Stefan Jahnke
Teufelsschwur Das Knochenfeld im Polenztal Band 2 Kriminalroman
© 2011 AAVAA Verlag UG (haftungsbeschränkt) Quickborner Str. 78 – 80, 13439 Berlin Alle Rechte vorbehalten www.aavaa‐verlag.de 1. Auflage 2011 Umschlaggestaltung: Stefan Jahnke Printed in Germany ISBN 978‐3‐86254‐248‐2
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Alle Personen und Namen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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In Hohnstein und im Polenztal sind viele für Sachsen ge‐ schichtlich interessante und relevante Geschehnisse nach‐ weisbar. Einige wurden hier aufgegriffen und für einen nicht ganz frei erfundenen Roman verwandt. Ähnlichkeiten mit wirklichen Geschehnissen und lebenden Personen sind dabei natürlich reiner Zufall. Geschützte Marken und Na‐ men dienen nur zur Erklärung und werden nicht bean‐ sprucht. Benannte Ämter, aber auch Familien, Institutionen, Firmen und Geschäfte mit all deren aktuellen Mitgliedern und Inhabern, die sich eventuell aufgrund ihrer Aufgaben‐ gebiete und Unternehmen erkennen oder namentlich und örtlich übereinstimmen, mögen ihre Nennung oder den entstehenden Bezug zwischen Realität und Fiktion verzei‐ hen. Es ist bekannt, dass sie in der Regel weder so arbeiten noch so sind wie hier beschrieben. Gestatten Sie bitte die Freiheit des Literaten und genießen auch Sie gern diesen Roman. Für meine Familie, die, bestückt mit Rucksack und lecke‐ rem Picknickzubehör, oft und gern mit mir gemeinsam durch unsere schönen Gebirge und Gegenden streift. Auf 4
einer dieser Wanderungen fanden wir auch die Teufelsbrü‐ cke am Hockstein, deren Geschichte ich während der Arbeit am Buch weitestgehend ergründen konnte. Ich danke allen fleißigen Unterstützern dieses Werkes für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Klärung längst vergan‐ gener Ereignisse. Manches muss einfach sein. Fiktion ist keine Illusion! Recherchiert und geschrieben vom 25. Januar 2009 bis zum 10. September 2010 Autorenhomepage: www.stefan‐jahnke.de Einbandbild: Die Teufelsbrücke am Hockstein, Jahnke 2009 Hintergrund: Holzstapel am oberen Zugang des Riesengrundes, Jahnke 2010
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Ich bin erzogen worden zu tun, was nötig ist, um das Erbe der Familie zu bewahren. Was dabei geschieht, das ist allein meine Sache. Ob ich damit Anderen schade? Nun, Opfer sind nötig. Und der Zweck heiligt die Mittel. Das war schon immer so. Hermann Klemm, ehem. Aufseher im Lager Schwalbe III, im Verhör 1956 Familie? Ich gebe schon lange nichts mehr darauf, dass jemand die Familie als heilig ansieht. Zuviel Leid musste ich sehen, Tragödien erleben und Unglaubliches doch schließ‐ lich als die Wahrheit erkennen. Wofür? Doch nur, um noch einen schlimmeren Fall klären zu müssen. Nein, Familie… nur meine eigene zählt noch. Jedoch nicht, weil ich eingebil‐ det oder hart und unnahbar bin… Nein, die Menschen sind so. Viele. Leider. Ich kann es beweisen! Frank Zech, leitender Hauptkommissar in Dresden, Frühjahr 2010
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Ermittlungen – Düstere Ahnungen Warum ich? Warum Petra? Ich spüre, dass ich nicht Herr meiner Sinne bin. Wie auch… wenn Petra in Gefahr ist und ich ihr nicht helfen kann? Wo, meinte Herbert, war das Handy das letzte Mal…? Ich denke gleich an den Riesengrund. Der Bericht vom Schreiber war ja recht eindeutig. Und ich sehe nur Klemm, den ich kenne, wenn er von ihm berichtet. Dabei liegen so viele Jahre dazwischen… Selbst mit Magie, wie auch immer die funktionieren soll, ist keine Übereinstimmung mehr zu finden. Die Bücher… ich denke an Jens, Jens Wolf… der hatte auch Bücher. Nicht die, die der Schreiber damals aus den Flammen rettete, sondern welche, die ein Geheimnis be‐ inhalten sollen. Nur welches? Geht es um die Brücke? Aber warum? Da ist doch nichts! Vielleicht alles eine Lüge? Ich sitze da wie ein Häufchen Elend. Das wird nicht bes‐ ser, bis wir Petra finden. Sonja ruft fast jede Stunde an. Sie will mir von Kuno berichten. Dabei weiß ich doch, dass er 7
bei ihr in mehr als nur guten Händen ist. Also bin ich still und höre mir an, was sie sagt. Verflixt noch eines! Herbert kommt zu mir. „Wir haben alles geprüft. Da gab es keine weiteren Bewe‐ gungen. Entweder, die haben das Handy aus dem Wagen geworfen oder es liegt bei Petra und wir sollen ruhig erfah‐ ren, wo sie ist, weil die eben denken, dass wir uns nicht ran trauen. Wäre beides nicht so toll. Was anderes habe ich nicht.“ Außer einer Überraschung. Nein, nichts Tolles. Aber zu‐ mindest kann man mir vielleicht Genaueres sagen. Hoffe ich. Denn Keller und Wehner gaben ihm die Freigabe für Wärmebildkameras. Hat nur die Bundeswehr. Aber zwei sind in Dresden auf dem Flughafen stationiert. Natürlich mit Flugzeug dran. Die sollen starten, das Gebiet, wo das Handy lag, aus einer sehr großen Höhe überfliegen und dann feststellen, ob da vielleicht Wärme zu finden ist, Körper‐ wärme also. „Aber selbst wenn wir da nichts finden… denk bitte nicht gleich, dass Petra…“
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Er beißt sich auf die Lippe, dass ich schon das Blut laufen sehe. Natürlich wollte er ihren Namen gar nicht in den Mund nehmen. Aber ich beruhige mich langsam. Nicht richtig. Zumindest ein wenig. Vielleicht haben wir Glück. Früher lachte ich immer über einen Mitstudenten, der sich nach einem Schicksalsschlag total veränderte. Nur wussten wir alle nichts von der Sache und sagten dafür, er würde neben der Mütze laufen. Natürlich machte ich mir genügend Vorwürfe, als ich die Wahrheit erfuhr. Aber heute… lief ich neben der Mütze. Verdammt! Ich sitze am Schreibtisch, schaue auf Petras Bild und muss eigentlich die Unterlagen durchgehen. Auch traut sich nicht einer der Kollegen zu mir. Die haben Angst, mich aufzure‐ gen. Verdammt… Petra ist ‚nur’ entführt, nicht tot. Ganz sicher nicht! Arbeit… das ist das Einzige, was mich jetzt ablenkt. Und doch… ich habe Angst. Angst, noch mehr Parallelen zu Petra zu finden. Diese Entführung von Carlowitz’ Tochter und der Tod der Frau des Schreibers… ist alles zu viel. Das passte zu gut auf den aktuellen Fall. Und noch mehr wird
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mir klar, dass ich es mit einer großen Vertuschung zu tun haben muss. Nichts anderes passt dazu. Knochenfeld… wenn ich einfach den Klemm und seinen neuen Mühlenwirt in Haft nehmen lasse… kann ich damit das Schlimmste verhindern? Zweifelhaft. Immerhin haben sie sich dazu Gedanken gemacht. Sicher! Solange ich nicht genau weiß, was es mit der Brücke und diesen beiden Fami‐ lien auf sich hat, kann ich auch nichts mehr sagen… und nichts wirklich tun. Nur Angst macht mir das alles. Knauber tappt auf der Stelle. Ist ja klar… die Ergebnisse dauern. Und doch… da war noch etwas… Ja, Herbert und das Video! Genau… glatt vergessen… Aber jetzt bestehe ich darauf. Ich muss es sehen. Und was auch immer da drauf ist… „Ich habe keine Ahnung, woher Keller das hat. Hat’s mit geschickt und ich wusste nur, dass der Fall damit auch nicht gerade einfacher wird. Ich will Dir das nicht zeigen. Reißt alte Wunden auf. Aber wenn Du jetzt darauf bestehst…“ Er resigniert. Ich habe gewonnen. Habe ich das wirklich? Vielleicht gehe ich auch noch ein viel größeres Risiko ein… in diesem Fall? 10
Vor mir der Großbildschirm. Und Anfangs flimmern nur einige bekannte Bilder vor mir herum. Die Rennstrecke. Unweit von der Mühle muss das sein. Die letzte Schikane sozusagen. Gut, dann haben wir erst einmal das. Und nun? Ah, da stehen Männer… eine Gruppe von Männern in schwarzen Anzügen. Nein, das ist kein alter Film. Die Um‐ gebung ist bunt. Nur die Männer… halt… den kenne ich. Das ist Klemm… und das da… der sieht doch aus wie… oh Gott… wie Frantisek von der Duba. Das Gesicht… nicht sehr großer Unterschied zu Klemm. Vater? Freund? Ich muss lachen. Herbert sieht mich an wie einen Verrück‐ ten. Dann hat er Mühe, sich ohne ein Wort bei mir zu ent‐ schuldigen. Natürlich verzeihe ich ihm. Und ich vergesse für einen Moment Petra. Nein, nicht richtig. Aber ich habe eine Idee… „Sag mal, Herbert, was wäre eigentlich, wenn Klemm die Stelle von einem offiziellen Birken einnehmen würde? Wenn die Familie das gleiche Blut hat und auch noch fast gleich aussieht… könnte das dann überhaupt nachvollzogen werden?“
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Ich weiß, Herbert ist der falsche Ansprechpartner. Für Blut und so… ist eher Knauber zuständig. Aber er wiegt den Kopf hin und her. „Zum Glück haben wir jetzt die genaueren Fotos in den Pässen und Ausweisen. Da kann man schon mit ein paar Punkten einen Unterschied zwischen eineiigen Zwillingen nachweisen. Nichts ist identisch. Das wusste schon Leibnitz. Such mal zwei Blätter, die wirklich gleich sind. Von Bäu‐ men, meine ich!“ Ja, ich kenne den Vergleich des genialen Wissenschaftlers. Aber was könnte denn…? Ich denke an den Birkenhof. Die alten Birken, von denen ich schon mehr weiß, als mir lieb ist, die hatten da über dem heutigen Radebeul ihre Ausbildungsstätte. Kann man das so bezeichnen? Ja, kann man. Und wenn die dort ihre Kader schmiedeten, wie man vor einigen Jahren noch zu sagen pflegte, dann hatten die doch jede Menge Material für ihren Fortbestand. Erst will ich es nicht wahr haben. Aber nun scheint es fast offensichtlich… die Birken aus Bolivien, mit denen ich im Hohburgfall zu tun hatte, die wissen nur zu gut, dass es hier im Polenztal noch Glieder ihrer Familie 12
gibt. Und sie stehen mit denen in Kontakt. Ja, ich erinnere mich. Damals war doch dieser Frantisek für einige Tage nicht auffindbar, als er mir ein paar Tipps zukommen ließ und dafür dann am Ende alle Kisten und Särge im alten Stollen der Hohburg bekam. Und doch… dieses Video ist sicher noch älter. Der Mann scheint jünger. Klemm, wenn es denn der heutige Klemm ist, auch. „Oh, mach Dir da keine Sorgen… das ist mindestens drei‐ ßig Jahre alt!“ Dreißig Jahre? War das denn dann…? „Nein, sicher nicht. Vielleicht Väter… aber das war da‐ mals auch kein Video. Irgendwer machte sich die Mühe und hat einen alten Schmalfilm überspielt. Verdammt gute Qualität. Entweder die bezahlten damals Unsummen für das Filmmaterial der eben dann für die Restaurierung, ehe das alles auf die VHS kam!“ Restaurierung. Hmm… das hilft mir nicht weiter. Aber ich weiß jetzt zumindest, dass es Verbindungen zu den offiziel‐ len Birken gab. Und damit rücken die natürlich plötzlich ins Licht des düsteren Falles. Teufelsbrücke… Teufel… ich denke an den Großmeister von Prag. Ein Birke. Templer. 13
Beschuldigt der Verschwörung mit dem Teufel. Wie alle Templer. Ein Zufall? Zu verrückt dafür! Ich muss mir noch einmal die alten Unterlagen vornehmen. Die, die noch da sind. Hauber ruft an. Auch da nichts neues. Aber er hat nach‐ gedacht. Judith ist zu hören. Die sind nur noch zusammen. Na, wenn was dabei rauskommt… ist doch gut. Wobei ich mir den Wissenschaftler mit seiner ganzen Verbohrtheit und die hübsche Bibliothekarin nicht so recht als Paar vorstellen kann. Vielleicht bin ich da nur zu… „Ich denke, die Birken halten einen Vorposten. Wenn wir an diese von Selbigs denken… die waren immer um die alte Hohburg herum. Selbst in den Besatzungszeiten, als nie‐ mand dahin durfte, der nicht ins Land gehörte, haben die es irgendwie geschafft, zumindest Kontakt zu halten. Und wenn Klemm und Frenn, so wie das ja in diesem alten Bericht des Schreibers steht, wenn die wirklich zu den beiden Familien Klemm und Wolf, gar zu dem Neuen, diesem Sorg gehören, dann kann ich das Versteckspiel verstehen. Vielleicht gehen die davon aus, dass es zu auffäl‐ lig ist, wenn man tatsächlich zwei einschlägige Familien in 14
der Gegend hat. Wäre möglich. Darum ändert die eine immer mal den Namen.“ Ja, guter Einwand. Aber warum nicht die, der man doch das alte Blut am Meisten zutraut? Und war es für die Leute damals, als die Birken abzogen, nicht eigenartig, dass einer zurückblieb, der exakt so aussah, wie die gerade davonge‐ jagten Birken? Ach so, der sprach immer von Rathewalde… das liegt zwar nicht aus der Welt, aber ein wenig fernab von Hohnstein. Dass die sich dort versteckten, wäre ein logischer Schluss. Natürlich waren die Vorfahren von Klemm zu sehen. Aber eben nicht… Ich versuche, mich zu konzentrieren. Doch immer wieder kommt mir Petra ein. Ob ich Wehner anrufe und ihn einfach um Entbindung vom Fall bitte? Immerhin bin ich sicher nicht in allen Entscheidungen ganz objektiv. Ich wundere mich eh’, dass der mir nicht schon längst auf der Matte stand, um genau das zu fordern. Verflixt… die nehmen die ganze Sache vielleicht nicht so ernst, wie sie’s ist? Verfluchte Brücke… verfluchte Knochen… hätte das Was‐ ser nicht alles schön wegspülen statt freilegen können? Wäre für alle weitaus besser. Besonders für Petra. Aber ich merke 15