Rekord am Slow Food Market

Ulrich Hofmann von der UN-. Konferenz für Handel und Ent- ... Hofmann wies ausserdem da- rauf hin, dass .... Peter Landolt, Tägerschen; Beat. Schmidhauser ...
333KB Größe 3 Downloads 336 Ansichten
14 B AUERN Z EITUNG

REGION AKTUELL

21. NOVEMBER 2014

Rekord am Slow Food Market Genussmesse / So viele Besucher wie noch nie zuvor interessierten sich für Lebensmittel von Kleinproduzenten. ZÜRICH n Mit 12 000 Besuchern verzeichnete der Slow Food Market in der Zürcher Messehalle 9 einen neuen Rekord. Die vierte Ausgabe des Markts zeigte, dass sich ein Standplatz lohnt. Denn 85 Prozent der Besucher gingen mit gefüllten Einkaufstaschen nach Hause, wie eine Umfrage der Veranstalter hervorbrachte.

Kriterien für Standplätze sind streng Von den 212 Ausstellern, die dieses Jahr präsent waren, sind lediglich 18 aus dem Ausland. Das ist einer der Werte der Veranstalter. Die angebotenen Lebensmittel sollen ohne künstliche Zusatzstoffe auskommen, möglichst traditionell hergestellt werden oder eine Nische abdecken, und eben einen lokalen Bezug haben. Denn der Verein Slow-Food Schweiz setzt sich für bewusstes Essen ein. Die Gegenbewegung zum Fast-Food proklamiert, dass Lebensmittel keine Konsumgüter sind.

Kleinbauern ganz gross In diesem Jahr hatte die Kleinbauern-Vereinigung Schweiz einen grossen Auftritt. Mit Infor-

mationen zu ihrer Tätigkeit an einem zentral platzierten Messestand und einer Podiumsdiskussion, zeichneten sie ein Bild der Landwirtschaft in der Schweiz und weltweit und betonten die essenzielle Rolle von kleinbäuerlichen Betrieben in diesem Zusammenhang.

Strukturverbesserungen nötig nach UN-Konferenz UNCTAD Am Samstagnachmittag fand die Podiumsdiskussion der Kleinbauern-Vereinigung statt. Vor der Podiumsdiskussion erhielt Ulrich Hofmann von der UNKonferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) die Gelegenheit, deren Bericht über die Zukunft des Welthandels zu erörtern. In einer grossangelegten Untersuchung stellte die UNCTAD fest, dass die Landwirtschaft zukünftig nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch eine immer grössere Rolle spielen wird. Denn Land und Wasser würden zunehmend zu einem raren Gut. Gerade deshalb sei ­ eine übergreifende Strukturverbesserung nötig, fordert er. Denn von der Kalorienanzahl her würde die doppelte Menge produziert, die die Weltbevölkerung brauche. Jedoch dienten 40 Prozent des

Die Podiumsteilnehmer: Ortoloco-Sprecher Mike Weibel, Ulrich Hofmann von der UNCTAD, Natürli-Geschäftsführer Fredy Bieri und die Präsidentin der Kleinbauernvereinigung Regina Fuhrer (v. l. n. r.). (Bild Nadine Baumgartner) Getreides als Kraftfutter, und 23 Prozent endeten als Biomasse zur Energiegewinnung.

Vielfalt in der Landwirtschaft als Lösung Hofmann wies ausserdem darauf hin, dass Hunderte Millionen Produzenten und Milliarden von Konsumenten gegnüber von 5 bis 20 Grosskonzernen stünden, die den Handel und die Produktion bestimmten.

Und da kam Fredy Bieri ins Spiel, der Geschäftsleiter der Natürli Zürcher Oberland AG. Dieser zeigte stolz auf, dass das Zürcher Oberland das Gebiet mit der grössten Käsereidichte der Schweiz ist. Eine Vielfalt sondergleichen. Auch die Gartenkooperative Ortoloco, vorgestellt von Mike Weibel, zählte zu den Beispielen des Erfolges von Kleinproduzenten, die ohne grosse Handelsunternehmen auskom-

men. 500 Mitglieder der Kooperative arbeiten in den Gemüsefeldern in Dietikon mit und erhalten im Gegenzug wöchentlich einen Gemüsekorb.

Landwirte als Manager eines agro-ökologischen Systems Bei kleineren Betrieben könne der Input massiv geringer gehalten werden, so Hofmann. Man müsse wegkommen vom Glauben, «die Technologie werde

schon alles richten». Es brauche eine standortangepasste Landwirtschaft, sagte Regina Fuhrer, Präsidentin der KleinbauernVereinigung. Deshalb setze sie sich dafür ein, dass die Unterstützung über Direktzahlungen nicht nach oben offen sind und kleinere Betriebe im Verhältnis mehr erhalten. Ausserdem helfe die kürzlich lancierte Hofvermittlung «ausserfamiliäre Hofübergabe» der Vereinigung dafür, dass kleinere Betriebe weniger nur deshalb eingingen, weil kein Nachfolger in der Familie ist. Die ehemalige Bio-SuissePräsidentin Fuhrer zeigte dem Publikum der Slow-Food-Messe das neue Direktzahlungssystem auf und äusserte sich positiv zur Abwendung von Tierbeiträgen hin zu Flächenbeiträgen und der Entgeltung von Leistungen für die Allgemeinheit. Die Diskussion zum Schluss mit Einbezug des Publikums zeigte das Interesse der Konsumenten an diesen Themen und endete nicht beim Ausmachen der Mikrofone. In kleinen Grüppchen wurden die Podiumsteilnehmer auch danach weiter eifrig ausgefragt.  Nadine Baumgartner

Die Martinigans erobert die Schweiz Tierhaltung / Familie Engeler aus Gündelhart hält Weidegänse, diese ­erfreuen sich zunehmender Beliebtheit zu Martini oder Weihnachten. GÜNDELHART

Der Mehrwert von hofeigenen Produkten ist nicht zu unterschätzen. Das Zürcher Oberland hat dahingehend einiges zu bieten. (Bild zVg)

«Direkt vom Buur» im Züri Oberland Direktvermarktung / Die Organisation Pro Zürcher Berggebiet rief zu Besichtigungen und einem Erfahrungsaustausch aus. BAUMA n Was gibt es Frischeres und Authentischeres als direkt beim Landwirtschaftsbetrieb einzukaufen? Die Teilnehmenden des Erfahrungsaustauschs der Agrotourismus- und Direktvermarktungsbetriebe der Region waren sich über das steigende Interesse an Produkten direkt vom Buur einig. Von Gleichgesinnten lernen und Einblicke in andere Betriebe erhalten war das Ziel der Betriebsbesichtigungen der Agrotourismus- und Direktvermarktungsanbieter aus dem Zürcher Oberland. So manch ein Betrieb nutzte die Gelegenheit, einen Blick über den Gartenzaun zu werfen und das vielfältige regionale Angebot kennenzulernen.

Anpacken auf dem Bioobstbaubetrieb Ob für Schulen, Gruppen oder Familien: In der Region Zürcher Oberland gibt es zahlreiche au-

thentische Angebote für Erlebnisse aus erster Hand. Sei es bei einem Spaziergang mit Lamas der Familie Hächler aus Gossau oder einem Rundgang über die Felder der Familie Fahrni. Letztere ermöglicht Schulklassen Einblicke in einen Selbstversorgerbetrieb sowie erntet und bäckt mit ihnen. Beim Bioobst- und Beerenbetrieb der Familie Raths in Bubikon können Familien selber mit anpacken, im Tippi übernachten und die Ruhe geniessen – sofern nicht gerade die Säuli ausbüxen, die wieder eingefangen werden wollen.

Hofladen und Bäsebeiz Durch die Verwendung hofeigener Produkte erhält der Gast einen Mehrwert. Das schätzen auch die Besucher von Bergers Hoflädeli, wo bereits zum Weihnachtsmarkt gerüstet wird und

die Gäste der Bäsebeiz «StallStube» in Maur, die neben hofeigenem Fleisch auf der Karte kreative Menubezeichnungen wie «Grillierter Velosattel» (Schweinshalssteak), «Skater» (RindshackSteak mit Salat) sowie «Steindrüese Rieme» (Bauernbratwurst) finden.

n Es schnattert auf der Wiese rund um das Schloss Gündelhart TG. Rund 50 Weidegänse leuchten weiss auf der Wiese und bewegen sich nahezu synchron. Die meisten davon sind bereits als Festtagsbraten reserviert. Die Martinigans ist ein traditionelles Gericht aus Deutschland und Österreich und erfreut sich zunehmender Beliebtheit in der Schweiz. Sie wird nicht nur am 11. November 2014, zu Martini, gerne verspeist, sondern im ganzen November und vor allem zu Weihnachten. Heute zählt der Verein weidegans.ch 46 Mitglieder, die alle nach dem Weidegans-Label Gänse produzieren: regional und tierfreundlich. Auch Gudrun Engeler aus Gündelhart. «Das Konzept einer artgerecht gehaltenen Weidegans überzeugt mich.»

Qualitativ hervorragend gutes Fleisch Gänse belebten schon seit jeher den Schlosshof, nun sind einfach ein paar mehr dazuge-

kommen. Engeler kauft jeweils im April/Mai frisch geschlüpfte Gänseküken, Gössel genannt. Diese hält sie noch unter der Wärmelampe. Ab der dritten Woche dürfen die Küken erstmals zeitweise auf die Weide. Nach der achten Woche, wenn die Gans ihr flauschiges Federfell gegen ein wetterfestes Federkleid ausgetauscht hat, darf sie ganztags raus auf die Weide und sich am Gras sattfressen, zur Ergänzung erhält sie noch eine Getreidemischung mit Vitaminen und Mineralien. Im Gegensatz zu einer intensiv gemästeten Gans hat die Weidegans ausreichend Bewegung, was ihr Fleisch zart und geschmackvoll macht. Nach 20 Wochen Weidezeit erreicht sie Schlachtreife. Trotz relativ kurzer Lebensdauer der Gans, die natürliche Lebenserwartung beträgt bis zu 40 Jahren, kann mit der extensiven Mast ein qualitativ gutes Fleisch produziert werden. Gudrun Engeler schwärmt vom speziellen Eigengeschmack des roten

Fleisches, das von der Konsistenz her an Ente erinnert.

Festtagsbraten in limitierter Auflage Auch Stefan Müller aus Thundorf ist bei weidegans.ch dabei. Er hat seinen Bestand von 50 (letztes Jahr) auf 80 Gänse aufgestockt. «Die Hälfte geht an Restaurants und Metzgereien. Die andere Hälfte verkaufe ich an Private.» Er hält seine Weidegänse mitten im Dorf. Wenn seine Gänse etwas wittern, und sei es nur ein heruntergefallener Apfel, wird es ganz schön laut. «Aus Rücksicht auf Nachbarn lasse ich sie sonntags erst um 9 Uhr raus.» Wer sich noch einen Festtagsbraten für Weihnachten reservieren will, muss sich sputen, denn die Gänse sind limitiert. Weitere Thurgauer WeidegansProduzenten nebst Gudrun Engeler und Stefan Müller sind: Stefan und Hans Feuz, Bichelsee; Peter Landolt, Tägerschen; Beat Schmidhauser, Hohentannen und Michael Stüssi, Frauenfeld.  Salome Preiswerk Guhl

Gute Mitarbeitende sind das A und O Gutes Personal ist gemäss Daniel Bachofen von der «Stall-Stube» in Maur das Geheimrezept des Erfolgs. Auch wenn es eine Herausforderung für einen landwirtschaftlichen Betrieb sein kann, motivierte Mitarbeitende zu finden. Ebenfalls wichtig ist die Authentizität, die von den Gästen und Konsumenten sehr geschätzt wird. Für die Landwirtschaft und den Tourismus ist sie ein Schlüssel zum Erfolg, das zeigen die Erfahrungen der besuchten Betriebe deutlich. pd

Stefan Müller aus Thundorf und Gudrun Engeler aus Gündelhart sind gan(s)z fasziniert von ihren schnatternden Weidegänsen. (Bild Salome Preiswerk Guhl)