Status Quo in der Praxis Jan Froese Kuehne + Nagel - user.tu-berlin.de

04.10.2011 - In der Literatur werden Konfigurationssysteme in der Definition bisher fast immer mit der Zusammenstellung von ... Beratung. ○ Verfügbarkeit.
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INFORMATIK 2011 - Informatik schafft Communities 41. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik , 4.-7.10.2011, Berlin

www.informatik2011.de

Vertriebskonfiguratoren in der Dienstleistungswirtschaft – Status Quo in der Praxis

Jan Froese Kuehne + Nagel (AG & Co.) KG Großer Grasbrook 11-13 20457 Hamburg [email protected]

Abstract: Die wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors geht für Unternehmen einher mit der Notwendigkeit, kostenintensive Vertriebsstrukturen aufzubauen. Eine Möglichkeit, Vertriebsaktivitäten stärker zu automatisieren, ist der Einsatz von Vertriebskonfiguratoren. Der Ansatz, Produktkonfiguratoren, ebenfalls zur Zusammenstellung von Dienstleistungen einzusetzen liegt nahe, hat sich bisher in der Praxis aber nicht durchgesetzt. Trotz unterschiedlicher Merkmale von Produkten und Dienstleistungen, können Dienstleistungen mit bestehender Konfigurationstechnik konzeptionell abgebildet werden.

Einleitung Die Dienstleistungswirtschaft ist im eBusiness technisch und organisatorisch schwach aufgestellt. Andere Branchen wie Handel und das produzierende Gewerbe setzen hier Maßstäbe. Zwar werden Dienstleistungen im Internet angeboten, doch wird der Kunde bei Auswahl und Abschluß der Bestellung kaum unterstützt. Durch den Einsatz von Konfiguratoren könnten Dienstleister wesentlich stärker im Internet präsent sein und den Verkaufsprozess durch Automatisierung kosteneffizienter gestalten. In der Literatur werden Konfigurationssysteme in der Definition bisher fast immer mit der Zusammenstellung von Produkten verbunden und eben nicht mit Dienstleistungen. Ganz allgemein kann ein Konfigurator verstanden werden als: Software with logic capabilities to create, maintain and use electronic product models that allow complete definition for all possible product option and variation combinations, with a minimum of data entries and maintenance [Bo00]. Konfiguration wird in diesem Fall als Zusammensetzung einzelner Module innerhalb eines Spielraums zu einem (End-)Objekt verstanden [RP03]. In einigen Branchen wie zum Beispiel der Autoindustrie sind Produktkonfiguratoren bereits in Benutzung und genießen eine hohe Akzeptanz der Kunden. Vereinzelt werden in der Konfiguration neben Produkten auch Zusatzleistungen miteinbezogen.

Konfiguratoren im Dienstleistungsbereich Durch die Bereitstellung abgegrenzter, miteinander kombinierbarer und wiederverwendbarer Dienstleistungen in einem Konfigurator können Kostenreduktionen, Standardisierung und kundenspezifische Individualisierung erreicht werden [Bö10]. Auch Fallstudien aus dem technologieorientierten Mittelstand zeigen, daß Konfiguratoren den Vertrieb mit Wettbewerbsvorteile durch Reduzierung von Kosten und Erhöhung von Marktanteilen effizienter machen können [BSS2010].

erschienen im Tagungsband der INFORMATIK 2011 Lecture Notes in Informatics, Band P192 ISBN 978-3-88579-286-4

weitere Artikel online: http://informatik2011.de/519.html

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Der Einsatz von Konfiguratoren im Dienstleistungsbereich lohnt sich allerdings nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Die Dienstleistung sollte über einen bestimmten Zeitraum regelmäßig in Anspruch genommen werden (Dimension Wiederholungsgrad) und nicht einmalig sein. Des weiteren sollten mehrere Komponenten nötig sein, um die Dienstleistung letztendlich erbringen zu können (Dimension Komplexität), da der Einsatz eines Systems sonst keine Vorteile bringt.

Komplexität

Beispiele für komplexe Dienstleistungen mit hohem Wiederholungsgrad finden sich im Facility Management oder in der klassischen Dienstleistungsbranche Logistik. Anbieter und Nachfrager können in diesem Segment am effizientesten durch automatisierte Prozesse unterstützt werden.

Komplexe Dienstleistungen, wenig Wiederholungen, z.B. Autoreparatur

Komplexe Dienstleistungen, viele Wiederholungen, z.B. Supply-Chains oder Facility Management

Einfache Dienstleistungen, wenig Wiederholungen, z.B. Reisebuchung

Einfache Dienstleistungen, viele Wiederholungen, z.B. Reinigungsdienste

Wiederholungsgrad

Abbildung 1: Einsatzbereiche von Vertriebskonfiguratoren im Dienstleistungsbereich [Fr10]

Dienstleistungen im Verkaufsprozess Der Dienstleistungssektor nimmt an Bedeutung zu und macht bereits einen Anteil von knapp 70% des Bruttosozialprodukts und 28 Millionen Beschäftigten in Deutschland aus [Sa08]. Aber auch Hersteller von Produkten mit langen Lebenszyklen sehen sich gezwungen, diesen Lebenszyklus mit Dienstleistungen zu unterstützen [GP10]. Die gängige Einteilung der Phasen im elektronischen Vertrieb ist ‚Anbahnung’, ‚Vereinbarung’ und ‚Abwicklung’ [LB02]. In der Praxis unterstützen Konfiguratoren lediglich die erste der drei Marktphasen nämlich die Anbahnung. Gründe für die limitierte Nutzung sind sicherlich technische Restriktionen: Soll der Bestellprozess ebenfalls online abgewickelt werden, ist eine tiefe Integration des Konfigurators in das ERP oder CRM des Anbieters (Dienstleisters) nötig, um die Phasen ‚Abschluss’ und ‚Abwicklung’ zu unterstützen. Als weiterer Grund ist denkbar, daß Anbieter nicht auf den von Nachfragern spontan online individualisierten Produkten und Dienstleistungen sitzen bleiben wollen, wenn es sich diese nach Kaufabschluss doch anders überlegt haben und von ihrem Recht Gebrauch machen, vom Kauf zurückzutreten.

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Pro Marktphase unterstützen Konfiguratoren aus Anbieter- und Nachfragersicht verschiedene Aufgaben, die in einem typischen Verkaufsprozess durchlaufen werden.

Nachfrager

Anbieter

Pre-Sales-Service

Sales-Service

After-Sales-Service

Vorverkaufsphase

Kaufphase

Nachkaufphase

● Monitoring der Abfragen ● Aufwandsminimale Angebotserstellung ● Online Präsens

● Kostenreduktion durch Automatisierung

● Blaupause für Umsetzung

● Individualisierung ● Preisauskunft ● Vergleichbarkeit

● Beratung ● Verfügbarkeit ● Plausibilität

● Änderungen

Abbildung 2: Unterstützung der Marktphasen durch Konfiguratoren [Fr10] Mit der zusätzlichen Unterstützung der Phasen Abschluss und Abwicklung, tun sich aber eine ganze Reihe an möglichen Vorteilen für Anbieter und Nachfrager auf. Der Anbieter kann seinen Verkaufspozess stärker automatisieren und dadurch Kosten sparen. Der Nachfrager kann zunächst Verfügbarkeit seiner Wunschdienstleistung prüfen und den Preis in Erfahrung bringen. Außerdem können Preis und Leistung verschiedener Anbieter verglichen werden.

Merkmalen von Produkten und Dienstleistungen Dienstleistungen sind immateriall und sie werden zugleich bei der Herstellung verbraucht [We11]. Daher ist die Visualisierung mittels Bildern in Konfiguratoren nicht möglich. Im Prozeß der Konfiguration, der in diesem Beispiel dem Design einer LogistikKette (Supply Chain) entsprechen soll, kann ein und derselbe Service mehrmals in derselben Konfiguration nachgefragt werden. Zum Beispiel kann bei Lagerhaltung, sowohl der Eingang wie auch der Ausgang über Straßentransport nötig sein. Oder es kommen mehrere gleichartige Lager in einer Logistik-Kette vor, in denen jeweils nur zwischengelagert und umverteilt wird bis zum Weitertransport (Cross Docking). Während bei Produkten das Endergebnis über die Zusammenstellung von Mengen konfiguriert wird, müssen Dienstleistungen aufwendig parametrisiert werden. Eine Nachfrage nach Transport benötigt die Angabe, welches Gewicht die zu transportierende Ladung haben wird und welche Distanz zurückgelegt werden soll. In der Lagerhaltung muß angegeben werden, wie groß die benötigte Lagerfläche ist und wie hoch der tägliche Durchlauf an Paletten sein soll. Die Angabe der Merkmale muß während der Konfiguration durch den Nachfrager erfolgen können und kann nicht im Voraus sinnvoll vom Anbieter festgelegt werden. Eine ausführliche Auflistung von relevanten Merkmalen in der Logistik findet sich bei Göbel und Hocke [GH01].

erschienen im Tagungsband der INFORMATIK 2011 Lecture Notes in Informatics, Band P192 ISBN 978-3-88579-286-4

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Des weiteren kann mit Auswahl eines „Basis-Services“ die weitere Konfiguration nicht so stark eingeschränkt und vereinfacht werden wie bei Produkten. Beispielsweise wird bei Radkonfiguratoren im Internet als erstes ein Rahmen (Touren-, Renn- oder MB-Rahmen) als Basis vom Käufer festgelegt, der die Auswahl an weiteren dazugehörigen Komponenten (Schaltung, Reifen, Lenker) stark einschränkt. Ebenso bei Autokonfiguratoren, bei denen der Nachfrager immer zuerst festlegen muss, an welchem Modell er interessiert ist. Bei Produktkonfiguratoren können Anbieter vordefinierte, veränderbare Endprodukte zusätzlich neben der eigentlichen Auswahl anbieten, um Komplexität zu reduzieren und Nachfragern die Entscheidung einfacher zu machen. Dieses Verfahren ist unter dem Namen Vorkonfiguration bekannt [Sh2007]. Die Vorkonfiguration ist bei Servicekonfiguratoren nicht einsetzbar, dem Nachfrager muss nach Auswahl eines Services wieder das komplette Sortiment an Dienstleistungen präsentiert werden. Eindeutigkeit ist deshalb geboten, weil Anbieter und Nachfrager beim Kauf Einigkeit der zu liefernden Dienstleistung benötigen. Dies gilt für Services und Produkte gleichermaßen. Innerhalb eines Logistikunternehmens können zum Oberbegriff Transport verschiedene Services im Angebot sein, z.B. kann ein Straßentransport ein gekühlter Lebensmitteltransport oder ein luftgefederter High-Tech-Transport sein. Über die Unternehmensgrenzen hinweg wird die Eindeutigkeit noch relevanter, wenn Logistikdienstleister auf elektronischen Marktplätzen an Ausschreibungen teilnehmen und dem Nachfrager konkurrierende Services angeboten werden, die er vergleichen kann. Dies ist nur eine exemplarische Auswahl an Unterschieden; eine ausführliche Gegenüberstellung der Merkmale findet sich nachfolgend.

No. Kriterium

Produkt

Dienstleistung

1

Güterart

Materiell

Immateriell

2

Verbrauch

Zeitlich entkoppelt von Herstellung

Gleichzeitig Verbrauch und Erstellung

3

Lebenszyklus

Nutzungsdauer

Ausführungsdauer

4

Zeitpunkt Leistungserstellung

Lieferdatum

Ausführungsdatum

5

Lagerfähigkeit

Gegeben

Nicht gegeben

6

Eignung Mass Customization

Gegeben

Gegeben

7

Auswahlkriterien

Farben, Formen, Eigenschaften

Leistungskatalog

8

Skalierbarkeit des Endprodukts Über Menge

Über Parametrisierung

9

Vergleichbarkeit Endprodukte

Gegeben

Gegeben

10 Bewertungsfähigkeit Endprodukt Gegeben

Gegeben

11 Ausführung

Nicht ortsgebunden

Ortsgebunden

12 Kopierbarkeit

Gegeben

Bedingt

13 Möglichkeit der Vorkonfiguration Gegeben

Nicht gegeben

14 Wiederholbarkeit

Nicht gegeben

Gegeben

15 Startpunkt Basisprodukt

Gegeben

Gegeben

16 Eindeutigkeit der Komponenten Gegeben

Gegeben

Tabelle 1: Vergleich Produkte und Dienstleistungen

Fazit Produkte und Dienstleistungen unterscheiden sich wie oben dargestellt durch eine Reihe von Merkmalen. Trotz der offensichtlichen Unterschiede, konnte kein Merkmal identifiziert werden, daß die informationstechnische Abbildung von Dienstleistungen in einem Vertriebskonfigurator verhindern würde. Daraus kann geschlossen werden, daß Produktkonfiguratoren technisch das Gleiche sind wie Konfiguratoren zum Vertrieb von Dienstleistungen.

erschienen im Tagungsband der INFORMATIK 2011 Lecture Notes in Informatics, Band P192 ISBN 978-3-88579-286-4

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Literaturverzeichnis [BSS10]

Baltes, G.; Schäfer, T.; Sticksel, P.: Vertiebskonfiguratoren: Strategische Werkzeuge im technologieorientierten Mittelstand. In: IM Fachzeitschrift für Information Management und Consulting, 3/2010, S. 80ff.

[Bo00]

Bourke, R. (2000). Product Configurators: Key Enablers for Mass Customization. Midrange Enterprise 8/2000, S. 1.

[BK10]

Böttcher, M., Klingner, S.: Der Komponentenbegriff der Dienstleistungsdomäne. In: Tagungsband Informatik 2010 Leipzig, Band I, Seite 60.

[Fr10]

Froese, J.: Komplexe Services per Mausklick: Konfiguratoren in der Dienstleistungswirtschaft. In: IM Fachzeitschrift für Information Management und Consulting, 3/2010, S. 20.

[Ga11]

Gabler Online Wirtschaftslexikon, http://wirtschaftslexikon.gabler.de, Abruf 04.04.2011.

[GH01]

C. Göbel, S. Hocke: Simulative Analyse interorganisatorischer Kopplungsdesigns in der deskreten Serienfertigung. In Wirtschaftsinformatik Heft 43(2001), S. 589-597.

[GP10]

Georgiew, E., Plaßmann, J., Wittrowski, J., Steckel, T.: Robot to Business: Informationstechnisch gestützte Dienstleistungen in mobilen und verteilten Umgebungen – ein ganzheitlicher Ansatz. In: In: Tagungsband Informatik 2010 Leipzig, Band I, Seite 96.

[LB02]

Lejmi, H., Butterwegge, G.: Güterlogistische Dispositionssysteme in Verbindung mit B2B-Marktplätzen. In: Wirtschaftsinformatik, vieweg Verlag, 2002, S.535ff.

[RP03]

Rogoll, T., Piller, F.: Konfigurationssysteme für Mass Customization und Variantenproduktion, 2003, Think Consult, S.25.

[Sa08]

Satzger, G.: Dienstleistungswissenschaft – Anforderungen der Praxis an Dienstleistungsforschung und -lehre.. in: Gatermann, I.; Fleck, M. (eds.), Technologie und Dienstleistung - Beiträge der 7. Dienstleistungstagung des BMBF, 2008, S. 187–195.

[Sh07]

H. Stormer: Kundenbasierte Produktkonfiguration. In Informatik Spektrum, Springer Verlag, Heft 5, S. 324.

[We11]

Weerth, Carsten: Gabler Online Wirtschaftslexikon, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/dienstleistungen.html, Abruf 04.04.2011.

erschienen im Tagungsband der INFORMATIK 2011 Lecture Notes in Informatics, Band P192 ISBN 978-3-88579-286-4

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