Spezialisierung in der Hotellerie: Wettbewerbsvorteile durch ...

Nischenstrategien untersucht, um daraus neue Erkenntnisse für die KMU Hotellerie zu gewinnen und in weiterer Folge ... from Bio or Nature Hotels to offers like a No-Kids-Hotel. Increasingly holidaymakers ..... Die drei Ebenen des Produktes .
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Rena te Ma ria Pilz

Spezialisierung in der Hotellerie           in der KMU Hotellerie

Pilz, Renate Maria: Spezialisierung in der Hotellerie: Wettbewerbsvorteile durch Nischenstrategien in der KMU Hotellerie, Hamburg, Igel Verlag RWS 2015 Buch-ISBN: 978-3-95485-077-8 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95485-577-3 Druck/Herstellung: Igel Verlag RWS, Hamburg, 2015 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Kurzfassung Die Hotelleistungen werden immer ähnlicher und der Gast sucht im Internet nach dem günstigsten Preis. Um die gegenwärtigen Schwierigkeiten am gesättigten europäischen Hotelmarkt überwinden zu können, muss auch in der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe Hotellerie nach alternativen Erfolgsstrategien gesucht werden. Denn durchschnittliche Allerweltsangebote werden von den grenzüberschreitenden hybriden Kunden kaum noch zur Kenntnis genommen. Märkte werden immer segmentierter, und damit werden Nischen zu einem Erfolgsmodell für Unternehmen. Gerade in der Hotellerie konnte man in den letzten Jahren eine klare Ausrichtung hin zu Nischenkonzepten entdecken – vom Bio- oder Holzhotel bis hin zum Single oder No-KidsHotel. Urlauber suchen zunehmend den individuellen, auf sie abgestimmten Charme. Der Trend zur Nische bleibt weiter bestehen. Doch das Wort Nische impliziert eine falsche Erwartung: Nischen muss man nicht finden, sondern sie müssen vom Hotelier erschaffen werden. Darauf zu warten, dass sich eine Nische „auftut“ reicht nicht. Das Entwickeln von Nischen ist ein anstrengender kreativer Prozess, an dessen Ende im Idealfall der Erfolg wartet. Wer seine eigene Nische entwickeln möchte, braucht vor allem den Mut, gewohnte Bahnen zu verlassen. Gefragt sind Themenhotels, die den Reisenden sein lassen, wie er möchte, und ihn doch in seinem individuellen Lebensstil ansprechen. Unternehmertum und Servicequalität sind gefragt, um die teilweise bestehenden Investitionsdefizite auszugleichen. Die volle Konzentration auf die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppen wird in Zukunft den entscheidenden Unterschied ausmachen. Mittels einer intensiven qualitativen Befragung von Hoteliers werden bereits bestehende Nischenstrategien untersucht, um daraus neue Erkenntnisse für die KMU Hotellerie zu gewinnen und in weiterer Folge Handlungsempfehlungen zur Strategie-Entwicklung für Hotels ableiten zu können.

I

Abstract Hotel offers become more and more similar and the guest is looking for the cheapest price in the Internet. Austrian small and medium-sized Hotels must look for alternative strategies to be successful in overcoming the present difficulties on the saturated European hotel market. General or average every day offers are hardly noticed by border crossing and hybrid customers. As markets are becoming more and more segmented, “Niches” are turning out to be a promising alternative for businesses. In the last few years, Hotel business has shown a clear adjustment towards niche concepts – from Bio or Nature Hotels to offers like a No-Kids-Hotel. Increasingly holidaymakers look for individual offers adjusted to their special interests and so the trend towards the niche is still very relevant. But the word niche implicates a wrong expectation: Niches must not be found they must be created by the hotel-keeper. It’s no use waiting for a niche to show itself. The development of a niche is a strenuous and creative process, at the end of which, success is the reward if circumstances are ideal. The person who wishes to develop his own niche and so leave the customary path needs a lot of courage. There is a demand for theme-specific hotels, which meet with the traveller’s approval because they satisfy his expectations and individual lifestyle and so letting him be himself. Initiative and service qualities are important to compensate for losses through necessary investments. Full concentration must be applied to the needs and wishes of the target group. How well these are met will make the crucial difference of success or failure in the future. Hotelkeepers, already applying niche strategies were intensely interviewed, to gain new pieces of knowledge, for small and medium-sized Hotels and consequently also to be able to recommend courses of action to develop hotel strategies.

II

Inhaltsverzeichnis Kurzfassung ......................................................................................................................................... I Abstract ............................................................................................................................................... II Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................................... III Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................................... VI Tabellenverzeichnis .......................................................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................................... VIII 1.

Einleitung ............................................................................................................................... 1 1.1

Beschreibung des Problems .................................................................................................. 1

1.1.1

Darstellung des Problems anhand des Produktlebenszyklus ....................................... 1

1.1.2

Darstellung des Problems anhand der Unternehmensstrategie ................................... 6

1.2

Relevanz der Thematik .......................................................................................................... 7

1.3

Zielsetzung und zentrale Fragestellung ................................................................................. 8

1.4

Gang der Argumentation ........................................................................................................ 9

2.

Österreichische KMU Hotellerie........................................................................................... 14 2.1

Begriffsabgrenzungen .......................................................................................................... 14

2.1.1

KMU ............................................................................................................................. 15

2.1.2

Hotellerie ..................................................................................................................... 16

2.2

Veränderungsbereitschaft der Hotellerie ............................................................................. 16

2.3

Struktur der Beherbergungsindustrie ................................................................................... 18

3.

Wettbewerbsvorteile ............................................................................................................ 20 3.1

Ausprägungen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen ..................................................... 20

3.1.1

Markt-orientierter Ansatz ............................................................................................. 20

3.1.2

Ressourcen-orientierter Ansatz ................................................................................... 22

3.1.3

Ansätze der Wettbewerbsvorteile im Vergleich........................................................... 23

3.2

Strategieentwicklung ............................................................................................................ 26

3.2.1

Modell der fünf Wettbewerbskräfte.............................................................................. 26

3.2.2

Auslöser für Strategieentwicklung ............................................................................... 29

4.

Nischenstrategien ................................................................................................................ 30 4.1

Nischentheoretische Grundlagen ......................................................................................... 30

4.1.1

Arbeitsdefinition des Begriffes Marktnische ................................................................ 30

4.1.2

Nischenvorteile ............................................................................................................ 32

4.1.3

Arten der Spezialisierung ............................................................................................ 33

4.1.4

Risiken in der Nische ................................................................................................... 36

4.1.5

Arten von Nischenstrategien ....................................................................................... 38

4.2

Identifikation und Entwicklung der passenden Nische......................................................... 40

III

4.3

Marktsegmentierung durch Zielgruppenspezialisierung ...................................................... 43

4.3.1

Nach demographischen Kriterien ................................................................................ 44

4.3.2

Nach psychografischen Kriterien................................................................................. 45

4.3.3

Nach kaufverhaltensbezogenen Kriterien ................................................................... 47

4.3.4

Nach „Affinity-Groups“ ................................................................................................. 49

4.4

Nischentourismus aus internationaler Sicht ......................................................................... 50

4.5

Zusammenfassung: Nischenstrategie.................................................................................. 51

5.

Ressourcen .......................................................................................................................... 53 5.1

Unternehmertum .................................................................................................................. 53

5.2

Der Mitarbeiter als wichtigste Ressource............................................................................. 55

5.2.1

Wissen ......................................................................................................................... 55

5.2.2

Unternehmerisches Denken und Handeln .................................................................. 57

5.2.3

Organisationales Lernen als Voraussetzung für Veränderung ................................... 58

5.2.4

Organisationen als soziale Systeme ........................................................................... 59

5.3

Kernkompetenzen ................................................................................................................ 60

5.3.1

Merkmale von Kernkompetenzen................................................................................ 61

5.3.2

Identifikation von Kernkompetenzen ........................................................................... 62

6.

Innovation ............................................................................................................................ 66 6.1 6.1.1

Begriffsdefinition „Innovation“ ...................................................................................... 67

6.1.2

Voraussetzungen für Innovativität ............................................................................... 68

6.1.3

Innovation in der KMU Hotellerie................................................................................. 69

6.2

Relevante Nachfrage-Trends ............................................................................................... 70

6.2.1

Der neue Kunde .......................................................................................................... 71

6.2.2

Überalterung der Gesellschaft..................................................................................... 72

6.2.3

Individualisierung und Wertewandel............................................................................ 72

6.2.4

Der neue Luxus- und Genussmarkt ............................................................................ 73

6.2.5

Verstärktes Gesundheitsbewusstsein ......................................................................... 74

6.2.6

Verstärktes ökologisches Bewusstsein ....................................................................... 74

6.2.7

Suche nach Erlebnissen.............................................................................................. 75

6.3

Darstellung des touristischen Produkts................................................................................ 75

6.3.1

Der Nutzen für den Gast ............................................................................................. 76

6.3.2

Die drei Ebenen des Produktes................................................................................... 78

6.3.3

Kano-Modell ................................................................................................................ 78

6.4

IV

Innovation im Allgemeinen ................................................................................................... 66

Innovation über Differenzierung ........................................................................................... 79

6.4.1

Differenzierung am Produktkern.................................................................................. 81

6.4.2

Differenzierung durch Produktanreicherung ............................................................... 82

6.4.3

Differenzierung durch Produktumfeld .......................................................................... 83

6.4.4

Differenzierung durch zusätzliche Dienstleistungen ................................................... 83

6.4.5

Differenzierung durch Marke und Reputation ............................................................. 84

6.4.6

Differenzierung durch Beziehungen ............................................................................ 84

6.4.7

Kombinationsmöglichkeiten......................................................................................... 85

6.5 7.

Das Erlebnis in der Angebotsgestaltung .............................................................................. 86 Explorative Sozialforschung ................................................................................................ 89

7.1

Ausgangslage und Zielsetzung ............................................................................................ 89

7.2

Grundlagen der qualitativen Sozialforschung ...................................................................... 90

7.3

Untersuchungsablauf ........................................................................................................... 91

7.3.1

Forschungsdesign ....................................................................................................... 92

7.3.2

Auswahlverfahren ........................................................................................................ 93

7.3.3

Falldefinition und -auswahl .......................................................................................... 95

7.3.4

Datenerfassung und -aufbereitung ............................................................................ 100

7.3.5

Auswertungsverfahren und Analyse.......................................................................... 101

7.4

Auswertung der Interviews ................................................................................................. 102

7.4.1

Nischenstrategie ........................................................................................................ 103

7.4.2

Angebot, Zielgruppe und Nutzen für Zielgruppe ....................................................... 105

7.4.3

Wettbewerb und unternehmerisches Risiko .............................................................. 107

7.4.4

Entwicklung der Nische ............................................................................................. 108

7.4.5

Standort und Spezialisierung .................................................................................... 112

7.4.6

Mitgliedschaft bei Angebotsgruppen ......................................................................... 114

7.4.7

Mitarbeiter und Kompetenzen ................................................................................... 115

7.4.8

Persönliche Voraussetzungen und Anforderungen................................................... 118

7.4.9

Finanzieller Erfolg ...................................................................................................... 121

8.

Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................................... 123 8.1

Hypothesen ........................................................................................................................ 123

8.2

Beantwortung der Forschungsfrage................................................................................... 124

9.

Entwicklung von Handlungsempfehlungen........................................................................ 129 9.1

Beschreibung des Istzustandes ......................................................................................... 129

9.2

Check-Liste zur Entwicklung einer Nischenstrategie ......................................................... 130

10.

Schlussbetrachtung ........................................................................................................... 134

10.1

Methodenkritik .................................................................................................................... 134

10.2

Aufgetretene Probleme ...................................................................................................... 135

10.3

Fazit und Ausblick .............................................................................................................. 135

Literaturverzeichnis ............................................................................................................................ IX

V

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anwendung des Produkt-Lebenszyklus Modells auf den Tourismus................................. 2 Abbildung 2: Stuck in the middle ............................................................................................................. 6 Abbildung 3: Gang der Argumentation .................................................................................................. 13 Abbildung 4: Wettbewerbsstrategien nach Porter ................................................................................. 21 Abbildung 5: Markt- und ressourcen-orientierter Ansatz ....................................................................... 25 Abbildung 6: Umfeldbedingungen und strategische Konsequenzen .................................................... 29 Abbildung 7: Nische zwischen Gesamtmarkt, Segmentierung und Individualisierung ......................... 32 Abbildung 8: Identifikation der Nische ................................................................................................... 40 Abbildung 9: Kompetenzaufbau durch Wissensmanagement .............................................................. 57 Abbildung 10: Kompetenzfeld Analyse.................................................................................................. 63 Abbildung 11: Die drei Ebenen des Produktes...................................................................................... 78 Abbildung 12: Kanomodell ergänzt um Nutzendarstellung ................................................................... 79 Abbildung 13: Differenzierungsmodell mit Produktkern und Produktschalen ....................................... 81 Abbildung 14: Ganzheitliches Erleben – die vier Erlebnisdimensionen ................................................ 87 Abbildung 15: Umsatzrentabilität ......................................................................................................... 122 Abbildung 16: Check-Liste zur Entwicklung einer Nischenstrategie ................................................... 131

VI

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Symptome und Folgen von reifen Märkten ............................................................................ 3 Tabelle 2: Nischenvorteile ..................................................................................................................... 33 Tabelle 3: Arten von Nischen ................................................................................................................ 39 Tabelle 4: Suchfelder im Tourismus ...................................................................................................... 41 Tabelle 5: Segmentierung nach demografischen Kriterien ................................................................... 45 Tabelle 6: Segmentierung nach psychografischen Kriterien ................................................................. 47 Tabelle 7: Segmentierung nach Kaufverhaltenskriterien ...................................................................... 48 Tabelle 8: Nischentourismus aus internationaler Sicht ......................................................................... 51 Tabelle 9: Zusammensetzung von Know-how ...................................................................................... 56 Tabelle 10: Traditionelle versus lernende Organisation ........................................................................ 59 Tabelle 11: Probleme und Problemlösung im Tourismus ..................................................................... 76 Tabelle 12: Forschungsdesign .............................................................................................................. 92 Tabelle 13: Auflistung der befragten Hotels .......................................................................................... 97 Tabelle 14: Auflistung der befragten Tourismusberater ...................................................................... 100 Tabelle 15: Kategorienbildung ............................................................................................................. 103 Tabelle 16: Nischenidentifizierung ...................................................................................................... 111

VII

Abkürzungsverzeichnis BIP

Bruttoinlandsprodukt

Fr.

Frau

Hr.

Herr

jun.

Junior

KMU

Klein- und Mittelunternehmen

ÖHT

Österreichische Hotel- und Tourismusbank

o. V.

ohne Verfasser



Oberösterreich

sen.

Senior

SME

Small and Medium Sized Enterprises

SMTE

Small and Medium-sized Tourism Enterprises

USP

Unique Selling Proposition

WU

Wirtschaftsuniversität Wien

u.ä.

und ähnliches

VIII

1. Einleitung Die Zukunft des Tourismus in Europa und speziell in Österreich ist im Wesentlichen von der Entwicklung der KMU Hotellerie abhängig, und hier besonders von der Individualhotellerie. Mehr als 95 Prozent der Hotels sind rechtlich und wirtschaftlich selbständige Klein- und Mittelunternehmen und befinden sich in Familienbesitz. (vgl. www.statistik.at [13.03.09]) Das erste Kapitel skizziert den Rahmen des Buches von der Problemstellung und somit Ausgangslage über die praktische sowie wissenschaftliche Relevanz des Themas bis hin zur Zielsetzung und zum Aufbau der Studie.

1.1 Beschreibung des Problems Da der Tourismus in Österreich die Reife- oder Sättigungsphase schon seit einigen Jahren erreicht hat, ist kein Marktwachstum mehr über die Menge zu erzielen. Fachleute meinen, dass ein Relaunch nur über eine Qualitäts- und Serviceverbesserung sowie eine verstärkte Konzentration auf die Kundenbedürfnisse funktionieren kann, was zugleich auch neuer Strategien bedarf. Daher wird der unternehmerische Erfolg in Zukunft wesentlich von der Innovationskompetenz und hier im Besonderen von der Entwicklung von innovativen Produkten abhängen. (vgl. Edvardson 1997; Hünerberg/Mann 2004; Kunz/Mangold 2004; Pikkemaat/Weiermair 2004; zit. nach Klausegger/Salzberger 2006, 37) 1.1.1 Darstellung des Problems anhand des Produktlebenszyklus Die Ausgangsbasis für dieses Buch lässt sich am besten anhand der Produkt-lebenszyklusKurve1 darstellen, weil hier auch die Problemstellung am besten sichtbar wird.

1

Jedes Produkt weist eine begrenzte Lebensdauer auf, diese kann in einzelne Phasen zerlegt werden. Jede dieser fünf Phasen ist durch einen typischen Kosten-, Umsatz- und Gewinnverlauf gekennzeichnet. (vgl. Lechner/ Egger/Schauer 2005, 522)

1

Abbildung 1: Anwendung des Produkt-Lebenszyklus Modells auf den Tourismus Quelle: Ullmann 2000, 49

Nach einer kurzen Einführungsphase erfolgte ein starkes Wachstum. Seit Mitte der 80iger Jahre ist der Eintritt in die Reifephase spürbar. Wenn die Anzeichen für beginnende Sättigung in der Reifephase2 nicht erkannt und die Aktivitäten der Wachstumsphase weiter verfolgt werden, dann wird der theorietypische Fall (Option III) eintreten, dass das Marktvolumen schrumpft. Wenn in der Schrumpfungsphase ein Teil der Unternehmen vom Markt verschwindet,

kommt

wieder

eine

ruhigere

Phase,

aus

der

die

verbleibenden

Tourismusbetriebe gestärkt hervorgehen (Option II). Soll aber die gesamte Branche weiterhin am weltweiten Wachstumsmarkt Tourismus teilnehmen (Option I), dann müssen neben den strategischen3 Maßnahmen der Einzelbetriebe auch auf Destinationsebene Strukturveränderungen vorgenommen werden. (vgl. Ullmann 2000, 49; vgl. Bieger 2004, 171f). Laut Weiermair (2005, 70) befindet sich die österreichische Hotellerie schon seit einigen Jahren in der Reife- und Sättigungsphase, was an den nachfolgend beschriebenen Anzeichen (lt. Porter) klar erkennbar ist. (vgl. Ullmann 2000, 51)

2

Gründe für Sättigungserscheinungen sind ein verschärfter Wettbewerb, fehlendes Wachstum, Steigerung des eigenen Marktanteils auf Kosten von Konkurrenten, Preisverfall, preisgünstigere Substitutionsprodukte, Überkapazitäten, Änderung des Kundenverhaltens, Ausscheiden von Wettbewerbern ohne erkennbaren Wettbewerbsvorteil (vgl. Becker 2006, 748; Freyer 2004, 320; Homburg/Krohmer 2005, 364f) 3 Laut Becker (2006, 147) bedeutet „strategisch“ nichts Anderes als die markt- bzw. kundenorientierte Führung des gesamten Unternehmens.

2

Allgemeine Anzeichen durch den Eintritt der Branche in die Reifephase

Erste Reaktionen der Tourismusbetriebe

Krisenfolgen für die Hotels

sinkende Nachfrage

− Preisreduktion

− Umsätze sinken trotzdem

− Verschenken von Leistung

− Preisanhebung schwierig: − Preiskampf

Auslastungsrückgänge

− Verstärkung Aktivitäten

bisheriger − durchschlagender bleibt aus

Erfolg

− Steigerung des eigenen Marktanteils nur auf Kosten von Konkurrenten Kostendruck

− Sparen, wo nur möglich − Kurzfristige Erleichterung (Reduktion der variablen bleibt aber Kosten, Umwandlung der − Kostendruck bestehen, da hoher FixFixkosten in variable Kosten kostenanteil durch Outsourcing

Überkapazitäten

− Abbau von Mitarbeitern und − Gefahr des Abbaus von Dienstleistungsqualität für die Kapazitäten verbleibenden Gäste − Sparen

Liquiditätsschwierigkeiten

− Umschuldung von Ver- − Verstärkte Abhängigkeit von bindlichkeiten zu Darlehen Banken und Vertriebspartnern − Negative Eigenkapitalsquote

Innovation/Investition

− stagnierende Innovation − notwendige Erneuerungen werden teilweise nicht mehr gemacht

− starke Abnützungserscheinungen, Qualität sinkt

Tabelle 1: Symptome und Folgen von reifen Märkten Quelle: Ullmann 2000, 51; Bieger 2004, 172; eigene Darstellungen

3

1. Sinkende Nachfrage und Verkürzung der Aufenthaltsdauer: Durch einen allgemeinen Rückgang der Nachfrage sinkt auch die Auslastung trotz Beibehalten der jahrelang erfolgreichen Vertriebsaktivitäten. Es müssen daher mehr Gäste buchen, um auf die notwendige Auslastung zu kommen. 2. Sinkende Umsätze bei steigenden Kosten: Sinkende Umsätze und Gewinne bei relativ gleich bleibenden oder steigenden Kosten verursachen bei den Hoteliers einen Kostendruck, weil ein Großteil der Kosten zu den Fixkosten4 gehört. Eine Reduktion der variablen Kosten5 ist möglich, aber schwierig, weil das zu Lasten der Dienstleistungsqualität gehen könnte. 3. Liquiditätsschwierigkeiten6 - hohe Verschuldung: Wenn

es

nicht

gelingt,

die

Umsätze

wieder

zu

erhöhen,

kommt

es

zu

Liquiditätsschwierigkeiten. Um die Lieferantenverbindlichkeiten trotzdem zu tilgen, werden Kredite aufgenommen, was die Kosten ebenso erhöht. Zusätzlich wird wertvolles Eigenkapital zugeschossen, was wiederum einer Schrumpfung der Eigenkapitalquote7 gleichkommt. Viele Hotels sind überschuldet8 und können ihre notwendigen Reinvestitionen nicht finanzieren. (vgl. Bieger 1999c; zit. nach Bieger 2004, 172). Diese hohe Verschuldung ist gerade in wirtschaftlich schwächeren Zeiten noch problematischer zu sehen, weil Eigenkapital normalerweise zur Krisenvorsorge dienen soll. (vgl. Lechner/Egger/Schauer 2005, 297) 4. Verstärkte Abhängigkeit von Vertriebspartnern und Banken: Aufgrund von Auslastungsrückgängen kommen die Hoteliers in eine verstärkte Abhängigkeit von Vertriebspartnern (meist Reiseveranstalter). Durch die allgemein geringere Nachfrage 4

4 Fixkosten sind vom jeweiligen Beschäftigungsgrad unabhängig und sie entstehen somit auch dann, wenn keine Leistung erstellt wird. (vgl. Lechner/Egger/Schauer 2005, 425). Der Anteil der fixen Kosten in der Hotellerie beträgt 70 – 90 %. Dazu gehören vor allem Personalkosten, Mieten/Pachten, Abschreibung oder Fremdkapitalzinsen. (vgl. Henschel 2008, 67) 5 Variable Kosten sind beschäftigungsabhängige Kosten und sind in der Hotellerie eher gering. (vgl. Henschel 2008, 313) 6 Unter Liquidität versteht man die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Schulden ohne wesentliche Beeinträchtigung des Betriebsablaufes zu bezahlen. (vgl. Lechner/Egger/Schauer 2005, 888) 7 Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital (vgl. Lechner/Egger/Schauer 2005, 300) 8 geringe oder negative Eigenkapitalquote im Tourismus (vgl. Kennzahlenvergleich auf www.oeht.at [13.03.09])

4

sind sie jedoch in der besseren Marktposition und geben einen Preis vor. Der Hotelier hat nun die Wahl zwischen leeren Kapazitäten oder den vorgegebenen Preis zu akzeptieren um überhaupt einen Deckungsbeitrag9 zu erzielen. Die Abhängigkeit zu den Banken wird durch die Basel II Kriterien noch erhöht. Basel II heißt, dass Kreditnehmer mit schlechter Bonität10 höhere Zinsen und Kreditgebühren zahlen müssen. (vgl. www.oenb.at [13.03.09]), was wiederum einer Erhöhung der Kosten für die Hotellerie gleichkommt. 5. Fortschreitende Konzentration von größeren Einheiten: Betriebe werden vergrößert bzw. zusammengelegt, um Kostensenkungspotenziale zu nutzen (Economies of Scale11 und Economies of Scope12). Daher schreitet auch die Expansion von Hotelketten und Hotelkooperationen voran (vgl. Henschel 2008, 43), sodass es zu einer beginnenden Marktbereinigung kommt. 6. Sinkende Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche Da im Tourismus viele Betriebe die gleichen Probleme haben, führt die beschriebene Entwicklung zu einer Verschlechterung der allgemeinen Branchenattraktivität und der Konkurrenzfähigkeit einer Destination. Im internationalen Preis-Leistungs-Vergleich schneiden diese Destinationen schlechter ab, der Gast entscheidet sich eher für eine andere Urlaubsdestination. Als Folge davon sinken die Erträge und die Attraktivität einer Region weiter, sodass als letzte Konsequenz die Unternehmer aus der Branche aussteigen. Die Attraktivität als Region ergibt sich dadurch, dass das Produkt Urlaub viele Dienstleistungen von verschiedenen Anbietern entlang der touristischen Wertkette aufweist. (vgl. Bieger 2005, 19f) „An dieser Stelle muss auch vor einem Irrglauben gewarnt werden, dass eine Verminderung der absoluten Kapazitäten zu einer automatischen Verbesserung der Auslastung der verbleibenden Betriebe führen wird. Diese Hoffnung würde sich nur in einem geschützten

9

Der Deckungsbeitrag ist jener Betrag, den ein Produkt oder Leistung zur Abdeckung der Fixkosten erbringt. (vgl. Lechner/Egger/Schauer 2005, 845) 10 Die Bewertung der Bonität unterliegt verschiedenen betriebswirtschaftlichen und unternehmerischen Kriterien. (vgl. www.oenb.at [13.03.09]) 11 Economies of Scale: Größeneffekte durch Lern- bzw. Erfahrungskurvenwerte sowie effektivere Koordination und Kontrolle. Hohe Produktionsmenge und Absatzmenge (vgl. Becker 2006, 331) 12 Economies of Scope: Verbundvorteile durch Baukastensystem (vgl. Becker 2006, 331)

5