rum ließ sie sich das eigentlich gefallen?

eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk ... Kummer und Sorgen. Kopfschüttelnd fuhr sich .... Und da Regel Nummer.
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Lena Mazzai

Das Leben ist ein Apfelstrudel Dolce, Pasta & amore Roman

© 2012 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2012 Lektorat: „Textbüro Iris Zauner" Umschlaggestaltung: Flora Kraml Printed in Germany ISBN 978-3-86254-841-5 AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Dieser Roman wurde bewusst so belassen, wie ihn die Autorin geschaffen hat, und spiegelt deren originale Ausdruckskraft und Fantasie wider.

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–1– Der Wecker klingelte. Es war Montag, sieben Uhr. Carlotta Blum blinzelte verschlafen. Konnte eine Woche schlimmer beginnen? Ja, schon, tröstete sie sich, montags um sechs zum Beispiel. Müde schlug sie die flauschige Daunendecke zurück, reckte sich ausgiebig und wankte schlaftrunken ins Badezimmer, wo sich einmal mehr der Spruch bewahrheitete: Spiegel am Morgen bringt Kummer und Sorgen. Kopfschüttelnd fuhr sich Carlotta durch ihr kinnlanges, haselnussbraunes Haar und musterte interessiert ihr Gesicht. Sie stellte sich ganz nah an den Spiegel – so nah, dass die Scheibe durch ihren warmen Atem beschlug – und fuhr behutsam mit den Fingerkuppen über den blassvioletten Schatten unter ihren Lidern, den sie scherzhaft als ihr morgendliches Saturnsyndrom bezeichnete. Unter ihren Augen waren mindestens so viele Ringe zu bestaunen, wie um den besagten Planeten angeordnet sind. In ihrem Alter keine Seltenheit mehr. Carlotta flüchtete vor den Dreißigern – aber ihr Vorsprung wurde geringer. Im Gegensatz zu vielen 3

anderen Frauen ließ sie sich jedoch von solchen kleinen Schönheitsfehlern nicht den Tag verderben. Die Melodie ihres Radioweckers mitsummend begann sie mit ihren kosmetischen Restaurierungsarbeiten. Nun ja. Wenn an da Vincis „Letztem Abendmahl“ mit ähnlicher Sorgfalt gearbeitet worden wäre, würde es wohl heute nur mehr ein d inner for one sein. Doch Carlotta machte sich nicht allzu viel aus Lidschatten und Co. Sie war in ihrem Beruf als PR-Assistentin in der Agentur IdeenReich mit genügend aufgedonnerten Highheelerinas konfrontiert, da musste nicht auch noch sie aussehen wie eine wandelnde Maybelline-Produktpalette. Zwei Bürstenstriche Mascara später knöpfte sie ihren petrolfarbenen Wintermantel bis zum Kragen zu, um sich für den eisigen Wind draußen zu wappnen, und ließ die Tür zur ihrer Dachgeschosswohnung in MünchenSchwabing ins Schloss fallen. Die klirrende Kälte bedeckte ihren ganzen Körper mit Gänsehaut, woraufhin Carlotta den Kopf tiefer in die wollige Wärme ihres weichen Kaschmirschals zog. Wehmütig dachte sie dabei an ihre Mutter Beate, 4

die wahrscheinlich gerade unter der gleißenden Sonne Afrikas schwitzte und sich nicht vom strengen deutschen Winter Frostbeulen und leuchtend rote Rentier-Rudolf-Nasen verpassen ließ. Seit fast zwei Jahren tourte Beate nun schon in ihrer Funktion als Caritas-Helferin durch den Schwarzen – pardon: maximalpigmentierten – Kontinent, um Entwicklungshilfe zu leisten. Sie schlug sich dort mit Hungersnöten, Dürreperioden, verseuchtem Milchpulver und Hollywoodianern herum, die so viele Kinder wie möglich adoptieren und in Gucci-Kleidchen stecken wollten, weil dunkelhäutige Babys angeblich das zweittollste Accessoire der (Dritten) Welt waren – nach Chihuahuas, versteht sich. Carlottas leises Seufzen materialisierte sich in der beißenden Kälte zu einem tanzenden Nebelgespenst. Als sie der verblassenden Dunstwolke nachsah, überlegte sie, wann sie zuletzt mit ihrer Mutter telefoniert hatte. Es muss eine Ewigkeit her sein. Ein leiser Stich in ihrer Brust verdeutlichte, wie sehr ihr die Gespräche fehlten – vor allem jetzt, wo in der Agentur harte Zeiten bevorstanden: Dank eines hoffnungslos überdimensionierten PR5

Events für Kunden und solche, die es noch werden sollten, ging es im Büro gerade drunter und drüber. Dementsprechend war auch die Stimmung auf dem Tiefpunkt – Gerüchten zufolge wurde über ihr gerade eine Kellerwohnung frei. Um die Gästeliste hochkarätig zu halten, mussten manche Kollegen gerade ihrem Wesen zum Trotz ziemlich freundlich sein und waren deshalb relativ gereizt. Die Kunden wiederum glänzten durch Ungeduld und Übellaunigkeit – wahrscheinlich ausgelöst durch die Verstopfung, die die Köpfe der Mitarbeiter in ihren Hintern verursacht hatten. Und mittendrin: Carlotta. Sie war mit der gesamten Organisation beauftragt – angefangen von den Räumlichkeiten, übers Catering bis hin zur musikalischen Untermalung des Abends lag alles in ihrer Verantwortung. Sie hatte alle Hände voll damit zu tun, die Gala minutiös durchzuplanen und für jede Eventualität gewappnet zu sein. Denn ihre bisherige Erfahrung mit Weihnachtsfeiern, Betriebsausflügen und Co. hatte gezeigt, dass die mehr oder weniger unvorbereitbaren Katastrophen solcher Veranstaltungen nicht zufällig passierten, sondern einem 6

bestimmten Gesetz folgten – Murphy’s Law: Alles was schiefgehen kann, wird schiefgehen. Und das konnte sich Carlotta bei Gott nicht erlauben. Nicht, dass sie damit ihren Namen in Verruf bringen würde, denn de facto war es ohnehin so, dass Carlotta zwar die gesamte Verantwortung trug, die Lorbeeren für ein gelungenes Über-dieBühne-Gehen aber jemand anders einheimsen würde. Dieser jemand war Diana Behrens, die ein lebender Beweis dafür war, dass Blondinenwitze in etwa den Wahrheitsgehalt politischer Wahlversprechen besaßen. Diana wusste, was sie wollte – und sie ließ es auch andere wissen. Sie war intelligent, tough, schön und – was vielleicht das Schlimmste daran war – sich dessen auch vollkommen bewusst. Dianas makelloses Aussehen in Verbindung mit ihrem außergewöhnlichen Ehrgeiz sowie einem gezielten Einsatz ihrer Ellenbogen hatten dafür gesorgt, dass sie auf der Karriereleiter ein, zwei Sprossen überspringen und die berühmt-berüchtigte gläserne Decke durchbrechen konnte, als wäre sie ein von gescheiterten Feministinnen in die Welt gesetzter Mythos. Wenn Diana nicht gerade vollzeitwich7

tig war, war sie theoretisch außerdem noch Carlottas beste Freundin – wovon man in der Agentur jedoch herzlich wenig bemerkte: Sobald sich die beiden innerhalb der Mauern des IdeenReichs befanden, mutierte Diana zur Superchefin und Carlotta wurde zur hauptberuflichen „DasMacherin“, wenn Diana befahl: „Mach das.“ Warum ließ sie sich das eigentlich gefallen? Carlotta beantwortete sich ihre Frage mit einem Schulterzucken. Sie mochte Diana eben. Außerdem hatte Diana angedeutet, dass eine perfekte Organisation des PR-Events mit einem gehörigen Schubs für Carlottas berufliches Weiterkommen belohnt werden würde. Eine verlockende Aussicht ... Doch solange sie in der Unternehmenshierarchie noch zu den sozialversicherten Fußabstreifern zählte, musste sie sich bis auf Weiteres wohl oder übel mit profaneren Dingen beschäftigen. Dazu zählte unter anderem die überaus verantwortungsvolle Aufgabe, für Dianas morgendliche Koffeinration zu sorgen. Und da Regel Nummer eins im Diana-Behrens-Benutzerhandbuch lautete: „Du sollst den Tag nicht vor dem Kaffee loben“, ging Carlotta diesem Amt äußerst pflicht8

bewusst nach. Es handelte sich dabei vielleicht nur um einen kleinen Espresso für eine Frau, aber eine große Wohltat für die gesamte Belegschaft! Denn die Tage, an denen Diana einfiel, dass alle Kundendaten nicht nur in elektronischer Form, sondern auch auf Papier vorliegen sollten, man sie bei dieser Gelegenheit gleich aktualisieren sowie eine doppelte Sicherungskopie anfertigen konnte, waren meistens jene unheilschwangeren Stunden, in denen sich zu viel Blut in Dianas Koffeeinkreislauf befand. Carlotta warf einen kurzen Blick auf ihre Uhr: zehn nach halb acht, also höchste Zeit, sich zu sputen! Sie kramte ihre Lieblings-XL-Kopfhörer von WESC, weiß mit bunten Buchstaben im Louis-Vuitton-Style, aus ihrer kirschroten Tasche und brachte ihren metallic türkisen iPod nano dazu, Eros Ramazotti von Liedern singen zu lassen, die Liebe regnen lassen ... Se bastasse una bella canzone a far piovere amore. Schon die ersten Takte zauberten Carlotta ein Lächeln auf die Lippen – es war der Soundtrack für die Einweihungsparty ihres selbst errichteten Luftschlosses, eines kleinen Landhauses irgendwo auf dem 9

Land in Italien, wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte und mit viel Tiramisu und Zuppa inglese einen genussvollen Etappensuizid beging. Während sie tief in ihre Tagträume versunken die Loristraße in ihren knöchelhohen, karamellfarbenen Lederstiefeln entlangstapfte, überholte sie ein paar Abgeordnete der Münchner Schickeria, die mit ihren Bleistiftabsätzen unsicher über das Kopfsteinpflaster wackelten. Ihr Weg führte sie an St. Benno vorbei, deren Ostflügel im Kuss der ersten Sonnenstrahlen in einen warmen Goldton getaucht war. Carlotta liebte die neuromanische Kirche, deren Erhabenheit gerade durch die zurückhaltenden, schlichten Formen unterstrichen wurde. In weniger blasenentzündenden Monaten waren die großen Steinstufen einer ihrer Lieblingsorte, um die samtene Abendwärme im honigfarbenen Licht der untergehenden Sonne mit einem guten Buch auszukosten. Dedicato a tutti quelli che stanno aspettando ... Der Klang italienischer Worte waren für Carlotta die Flügel, die sie dem grauen Alltag entschweben ließen. Beschwingt spazierte sie an sich mit den Schneemassen auf ihren Fahrzeugen abmühen10

den Autofahrern vorbei und bog nach einigen Hundert Metern rechts in die stark befahrene Nymphenburger Straße ein, wo sich eine Blechkarawane ihren Weg durch das morgendliche Verkehrschaos bahnte. Carlotta stieg die matschverschmierten Treppen zur U 1 hinab. Als ihr der ammoniakalische Geruch abgestandenen Urins in die Nase stach, fühlte sie sich einmal mehr bestätigt: Das U in U-Bahn stand weniger für Untergrund, als vielmehr für U-äääääh. Carlotta musterte die fahlen Gesichter der anderen Fahrgäste – entweder hatten sie schlechte Laune oder etwas Ansteckendes. Prophylaktisch hielt Carlotta den Kontakt mit ihnen auf ein Minimum beschränkt – die Grippe hatte gerade Hochkonjunktur und der Impfstoff war dementsprechend schnell aufgebraucht gewesen. Vielleicht würde auch ein intravenös verabreichtes Actimel ihre Abwehrkräfte stärken, aber Carlotta hatte Angst vor den Nebenwirkungen: Womöglich verwandelte sie sich dann in ein überlebensgroßes Dr.Shirota-Gesundheitsbakterium. Am Hauptbahnhof wechselte Carlotta in die braune Linie U 5 Richtung Neuperlach Süd, die sie zum Odeon11

splatz brachte. Erleichtert quetschte sie sich aus der unterirdischen Transportraupe und erklomm eilig die Treppen Richtung Tageslicht. Oben angekommen blickte sie direkt auf die majestätische Feldherrnhalle am Odeonsplatz, die König Ludwig I. als das verbindende Bauwerk zwischen der historischen Altstadt und seiner persönlichen Prachtstraße hatte errichten lassen. Carlotta liebte es, im Sommer neben dem in Bronze gegossenen Grafen Tilly Füße und Seele baumeln zu lassen, während Touristen aus aller Welt versuchten, den imposanten Odeonsplatz in 10 x 15 Zentimeter große Happen zu zerteilen. Ihr Blick schweifte über die beiden steinernen Löwen, die den Treppenaufgang der Loggia flankierten. Nach einer Überlieferung ist einer bayrischer, der andere preußischer Herkunft. Den Unterschied, das hatte ihr irgendjemand einmal erklärt, erkannte man angeblich daran, dass einer der beiden das Maul aufgerissen hatte – was ein Seitenhieb auf die Gesprächigkeit der Norddeutschen war. Direkt hinter diesem architektonischen Tribut an das bayrische Heer befand sich die etwa 50 Meter kurze Viscardigasse, 12

die auch Drückebergergasserl genannt wurde, da man durch sie während des Zweiten Weltkriegs den Hitlergruß vor der Feldherrnhalle umgehen konnte. An der Ecke Viscardigasse / Feldherrnhalle befand sich außerdem eine kleine, aber feine Boutique mit sündhaft schönen, aber leider auch sündhaft teuren Kleidern. Beim Gedanken daran flackerte in Carlotta die schon erloschen geglaubte Motivation erneut auf: Wenn sie erst das PR-Event erfolgreich geschaukelt und von Diana die dafür versprochene Beförderung eingeheimst hatte, würde sie bald anstatt Geld- nur mehr Ist-mir-egal-Scheine ausgeben. Stichwort Diana. Carlotta schwang das geistige Lasso, um ihre Gedanken wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, und steuerte zielstrebig auf die San Francisco Coffee Company zu, die sich an der Ecke des vom Schnee angezuckerten Odeonsplatzes befand. Sie hielt einer gestresst wirkenden Jung-Mami mit Zwillingsbuggy die gläserne Türe auf, bevor sie selbst in die KaffeeOase eintauchte. Sofort stieg ihr der Duft gerösteter Espressobohnen in die Nase und umschmeichelte gemeinsam mit dem buttrigen Aroma 13

backfrischer Croissants ihre Sinne. Carlotta schloss die Augen, sog das süßliche Bouquet aufgeschäumter Milch ein und ließ sich von dem Wohlgeruch fein gesponnener Karamellfäden umgarnen. Tief in die olfaktorische Erlebniswelt versunken, hing sie ihren Gedanken nach. Das Graublau ihrer großen, runden Augen begann zu leuchten, als sie den unverschämt gut aussehenden Barista erspähte, der hier seit ungefähr zwei Monaten das schwarze Gold unter die Leute brachte. Gedankenverloren strich sie sich eine Strähne aus der Stirn. „Wenn er mich heute wieder fragt ...“, dachte sie, „... werde ich nicht mehr ablehnen.“ Entschlossenheit flammte in ihr auf. Heute würde sie Ja sagen. Vielleicht würde er sie bis früh morgens wach halten, ihr womöglich sogar eine schlaflose Nacht bescheren ... Doch das war das Wagnis allemal wert – behauptete zumindest Diana. Carlotta lächelte. Sie war als Nächste an der Reihe. „Ja“, bestätigte sie ihren Entschluss mit einem unmerklichen Nicken, „wenn er mich heute wieder fragt, ob ich den neu ins Sortiment aufge14

nommenen Caramel-Macchiato probieren will, sage ich Ja!“ Doch gerade als sie dazu ansetzen wollte, die freundliche Begrüßung ihres CappuccinoPrinzen zu erwidern, schnitt ihr eine tiefe Männerstimme das Wort ab: „Lassen Sie mich durch – zur Seite bitte ...“ Carlotta drehte sich unwillkürlich um. Der dunkle Bariton gehörte zu einem gut gekleideten Endzwanziger, der offenbar in einem Anflug von Selbstzerstörungswahn die Chuzpe besaß, sich an einer nach Koffein lechzenden Meute vorbeizudrängeln. „Das ist ein Notfall ... lassen Sie mich vorbei ...“, bahnte er sich weiter seinen Weg nach vorne. Carlotta musterte ihn skeptisch. Er war attraktiv, das stand außer Frage. Sorgfältig hatte er sein brünettes Haar so leger gestylt, dass es aussah, als lege er keinen besonderen Wert auf sein Äußeres. Diesen gleichgültigen Eindruck versuchte er durch einen lässigen Drei-oder-weiß-Gott-wieviele-Tage-Bart noch zu unterstreichen. Sein entschuldigendes Lächeln avancierte in Kombination mit den kleinen Grübchen zu einer strategisch eingesetzten Charmeoffensive, die zumin15