer strategischer Routinen ein langwieriger Prozess, der durch die Unternehmensleitung nur indirekt beeinflusst werden kann. Im Rahmen der Fallstudie konnten sieben konkrete dynamische Fähigkeiten benannt werden, die zur strategischen Erneuerung von Medienunternehmen beitragen. Die Evolution dieser Kompetenzen bei Holtzbrinck zieht sich bereits über eine Dekade hin und setzt sich kontinuierlich fort. Die entwickelten dynamischen Fähigkeiten können drei Kategorien zugeordnet werden. Die Innovationsfähigkeit manifestiert sich in der Fähigkeit zur strategischen Früherkennung und der Fähigkeit, Wandel kognitiv richtig einzuordnen. Die Umsetzungsfähigkeit drückt sich in der strategischen Handlungsfähigkeit, der Timing-Fähigkeit und der Transformationsfähigkeit aus. Komponenten der Wandelfähigkeit, die die gesamte Organisation betrifft, sind die Moderationsfähigkeit und Kooperationsfähigkeit. Die dynamischen Fähigkeiten konstituieren sich meistens durch ein Set an verschiedenen, teilweise komplexen Routinen. Beispiele für solche Verfahrensmuster aus dem Kontext der Fallstudie sind der „trial and error“Innovationsansatz, durch den Entwicklungszyklen verkürzt und Anfangsverluste minimiert werden, sowie der gestaffelte, lebenszyklusorientierte Investitionsprozess, durch den die frühzeitige Erkennung und Verwertung von unternehmerischen Chancen möglich wird. Kulturwandel aktiv begleiten Im Rahmen der Fallstudie stellte sich heraus, dass eigentümergeführte Familienunternehmen wie Holtzbrinck eine gute Basis haben, um sich strategisch zu erneuern. Der Patriarch ist seinen Mitarbeitern in besonderer Weise persönlich verpflichtet, hat einen langfristigen Planungshorizont und versteht sich daher als strategischer Investor. Die hohe Kontinuität begünstigt den Aufbau neuer Fähigkeiten, der meist nur in einen langwierigen Evolutionsprozess möglich ist. Die Person des Familienunternehmers steht für strategische Kontinuität, Berechenbarkeit und einen kulturellen Ausgleich im Unternehmen, der in Zeiten des Wandels von besonderer Bedeutung ist. Bei Holtzbrinck spielte dieser Aspekt insbesondere bei der Aufstellung von Holtzbrinck NetworXs eine Rolle, dessen Erfolg maßgeblich auf antizyklisches Verhalten in den Krisenjahren 2001 bis 2003 zurückgeführt werden kann. Wie bereits deutlich wurde, bedeutet ein neuer Führungsansatz, der zur strategischen Erneuerung des Unternehmens führt, eine Gratwanderung für die Unternehmensleitung. Sie muss angesichts der hohen Komplexität mit Unterschieden, Wider-

152

Fazit und Ausblick

sprüchen und Zielkonflikten leben und ist „Berater, Coach, Enabler, Moderator […] und Mitgestalter, Kettenhund, und Wahrer der Corporate Governance“ (Quotation 9:16) zugleich. Das Top-Management muss daher eine Balance zwischen Wandel und Erneuerung einerseits und Bewahrung von Unternehmenswerten andererseits finden. Der erfolgreiche Umgang des Top-Managements mit diesen Spannungsfeldern und Paradoxien drückt sich in seiner Moderations- und Führungsfähigkeit aus. Eine zentrale Herausforderung für das Holtzbrinck-Management ist die Förderung von Kooperationen zwischen den Geschäftsbereichen und Tochtergesellschaften, um Synergiepotenziale zu heben und den Wissenstransfer zu intensivieren. Analog zum Modell der vier Schritte zu Corporate Entrepreneurship (vgl. Kap. 3.3, Schaper & Volery, 2004) veranschaulicht Abbildung 11-I den Prozess der strategischen Erneuerung in Form eines Praxismodells.

Fazit und Ausblick

153 1. Klare Ziele & Rollen definieren ƒ Sowohl für gesamte Organisation als auch für jeden einzelnen Geschäftsbereich ƒ Leben mit Widersprüchen und Zielkonflikten wie unterschiedlichen Marktspielregeln

4. Kulturwandel aktiv begleiten ƒ Voraussetzungen: Berechenbarkeit und strategische Kontinuität der Entscheidungen ƒ Gratwanderung zwischen Beständigkeit und Erneuerung ƒ Ziel: Kulturellen Ausgleich finden

Tradierte Routinen, Strukturen und Verfahrensmuster aufbrechen ƒ Überwindung von organisationaler Trägheit

2. Geeignete Strukturen etablieren ƒ Organisatorische Einbindung der Geschäftsbereiche ƒ Auf die strategischen Ziele gerichtete ManagementIncentivierung ƒ Gezielte Personalgewinnung und Netzwerkaufbau

3. Neue dynamische Fähigkeiten entwickeln ƒ Herausbildung und Institutionalisierung neuer Routinen, Verfahren und Führungsansätze ƒ Beispiele: trial & errorInnovationsansatz, lebenszyklusorientierter Investitionsprozess

Abbildung 11-I

Praxismodell zur strategischen Erneuerung von großen, diversifizierten Unternehmen

154

Fazit und Ausblick

12 Theoretische Implikationen: Organisationale Kompetenzentwicklung als Ergebnis der Ressourcenallokation und Strategieformierung In der aktuellen organisationstheoretischen Debatte kommt es zunehmend zur Konvergenz von Entrepreneurship-Forschung und der Disziplin des Strategischen Managements (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001; Schendel & Hitt, 2007). Diese Entwicklung ist nur logisch, da unternehmerisches und strategisches Handeln komplementäre Phänomene darstellen, die sich auch in der Praxiswelt nicht trennen lassen. Beide resultieren in zusätzlicher Wertgenerierung und verstärktem Wachstum von Unternehmen (Stevenson & Jarillo, 1990). Dieser neue Forschungsansatz, der unter dem Terminus „Strategic Entrepreneurship“ (SE) firmiert, kann als logische Fortführung der Debatte zu „Corporate Entrepreneurship“ (CE) betrachtet werden (Ireland, Hitt, Camp & Sexton, 2001; Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001; Hitt, 2002; Chiesa, 2002; Ireland, Hitt & Sirmon, 2003; Greve, 2003). Prominente Forscher beider Disziplinen haben kürzlich dazu aufgefordert, die noch junge SE-Diskussion durch Publikationen und wissenschaftliche Beiträge zu forcieren (Schendel & Hitt, 2007).106 Die vorliegende Arbeit folgte dieser Empfehlung, indem sie anhand einer Fallstudie untersuchte, wie große, diversifizierte Unternehmen, die mit einer Situation radikalen, diskontinuierlichen Wandels konfrontiert sind, neue Fähigkeiten entwickeln und sich so strategisch erneuern können. Dabei wurde mit dem Beispiel der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck ein etabliertes Traditionsunternehmen der durch das Aufkommen der digitalen Medien im Umbruch befindlichen deutschen Medienindustrie herangezogen. Im Folgenden werden die Beiträge zu den einzelnen theoretischen Debatten in Entrepreneurship-Forschung und Strategischem Management vorgestellt und in Beziehung zu den Ergebnissen der empirischen Analyse gesetzt.

106

Durch die Initiative von Michael A. Hitt und Dan Schendel wurde 2007 von der Strategic Management Society und dem Verlag John Wiley & Sons, die auch das renommierte Strategic Management Journal herausgeben, das Strategic Entrepreneurship Journal (SEJ) gegründet (vgl. http://www.smsweb.org). Die Publikation des SEJ unterstreicht die hohe Bedeutung, die der Diskussion zu Strategic Entrepreneurship im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs zukommt.

Fazit und Ausblick

155

Strategieprozess: Ressourcenallokation und Strategieformierung Erstens informiert diese Studie die Strategieprozessforschung, indem sie am revidierten Modell von Bower, Burgelman und Gilbert anschließt, das als konzeptioneller Bezugsrahmen im Sinne von Miles und Huberman für die empirische Erhebung dient (Miles & Huberman, 1994, S. 18; Bower & Gilbert, 2005). Der Ressourcenallokationsprozess sowie die auf ihn wirkenden exogenen und endogenen Kontextfaktoren wurden am Beispiel „Holtzbrinck“ dargestellt. Es konnte gezeigt werden, dass der RAP verschiedene Ausprägungen annehmen kann. Im konkreten Fall wurden vier RAP-Muster differenziert, die in einem Lebenszyklusmodell zusammenspielen. Die Studie kommt zum Schluss, dass das RAP-Modell von Bower, Burgelman und Gilbert hält, in zwei Punkten allerdings angepasst werden sollte. Zum einen lassen sich die endogenen und exogenen Kontextfaktoren in einer spezifischen Situation in einzelne, greifbarere Dimensionen ausdifferenzieren.107 Diese Erweiterung, welche Bower, Burgelman und Gilbert selbst vorschlagen, erhöht den Erklärungsgehalt des RAP-Modells im spezifischen Industriekontext und darüber hinaus. Zweitens kann das Modell im Zusammenhang mit dem Phänomen der strategischen Erneuerung in Bezug auf seine abhängige Variable präzisiert werden. Das revidierte RAP-Modell führt die „realisierte Strategie“ als Ergebnis des RAP ein, um herauszustellen, dass das Resultat der Ressourcenallokation nicht nur die Summe aller Ressourcencommitments ist, sondern sich in der de facto „realisierten Strategie“ niederschlägt (Bower & Gilbert, 2005). Was genau unter dem neuen Konstrukt zu verstehen ist, bleibt aber im Unklaren. Dadurch wird vernachlässigt, dass die Ressourcenallokation und Strategieformierung einen Lernprozess im Unternehmen in Gang setzt und die Organisation dadurch neue Fähigkeiten entfaltet. Am Beispiel „Holtzbrinck“ lässt sich das durch den Aufbau des neuen Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital veranschaulichen. Durch die Gründung des Inkubators Holtzbrinck eLab, der CVC-Einheit Holtzbrinck Ventures und der Internet-Holding Holtzbrinck Networks konnte Holtzbrinck neue organisationsspezifische Fähigkeiten entwickeln, die für die strategische Erneuerung der gesamten Organisation eine hohe Relevanz haben, weil sie Quellen strategisch nachhaltiger Wettbewerbsvorteile sind. Folglich präzisiert diese Studie das Konstrukt

107

Zu den identifizierten Kategorien vgl. Anhang C.1.2 bis C.1.5, zur Darstellung am konkreten Fallbeispiel Holtzbrinck vgl. Kap. 7, 9.1 & 9.2

156

Fazit und Ausblick

der „realisierten Strategie“, indem sie das Produkt der Ressourcenallokation und Strategieformierung als die Summe aller getätigten Ressourcencommitments sowie der in diesem Prozess entwickelten dynamischen Fähigkeiten definiert. Die im Rahmen der qualitativen Datenanalyse erweiterten und ausdifferenzierten Bereiche im Modell der Ressourcenallokation und Strategieformierung sind in Abbildung 12-I dargestellt.

Structural and Strategic Context

Capital Market Context

Corporate

Middle

Operating

Definition

Selection

Aligning

Committing

Translating

Brokering

Initiating

Championing

Realized Strategy: Resource Commitments + Competence Development

Product Market Context

Legende

Abbildung 12-I

Basismodell Ergänzungen und Ausdifferenzierungen

Ergänzungen und Erweiterungen am Modell der Ressourcenallokation und Strategieformierung

Dynamische Fähigkeiten und die kompetenzenbasierte Perspektive Zweitens leistet die Dissertation einen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion des kompetenzenbasierten Ansatzes, dem „Capability-based View“. Das im Zentrum der Diskussion stehende Konstrukt der dynamischen Fähigkeiten wurde von Forschern als vage und zu wenig empirisch fundiert kritisiert (Collis, 1994; Collis & Montgomery, 1998; Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1114; Winter, 2003). Die Kritik kulminiert in der häufig geäußerten Forderung, anhand empirischer Forschungsarbeiten konkrete Ausprägungen dynamischer Fähigkeiten zu belegen. Diese Studie benennt am Beispiel „Holtzbrinck“ explizit sieben beobachtbare, organisationsspezifische Fähigkeiten, die im Hinblick auf die strategische Erneuerung der Verlagsgruppe von besonderer Bedeu-

Fazit und Ausblick

157

tung sind. Jene Fähigkeiten konstituieren sich durch ein Set an etablierten und neuen strategischen Routinen sowie die Kombination von bestehenden und neuen Ressourcen (Eisenhardt & Martin, 2000; Teece, Pisano & Shuen, 1997; Teece, 2007). Einige dieser im Fallunternehmen identifizierten Verfahrensmuster wie das „market timing“ und die Verkürzung der „time to market“ sind theoretisch bereits diskutiert worden (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 515). Andere Routinen wie der gestaffelte Investitionsprozess und der „trial and error“-Innovationsansatz sind im Rahmen der Debatte zu dynamischen Fähigkeiten noch nicht oder nur am Rande behandelt worden. In Bezug auf Eisenhardt und Martins Differenzierung von moderat-dynamischen und hochzyklischen Märkten (Eisenhardt & Martin, 2000) konnte im Rahmen der Analyse der exogenen Kontextfaktoren festgestellt werden, dass die Situation der deutschen Medienindustrie differenziert betrachtet werden muss. Während sich die Kernmärkte durch eine hohe Konstanz in der Marktentwicklung auszeichnen, ist der Bereich der digitalen Medien durch Diskontinuitäten, eine geringe Marktreife und hohe Dynamik gekennzeichnet. Konsequenterweise nehmen die dynamischen Fähigkeiten im Bereich Holtzbrinck Digital die Form von relativ einfach strukturierten strategischen Routinen an. Beispiele dafür sind der „trial and error“-Innovationsansatz, die strategische Früherkennung von unternehmerischen Chancen und die duale Management-Incentivierung. Im Gegensatz dazu sind die organisationsweit zu entwickelnden Fähigkeiten wie der gestaffelte Investitionsprozess, die Moderationsfähigkeit des TopManagements und die intraorganisationale Kooperationsfähigkeit zwischen einzelnen Geschäftseinheiten komplexe, detailliert ausgestaltete und über die Zeit beständige Verfahrensmuster.108 Diese müssen in einem langwierigen Prozess entwickelt werden, der bei Holtzbrinck zurzeit noch andauert. Abschließend beurteilt erweist sich Eisenhardt und Martins Unterscheidung von zwei Marktregimen (Eisenhardt & Martin, 2000) in der Tradition des „Capability-based View“ als zielführend, lässt sich aber dennoch ergänzen. Im Fall von Holtzbrinck determinieren neben den exogenen Kontextfaktoren sowohl strategische als auch strukturelle Einflüsse die Kompetenzentwicklung. Neben den exogenen Bedingungen des Marktumfelds sind also auch endogene Faktoren ausschlaggebend für die Frage, welche Form die dynamischen Fähigkeiten annehmen. 108

Die sieben dynamischen Fähigkeiten, die im Zusammenhang mit der Fallstudie „Holtzbrinck“ identifiziert wurden, sind in Kap. 10 ausführlich dargestellt.

158

Fazit und Ausblick

Während die einfachen Routinen überwiegend auf Produkt- und Prozessinnovationen gerichtet sind, handelt es sich bei den komplexen, geschäftsfeldübergreifenden Routinen hauptsächlich um Management-Innovationen, die maßgeblich vom mittleren und oberen Management getrieben werden (Hamel, 2006). Ein Beispiel dafür ist der gestaffelte Investitionsprozess, durch den die Unternehmensleitung neue strategische Handlungsoptionen in Bezug auf Investitionsentscheidungen gewinnt. Diese zusätzlichen Möglichkeiten zur Ressourcenallokation haben nach der Realoptionen-Theorie einen eigenen Wert, der besonders bei hoher Unsicherheit und Marktdynamik steigt (McGrath, 1999; Zahra & Dess, 2001). Der Aufbau eines Venture-Portfolios und weiterer unternehmerischer Initiativen führt also zu neuen Realoptionen und trägt damit zur strategischen Erneuerung der Verlagsgruppe bei. Organisationales Lernen und „beidhändige“ Organisationen Die dynamischen Fähigkeiten werden durch die Kategorisierung in die Innovationsfähigkeit („exploration capability“), Umsetzungsfähigkeit („exploitation capability“) und Wandelfähigkeit („change capability“) in Zusammenhang zur „Ambidexterity“Debatte gesetzt, die in der Managementforschung großen Raum einnimmt (Duncan, 1976; Levinthal & March, 1993; Lubatkin, Simsek, Ling & Veiga, 2006; March, 1991; O'Reilly & Tushman, 2004; Raisch & Birkinshaw, 2008). Diese Diskussion befasst sich mit der Frage, wie es einem Unternehmen gelingt, sich gleichzeitig sowohl auf Innovations- als auch auf Effizienzziele auszurichten. Die Studie leistet hierzu einen Diskussionsbeitrag, indem sie am Beispiel „Holtzbrinck“ und dem Aufbau des neuen Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital illustriert, auf welche Weise eine „beidhändige“ Organisation entstehen kann. Wie aus der empirischen Analyse der Studie hervorgeht, hat Holtzbrinck eine Balance zwischen Innovation, Wachstum und Erneuerung einerseits und Effizienz, Ergebnisorientierung und Bewahrung andererseits gefunden, indem das neue Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital vom Kerngeschäft abgetrennt und auf Innovations- und Wachstumsziele ausgerichtet wurde, während die traditionellen Geschäftsbereiche primär auf Effizienzziele abgestimmt wurden. Dabei konnte festgestellt werden, dass das separat aufgestellte und mit großer Entscheidungsautonomie ausgestattete neue Geschäftsfeld auf Holding-Ebene stärker integriert ist als die Einheiten des Kerngeschäfts. Das zeigt sich vor allem darin, dass Holtzbrinck Digital gemessen an seinem Umsatzbeitrag eine wesentlich höhere Aufmerksamkeit des TopManagements zuteil wird als den traditionellen Geschäftseinheiten. Am Fall Holtzbrinck wird demnach deutlich, wie diese zunächst paradox anmutende organisa-

Fazit und Ausblick

159

torische Aufstellung ein vielversprechendes Modell für neues Wachstum und die strategische Erneuerung der Verlagsgruppe darstellt. Es kommt jetzt darauf an, die im neuen Geschäftsfeld erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen in das Kerngeschäft zu transferieren. Formen von Corporate Entrepreneurship Viertens leistet diese Arbeit einen Beitrag dazu, den oft als schwammig und undeutlich bezeichneten CE-Begriff zu konkretisieren. Mit Bezug auf die zentralen normativen Arbeiten zur Definition des CE-Felds und der Klassifikation einzelner CE-Formen (Baden-Fuller & Stopford, 1992; Covin & Miles, 1999; Guth & Ginsberg, 1990; Thornberry, 2001) kann konstatiert werden, dass sich diese in der Unternehmenspraxis in aller Regel nicht eindeutig zuordnen lassen. Im konkreten Beispiel „Holtzbrinck“ tragen sowohl internes als auch externes „Corporate Venturing“, „Incubating“ bzw. „Seed Stage Financing“, als auch sonderbudgetierte Innovationsprojekte in den traditionellen Geschäftseinheiten zur strategischen Erneuerung des Unternehmens bei. Insofern treten im Fallunternehmen Mischformen und Kombinationen der einzelnen CE-Formen auf. Wie der Fall „Holtzbrinck“ aufgedeckt hat, ergänzen sich die einzelnen „Vehikel“ zu mehr Innovation und decken dabei verschiedene Phasen des Lebenszyklus ab. Sie können als Instrumente oder „Katalysatoren“ für die strategische Erneuerung der Verlagsgruppe verstanden werden. Im Gegensatz zu einer strikten Abgrenzung einzelner CE-Phänomene erscheint der Lebenszyklusansatz, der in Kapitel 9 entwickelt wurde, als geeigneter für die weitere Spezifikation von Corporate Entrepreneurship. Zusammenfassend positioniert sich die vorliegende Dissertation an der Schnittstelle zwischen Entrepreneurship und Strategischem Management, indem sie am noch jungen Feld des „Strategic Entrepreneurship“ (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001; Schendel & Hitt, 2007) anschließt und damit auf die prozessuale Facette von Entrepreneurship fokussiert (Shane & Venkataraman, 2000; Stevenson & Jarillo, 1990). Die Studie leistet konkrete Beiträge zur Corporate Entrepreneurship-Debatte, zur Strategieprozessforschung, zur kompetenzbasierten Perspektive des Unternehmens, sowie zur „Ambidexterity“-Debatte. Diese wissenschaftlichen Diskussionen sind in der Theorie eng miteinander verbunden und wurden in vorliegender Dissertation im Kontext der strategischen Erneuerung von Medienunternehmen untersucht.

160

Fazit und Ausblick

Abbildung 12-I ordnet die sieben bei Holtzbrinck identifizierten dynamischen Fähigkeiten nach den wichtigsten in dieser Arbeit diskutierten theoretischen Dimensionen ein. Dabei muss beachtet werden, dass die Abgrenzung der einzelnen Ausprägungen nicht immer eindeutig ist. Die strategischen Routinen werden als Komponenten der dynamischen Fähigkeiten aufgeführt. Da einige Prozesse für mehrere Fähigkeiten relevant sind, werden sie teilweise mehrfach aufgeführt.

Detailliert ausgestaltete analytische Prozesse

Fragile, experimentelle Prozesse

Form der „Dynamic Capabilities“

Aufbau von Wettbewerbsvorteilen („entrepreneurial actions“)

Strategische Früherkennungsfähigkeit („market sensing, opportunity seeking“) • Netzwerkaufbau • Unternehmer-Akquise • Gestaffelter Investitionsprozess

Kognitive Einordnungsfähigkeit („cognitive framing“) • Eindeutige Rollendefinitionen der Geschäftsbereiche • Duale Management-Incentivierung

Innovationsfähigkeit („exploration“)

Umsetzungsfähigkeit („exploitation“)

Aktivität

Strategische Handlungsfähigkeit („time to market“) • Verkürzung der Entwicklungszyklen • Installation kurzer, effektiver Entscheidungswege

Timingfähigkeit („market timing“) • Duale Management-Incentivierung • Antizyklisches Investitionsverhalten

Transformationsfähigkeit („transition“) • Gestaffelter Investitionsprozess • trial & error-Innovationsansatz • Transformation des Management-Teams

Produkt- & Prozessinnovation

Verteidigung & Pflege von Wettbewerbsvorteilen („strategic actions“)

Moderationsfähigkeit („balancing“) • Kultureller Ausgleich • Konsistenz ManagementIncentivierung und strategische Zielorientierung in den Geschäftsbereichen

Kooperationsfähigkeit („bridging“) • Erkennung & Nutzung von Synergiepotenzialen • Wissenstransfer & -austausch

Wandelfähigkeit („transformation“)

Management Innovation

Fazit und Ausblick 161

Abbildung 12-II Einordnung der dynamischen Fähigkeiten nach theoriegeleiteten Kategorien

162

Fazit und Ausblick

13 Theoretische und methodische Grenzen In dieser Dissertation ging es darum, das Phänomen der strategischen Erneuerung in einem bestimmten Kontext explorativ zu ergründen. Das hier präsentierte RAP-Modell ist auf Basis einer Einzelfallstudie mithilfe der qualitativen Datenanalyse präzisiert und um den Aspekt des Kompetenzaufbaus erweitert worden. Während die hier eingesetzte Methode der Theorieentwicklung sich in der Vergangenheit als geeigneter Forschungsansatz bewährt hat, durch den sich Zusammenhänge in ihrem natürlichen Kontext beschreiben und erklären lassen, so hat sie dennoch methodische Schwächen, denen man sich bewusst sein sollte. Methodische Limitationen Die wichtigste methodische Einschränkung der Studie bezieht sich auf die Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Die explorative Anlage der Dissertation lässt lediglich eine analytische Generalisierung der Erkenntnisse zu. Um hingegen statistisch repräsentative Aussagen über einzelne Beziehungen zwischen den Konstrukten treffen zu können, die im Rahmen der qualitativen Datenanalyse erhoben wurden, müssen diese in einem zweiten Schritt quantitativ validiert werden. Ein Beispiel für eine quantitative Erhebung, die an die vorliegende Studie anschließen könnte, ist das im Rahmen der empirischen Analyse erhobene Konstrukt des „trial and error“-Innovationsansatzes.109 Dessen Eigenschaften, Funktionsweise und Einflussfaktoren ließen sich mithilfe einer breit angelegten Umfrage bei anderen Wettbewerbern der Medienindustrie genauer ergründen, um so generelle Aussagen über die Innovationsstrategie von Medienunternehmen treffen zu können. Zweitens kann das hier entwickelte RAP-Modell der Ressourcenallokation, Strategieformierung und Kompetenzentwicklung die Komplexität in den Unternehmen nicht abschließend erfassen. So konnten beispielsweise im Rahmen der Einzelfallstudie vier konkrete Muster des Ressourcenallokationsprozesses unterschieden werden, die aber lediglich die Situation der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und des Geschäftsfelds Holtzbrinck Digital beschreiben. Die konkreten Ausprägungen des RAP hängen aber stark von den Bedingungen des jeweiligen Unternehmens ab. Hier sind die

109

Zum „trial and error“-Innovationsansatz bei Holtzbrinck Digital vgl. Anhang C.2.3, Kap. 9.1.2 und 10.2.3.

Fazit und Ausblick

163

Medienmanager gefordert, aus den Erkenntnissen dieser Studie Schlüsse für ihre eigene Organisation abzuleiten. Drittens ist der Einsatz eines konzeptionellen Bezugsrahmens in Verbindung mit einem qualitativen Forschungsdesign nicht unproblematisch. Einige Forscher argumentieren, dass durch die Vorgaben des Basismodells die Perspektive auf die zu ergründenden Zusammenhänge verengt wird, indem der Forscher nur noch den Ausschnitt der Realität wahrnimmt, der bestehende Erkenntnisse bestätigt. Obwohl diese Befürchtungen berechtigter Natur sind, hat dieses Vorgehen auch große Vorteile.110 In dieser Studie wurde der Gefahr der Verengung bzw. Verzerrung mit zwei Strategien begegnet. Erstens war sich der Autor der Studie dieses Effekts a priori bewusst, was die Gefahr einer verengten Sichtweise minimiert. Zweitens wurde mit dem RAP-Modell von Bower, Burgelman und Gilbert gezielt eine sehr generische Konzeptualisierung des Strategieprozesses verwandt, die lediglich als Ausgangspunkt für die empirische Analyse und weitere Theorieentwicklung dient. Das über 35 Jahre in Theorie und Praxis bewährte Strategieprozessmodell wurde folglich eher im Sinne eines für das Phänomen der strategischen Erneuerung „sensibilisierenden Konzepts“ (Blumer, 1954) als sog. „theoretisches Sprungbrett“ (Santos & Eisenhardt, 2005) für die empirische Analyse eingesetzt. Theoretische Limitationen Neben methodischen Grenzen sollen hier auch theoretische Limitationen der Dissertation explizit benannt werden. Erstens lassen sich die Erkenntnisse dieser Studie nur begrenzt auf andere Industrien anwenden, da die Ressourcenallokation, die Strategieformierung und die Entwicklung dynamischer Fähigkeiten im spezifischen Kontext der Medienindustrie analysiert wurden. Die Resultate dieser Dissertation sind deshalb branchenspezifisch gültig und begrenzt übertragbar. Gleichwohl sind die Erkenntnisse auch für etablierte Unternehmen anderer Industrien interessant, die sich strategisch erneuern. Insbesondere für große, diversifizierte Familienunternehmen sind die Ergebnisse von besonderer Relevanz. Zweitens ist die Aussagekraft der Studie durch die regionale Fokussierung auf den deutschsprachigen Raum limitiert. Wie Studien zur Internationalisierung von Medien110

Für eine ausführliche Darstellung der Vor- und Nachteile des Einsatzes eines konzeptionellen Bezugsrahmens vgl. Kap. 5.2

164

Fazit und Ausblick

unternehmen konstatiert haben, ist das Mediengeschäft von kulturellen Unterschieden und regionalen Besonderheiten geprägt (Sjurts, 2004; Schroeder, 1994). Unterschiedliche Sprachen, nationale Gesetzesvorgaben und gesättigte Insider-Märkte in den westlichen Industrienationen lassen keine allgemein verbindlichen Aussagen über zu entwickelnde organisationsspezifische Fähigkeiten in anderen nationalen Medienmärkten zu. Drittens fokussiert diese Studie überwiegend auf eine spezifische Form des Corporate Entrepreneurship, die der strategischen Erneuerung.111 Unternehmen, die sich strategisch erneuern, unterscheiden sich von anderen Wettbewerbern dadurch, dass sie ihre gesamte Organisation proaktiv verändern. Eine rein inkrementelle Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen oder Maßnahmen zu Prozessverbesserungen dagegen allein sind nicht hinreichend, um von einer strategischen Erneuerung sprechen zu können (Covin & Miles, 1999; Guth & Ginsberg, 1990). Insbesondere ManagementInnovationen (Hamel, 2006) haben bei Holtzbrinck zur Erneuerung der Wettbewerbsbasis geführt. Folglich sind die Ergebnisse dieser Studie speziell für Unternehmen relevant, die in dynamischen Marktregimen, die sich durch radikalen Wandel auszeichnen, ihre gesamte Organisation strategisch verändern und eine proaktive Rolle in der Gestaltung von neuen Spielregeln übernehmen wollen. Holtzbrinck ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie ein Wettbewerber die Rolle der etablierten Verlagshäuser im digitalen Zeitalter neu definiert und den „Wandel konsequent vorantreibt“ (Döpfner, zit. in: Theurer, 2008). Schließlich lässt die vorliegende Untersuchung keine Aussagen über die Performance der Unternehmen zu. Solche Schlüsse sind im Kontext dieser Studie schon deshalb nicht möglich, weil die meisten deutschen Medienunternehmen in privater Hand sind und keiner Publikationspflicht unterliegen. Dieses Faktum war ein weiterer Grund für die Wahl des hier verwendeten qualitativen, fallstudienbasierten Ansatzes.

111

Zur Typologisierung der verschiedenen Formen von Corporate Entrepreneurship vgl. Kap. 2.2.2

Fazit und Ausblick

165

14 Zukünftige Forschungsthemen und Ausblick Die Studie zur strategischen Erneuerung von Medienunternehmen reiht sich in das junge Feld des strategischen Unternehmertums ein, das Erkenntnisse des strategischen Managements mit der Entrepreneurship-Forschung kombiniert. Die Dissertation markiert einen Ausgangspunkt sowohl für weitere quantitative als auch qualitative Forschungsbeiträge in diesem Gebiet. Durch die qualitative Anlage dieser Dissertation konnten viele Einblicke in die Ressourcenallokation, Strategieformierung und Kompetenzentwicklung in großen, diversifizierten Unternehmen gewonnen werden. Für den weiteren Erkenntnisfortschritt bietet sich als logischer zweiter Schritt eine quantitative Validierung der explorativ erforschten Konstrukte und der Beziehungen zwischen ihnen an. Dadurch könnten das RAP-Modell robuster gestaltet und das Phänomen der strategischen Erneuerung durch die Entwicklung organisationsspezifischer Kompetenzen präziser erklärt werden. Einige Konzepte wie beispielsweise die kognitive Perzeption von Wandel (Gilbert, 2006) oder die organisatorische Einbindung innovativer Einheiten (O'Reilly & Tushman, 2004; Raisch & Birkinshaw, 2008) wurden bereits im Zusammenhang mit anderen Forschungsströmungen wie der Diskussion über diskontinuierlichen Wandel und der Organisationsdesign-Debatte genauer erforscht. In anderen Bereichen wie z. B. dem „trial and error“-Innovationsansatz, der dualen Management-Incentivierung und der Förderung interner Kooperation sollten weitere Studien folgen, die die Phänomene in theorie-testender Weise quantitativ validieren. Darüber hinaus eröffnet die Dissertation auch Möglichkeiten für weitere qualitative Arbeiten. Erstens wurden im Kontext des RAP-Modells vier konkrete Ausprägungen des RAP identifiziert. Um weitere Muster der Ressourcenallokation zu erkennen, könnten sich explorativ angelegte Studien dem RAP innerhalb der Kerngeschäftsbereiche von Holtzbrinck, bei Wettbewerbern der Medienindustrie, aber auch Organisationen anderer Branchen widmen. Dabei wäre besonders interessant, ob sich die in dieser Studie erkannten RAP-Muster in anderen Unternehmen replizieren lassen. Zweitens ergeben sich im Zusammenhang mit der Diskussion über dynamische Fähigkeiten und die kompetenzenbasierte Sicht des Unternehmens ebenfalls interessante Forschungsthemen. Insbesondere die Fragen, wie es zur Evolution organisationsspezifischer Fähigkeiten kommt, welche Auslöser zur Kompetenzentwicklung führen und welche Kompetenzen in anderen Branchen benötigt werden, um sich strategisch

166

Fazit und Ausblick

zu erneuern, sind im Hinblick auf die strategische Erneuerung von besonderer Relevanz. Zusammenfassend kann weitere Forschung zu strategischem Unternehmertum zu einem vertieften Verständnis der Ressourcenallokation, Strategieformierung und Kompetenzentwicklung in Firmen führen. Dieses Wissen ist schon deshalb von hoher Relevanz, weil etablierte Konzerne immer häufiger mit Situationen schnellen, diskontinuierlichen Wandels konfrontiert werden. Der Autor hofft, dass diese Dissertation sowohl Praktikern zu neuen anwendungsorientierten Einsichten über die strategische Erneuerung von großen, diversifizierten Unternehmen verhilft als auch bestimmend zur verstärkten wissenschaftlichen Auseinandersetzung im neuen Feld des strategischen Unternehmertums anregt. .

Anhang A

Anhang A

167

Empirische Erhebung

A.1 Transkribierte Interviews Nr.*

Name

Position

Datum

Ort

Interviewer

Dauer des Interviews (in min.)

1 2 8

Dr. Jochen Gutbrod

CFO, Stellv. CEO, Mitglied der Geschäftsleitung

8.6.2006 21.9.2006 16.4.2007

Tel.gespräch Stuttgart Stuttgart

JHS JHS VBE

60 90 90

5 12

Dr. Tobias SchultzIsenbeck

Geschäftsführer Verlagsgruppe Handelsblatt

26.6.2006 17.7.2007

St.Gallen Düsseldorf

JHS VBE, JHS

180

3

Matthias Ick

Projektleiter M&A

11.10.2006 München

JHS

60

12

Maximilian de Maizière

Project Associate, Assistent GF Verlagsgruppe Handelsblatt

17.7.2007

Düsseldorf

VBE, JHS

180

15 Martin 7, 16 Weber

Geschäftsführer Holtzbrinck Ventures

21.9.2006 7.9.2007

München München

JHS VBE

55 90

10 Dr. Stephan 4, 11 Roppel

Leiter Unternehmensentwicklung, Geschäftsführer eLAB

11.9.2006 München 19.10.2007 München

JHS VBE

70 90

13 Konstantin 6, 14 Urban

Geschäftsführer Holtzbrinck Networks

21.9.2006 München 19.10.2007 München

JHS VBE

60 90

9

Leiter Beteiligungsmanagement Holtzbrinck Digital

17.1.2008

VBE

90

Dr. Jörg Dörnemann

Stuttgart

* Die Nummerierung der Interviews entspricht den Codes der primären Dokumente in der hermeneutischen Einheit der Datenauswertungssoftware ATLAS.ti.

A.2 Interne Dokumente Nr.*

Dokument

Inhalt

Datum

1

Company Presentation Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck

Firmenpräsentation der Verlagsgruppe mit aktuellen Daten zu Geschäftsfeldern, Beteiligungen und Umsatzentwicklung

15.10.2007

2

Regio-Runde GvH Digital

Übersicht über das Geschäftsfeld Holtzbrinck Digital

10.1.2008

3

Holtzbrinck Ventures

Firmenpräsentation der Corporate Venture Capital Gesellschaft 2.9.2007 Holtzbrinck Ventures

168

Anhang B

Anhang B

Leitfaden für teilstandardisierte Interviews

B.1 Top-Management Themenkomplex

Frage

Code

Exogene Einflussfaktoren

Welche Umfeldveränderungen in der Medienbranche waren besonders gravierend für die strategische Ausrichtung Ihres Unternehmens?

Produkt-/MarktKontext, KapitalmarktKontext

Wie haben Sie auf diese Veränderungen reagiert?

Produkt-/MarktKontext, Kapitalmarkt-Kontext

Hat sich dadurch Ihrer Meinung nach auch Ihre Firmenkultur verändert?

Organisationskultur

Welche Rolle spielt die Geschäftsführung / das TopManagement der Holding im Ressourcenallokationsprozess?

Strategische Zielorientierung

Welchen Herausforderungen muss das Top-Management Ihres Erachtens nach heute begegnen, um sowohl traditionelle als auch neue Geschäftsbereiche nachhaltig zu fördern und das gesamte Unternehmen strategisch zu erneuern?

Strategische Zielorientierung

Wer setzt die Agenda im Vorstand / in der Geschäftsleitung? Welche Themen erhalten Management-Attention?

Strategische Intention

Welchen Planungshorizont verfolgt der Vorstand / die Geschäftsleitung im Hinblick auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens?

Strategischer Planungshorizont

Rolle des TopManagements

Welche Mitarbeiter im Unternehmen berichten direkt an Sie und warum?

Endogene Einflussfaktoren

Wie stark interveniert die Holding / das Top-Management in Entscheidungen der einzelnen Geschäftsbereiche? Wo lassen Sie gezielt Freiräume für die einzelnen Geschäftsbereiche?

Autonomiegrad

Gibt es einzelne Persönlichkeiten im Top-Management, die bewusst die Rolle eines Sponsors von einzelnen Initiativen oder Ventures übernehmen? Wenn ja, wer?

Top-Management Protection

Existiert ein strategischer Rahmen für Investitionen, der durch die Holding vorgegeben wird? Wenn ja, welcher? In welchen Bereichen genießen die Geschäftsbereiche große Entscheidungsfreiheit und bei welchen Entscheidungen sprechen Sie als Top-Management mit?

Strategischer Rahmen

Welchen Einfluss hat die Organisationskultur bei der Entwicklung neuer organisationaler Fähigkeiten?

Organisationskultur Dynamische Fähigkeiten

Anhang B Struktureller Kontext

169 Welche Rolle spielt die Unternehmerfamilie von Holtzbrinck?

Verlegerische Grundprinzipien

Wie wird das Senior bzw. Venture Management in Entscheidungen mit eingebunden und incentiviert?

ManagementIncentivierung

Welche global vorhandenen Anreizsysteme zur Management- oder Mitarbeiter-Incentivierung existieren bei Holtzbrinck?

Incentivierungsmethode

Setzen Sie gezielt Anreize zur Kooperation zwischen verschiedenen Holtzbrinck-Einheiten, z. B. auch zwischen neuen und alten Mediensegment? Wenn ja, wie?

Intraorganisationale Kooperation

Kommen Kooperationen auch durch die gezielte Intraorganisationale Intervention des Top-Managements zustande oder sind es Kooperation meist dezentrale Initiativen der einzelnen Geschäftsbereiche? Strategischer Kontext

Würden Sie behaupten, dass Ihre Strategie in Bezug auf die Neuen Medien in den letzten fünf Jahren erfolgreich war?

Strategische Zielorientierung

Für wie erfolgreich schätzen Sie Ihr Unternehmen im Vergleich zu seinen direkten Wettbewerbern ein?

Ressourcenallokationsprozess

RAP-Muster

Wie messen Sie Erfolg in diesem Zusammenhang? Sind rein finanzielle Faktoren ausschlaggebend oder sind auch weiche Faktoren für Sie von Bedeutung? Wenn ja, welche?

Strategische Zielorientierung

Wie verläuft der Ressourcenallokationsprozess in Ihrem Unternehmen?

RAP-Pattern

Mit welchen Vehikeln bzw. Geschäftsbereichen deckt Ihr Unternehmen die einzelnen Phasen des Lebenszyklus ab?

Prozessverantwortung, Lebenszyklusphase

Nach welchen Kriterien beurteilen Sie, ob eine Idee realisiert oder wieder verworfen wird? Gibt es harte Faktoren wie z. B. bestimmte "Hurdle Rates", die erreicht werden müssen, damit weitere Ressourcen freigegeben werden?

Beurteilungskriterien

Was sind klassische Fehler, die insbesondere vom TopManagement im Ressourcenallokationsprozess gemacht wurden? Wie haben Sie auf diese Erfahrungen reagiert?

Organisationales Lernen, Dynamische Fähigkeiten

Welche Schlüsselentscheidungen treffen Sie im Verlauf des Prozesses (Personal / Investition / Make or Buy / Incentivierung)? Wie treffen Sie diese Entscheidungen?

Preisdeterminierung Involvierung von Co-Investoren, etc.

Mit wem stimmen Sie sich bei diesen Entscheidungen ab?

Intraorganisationale Kooperation, Abstimmungspotenzial

170

Anhang B Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob Sie ein (mehr oder weniger selbständiges) Venture aus Ihrem Portfolio zu einer strategischen Beteiligung ausbauen oder verkaufen?

Beurteilungskriterien

Zu welchem Zeitpunkt im Ressourcenallokationsprozess sind mögliche Synergien mit dem Kerngeschäft der Verlagsgruppe ein ausschlaggebendes Kriterium, ob die Beteiligung an einem Venture aufgestockt oder gar als "strategische Beteiligung" langfristig gehalten wird?

Beurteilungskriterien, Synergiepotenzial

B.2 Senior Management Themenkomplex

Frage

Code

Ressourcenallokationsprozess

Wie ist der Ressourcenallokationsprozess in Ihrer Geschäftseinheit strukturiert?

RAP

Von wem geht die Initiative für die Umsetzung neuer Geschäftsideen aus?

Initiating, Emergenzmodus

Nach welchen Kriterien beurteilen Sie, ob eine Idee realisiert oder wieder verworfen wird? Gibt es harte Faktoren wie z. B. bestimmte "Hurdle Rates", die erreicht werden müssen, damit weitere Ressourcen freigegeben werden?

Beurteilungskriterien

Wie und wann berichten die Geschäftsführer der einzelnen Ventures an Sie? Zu welchem Zeitpunkt halten Sie die Erstellung eines Business Plans für sinnvoll?

Beurteilungsmethoden

Was sind klassische Fehler, die im Ressourcenallokationsprozess gemacht werden? Wie haben Sie auf diese Erkenntnisse reagiert?

RAP, Organisationales Lernen

Welche Schlüsselentscheidungen treffen Sie im Verlauf des Prozesses (Personal / Investition / Make or Buy / Incentivierung)? Wie treffen Sie diese Entscheidungen?

RAP

Zu welchen Zeitpunkt(en) geben Sie welche Ressourcen frei? Gibt es vordefinierte Meilensteine, zu denen über die weitere Freigabe von Ressourcen entschieden wird?

RAP

Mit wem stimmen Sie sich bei diesen Entscheidungen ab?

Intraorganisationale Kooperation, Abstimmungspotenzial

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob Sie ein (mehr oder weniger selbständiges) Venture aus Ihrem Portfolio weiterverfolgen oder verkaufen?

Beurteilungskriterien

Wie gehen Sie vor, wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass ein Venture Ihres Portfolios nicht erfolgreich sein wird?

RAP

RAP-Pattern

Anhang B

ManagementIncentivierung

171 Welches Profil zeichnet Ihre Mitarbeiter bzw. die Venture-Manager aus? Welche Anforderungen müssen sie erfüllen? Welche Qualitäten halten Sie in diesem Zusammenhang für wichtig?

Anforderungen Venture-Management

Wie wird das Venture-Management in Entscheidungen mit eingebunden und incentiviert?

Incentivierungsmethode

Wird das Management eines neuen Ventures am Erfolg beteiligt? Wenn ja, wie genau?

Variable Entlohnung

Über welche Mitspracherechte verfügt das VentureManagement?

Organisationales Lernen

Rolle der Holding und anderer Geschäftseinheiten des Konzerns

Setzen Sie gezielt Anreize zur Kooperation mit anderen Einheiten des Konzerns?

Intraorganisationale Kooperation

Welche Erkenntnisse haben Sie aus Ihrer täglichen Erfahrung für den Ressourcenallokationsprozess in Ihrem Bereich gewonnen?

Organisationales Lernen

Wie hat sich der Prozess durch Ihre Erfahrung verändert?

RAP-Pattern

Ist der Prozess stark formalisiert oder verläuft er von Fall zu Fall verschieden?

Prozessstrukturierung

Inwiefern unterscheidet sich der traditionelle M&AProzess, wie er in den etablierten Geschäftseinheiten im Printsegment abläuft von dem in Ihrer Einheit?

RAP-Pattern

Welche Faktoren entscheiden Ihres Erachtens nach häufig über Erfolg oder Misserfolg von einzelnen Ventures?

Beurteilungskriterien

Welche Rolle spielt die Geschäftsführung / das TopManagement der Holding im Ressourcenallokationsprozess?

Top-Management Level

Wie stark interveniert die Holding / das Top-Management in Entscheidungen Ihrer Einheit? Wo genau?

Autonomiegrad

Welche Bedeutung hat die Medienexpertise der Holding für Ihre Einheit? Wie heben Sie diese "Synergien"?

Synergiepotenzial

Existiert ein strategischer Rahmen für Investitionen, der durch die Holding vorgegeben wird? Wenn ja, welcher? In welchen Bereichen genießen Sie große Entscheidungsfreiheit und bei welchen Entscheidungen spricht die Holding mit?

Investitionsarena

Welche Rolle spielt der Unternehmer?

Verlegerische Grundprinzipien

Welchen Herausforderungen muss das TopManagement Ihres Erachtens nach heute begegnen, um Ihren Bereich bei seiner Entwicklung zu unterstützen?

Dynamische Fähigkeiten

172

Anhang B Welche Rolle spielen andere Geschäftseinheiten Ihres Unternehmens für Ihren Bereich?

Intraorganisationale Kooperation, Synergiepotenzial

Welchen Einfluss hat die Firmenkultur der Verlagsgruppe auf Ihren Bereich?

Organisationskultur

Welche Vor- und Nachteile hat der Einfluss des Konzerns bzw. Mutterhauses auf Ihren Bereich?

Dynamische Fähigkeiten

Welche Rolle spielen Sie im Rahmen der Gesamtstrategie des Konzerns?

Strategische Zielorientierung

Arbeiten Sie aktiv mit anderen Einheiten zusammen, wenn es darum geht, deren Ideen zur Marktreife zu entwickeln?

Intraorganisationale Kooperation

Zu welchem Zeitpunkt im Ressourcenallokationsprozess sind mögliche Synergien mit dem Kerngeschäft von Burda ein ausschlaggebendes Kriterium, ob die Beteiligung an einem Venture aufgestockt oder gar als "strategische Beteiligung" langfristig gehalten wird?

Synergiepotenzial

Anhang C

Anhang C

173

Ergebnisse der Datenanalyse

C.1 Ressourcenallokationsprozess C.1.1

RAP-Patterns

174

C.1.2

Anhang C

Exogene Kontextfaktoren: Kapitalmarkt-Kontext

Anhang C

C.1.3

Exogene Kontextfaktoren: Produkt-/Markt-Kontext

175

176

C.1.4

Anhang C

Endogene Kontextfaktoren: Struktureller Kontext

Anhang C

C.1.5

Endogene Kontextfaktoren: Strategischer Kontext

177

178

Anhang C

C.2 Einzelne Aspekte C.2.1

Einbindung innovativer Einheiten

Anhang C

C.2.2

Intraorganisationale Kooperation

179

180

C.2.3

Anhang C

Innovationsansatz

Anhang C

C.2.4

Duale Management-Incentivierung

181

182

C.2.5

Anhang C

Kognitive Perzeption von Wandel

Anhang C

C.2.6

Strategische Zielorientierung

183

184

C.2.7

Anhang C

Organisationales Lernen und Aufbau dynamischer Fähigkeiten

Anhang C

C.3 Typologien C.3.1

Geschäftsmodelle Digitale Medien

185

186

C.3.2

Anhang C

Ansätze des Corporate Venturing

Anhang C

187

C.3.3

Synergiepotenziale Digitale Medien

C.3.4

Dynamische Fähigkeiten Realized Strategy {2-2}

CS

Dynamische Fähigkeiten {0-5}

[]

[]

Exploration Capability {1-7}

Exploitation Capability {5-6}

[]

cognitive framing capability {7-1}

[]

[]

market-sensing capability {4-1}

[]

transformation capability {6-1}

[]

time-to-market capability {7-1}

Change Capability {0-3}

[]

[]

market-timing capability {1-1}

bridging capability {9-2}

[]

balancing capability {6-1}

188

Anhang D

Anhang D

Daten zum Medienmarkt in Deutschland

D.1 Medienkonsum & -nutzung Abbildung D-I

Medienkonsum nach Ausgaben in Segmenten 2001-2008

60'000 50'000

in Mio. Euro

40'000 30'000 20'000 10'000 0

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Buch-Verlage

8'450

8'405

8'210

8'165

8'145

8'185

8'250

8'335

Zeitungen

9'990

9'420

8'805

8'470

8'310

8'359

8'428

8'555

Zeitschriften

5'596

5'292

5'172

5'260

5'381

5'532

5'698

5'889

Internet

3'648

4'455

5'469

6'264

7'377

8'779

9'972

11'311

Hörfunk

3'146

3'108

3'106

3'115

3'301

3'347

3'379

3'413

Fernsehen

13'432

13'940

14'208

14'921

15'881

16'627

17'285

18'027

Film

2'134

2'360

2'405

2'604

2'854

3'101

3'348

3'603

Quelle: Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), World Association of Newspapers, PricewaterhouseCoopers

Abbildung D-II

Unterhaltung und Medien nach Marktvolumen und Marktwachstum 100

80'000 70'000

in Mio. Euro

90

in Prozent

80 70

50'000

60

40'000

50

30'000

40 30

20'000

20

10'000

10

0

0 2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Durchschnittliches jährliches Wachstum = 4,2 Prozent. Quelle: Deutsche Filmförderungsanstalt, GfK Gruppe, ZAW, BV Phono, BDZV, Verband Deutscher Zeitungsverleger, GEZ, Fachpresse-Statistik, PricewaterhouseCoopers, Wilkofsky Gruen Associates.

in Prozent

in Mio. Euro

60'000

Anhang D

189

Abbildung D-III

Anteil am Werbemarkt und Mediennutzung 2006

in Millionen Exemplare pro Ausgabe

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% an Mediennutzung TV

Zeitung

am Werbemarkt

Zeitschrift

Radio

Internet

Jeweils 2. Quartal. Quelle: ZMG auf Basis IVW.

Durchschnittliche Nutzungsdauer in Minuten

Abbildung D-IV Tägliche Mediennutzungsdauer 1997-2007 250 200 150 100 50 0 1997

1998 Fernsehen *

1999

2000 Hörfunk

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Internet **

* Jeweils 1. Halbjahr. ** Hochrechnungen auf alle Erwachsenen in Deutschland. Basis: Montag bis Sonntag. Zeitraum: 1997 bis 2007 (2007: n=1.142, 2006: n=1.084, 2005: n=1.075, 2004:n=1.002, 2003: n=1.046, 2002: n=1.011, 2001: n=1.001, 2000: n=1.005, 1999: n=1.002, 1998: n=1.006, 1997:n=1.003). Quelle: Arbeitsgemeinschaft Fernsehforscher (AGF),Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Mediaanalyse (MA) 1998 I, Mediaanalyse (MA) 1999, Mediaanalyse (MA) 2000, Mediaanalyse (MA) 2001 I, Mediaanalyse (MA) 2002 I, Mediaanalyse (MA) 2003 Radio 1, Mediaanalyse (MA) 2004 Radio I, Mediaanalyse (MA) 2005, Radio I, Mediaanalyse (MA) 2005 Radio II; Mediaanalyse (MA) 2006 Radio I, Mediaanalyse (MA) 2006 Radio II, Mediaanalyse (MA) 2007 Radio II, ARD-Online-Studie 1997, ARD/ZDF-Online-Studien 1998-2007, entnommen aus: Media Perspektiven, 08/2007, S. 377.

190

Anhang D

Abbildung D-V

Deutschland: Mediennutzung 1980-2005

Tägliche Nutzungsdauer in Minuten

700 600 500 400 300 200 100 0 1980 *

1985 *

1990 **

1995

2000

Fernsehen

Hörfunk

Tageszeitungen

Zeitschriften

Bücher

CD, LP, MC, MP3

Video, DVD

Internet

2005

* Nur alte Bundesländer. ** Seit 1990 ist der Sonntag in der Erhebung. *** Brutto. Basis: Personen ab 14 Jahre, Gesamtdeutschland, Montag bis Sonntag, 05 bis 24 Uhr. Zeitraum: 1980 bis 2005. Quelle: ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation.

Abbildung D-VI Auswirkungen der Internetnutzung auf den Konsum klassischer Medien

Tägliche Nutzungsdauer in Minuten

40 35 30 25 20 15 10 5 0 1997

1998

Sehe weniger fern

1999

2000

2001

2002

2003

2004

Lese weniger Zeitungen oder Zeitschriften

2005

2006

2007

Höre weniger Radio

Basis: Online-Nutzer ab 14 Jahren in Deutschland (2007: n=1.142, 2006: n=1.084, 2005: n=1.075, 2004: n=1.002, 2003: n=1.046, 2002: n=1.01, 2001: n=1.001, 2000: n=1.005, 1999: n=1.002, 1998: n=1.006, 1997: n=1.003). Quelle: ARD-Online-Studie 1997, ARD/ZDF-Online-Studien 1998-2007.

Anhang D

191

Abbildung D-VII Soziodemografische Struktur der Online-Nutzer 100% 95% 90% 85% 80% 75% 70% 65% in Prozent

60% 55% 50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 1997

1998

1999

2000

2001

2002

2004

2006

2007

Gesamt

männlich

weiblich

14-19 Jahre

20-29 Jahre

30-39 Jahre

40-49 Jahre

50-59 Jahre

60 und älter

in Ausbildung

berufstätig

Rentner/nicht berufstätig

Basis: Online-Nutzer ab 14 Jahre in Deutschland (n=ca. 1‘000), gelegentliche Online-Nutzung. Quellen: ARD-Online-Studie 1997, ARD/ZDF-Online-Studien 1998-2007.

Abbildung D-VIII Durchschnittliche Verweildauer bei der Online-Nutzung

Tägliche Nutzungsdauer in Minuten

180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2002 Gesamt

2003 Frauen

2004 Männer

Quelle: ARD/ZDF-Online-Studien 2002-2007.

2005 14-29 Jahre

2006 30-49 Jahre

2007 ab 50 Jahre

192

Anhang D

D.2 Werbemarkt Abbildung D-IX Online-Werbemarkt 2004-2007 3'000 Klassische Online-Werbung 2'500

Suchwort-Vermarktung Affiliate-Netzwerke

in Mio. Euro

2'000

1'500

1'000

500

0 2004

2005

2006

2007

Quelle: OVKMarkt, Nielsen Media Research, entnommen aus: DDV dialog, 04/2007, S. 13 & Werben und Verkaufen, 11/2007, S. 73.

Abbildung D-X

Online-Werbeausgaben 2006-2010

3'000

in Mio. Euro

2'500 2'000 1'500 1'000 500 0 Außerhalb USA USA

2006

2007

2010 *

95

260

665

350

865

2'150

* Prognose. Quelle: eMarketer, Social Networking, Broadband Drive Internet Growth in Europe, 01.12.2006.

Anhang D

193

Abbildung D-XI Werbung nach Ausgaben in Segmenten 2001-2008 15'000

in Mio. Euro

10'000

5'000

0

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Tageszeitungen

6'018

5'301

4'765

4'500

4'400

4'489

4'578

4'715

Publikumszeitschriften

3'166

2'901

2'742

2'785

2'850

2'940

3'050

3'190

Internet

185

227

246

280

325

393

471

565

Hörfunk

678

595

579

580

602

632

657

683

4'469

3'956

3'811

4'060

4'258

4'520

4'702

4'944

Fernsehen

Quelle: Zentralverb. der deutschen Werbewirtschaft (ZAW): Werbung in Deutschland 2007, PriceWaterhouseCoopers.

Abbildung D-XII Werbeausgaben weltweit nach Werbeträgern 2004-2008* 500'000

in Mio. Dollar

400'000

300'000

200'000

100'000

0 2004

2005

2006

Fernsehen

Zeitungen

Zeitschriften

Radio

Aussenwerbung

Internet

2007

2008

* Angaben und Prognosen vom Dezember 2005. Quelle: ZenithOptimedia, entnommen aus: eMarketer, Advertising Enjoys Worldwide Health, 12.12.2005.

194

Anhang D

D.3 Tagespresse und Publikumszeitschriften Abbildung D-XIII Umsatz mit Zeitungen nach Anzeigengeschäft und Vertrieb 1996-2006 12'000 10'000

in Mio. Euro

8'000 6'000 4'000 2'000 0

Vertrieb Anzeigen, Beilagen Quelle: BDZV.

1996

2001

2006

3'500

4'000

4'260

5'800

6'000

4'790

Abbildung D-XIV Auflage von Zeitungen nach Zeitungsgattung 2005-2007

in Millionen Exemplare pro Ausgabe

30

25

20

15

10

5

0 2005 *

2006 *

lokale, regionale Abo-Zeitungen

Überregionale Zeitungen

Sonntagszeitungen

Wochenzeitungen

* jeweils 2. Quartal. Quelle: ZMG auf Basis IVW.

2007 * Kaufzeitungen

Anhang D

195

Abbildung D-XV Reichweite von Tageszeitungen nach Altersgruppen 2007

in Prozent

100%

50%

0% 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60-69 Jahre Ab 70 Jahre Basis: Bevölkerung ab 14 Jahren. Quelle: MA 2007 Tageszeitungsdatensätze, ZMG, BDZV.

Abbildung D-XVI Statistik zur Tagespresse im Überblick 1954-2006 30

1800 1600 1400

20

1000

in Mio.

Anzahl

1200

800 600

10

400 200 0

19 54 19 64 19 67 19 76 19 79 19 81 19 83 19 85 19 87 19 89 19 91 19 93 19 95 19 97 19 99 20 01 20 03 20 0 20 4 05 * 20 * 06 **

0

Publizistische Einheiten

Verlage als Herausgeber

Ausgaben

* 1954 - 1989: altes Bundesgebiet, ab 1991 inkl. neuer Bundesländer. ** Fortschreibung der Stichtagssammlung 2004. Quelle: Schütz, Walter: Deutsche Tagespresse 2006. In Media Perspektiven 11/2007.

Verkaufte Auflage in Mio.

196

Anhang D

D.4 Strategische Ausrichtung deutscher Medienhäuser Abbildung D-XVII Auslandsumsatz ausgewählter deutscher Medienhäuser 16'000 14'000

80% Auslandsumsatz

68.5%

Anteil am Gesamtumsatz

70%

60.0% 12'000

54.0%

60% 51.9% 45.9%

in Mio. Euro

10'000

50%

43.7% 40.0%

8'000

40% 27.0%

6'000

30% 21.0%

20.0%

19.2%

4'000

16.1%

2'000

20% 10%

0

Unternehmen

* Schätzung / Hochrechnung, Umsatz gerundet. ** Tochterfirma von Bertelsmann. Quelle: Roland Karle Redaktionsbüro, entnommen aus: Horizont, 30/2007, S. 28.

Axel Springer

Deutscher Fachverlag

Verlagsgruppe Weltbild*

Hubert Burda Media

Vogel Medien

WAZ Mediengruppe*

Bauer Verlagsgruppe

Motor Presse Stuttgart

Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck

Gruner + Jahr**

Springer Science & Business Media*

Bertelsmann

0%

Anhang D

197

Abbildung D-XVIII

Strategische Ausrichtung von Medienunternehmen 2006 0

1

Bewertungsrang 2 3

4

Entwicklung neuer Medienprodukte Aufbau und Ausbau neuer Geschäftsfelder Verstärktes Kostenmanagement Kooperation mit anderen Medienhäusern Beteiligung an inländischen Medienunternehmen Ausbau des Auslandsgeschäfts Verkauf von Beteiligungen alle Medien

Zeitungsverlage

Publikums-/Fachverlage

TV, Radio, Sonstiges

Durchschnittswerte auf einer Anwortskala von 1="sehr wichtig" bis 5="eher unwichtig", Rundung auf eine Kommastelle. Basis: Befragung von 50 Managern aus den 125 größten deutschen Medienunternehmen. Zeitraum: 2006. Quelle: Roland Karle Redaktionsbüro.

5

198

Anhang D

Abbildung D-XIX Beurteilung der zukünftigen Lage von Medienunternehmen 2006 0

1

Bewertungsrang 2 3

4

Die Konzentration der Medienbranche wird zunehmen Die Ausgaben für Online-Werbung werden deutlich steigen Ausländische Investoren werden verstärkt in den deutschen Medienmarkt einsteigen Internet-Konzerne wie Google, Yahoo und Co. werden zulasten der klassischen Medien erheblich Werbemarktanteile gewinnen Die Werbeerlöse der klassischen Medien werden in den nächsten fünf Jahren bestenfalls stagnieren Im Printmarkt bekommen Vertriebserlöse ein stärkeres Gewicht Das klassische Privatfernsehen wird in den kommenden Jahren deutlich an Umsatz und Bedeutung verlieren Die Bedeutung von Web 2.0 (Interaktion, Bewegtbild, Blogs etc.) wird von klassischen Medien unterschätzt Gratiszeitungen werden kommen - und den klassischen Tageszeitungen ökonomisch erheblich schaden Nennenswertes Wachstum für deutsche Medienunternehmen ist nur noch im Ausland möglich alle Medien

Zeitungsverlage

Publikums-/Fachverlage

TV, Radio, Sonstiges

Durchschnittswerte auf einer Anwortskala von 1="sehr wichtig" bis 5="eher unwichtig", Rundung auf eine Kommastelle. Basis: Befragung von 50 Managern aus den 125 größten deutschen Medienunternehmen. Zeitraum: 2006. Quelle: Roland Karle Redaktionsbüro.

5

Anhang D

199

D.5 Geschäftsentwicklung und finanzielle Kennzahlen der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck Abbildung D-XX Umsatzentwicklung 1972-2007 3'000

Umsatz in Mio. Euro

2'500 2'000 1'500 1'000 500 0 Gesamt

1972

1982

1992

2003

2006

2007

112

351

1'078

1'937

2'243

2'490

2007

Quelle: Holtzbrinck Firmenpräsentation.

Abbildung D-XXI Umsatzentwicklung nach Geschäftsfeldern 2'500

Umsatz in Mio. Euro

2'000 1'500 1'000 500 0 -500

2003

2004

2005

2006

-68.8

-61.9

-74.4

-74.1

9.9

13

19.6

28.3

205

Zeitungen & Wirtschaftsinformationen

849.1

865.4

914.8

965.4

1024

Bildung & Wissenschaft

565.6

591.6

640.4

689.8

750

Belletristik & Sachbuch

581

552.6

586.4

633.8

Innenumsätze & Sonstiges Digitale Medien

Quelle: Holtzbrinck Konzernlageberichte 2004-2006.

200

Anhang D

Abbildung D-XXII

Umsatz 2006 nach Kernaktivitäten

1'200

965

1'000

Die ZEIT Tagesspiegel

800

690 634 US College

600

German Trade

Nature

400

Regional Newspapers

Academic US Trade

Education

200

VG Handelsblatt

53

Macmillan Trade

Pub.Services SciAm

Trade Fiction and Non Fiction

Education and Science

Business Information / Newspapers

Electronic Media

+8,5%

+7,7%

+5,5%

+19,8%

0

Elect. Media

Umsatzveränderung ggü. Vorjahr * * Umsätze zu konsolidierten Werten Quelle: Holtzbrinck Firmenpräsentation.

Abbildung D-XXIII

Entwicklung des Personalbestands

20'000 16'000 12'000 8'000 4'000 0 Mitarbeiter

2003

2004

2005

2006

11'800

12'855

13'872

15'473

Quelle: Konzernlageberichte 2004-2007.

Anhang D

201

Abbildung D-XXIV

Umsatz 2006 nach Regionen

1'200 1'078.4

Umsatz in Mio. Euro

1'000

800

600

537.2

400 266.9 216.9 200

143.8

0

Deutschland

Grossbritannien

+6,6%

+5,0%

Restliches Europa

Nordamerika

Rest der Welt

+11,7%

+2,8%

+9,9%

Umsatzveränderung ggü. Vorjahr * Quelle: Holtzbrinck Firmenpräsentation.

Ausgewählte Kennzahlen

250.00

4

200.00

in Mio. Euro

3 150.00 2 100.00 1 50.00

0.00

2003

2004

2005

2006

2007

Operating EBiTDA

149.10

166.10

187.80

206.60

222.00

Operatives Ergebnis

109.50

124.50

141.20

156.80

Konzernergebnis nach Gewinnzuweisung

29.90

35.60

99.90

63.80

Cash Flow Gesamt

81.40

103.10

143.60

144.40

Verschuldungsgrad

3.34

2.95

1.86

2.83

Quelle: Konzernlageberichte 2004-2007.

2.29

0

Verschuldungsgrad (Nettofinanzposition / EBiTDA)

Abbildung D-XXV

202

Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis Afuah, A. (1998). Innovation management: Strategies, implementation, and profits. New York: Oxford University Press. Andrews, K. R. (1971). The concept of corporate strategy. Homewood, IL: Dow Jones-Irwin. Ansoff, H. I. (1965). Corporate strategy: An analytic approach to business policy for growth and expansion. New York: McGraw-Hill. Arbnor, I. & Bjerke, B. (1997). Methodology for creating business knowledge (2. Aufl.). Thousand Oaks, CA: Sage. Baden-Fuller, C. & Stopford, J. M. (1992). Rejuvenating the mature business: The competitive challenge. London: Routledge & Kegan Paul. Bähring, K., Hauff, S., Sossdorf, M. & Thommes, K. (2008). Methodologische Grundlagen und Besonderheiten der qualitativen Befragung von Experten in Unternehmen: Ein Leitfaden. Die Unternehmung, 62(1), 89-111. Bain, J. S. (1956). Barriers to new competition, their character and consequences in manufacturing industries (Bd. 3). Cambridge: Harvard University Press. Barney, J. (1991). Firm resources and sustained competitive advantage. Journal of Management, 17(1), 99-120. Bartels, C. (2008, 14. Mai). Georg von Holtzbrinck GmbH. Mediendatenbank Abgerufen am 16. Juni 2008 unter http://www.mediadb.eu/datenbanken/deutsche-medienkonzerne/georg-vonholtzbrink-gmbh.html Bernhardt, V. & Meyer-Lucht, R. (2004). Fallstudie FAZ.net. In P. Glotz & R. MeyerLucht (Hrsg.), Online gegen Print: Zeitung und Zeitschrift im Wandel (Bd. 12, S. 151-161). Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. Bialek, C. & Siebenhaar, H. P. (2008, 19. Mai). Der Werbemotor stottert. Handelsblatt, S. 13. Blumer, H. (1954). What is wrong with social theory? American Sociological Review, 19(1), 3-10. Blumer, H. (1971). Social problems as collective behavior. Social Problems, 18(3), 298-306. Blumer, H. (1973). Symbolic interactionism. American Sociological Review, 38(6), 797-798. Blumer, H. (1977). Classic American pragmatists as forerunners to symbolic interactionism - reply. Sociological Quarterly, 18(2), 285-289.

Literaturverzeichnis

203

Blumer, H. (1980). Mead and Blumer - the convergent methodological perspectives of social behaviorism and symbolic interactionism. American Sociological Review, 45(3), 409-419. Bower, J. L. (1970a). Managing the resource allocation process. Boston, MA: Harvard University Press. Bower, J. L. (1970b). Planning within firm. American Economic Review, 60(2), 186194. Bower, J. L. & Gilbert, C. G. (2005). From resource allocation to strategy. Oxford: Oxford University Press. Brauner, E. M. & Stock, O. (2006, 3. Mai). Verlage wagen Zeitungs-Experimente. Handelsblatt, S. 29. Burgelman, R. A. (1983a). Corporate entrepreneurship and strategic management insights from a process study. Management Science, 29(12), 1349-1364. Burgelman, R. A. (1983b). A process model of internal corporate venturing in the diversified major firm. Administrative Science Quarterly, 28(2), 223-244. Burgelman, R. A. (1984a). Designs for corporate entrepreneurship in established firms. California Management Review, 26(3), 154-166. Burgelman, R. A. (1984b). Managing the internal corporate venturing process. MIT Sloan Management Review, 25(2), 33-48. Busenitz, L. W., West, G. P., Shepherd, D., Nelson, T., Chandler, G. N. & Zacharakis, A. (2003). Entrepreneurship research in emergence: Past trends and future directions. Journal of Management, 29(3), 285-308. Busse, C. (2008). Holtzbrinck-Verlag: Auf Internet-Kurs [Elektronische Version]. sueddeutsche.de. Abgerufen am 13.6.2008 unter http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/785/173271/. Busse, C. & Kilz, H.-W. (2007, 28. Juli). „Ich werde meine Unternehmen verschenken“; Gespräch mit dem Verleger Dirk Ippen über die Zukunft der Zeitung, das Internet und seine eigene Nachfolge. Süddeutsche Zeitung. Chandler, A. D. (1962). Pattern in organizational analysis - a critical-examination. Business History Review, 36(2), 233-235. Chiesa, V. (2002). Strategic entrepreneurship. Creating a new integrated mindset. R & D Management, 32(5), 460-460. Christensen, C. M. (2003). The innovator's dilemma: When new technologies cause great firms to fail. Boston, MA: Harvard Business School Press.

204

Literaturverzeichnis

Christensen, C. M. & Bower, J. L. (1996). Customer power, strategic investment, and the failure of leading firms. Strategic Management Journal, 17(3), 197-218. Christensen, C. R., Andrews, K. R., Bower, J. L. & Learned, E. P. (1973). Business policy: Text and cases (3. Aufl.). Homewood, IL: R. D. Irwin. Coase, R. H. (1937). The nature of the firm. Economica, 4(16), 386-405. Collis, D. J. (1994). Research note - how valuable are organizational capabilities. Strategic Management Journal, 15, 143-152. Collis, D. J. & Montgomery, C. A. (1995). Competing on resources - strategy in the 1990s. Harvard Business Review, 73(4), 118-128. Collis, D. J. & Montgomery, C. A. (1998). Creating corporate advantage. Harvard Business Review, 76(3), 70-84. Covin, J. G. & Miles, M. P. (1999). Corporate entrepreneurship and the pursuit of competitive advantage. Entrepreneurship Theory and Practice, 23(3), 47-64. Dana, L. P. (2004). Handbook of research on international entrepreneurship. Cheltenham, UK: Elgar. Datenschutzkonforme Gestaltung sozialer Netzwerke. (2008). Beschluss des Düsseldorfer Kreises vom 17./18. April 2008 Abgerufen am 18. August 2008 unter http://www.bfdi.bund.de/cln_007/nn_531474/sid_39D3F3B643E14CF487869B 663A272FF4/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Entschliessungssammlung/Duesseldorf erKreis/170408DatenschutzkonformeGestaltungSozNetzwerke.html__nnn=true Day, D. L. (1992). Research linkages between entrepreneurship and strategic management. In D. L. Sexton & J. D. Kasarda (Hrsg.), The state of the art of entrepreneurship (S. 117-163). Boston: PWS-Kent. Denzin, N. K. (2003). Strategies of qualitative inquiry (2. Aufl.). Thousand Oaks, CA: Sage. Dess, G. G., Ireland, R. D., Zahra, S. A., Floyd, S. W., Janney, J. J. & Lane, P. J. (2003). Emerging issues in corporate entrepreneurship. Journal of Management, 29(3), 351-378. Dess, G. G., Lumpkin, G. T. & McGee, J. E. (1999). Linking corporate entrepreneurship to strategy, structure and process: Suggested research directions. Entrepreneurship Theory and Practice, 23(3), 85-102. Deutsche Medien finden wieder festen Boden. (2005, 28./29. Mai). NZZ. Dewey, J. & Suhr, M. (1995). Erfahrung und Natur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Literaturverzeichnis

205

Dewey, J. & Suhr, M. (2004). Erfahrung, Erkenntnis und Wert (Bd. 1647). Frankfurt a. M.: Suhrkamp. di Lorenzo, G. (2006). „Eine Zäsur, die mir nicht leichtfällt“ [Elektronische Version]. Der Tagesspiegel. Abgerufen am 20.8.2008 unter http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/;art271,1929076. Dingemann, R. (2004, 29. Juni). Medienticker. Abgerufen am 9. September 2008 unter http://www.perlentaucher.de/artikel/1658.html Doh, J. P. & Pearce, J. A. (2004). Corporate entrepreneurship and real options in transitional policy environments: Theory development. Journal of Management Studies, 41(4), 645-664. Dörr, Huber, Lübbert, Mailänder, Rath-Glawatz & Sjurts. (2006, 10.1.). Beteiligungsveränderungen bei Tochtergesellschaften der ProSiebenSat.1 Media AG: Beschluss. Abgerufen am 4.3. 2006 unter http://www.kekonline.de/kek/verfahren/kek293prosieben-sat1.pdf Dougherty, D. (1992). A practice-centered model of organizational renewal through product innovation. Strategic Management Journal, 13, 77-92. Drucker, P. F. (1985). The discipline of Innovation. Harvard Business Review, 63(3), 67-72. Drucker, P. F. (1998). The discipline of innovation. Harvard Business Review, 76(6), 149-157. Duncan, R. (1976). The ambidextrous organization: Designing dual structures for innovation. In R. H. Killmann, L. R. Pondy & D. Sleven (Hrsg.), The management of organization (Bd. 1, S. 167-188). New York: North Holland. Eisenhardt, K. M. (1989). Building theories from case study research. Academy of Management Review, 14(4), 532-550. Eisenhardt, K. M. & Martin, J. A. (2000). Dynamic capabilities: What are they? Strategic Management Journal, 21(10-11), 1105-1121. Elger, K. (2007, 16. August). Unter Regie des Rechnungswesens. Financial Times Deutschland, S. 5. The failure of new media. (2000). Abgerufen am 22. März 2006 unter http://www.economist.co.uk/displayStory.cfm?Story_ID=318323&CFID=3841 51&CFTOKEN=51652499 Feyerabend, P. K. (1976). Wider den Methodenzwang: Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Feyerabend, P. K. (1978). Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften (Bd. 1). Braunschweig: Vieweg.

206

Literaturverzeichnis

Feyerabend, P. K. (1979). Erkenntnis für freie Menschen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Flaig, I. & Köster, K. (2008, 1. Februar). „Wir wollen dem Leser ins Internet folgen“. Stuttgarter Nachrichten, S. 9. Flick, U. (2004). Triangulation: Eine Einführung (Bd. 12). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Flick, U. (2007). Qualitative Forschung: Ein Handbuch (5. Aufl.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Floyd, S. W. & Woolridge, B. (1999). Knowledge creation and social networks in corporate entrepreneurship: The renewal of organizational capability. Entrepreneurship Theory and Practice, 23(3), 123-144. Fueglistaller, U., Müller, C. & Volery, T. (2004). Entrepreneurship: Modelle Umsetzung - Perspektiven, mit Fallbeispielen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wiesbaden: Gabler. Gartner, W. B. (2007). CEMS intensive doctoral seminar on entrepreneurship, CEMS intensive doctoral seminar on Entrepreneurship. Louvain-la-Neuve: Université catholique de Louvain, CRECIS. Gartner, W. B. & Brush, C. G. (2006). Entrepreneurship as organizing emergence, newness, and transformation (S. 1-20). Gartner, W. B., Davidsson, P. & Zahra, S. A. (2006). Are you talking to me? The nature of community in entrepreneurship scholarship. Entrepreneurship: Theory and Practice, 30(3), 321-331. Geißler, R. (2008). 27. April 1983: Georg von Holtzbrinck gestorben [Elektronische Version]. MDR Info. Abgerufen am 12. Juni 2008 unter http://www.mdr.de/mdr-info/kalenderblatt/5372845.html. Gellner, E. (1975). Beyond truth and falsehood. The British Journal for the Philosophy of Science, 26(4), 331-342. Gilbert, C. G. (2005). Unbundling the structure of inertia: Resource versus routine rigidity. Academy of Management Journal, 48(5), 741-763. Gilbert, C. G. (2006). Change in the presence of residual fit: Can competing frames coexist? Organization Science, 17(1), 150-167. Gilbert, C. G. & Bower, J. L. (2002). Disruptive change: When trying harder is part of the problem. Harvard Business Review, 80(5), 94-101. Glaser, B. G. (1992). Emergence versus forcing: Basics of grounded theory analysis. Mill Valley, CA: Sociology Press.

Literaturverzeichnis

207

Glaser, B. G. & Strauss, A. (1967). The discovery of grounded theory: Strategies for qualitative research. New York: Aldine De Gruyter. Glotz, P. & Meyer-Lucht, R. (2004). Online gegen Print: Zeitung und Zeitschrift im Wandel (Bd. 12). Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. Gomez, P. & Zimmermann, T. P. (1999). Unternehmensorganisation Profile, Dynamik, Methodik (4. Aufl. Bd. 3). Frankfurt a. M.: Campus Verlag. Grégoire, D. A., Noel, M. X., Déry, R. & Béchard, J.-P. (2006). Is There Conceptual Convergence in Entrepreneurship Research? A Co-Citation Analysis of Frontiers of Entrepreneurship Research, 1981-2004. Entrepreneurship: Theory and Practice, 30(3), 333-373. Greve, H. R. (2003). Strategic entrepreneurship: Creating a new mindset. Administrative Science Quarterly, 48(2), 348-351. Guth, W. D. & Ginsberg, A. (1990). Corporate entrepreneurship - introduction. Strategic Management Journal, 11, 5-15. Habann, F. & Herrmann, A. (2006). Auswirkungen der Internationalisierung auf die Produktion von Medieninhalten. In B. W. Wirtz (Hrsg.), Handbuch Medienund Internetmanagement. Wiesbaden: Gabler. Habermas, J. (2007). „Keine Demokratie kann sich das leisten“ [Elektronische Version]. sueddeutsche.de. Abgerufen am 26. August 2008 unter http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/455/114341/print.html. Hamann, G. (2006, 16. März). Die Eingeborenen des Internet. Die Zeit, S. 21-22. Hamann, G. (2007). Ein Schatz für Werbekunden [Elektronische Version]. Zeit Online. Abgerufen am 10. Juni 2008 unter http://www.zeit.de/2008/01/StudiVZ?page=1. Hamel, G. (2006). The why, what, and how of management innovation. Harvard Business Review, 84(2), 72-84. Hanfeld, M. (2006). Der Reporter bist Du [Elektronische Version]. FAZ.net. Abgerufen am 8. März 2006 unter http://www.faz.net/s/Rub8A25A66CA9514B9892E0074EDE4E5AFA/Doc~E6 C351D50AF1E4C06819B2BB64BAF3DC3~ATpl~Ecommon~Scontent.html. Hitt, M. A. (2002). Strategic entrepreneurship: Creating a new mindset. Oxford: Blackwell. Hitt, M. A., Ireland, R. D., Camp, S. M. & Sexton, D. L. (2001). Guest editors' introduction to the special issue - strategic entrepreneurship: Entrepreneurial strategies for wealth creation. Strategic Management Journal, 22(6-7), 479-491.

208

Literaturverzeichnis

Hitz, M. (2004, 30. April, 1./2. Mai). Epochaler Wandel in der Medienwelt. NZZ, S. 67. Höfinghoff, T. (2008). Investor aus Amerika: Warren Buffett geht in Deutschland shoppen [Elektronische Version]. FAZ.net. Abgerufen am 10. Juni 2008 unter http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~E0 9DA4D1AE513404C8C86644E71CCD64C~ATpl~Ecommon~Scontent.html?r ss_aktuell. Högg, R., Martignoni, D., Meckel, M. & Stanoevska-Slabeva, K. (2006). Overview of business models for Web 2.0 communities. Hopf, C. (2007). Qualitative Interviews: Ein Überblick. In U. Flick (Hrsg.), Qualitative Forschung: ein Handbuch (Bd. 5, S. 349-360). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Hornsby, J. S., Kuratko, D. F. & Zahra, S. A. (2002). Middle managers' perception of the internal environment for corporate entrepreneurship: Assessing a measurement scale. Journal of Business Venturing, 17(3), 253-273. Hubert Burda im Interview: „Mein Vater ist oft an mir verzweifelt“. (2005, 30. Januar). Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, S. 33. Ireland, R. D., Hitt, M. A., Camp, S. M. & Sexton, D. L. (2001). Integrating entrepreneurship and strategic management actions to create firm wealth. Academy of Management Executive, 15(1), 49-63. Ireland, R. D., Hitt, M. A. & Sirmon, D. G. (2003). A model of strategic entrepreneurship: The construct and its dimensions. Journal of Management, 29(6), 963-989. Ireland, R. D., Reutzel, C. R. & Webb, J. W. (2005). Entrepreneurship research in AMJ: What has been published, and what might the future hold? Academy of Management Journal, 48(4), 556-564. Ireland, R. D. & Webb, J. W. (2007). A cross-disciplinary exploration of entrepreneurship research. Journal of Management, 33(6), 891-927. Jennings, D. F. & Hindle, K. (2004). Corporate entrepreneurship and equifinality: An empirical analysis of strategy-structure-performance. Academy of Management Best Conference Paper, 1-6. Jochen Gutbrod im Interview: „Wir müssen im Internet einiges ausprobieren“. (2007, 6. Juni). Stuttgarter Zeitung, S. 14. Jones, G. R. & Butler, J. E. (1992). Managing internal corporate entrepreneurship - an agency theory perspective. Journal of Management, 18(4), 733-749.

Literaturverzeichnis

209

Kelle, U. (2007). Computergestützte Analyse qualitativer Daten. In Qualitative Forschung: ein Handbuch (Bd. 5, S. 485-502). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Kirzner, I. (1973). Competition and entrepreneurship. Chicago: University of Chicago Press. Knappmann, L. & Lachman, J. (2008). Gute Zeitung, schlechte Zeitung: Die Sorgen der Zeitungsverleger [Elektronische Version]. FTD.de. Abgerufen am 7. Mai 2008 unter http://www.ftd.de/technik/medien_internet/:Agenda%20Die%20Sorgen%20Zei tungsverleger/349597.html. Kondratieff, N. D. & Stolper, W. F. (1935). The long waves in economic life. The Review of Economics and Statistics, 17(6), 105-115. Kubsova, J. (2008, 22. Januar). Verlagsbranche erlebt Boom von Übernahmen. Financial Times Deutschland, S. 3. Kuhn, T. S. (1976). Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (2., revidierte und um das Postskriptum von 1969 ergänzte Aufl. Bd. 25). Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Kuratko, D. F., Ireland, R. D., Covin, J. G. & Hornsby, J. S. (2005). A model of middle-level managers' entrepreneurial behavior. Entrepreneurship Theory and Practice, 29(6), 699-716. Lachman, J. (2006). Burda/Holtzbrinck: Die neuen „Kabelnetzbetreiber“ [Elektronische Version]. manager-magazin.de. Abgerufen am 12.6.2008 unter http://www.manager-magazin.de/it/artikel/0,2828,443018,00.html. Lamnek, S. (2005). Qualitative Sozialforschung (4., vollst. überarb. Aufl.). Weinheim: Beltz PVU. Laufer, S. (2008). Kongress: „Internet gehört die Zukunft“ [Elektronische Version]. Hamburger Abendblatt. Abgerufen am 5. Juni 2008 unter http://www.abendblatt.de/daten/2008/06/03/888850.html. Lemm, K. (2008). Daten zu verkaufen: Im Fadenkreuz der Netzwerk-Werber [Elektronische Version]. stern.de. Abgerufen am 6. Mai 2008 unter http://www.stern.de/computer-technik/internet/619367.html. Leonard-Barton, D. (1992). Core capabilities and core rigidities - a paradox in managing new product development. Strategic Management Journal, 13, 111125. Levinthal, D. A. & March, J. G. (1993). The myopia of learning. Strategic Management Journal, 14, 95-112.

210

Literaturverzeichnis

Lindner, R. (2006). Murdochs coole Seite im Internet [Elektronische Version]. FAZ.net. Abgerufen am 4. März 2006 unter http://www.faz.net/s/Rub4C34FD0B1A7E46B88B0653D6358499FF/Doc~EE6 5918AEC8B24515A046138E00444992~ATpl~Ecommon~Scontent.html. Low, M. B. & MacMillan, I. C. (1988). Entrepreneurship - Past Research and Future Challenges. Journal of Management, 14(2), 139-161. Lubatkin, M. H., Simsek, Z., Ling, Y. & Veiga, J. F. (2006). Ambidexterity and performance in small- to medium-sized firms: The pivotal role of top management team behavioral integration. Journal of Management, 32(5), 646672. Luley, P. (2008). Zeitungskrise - „Mopo“ oder Mordio! [Elektronische Version]. Spiegel Online. Abgerufen am 20. April 2008 unter http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,546888,00.html. March, J. G. (1991). Exploration and exploitation in organizational learning. Organization Science, 2, 71-87. Mayring, P. (2002). Einführung in die qualitative Sozialforschung: Eine Anleitung zu qualitativem Denken (5. Aufl.). Weinheim: Beltz PVU. Mayring, P. (2007). Qualitative Inhaltsanalyse Grundlagen und Techniken (9. Aufl. Bd. 8229). Weinheim: Beltz. McGrath, R. G. (1999). Falling forward: Real options reasoning and entrepreneurial failure. Academy of Management Review, 24(1), 13-30. Mead, G. H. (1965). Mind, self, and society from the standpoint of a social behaviorist (13. Aufl.). Chicago, IL: University of Chicago Press. Mead, G. H. & Strauss, A. (1969). On social psychology: selected papers. Chicago, IL: University of Chicago Press. Meck, G. (2007). „In zehn Jahren ist Google tot“ [Elektronische Version]. FAZ.net. Abgerufen am 6. Juni 2008 unter http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~EC8 85CE25EE0B490B9F4A197A40088B6C~ATpl~Ecommon~Scontent.html. Meckel, M. (2008). Web 2.0 - die nächste Generation Internet (Bd. 1). Baden-Baden: Nomos. Meier, C. (2008, 28. Dezember). So redselig wie der Aldi-Clan: Was steckt hinter der SWMH, die die Süddeutsche Zeitung kauft? Der Tagesspiegel, S. 31. Miles, M. B. & Huberman, A. M. (1994). Qualitative data analysis: An expanded sourcebook (2. Aufl.). Thousand Oaks, CA: Sage.

Literaturverzeichnis

211

Miller, D. & Friesen, P. H. (1982). Innovation in conservative and entrepreneurial firms - 2 models of strategic momentum. Strategic Management Journal, 3(1), 1-25. Mintzberg, H. & Waters, J. A. (1985). Of strategies, deliberate and emergent. Strategic Management Journal, 6(3), 257-272. Müller-Stewens, G. & Lechner, C. (2001). Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Musgrave, A. (1974). Logical versus historical theories of confirmation. The British Journal for the Philosophy of Science, 25(1), 22. Naman, J. L. & Slevin, D. P. (1993). Entrepreneurship and the concept of fit - a model and empirical tests. Strategic Management Journal, 14(2), 137-153. Noda, T. & Bower, J. L. (1996). Strategy making as iterated processes of resource allocation. Strategic Management Journal, 17, 159-192. Nuttall, C. & Waters, R. (2008, May 27). Euphoria over web 2.0 is tempered by social problems. Financial Times, S. 16. O'Reilly, C. A. & Tushman, M. L. (2004). The ambidextrous organisation. Harvard Business Review, 82(4), 74-81. „Online gewinnt“: Springer-Vorstand Wiele sieht Zukunft im Internet. (2008, 4. Juni). Abgerufen am 9. Juni 2008 unter http://www.press1.de/ibot/db/press1.Theda_1212569002.html Onlinewerbemarkt wächst rekordverdächtig. (2008, 29. Juli). Abgerufen am 29. August 2008 unter http://www.bdzv.de/information_multimed+M500e4c540f6.html Paetow, Teschner & Kundan. (2006, 24. Januar). Beschluss in dem Verwaltungsverfahren Axel Springer AG und ProSiebenSat.1 Media AG. Abgerufen am 4. März 2006 unter http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Fusion/Fusion06/B6103-05.pdf Patton, M. Q. (1987). How to use qualitative methods in evaluation (Bd. 4). Newbury Park, CA: Sage. Peirce, C. S. S. (1877). The fixation of belief. Popular Science Monthly, 12, 1-15. Peirce, C. S. S. (1878). How to make our ideas clear. Popular Science Monthly, 12, 286–302. Penrose, E. T. (1959). The theory of the growth of the firm. New York: Wiley.

212

Literaturverzeichnis

Pinchot, G. (1985). Intrapreneuring: Why you don't have to leave the corporation to become an entrepreneur. New York, NY: Harper & Row. Piper, N. (2008, 19. März). Ausgeblutet: Die amerikanische Zeitungskrise hat sich 2007 verschärft. Süddeutsche Zeitung, S. 17. Popper, K. R. (1935). Logik der Forschung - zur Erkenntnistheorie der modernen Naturwissenschaft. Wien: Springer. Porter, M. E. (1980). Competitive strategy: Techniques for analysing industries and competitors. New York, NY: Free Press. Porter, M. E. (1985). Competitive advantage: Creating and sustaining superior performance. New York, NY: Macmillan Free Press. Prahalad, C. K. & Hamel, G. (1990). The core competence of the corporation. Harvard Business Review, 68(3), 79-91. Punch, K. F. (2005). Introduction to social research: Quantitative and qualitative approaches (2. Aufl.). London: Sage. Raisch, S. & Birkinshaw, J. (2008). Organizational ambidexterity: Antecedents, outcomes, and moderators. Journal of Management, 34(3), 375-409. Raynor, M. E. & Bower, J. L. (2001). Lead from the center - how to manage divisions dynamically. Harvard Business Review, 79(5), 92-100. Ricardo, D. (1817). On the principles of political economy and taxation. London. Riecke, T. (2006a, 10./11./12. Februar). Der Zeitungsschreck. Handelsblatt, S. 13. Riecke, T. (2006b, 4. Dezember). Gordon Crovitz: „Ich bin der einzige Optimist“. Handelsblatt, S. 2. Riepl, W. (1913). Das Nachrichtenwesen des Altertums: Mit besonderer Rücksicht auf die Römer. Hildesheim. Röper, H. (2004). Zeitungsmarkt in der Krise - ein Fall für die Medienregulierung. Aus Politik und Zeitgeschichte(12-13), 7-13. Russell, R. D. (1999). Developing a process model of intrapreneurial systems: A cognitive mapping approach. Entrepreneurship Theory and Practice, 23(3), 6584. Santos, F. A. & Eisenhardt, K. M. (2005). Organizational boundaries and theories of organization. Organization Science, 16(5), 491-508. Schaper, M. & Volery, T. (2004). Entrepreneurship and small business - a pacific rim perspective. Milton, QLD: Wiley.

Literaturverzeichnis

213

Schefczyk, M. (2006). Finanzieren mit Venture Capital und Private Equity: Grundlagen für Investoren, Finanzintermediäre, Unternehmer und Wissenschaftler (2., überarb. u. aktualis. Aufl.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Schendel, D. & Hitt, M. A. (2007). Comments from the editors: Introduction to volume 1. Strategic Entrepreneurship Journal, 1(1), 1-6. Scherf, P., Neus, A., Tietz, S. & Wäsche, N. (2008). Innovation der Medien: Web 2.0 verwöhnte Konsumenten zwingen Medienanbieter zum Umbau ihrer Geschäftsmodelle. Hamburg, Bonn: IBM Global Business Services, Zentrum für Evaluation und Methoden der Universität Bonn. Schlechter Jahresbeginn für die Werbemedien. (2006, 1. März). NZZ, S. 25. Schmidt, H. (2006a). „Die große unerzählte Google-Geschichte“ [Elektronische Version]. FAZ.net. Abgerufen am 12. Juni 2006 unter http://www.faz.net/s/RubE2C6E0BCC2F04DD787CDC274993E94C1/Doc~E D574E335FC364EF482910092DC3ABC7D~ATpl~Ecommon~Scontent.html. Schmidt, H. (2006b). Marissa Mayer: Googles Mastermind [Elektronische Version]. Abgerufen am 12. Juni 2006 unter http://www.faz.net/s/RubE2C6E0BCC2F04DD787CDC274993E94C1/Doc~EB 576F110E3AC45FA94E373767B923A98~ATpl~Ecommon~Scontent.html. Schmidt, H. (2008). Eric Schmidt: „Die nächste grosse Welle ist das mobile Internet“ [Elektronische Version]. FAZ.net. Abgerufen am 12. Juni 2006 unter http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~E5 4E928D13C6047CABB56E7B0965233AE~ATpl~Ecommon~Scontent.html. Schön, G. (2008, 2. Mai). Druck auf die „Times“: Zeitungskrise und aggressive Investoren setzen den US-Traditionsverlagen zu. Horizont. Schroeder, M. (1994). Internationale Markt- und Managementstrategien für Printmedien (Bd. 19). München: Fischer. Schulte-Hillen, G., Ganz, A. & Althans, J. (2001). Strategien im internationalen Verlagsmarketing. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Schumpeter, J. A. (1935). Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus (4. Aufl.). München: Duncker & Humblot. Schumpeter, J. A. (1944). Capitalism, socialism, and democracy (2. Aufl.). London: Allen and Unwin. Schürmann, H. (2006, 8. März). Wegweiser zur Kneipe um die Ecke. Handelsblatt, S. B14.

214

Literaturverzeichnis

Schwarz, P. (2008). Flaute auf dem deutschen Wagniskapitalmarkt [Elektronische Version]. VDI nachrichten. Abgerufen am 7. Mai 2008 unter http://www.vdinachrichten.de/vdinachrichten/aktuelle_ausgabe/akt_ausg_detail.asp?cat=3&id=38329&source=h omepage. sda. (2008, 23. Mai). Schweizer Werbevolumen stark gestiegen. Neue Zürcher Zeitung. Shane, S. & Venkataraman, S. (2000). The promise of entrepreneurship as a field of research. Academy of Management Review, 25(1), 217-226. Sharma, P. & Chrisman, J. J. (1999). Toward a reconciliation of the definitional issues in the field of corporate entrepreneurship. Entrepreneurship: Theory and Practice, 23(3), 11-27. Siebenhaar, H. P. (2006a, 6. Juni). Der leise Abschied. Handelsblatt, S. 15. Siebenhaar, H. P. (2006b, 6. November). Richard Parsons: „Es könnte eine zweite Blase sein“. Handelsblatt, S. 2. Siebenhaar, H. P. (2008, 1. April). Finanzkrise trifft Medienbranche. Handelsblatt, S. 16. Siering, F. (2006, 31. August). Der Geldgräber. Handelsblatt, S. 13. Sjurts, I. (2002). Strategien in der Medienbranche: Grundlagen und Fallbeispiele (2., vollst. überarb. u. erw. Aufl.). Wiesbaden: Gabler. Sjurts, I. (2004). Think global, act local - Internationalisierungsstrategien deutscher Medienkonzerne. Aus Politik und Zeitgeschichte(12-13), 22-29. Spoun, S. & Domnik, D. B. (2004). Erfolgreich studieren: Ein Handbuch für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler (Bd. 7129). München: Pearson Studium. Srivastava, A. & Lee, H. (2005). Predicting order and timing of new product moves: the role of top management in corporate entrepreneurship. Journal of Business Venturing, 20(4), 459-481. Stake, R. E. (1995). The art of case study research. Thousand Oaks, CA: Sage. Stevenson, H. H. & Jarillo, J. C. (1990). A Paradigm of entrepreneurship entrepreneurial management. Strategic Management Journal, 11, 17-27. Stöcker, C. (2007). Community-Millionendeal: Holtzbrinck schnappt sich StudiVZ [Elektronische Version]. Spiegel Online. Abgerufen am 10. Juni 2008 unter http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,457536,00.html. Strauss, A. & Corbin, J. (1990). Basics of qualitative research: Grounded theory procedures and techniques. Newbury Park, CA: Sage.

Literaturverzeichnis

215

Strauss, A. & Corbin, J. (1998). Basics of qualitative research: Techniques and procedures for developing grounded theory (2. Aufl.). Thousand Oaks, CA: Sage. StudiVZ setzt auf Targeting für gezielte Online-Werbung. (2007). Abgerufen am 25. September 2007 unter http://www.presseportal.de/pm/62589/1054028/studivz_ltd Teece, D. J. (2007). Explicating dynamic capabilities: The nature and microfoundations of (sustainable) enterprise performance. Strategic Management Journal, 28(13), 1319-1350. Teece, D. J., Pisano, G. & Shuen, A. (1997). Dynamic capabilities and strategic management. Strategic Management Journal, 18(7), 509-533. Theurer, M. (2008). Matthias Döpfner im Gespräch: „Wir erleben die Medienkrise als riesige Chance“ [Elektronische Version]. FAZ.net. Abgerufen am 3. Juli 2008 unter http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~E6 14344DB4B984C6F8327FEDBEB660742~ATpl~Ecommon~Scontent.html. Thornberry, N. (2001). Corporate entrepreneurship: Antidot or oxymoron? European Management Journal, 19(5), 526. Ulrich, H. (2001). Das St. Galler Management-Modell (Bd. Bd. 2). Bern: Haupt. Venkataraman, S. (1997). The distinctive domain of entrepreneurship research: An editors' perspective. In J. Katz & R. Brockhaus (Hrsg.), Advances in entrepreneurship, firm emergence, and growth (Bd. 3, S. 119-138). Greenwich, CT: JAI Press. Venkataraman, S., Macmillan, I. C. & McGrath, R. C. (1992). Progress in research on corporate venturing. In D. L. Sexton & J. D. Kasarda (Hrsg.), The state of the art in entrepreneurship (S. 487-519). Boston: PWS-Kent. Venkataraman, S. & Sarasvathy, S. D. (2001). Strategy and entrepreneurship: Outlines of an untold story. In M. A. Hitt, E. Freeman & J. Harrison (Hrsg.), Handbook of Strategic Management. Oxford: Blackwell. Weick, K. E. (1989). Theory construction as disciplined imagination. Academy of Management Review, 14(4), 516-531. Wernerfelt, B. (1984). A resource-based view of the firm. Strategic Management Journal, 5(2), 171-180. Wernerfelt, B. (1995). The resource-based view of the firm - 10 years after. Strategic Management Journal, 16(3), 171-174. Winter, S. G. (2003). Understanding dynamic capabilities. Strategic Management Journal, 24(10), 991-995.

216

Literaturverzeichnis

Witt, P. (2005). Corporate Venture Capital. In C. J. Börner & D. Grichnik (Hrsg.), Entrepreneurial Finance: Kompendium der Gründungs- und Wachstumsfinanzierung. Heidelberg: Physica. Yin, R. K. (2003). Case study research: Design and methods (3. Aufl. Bd. 5). Newbury Park, CA: Sage. Zahra, S. & Dess, G. G. (2001). Entrepreneurship as a field of research: Encouraging dialogue and debate. Academy of Management Review, 26(1), 8-10. Zajac, E. J., Kraatz, M. S. & Bresser, R. K. F. (2000). Modeling the dynamics of strategic fit: A normative approach to strategic change. Strategic Management Journal, 21(4), 429-453. Zollo, M. & Winter, S. G. (2002). Deliberate learning and the evolution of dynamic capabilities. Organization Science, 13(3), 339-351.

Curriculum Vitae Volker Bernhardt, geboren am 30. Januar 1979 in Seeheim-Jugenheim, Deutschland AUSBILDUNG 10/2004-10/2008

Promotionsstudium der Wirtschaftswissenschaften Universität St.Gallen (HSG), Schweiz

10/1999-10/2004

Studium der Wirtschaftswissenschaften mit der Vertiefung Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St.Gallen (HSG), Abschluss lic.oec. HSG

8/2003-12/2003

Austauschstudium an der Stockholm School of Economics (SSE), Schweden

9/1989-7/1998

Abitur am Deutschland

Gymnasium

Lichtenbergschule,

an

der

Darmstadt,

PRAKTISCHE ERFAHRUNG 10/2004-12/2007

Universität St.Gallen (HSG): Assistent des Rektors, Koordinator Universitätsmarketing und Geschäftsführer der HSG Shop GmbH

10/2001-10/2004

Universität St.Gallen (HSG): Studentischer Mitarbeiter im Curriculum-Innovationsteam des Rektorats

2/2001-4/2001

Hubert Burda Media Holding GmbH & Co. KG: Praktikant im Stab des Verlegers

10/1996-3/1999

freax Verlag GbR: Gründer und Herausgaber von „freax – Das Junge Darmstädter Magazin“

EXTRACURRICULARE AKTIVITÄTEN 10/1999-10/2008

Studentenschaft der Universität St.Gallen (HSG): Verschiedene Tätigkeiten, u.a. im Studierendenmagazin „prisma“, im Studentenparlament und im Verein „National Model United Nations in New York“

1/1995-12/2001

Arbeiter Samariter Bund Darmstadt-Starkenburg e. V.: Ausbildung zum staatl. gepr. Rettungssanitäter, Tätigkeiten im Rettungsdienst, Krankenfahrdienst und als Assistent des Baby-Notarzts