SCHAUPLATZ KÖLNER GESCHICHTE 2
DER EIGELSTEIN u n d
d r u n t e r
d r Ü b e r
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Dank Zum Gelingen der Ausstellung und des Begleitbands haben viele Personen beigetragen, ihnen allen sei herzlich gedankt: Beatrix Alexander, Gregor Baldrich, Stefanie Behrendt, Johannes Ralf Beines, Michael Beuth, Maria Bezani, Ulrich Bock, Jörg Borger-Besser, Agnes Brand, Till Busse, Marcus Dekiert, Thomas Deloy, Arne Dreßler, Michael Euler-Schmidt, Marion Euskirchen, Marian Fey, Petra Fleischer, Sybille Fraquelli, Anne Ganteführer-Trier, Bettina Gärtner, Verena Gausmann, Engelbert Greis, Silke Haase, Andrea Habel-Schablitzky, Miriam Halwani, Georg Heusch, Alina Hilbrecht, Candida Höfer, Franz-Josef Höing, Thomas Höltken, Andreas Hupke, Bernd Imgrund, Mieke Jansen, Margrit Jüsten-Mertens, Eva-Maria Kanis, Yvonne Katzy, Navid Kermani, Marion Kranen, Ulrich Krings, Andreas Kupka, Ingrid Lassak, Stefan Lewejohann, Christiane Martin, Wolfgang F. Meier, Jens Meifert, Bettina Mosler, Pfarrer Frank Müller, Rüdiger Müller, Friederike Naumann-Steckner, Johanna Ness, Joachim Oepen, Johannes Ohnemus, Bernhard Ostermann, Inga Pesch, Sascha Pries, Jürgen Raap, Rebekka Reich, Martin Rendel, Helen Reuber, Helmut Roitzheim, Thomas Roth, Gerd Sander, Alfred Schäfer, Werner Schäfer, Jennifer Schinkel, Sibylle Schmitt, Beate Schneider, Irene Schoor, Alfred Schuler, Martina Schulz, René Schulz, Lothar Schwamberg, Martin Seidler, Sven Seiler (†), Elisabeth M. Spiegel, Imke Sturm-Martin, Ulrich S. Soénius, René Spitz, Hendrik Strelow, Gabriele Uelsberg, Eva Voigtsberger-Nobel, Rita Wagner, Pater Christoph Wekenborg OP, Joachim Wieacker, Frieder Wolf. Ausstellung Idee: Mario Kramp und Marcus Trier Konzept: Marion Euskirchen und Stefan Lewejohann Mitarbeit: Mieke Jansen, Sascha Pries, Rita Wagner Sekretariat: Petra Pfeiffer Praktikant: Nora Nassif Leihverkehr: Marion Euskirchen, Stefan Lewejohann Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit: Museumsdienst Köln, Wibke Becker Plakate, Flyer: Rüdiger Müller, René Schulz Objektfotografien: Wolfgang F. Meier & Anja Wegner, Rheinisches Bildarchiv, Römisch-Germanisches Museum/Archäologische Bodendenkmalpflege der Stadt Köln und Kölnisches Stadtmuseum Aufbau und restauratorische Betreuung: Andrea Habel-Schablitzky, Jörg Borger-Besser, Hendrik Strelow, Stefanie Behrendt, Sibylle Schmitt, Kristin Krupa, Katharina Engelmann, Monika Helfmann, Sevgi Özgür, Gerd Schweinsberg, Gabriele Aldrete, Klaus Bungarten, Karl Hainer, Inga Laurinat, Thomas Quaink, Martina von Zelewski Objekte und Leihgaben Kölnisches Stadtmuseum, Römisch-Germanisches Museum, LVR-LandesMuseum Bonn, Mittelrhein-Museum Koblenz, Museum für Angewandte Kunst Köln, Museum Ludwig, Sport & Olympia Museum Bierbaum-Proenen, Brautmoden Arabella, Brauhaus »Em Kölsche Boor«, Excelsior Hotel Ernst, J.P. Bachem Verlag, Lapidarium, Privatbrauerei Gaffel, rendel & spitz, Weinhaus Vogel Dominikanerkirche St. Andreas, Pfarrgemeinde St. Agnes, St. Kunibert, St. Ursula, Erzbischöfliche Diözesanbibliothek, Erzbischöfliche Ursulinenschule, Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds Thomas Busch, Candida Höfer, Andreas Hupke, Gerd Sander, Werner Schäfke, Frank Wagemann, Eusebius Wirdeier Mit freundlicher Unterstützung S Kölner Kulturstiftung der Kreissparkasse Köln
Archäologische Gesellschaft Köln e.V. Freunde und Förderer des Römisch-Germanischen Museums Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V. Stiftung Archäologie in Köln
herausgegeben von mario kramp und marcus trier
drunter und drüber
der eigelstein schauplatz kölner geschichte 2
Begleitband zur Ausstellung des Kölnischen Stadtmuseums und des Römisch-Germanischen Museums der Stadt Köln im Kölnischen Stadtmuseum vom 13. Dezember 2013 bis 27. April 2014
KÖLNISCHES STADTMUSEUM
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
1. Auflage 2014 © J.P. Bachem Verlag, Köln 2014 Idee und Konzept: Mario Kramp und Marcus Trier Bildredaktion: Sascha Pries Textredaktion: Marion Euskirchen, Mario Kramp, Stefan Lewejohann, Marcus Trier, Rita Wagner Lektorat: Christiane Martin, Wortfuchs, Köln Reproduktionen: Reprowerkstatt Wargalla GmbH, Köln Innenlayout: Nadja Fernandes, Grafik et cetera, Köln Titelgestaltung: Rüdiger Müller und René Schulz, Köln Einbandgestaltung: Petra Drumm Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe Printed in Germany ISBN 978-3-7616-2706-8 Buchausgabe ISBN 978-3-7616-2803-4 EPUB ISBN 978-3-7616-2804-1 PDF Aktuelle Programminformationen sowie Download-Links zu unseren Apps finden Sie unter www.bachem.de/verlag Im Apple iBookstore und überall, wo es elektronische Bücher gibt. Weitere Informationen auch unter www.bachem.de/ebooks
inhalt
Der Eigelstein Eine kölsche Geschichte Jürgen Roters
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Heute fährt die 18 bis nach Istanbul … 2000 Jahre Eigelstein Mario Kramp und Marcus Trier
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Römer & Co. Das römische Nordtor von Köln Schmuckstück der Colonia Alfred Schäfer
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Tod am Eigelstein Bestattungsbräuche der Römer Marion Euskirchen
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Das Rätsel des Eigelsteins Adler- oder Eichelstein? Marion Euskirchen
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»Vicus Lucretius« Vom Werden und Verschwinden der römischen Vorstadt Alfred Schuler
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Römische Glashütten am Eigelstein Haushaltsware und Luxusgefäße für Köln Friederike Naumann-Steckner
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Afrikanisches Elfenbein am Eigelstein Ein Alltagsgerät der Luxusklasse Beate Schneider
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Mittelalter und Frühe Neuzeit Eigelstein »eropp un eraff« Streifzug durch ein mittelalterliches Viertel Thomas Höltken und Marcus Trier
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Die Eigelsteintorburg Stadttor und Befestigung der Reichsstadt Andreas Kupka
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Kirchen
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Viertel in der Großstadt
Eine versunkene Welt Der Eigelstein als Teil des »hilligen Coellen« Joachim Oepen
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»Jauchzet, Uferbewohner!« Napoleon am Eigelstein Mario Kramp
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St. Andreas und St. Paul Rettung und Untergang Sybille Fraquelli
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In der Eigelsteintorburg daheim Stadttor, Museum und Denkmal Beatrix Alexander und Michael Euler-Schmidt
105
Das Dominikanerkloster Heilig Kreuz Einmal St. Andreas hin und zurück Margrit Jüsten-Mertens
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Ein Hort der Gelehrsamkeit Das Eigelsteinviertel Stefan Lewejohann
109
115
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Marzellenstraße und Trankgasse Ursprung der Kölner Museen Mario Kramp
St. Ursula 11 000 Jungfrauen im Veedel Ulrich Bock und Thomas Höltken
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Die Makkabäerkirche Verschwundene Konkurrenz zu St. Ursula Ulrich Bock, Thomas Höltken und Sven Seiler (†)
89
Die Marzellenstraße Im Architektursalat Till Busse Die Bahn mitten in der Stadt Fluch und Segen Ulrich Krings
127
Entwicklungshilfe für Köln Die Jesuitenkirche als Kunstimport Johannes Ralf Beines
95
Der Eigelstein im Nationalsozialismus Propaganda – Verfolgung – Zerstörung Thomas Roth
137
Christel Nolden Ambivalente Erinnerungen Verena Gausmann und Eva-Maria Kanis
142
Pater Gildo Baggio Der Glaube bleibt Muttersprachler Maria Bezani
100
Bewohner und gesellschaftliches Leben
Unternehmer und Dienstleister
Groß und Klein am Eigelstein Rita Wagner
145
Die Ewige Lampe – ein kölsches Kaleidoskop Von der Kneipe über das Grandhotel zum traurigen Ende Johannes Ralf Beines
153
Das Excelsior Hotel Ernst Luxus in der Trankgasse Stefan Lewejohann
175
Die Hauptpost An den Dominikanern »Gothik mit Technik fürs kölsche Gemüth« Johannes Ralf Beines
181
J.P. Bachem Verlegerdynastie in der Marzellenstraße Sascha Pries
185
Presse im Viertel Die »Kölnische Rundschau« Jens Meifert
191
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Eigelstein 95 Eine Familiengeschichte Ingrid Lassak
157
Anton »Toni« Merkens Weltmeister und Olympiasieger aus dem Stavenhof Gregor Baldrich
163
Gambrinus, Dionysos und und der Boor Auf Kneipentour am Eigelstein Bernd Imgrund
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Helmut Meyer und 172 Marion Schneider Geschichte und modernes Leben – 70 Jahre am Eigelstein Mieke Jansen und Yvonne Katzy
Gaffel im Herzen der Domstadt 711 Jahre Braustätte am Eigelstein Thomas Deloy
195
Eigelstein 115 Das schmalste Haus von Köln Martin Rendel und René Spitz
199
REWE Von der Selbsthilfeorganisation zum europäischen Konzern Ulrich S. Soénius
203
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Bierbaum-Proenen Berufskleidung aus dem Eigelsteinviertel Ulrich S. Soénius
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Afri-Cola Der Wachmacher vom Eigelstein Rüdiger Müller und Sascha Pries
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Yasemin Balaban Integration geht durch den Magen Maria Bezani
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Milieu – Mythos – Migration »UKB-Story« Die Fotografen Sander, Claasen und Chargesheimer Rüdiger Müller
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Elfriede Blum Ein Leben in und mit »Unter Krahnenbäumen« Alina Hilbrecht und Johanna Ness
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Miljöh, Millowitsch und Migration Das Eigelsteinviertel im Film Marion Kranen und Irene Schoor
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Stüverhoff Rotlicht am Eigelstein Arne Dreßler
233
Milieu und Mythos Sozialer Wandel am Eigelstein Jürgen Raap
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Susanne Kühr und Petra Ganswindt Polizeieinsatz am Eigelstein Marian Fey
244
Lebensräume Frühe Fotografien von Candida Höfer Anne Ganteführer-Trier
247
Migration und Integration am Eigelstein Andreas Hupke und Frieder Wolf
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Sanierung im Eigelsteinviertel Erneuerung statt Verdrängung Franz-Josef Höing und Lothar Schwamberg
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Hinterm Bahnhof Iran neunzehn Cent, Türkei neun, Bangladesch vierundzwanzig Navid Kermani
263
Anhang Ausgewählte Literatur
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Pläne Mercatorplan von 1571 Vordere Umschlagklappe Preußisches Urkataster von 1836/37 Buchmitte, S. 134 Aktueller Stadtplan Köln 2013 Hintere Umschlagklappe
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der eigelstein eine kölsche geschichte jürgen roters
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser, der Erfolg von Ausstellung und Begleitband zum Waidmarkt 2011 war eine Ermunterung, die schöne Reihe mit dem doppelsinnigen Titel »drunter und drüber« fortzusetzen. Nun steht mit dem Eigelstein ein historisch sehr bedeutendes und zugleich höchst lebendiges Viertel im Fokus. Das Eigelsteinviertel ist »urkölsch« und geprägt vom Miteinander unterschiedlicher Gruppen und Kulturen. Seine Geschichte ist natürlich eng mit der 2000-jährigen Geschichte unserer Stadt verbunden: von der Anlage der römischen Vorstadt über das facettenreiche mittelalterliche Leben, die Entwicklung zur modernen Großstadt, Kriegszerstörung und Wiederaufbau bis zum heutigen Leben im Veedel. Ausstellung und Begleitband berichten anschaulich von den Menschen, die hier wirkten, und solchen, die hier seit Langem leben: Menschen unterschiedlichster Herkunft, verschiedenster sozialer Schichten, Prominente und namenlos Gebliebene. Nicht erst seit den letzten Jahrzehnten ist der Eigelstein ein Viertel, das von Zuwanderung gekennzeichnet ist und das von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern – gleich welcher Herkunft – aktiv mitgeprägt wird. Beide Museen, das Kölnische Stadtmuseum und das Römisch-Germanische Museum, leisten so auch einen Beitrag zu aktuellen Debatten, indem sie den Bogen weit spannen: von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft – und dies anhand eines einzigen, eng umrissenen Ortes mit bewegter Geschichte, einem Ort der Römer und ihrer Stadtplanung, der Christen in den kirchlichen Institutionen, der Menschen zwischen Karneval, Brauhäusern und Rotlicht, auch einem Ort der Unternehmer, der Verlage und der Gelehrten und vor allem der »kleinen« Leute. Dies hatte auch Heinrich Böll im Blick, der zeitweise im Agnesviertel lebte, den Eigelstein kannte und seinen Bewohnern sehr zugetan war. In seinem Text zu Chargesheimers Fotoband »Unter Krahnenbäumen« schrieb er 1958: »Straßen wie diese […] können nur als Ganzes leben, nicht in Partikeln, sie sind wie Pflanzenkolonien, die sich aus geheimen Wurzeln nähren; in ihnen lebt es noch, uralt, stolz, unnahbar und seinen Gesetzen treu: Volk.«
Vieles über die von Böll genannten »Wurzeln« erfahren wir in der nun erstmals vorliegenden Geschichte dieses äußerst lebendigen Stadtviertels: ein reich illustrierter Überblick, der niemals vollständig sein kann. Ausstellung und Begleitband sind interdisziplinär und gemeinsam erarbeitet worden. Dr. Mario Kramp, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, und Dr. Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums, ist es wieder gelungen, renommierte Autorinnen und Autoren aus den Teams der beiden Museen und von weit darüber hinaus zu gewinnen: Archäologen, Historiker, Kunst-, Wirtschafts- und Bauhistoriker, Soziologen, Denkmalpfleger und Journalisten, Spezialistinnen für Filmgeschichte und moderne Kunst, Kollegen von anderen Museen, Schriftsteller, Studierende, Archivare und Stadtplaner. Sie alle bereichern aus verschiedensten Blickwinkeln das Thema, ihnen gilt mein herzlicher Dank für ihre engagierte ehrenamtliche Mitarbeit. Mein besonderer Dank gebührt den beiden Kuratoren, Dr. Marion Euskirchen vom RömischGermanischen Museum und Stefan Lewejohann vom Kölnischen Stadtmuseum. Danken möchte ich auch den Kooperationspartnern, den Studierenden des Historischen Instituts der Universität zu Köln, die in einem Seminar zum Thema »Oral History« bei Dr. Imke Sturm-Martin Interviews mit Zeitzeugen führten, sowie Studierenden des Lehrgebiets Szenografie unter der Leitung von Prof. Rebekka Reich von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Mein ganz besonderer Dank gilt jenen, die durch ihr großzügiges Engagement Ausstellung und Begleitband erst möglich machten, allen voran der Kölner Kulturstiftung der Kreissparkasse Köln, der Stiftung Archäologie in Köln und den Freunden des Kölnischen Stadtmuseums, aber auch, wie könnte es im Eigelsteinviertel anders sein, dem Medienpartner Kölnische Rundschau und der Privatbrauerei Gaffel und nicht zuletzt dem J.P. Bachem Verlag für diesen schönen Begleitband. Als jemand, der selbst nicht weit vom Eigelstein entfernt wohnt, ist manches mir bekannt – vieles aber erschließt sich auch mir neu oder zum ersten Mal. Ich wünsche dem Begleitband viele Leserinnen und Leser und der Ausstellung viele Besucherinnen und Besucher und bin sicher, Sie werden mit diesem Buch über das Eigelsteinviertel unsere Stadt und ihre Geschichte neu entdecken! Ihr
Jürgen Roters Oberbürgermeister der Stadt Köln
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heute fährt die 18 bis nach istanbul ... 2000 jahre eigelstein mario kramp und marcus trier
»Im Anfang war das Wort« heißt es im Johannes-Evangelium. Das Wort? »Der Römer« hätte wohl heftig widersprochen und gesagt: »Unsinn, am Anfang ist die Straße!« Denn wenn sich römische Herrscher ein neues »Erschließungsgebiet« auserkoren und militärisch einigermaßen abgesichert hatten, begannen sie mit dem Bau von Straßen. Die Römer liebten Straßen, zu Wasser und zu Lande. Straßen garantierten, dass Truppen so schnell wie möglich von A nach B verlegt und Nachrichten von Eilboten übermittelt werden konnten, aber auch dass mit begehrten Lebensmitteln und Delikatessen Handel getrieben werden konnte. Römer kannten keinen Naturoder Umweltschutz, keine zeitaufwendigen Planfeststellungsverfahren oder andere bürokratische Hürden. Aus Sicht der heutigen Bauingenieure müssen es selige Zeiten gewesen sein: Es wurde gebaut wie geplant. Schwer zu bebauendes Gelände, etwa Sumpf- oder Berglandschaften, waren für römische Ingenieure kein ernsthaftes Hindernis, sondern allenfalls eine Herausforderung, die es zu bezwingen galt. Römische Ingenieure und Straßenbauer waren Meister ihrer Zunft, verstanden sich bestens auf Brücken-, Damm- oder Aquäduktbauten. Mindestens 100 000 Kilometer aufwendig ausgebauter Fernstraßen vernetzten das römische Weltreich. Hinzu kamen ungezählte Kilometer untergeordneter Straßen und Wege. Dieses engmaschige Verkehrsnetz, das durch Wasserwege ergänzt wurde, war Voraussetzung für eine effiziente Verwaltung des Staates, schnelle militärische Bewegungen, Nachrichten, Ideen und den Austausch von Waren aus allen Teilen des römischen Imperiums. Straßen waren die Lebensadern des Reichs. An wichtigen Verkehrsknotenpunkten entstanden im Laufe der Zeit Städte, Dörfer (vici) und Festungen. Entlang der Straßen reihten sich Landgüter (villae rusticae), Raststationen, Herbergen, Heiligtümer und anderes mehr. Köln, Luftbild gut erkennbar die Marzellenstraße, die vom Dom aus links an St. Mariä Himmelfahrt vorbei und hinter der Bahnunterführung als Eigelstein auf der alten Römerstraße schnurgerade bis zur Eigelsteintorburg und als Neusser Straße über die Agneskirche hinaus bis nach Neuss führte – Römisch-Germanisches Museum
Baumaßnahme am Eigelstein zur Erweiterung des Hotels Savoy – Foto Rüdiger Müller
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heute fährt die 18 bis nach istanbul ...
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Bis die römische Herrschaft das Rheinland erreicht und die Landschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte, schlängelte sich ein schmaler Trampelpfad in Sichtweite zum Rhein. Der Mauspfad im Rechtsrheinischen sah wohl ganz ähnlich aus. Dort zeugen heute noch zahlreiche Hügelgräber der vorrömischen Bronze- und Eisenzeit von urgeschichtlicher Besiedlung am Altweg. Auf der linken Rheinseite dagegen machten die römischen Eroberer aus dem einfachen Trampelpfad eine Staatsstraße, die quer durch die römische Stadt zog und diese mit den Städten und Militärstandorten im Norden und Süden verband. Innerhalb Kölns als römischer Kolonie wurde die Straße, hier cardo maximus genannt, Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. zum Prachtboulevard ausgebaut. Damit beginnt unser Thema: die nördliche Vorstadt als Schauplatz der Kölner Geschichte – vom römischen Nordtor vor dem Dom über die Trankgasse, die Marzellenstraße und den Eigelstein bis zur Eigelsteintorburg. Dabei schauen wir auch nach rechts und links, hinein in so manche Seitenstraße. Die Römer ertüchtigten den Straßenabschnitt, den wir heute Eigelstein nennen, immer wieder mit Kieslagen und entwässerten ihn über begleitende Gräben. Wann genau sie die erste Straße trassierten, ist noch unklar. Einen Anhaltspunkt gibt die Moselbrücke bei Trier, die anhand der Althölzer 18/17 v. Chr. datiert werden kann. Dieses frühe Baudatum ist auch für Köln von Bedeutung, denn die Straße muss zeitnah von Trier über die Eifel und Köln zumindest bis nach Neuss verlängert worden sein. Wohl um 10 v. Chr. erreichten die römischen Straßenbauer den Standort Köln, wo dank herausragender Siedlungsbedingungen ein römisch-ubischer Zentralort gegründet Römische Glasgefäße gefunden 2010 bei Kanalarbeiten in der Domstraße – Römisch-Germanisches Museum/ Rheinisches Bildarchiv
2000 jahre eigelstein
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wurde. Aus dem Oppidum Ubiorum wurde die römische Kolonie Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), die spätere Provinzhauptstadt Niedergermaniens. Vor den Stadtmauern entwickelten sich dicht bebaute Vorstädte, auch im Norden, wo heute der Eigelstein über der antiken Straßentrasse verläuft. Gewerbebetriebe standen hier neben Wohn- und Geschäftshäusern, die im Laufe der Zeit baulich immer prächtiger ausgestattet wurden. Erst nachdem Germanen aus dem Rechtsrheinischen für unruhige Zeiten sorgten, zogen sich die Menschen hinter die festen Mauern zurück, andere machten sich auf den Weg in sicherere Länder des Imperium Romanum. Im Schutz der antiken Festung lebten in der Folge auch Franken und Romanen. Dagegen blieb das Gelände links und rechts des Eigelsteins jahrhundertelang nahezu unbesiedelt. Erst im Laufe der Zeit entstanden dort inmitten landwirtschaftlich genutzter Flächen einzelne Höfe und frühe Kirchen mit klösterlichen Einrichtungen. Nach der Jahrtausendwende veränderte sich die Situation am Eigelstein grundlegend, in den Vorstädten entwickelte sich neues Leben. Die ungeheure wirtschaftliche Entwicklung, die Köln damals erlebte, führte zu einem rasanten Bevölkerungswachstum. Immer mehr Menschen zogen nach Köln, suchten vor allem in Rheinnähe und entlang der wichtigen Fernstraßen Bauland. Im 11. Jahrhundert entstanden nördlich, westlich und südlich der alten Stadtmauern neue Sondergemeinden, die 1106 gegen den Willen des Erzbischofs in kurzer Zeit mit Wall und Graben befestigt wurden. Marzellenstraße und Eigelstein führten nun vom römischen Stadttor in Richtung Norden durch den neuen Stadtteil Niederich. Von der dichten mittelalterlichen Hier endete einst die Stadt Felder vor dem Bollwerk der Eigelsteintorburg, Tuschezeichnung von Joseph Michael Laporterie, um 1793 – Kölnisches Stadtmuseum/ Rheinisches Bildarchiv