Quartettsound von magischer Stimmigkeit

Bänz Oester & The Rainmakers. Playing At The Bird's Eye. (Unit 2014). 4. Arnold Schönberg. Lyrische Suite/Verklärte Nacht. (Harmonia Mundi 2014). 5. Mozart.
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CD-TIPPS

JAZZ

Quartettsound von magischer Stimmigkeit

JOCHENQUAST

Das Lisbeth Quartett schafft es, mit wenigen vereinten Tönen Atmosphären zu erzeugen, die sich sogleich in die Sinne von aufmerksamen Zuhörern einbrennen. Stimmungen, die sich im Verlauf ihrer Stücke verdichten, verändern – oder aber treffsicher verpuffen. Das Besondere daran: Hier sind keine geübten Veteranen am Werk. Bandleaderin und Saxerin Charlotte Greve ist 26 Jahre jung, Pianist Manuel Schmiedel und Drummer Moritz Baumgärtner sind nur wenig älter. Einzig Bassist Marc Muellbauer ist reife 45. Gemeinsam erzeugen diese begnadeten Musiker einen Bandsound, der von In-

timität und zugleich Offenheit geprägt ist und deshalb diese magische Stimmigkeit erreicht. Saxerin Greve und Pianist Schmiedel leben zwar mittlerweile in New York und ihre Kollegen nach wie vor in Berlin, doch das Lisbeth Quartett hat nichts von seiner Bandmagie verloren. Eine EntdeFrank von Niederhäusern ckung!

Lisbeth Quartett Framed Frequencies (Traumton 2014).

Lisbeth Quartett: Mit Charlotte Greve als Bandleaderin

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KLASSIK

KLASSIK

JAZZ

JAZZ

EINEM THRILLER GLEICH

SCHWANENGESANG

WEITE PANORAMEN

VOLLER LEIDENSCHAFT

Das Erstaunliche an Arnold Schönberg (1874–1951) ist, dass er auch 60 Jahre nach seinem Tod noch Fluchtre flexe auslöst: «Achtung! Neu! Atonal!» Die Neueinspielung seiner «Verklärten Nacht» macht diese Assoziation nun definitiv zunichte: Erstens ist es kein atonales Werk. Und zweitens spielt das hochmotivierte Ensemble Resonanz dieses Opus so, als wäre es ein Thriller – spannungsgeladen, rätselhaft, dunkel und mit erlösendem Ende.

Pianist Martin Helmchen hat als weitere Mosaiksteine seiner Mozart-Interpretationen die B-Dur-Konzerte KV 450 und KV 595 eingespielt. Das Niederländische Kammerorchester versteht sich als einfühlsamer Begleiter und ist bereit für den Dialog mit dem jungen Berliner Pianisten. Diese Aufnahme setzt wiederum Massstäbe und verbindet die jugendliche Anmut Mozarts mit dem Schwanengesang seines letzten Klavierkonzerts.

Der Zürcher Saxofonist Jochen Baldes überrascht immer wieder mit neuartig konzipierten Programmen. Die vierte CD seiner Langzeitband Subnoder klingt nach Modern Jazz der 50er- und 60er-Jahre. Im Wechselspiel mit Gitarrist Franz Hellmüller lässt Baldes die hymnischen Grooves aber oft zu filigranen Melodiebögen gerinnen. Umgekehrt weitet das agile Quintett zart angesetzte Balladen in wuchtige Panoramen. Kraftvolle Klangpoesie mit Retrotouch.

Ob selbst komponiert oder inspiriert: Bei der Musik der Rainmakers ist kaum ein Ton neu. Und doch wird Erkennbares von John Coltrane bis Abdullah Ibrahim, vom afrikanischen Südkap-Jazz bis zur Schweizer Volksmusik mit Leidenschaft und spiritueller Energie adaptiert. Angeführt vom Berner Bassisten Bänz Oester, macht die südafrikanische Rhythmusgruppe viel tänzerischen Druck. Darüber singt hymnisch das Tenorsaxofon von Ganesh Geymeier.

Annelis Berger, SRF 2 Kultur

André Scheurer, Radio Swiss Classic

Frank von Niederhäusern

Jürg Solothurnmann

Arnold Schönberg Lyrische Suite/Verklärte Nacht (Harmonia Mundi 2014).

Mozart Piano Concertos No 15 & 27 (Pentatone Classics 2014).

Jochen Baldes Subnoder Here (Double Moon 2013).

Bänz Oester & The Rainmakers Playing At The Bird’s Eye (Unit 2014).

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CD-TIPPS

WORLD

Klassiker-Liebe zum Lüpfigen

PD

Die Hanneli-Musig behauptet im Untertitel zu ihrem sechsten Album «Polka ma non troppo» kühn: «Volksmusik – die heimliche Liebe grosser Komponisten». Und höre da: Das Sextett hat 33 Stücke auf dem Album versammelt, die allesamt aus klassischer Feder stammen. Es sind volksmusikalische Preziosen, dargebracht, als gehörten sie selbstverständlich zum Klangbild einer Formation wie der Hanneli-Musig. Alle Titel sind nachgewiesen, datiert und kurz kommentiert. Ein schönes Beispiel bildet der «Züricher Vielliebchen-Walzer» (1854), mit der Anmerkung des Komponisten: «So lustig wie möglich, aber

mit leidenschaftlichem Anstand.» Der Komponist: Richard Wagner. Sein Name findet sich im munteren Klassiker-Reigen dieser gelungen CD-Auswahl unter Komponisten-Kollegen wie Rachmaninow, Mozart, Grieg, Schubert und vielen mehr. Alle hatten sie (auch) ein Flair für das VolkstümlichLüpfige. Urs Hangartner

Hanneli Musig Polka ma non troppo (Mühlirad/Zytglogge 2014).

Mit feinen Fundsachen: Hanneli-Musig

SOUNDS

SOUNDS

WORLD

WORLD

RAUCHIG UND RAFFINIERT

GELÄUTERTER GITARRIST

DER KONGO ERWACHT

MITREISSEND

Hand aufs Herz: Manche Songzeilen von nuschelnden Rocksängern bleiben ein Rätsel. Weshalb sich also deftigen Folkrock nicht gleich in einer Sprache anhören, die den meisten unverständlich, dafür berauschend klangvoll ist? Roland Vögtli aus Scuol besingt sein Leben und seine Träume in Rumantsch. Cha da Fö (Küche) heisst seine neueste Band. Entsprechend rauchig und rezent, aber raffiniert zubereitet hören sich die Songs des Debütalbums an. Frank von Niederhäusern

Man hatte den britischen Blues-Gitarristen Matt Schofield als pathologischen Vielspieler abgebucht. Auf «Far As I Can See» erweist er sich nun als geläuterter Eklektiker: Gekonnt setzt er sein an Jimi Hendrix und Albert King angelehntes Spiel auf Musikstile wie Funk, Gumbo und Psychedlic Rock an. Sicher führt er nur das zusammen, was zusammengehört. Dies mit grosser Zurückhaltung und einem im Blues selten gewordenen Sinn für Spannung und Dramatik. Nick Joyce

Jahrzehntelang herrschte in Kongos Musikwelt Dürre. Es blieb fast nur der nostalgische Rückgriff auf die kongolesische «Klassik». Aber langsam spriesst neues Leben, etwa Black Bazar, die Band des kongolesischen Autors Alain Mabanckou. Deren zweites Album sprüht vor Lebens- und Spielfreude, experimentiert gewitzt mit aktuellen Musikströmungen, schmeisst aber die regionalen Gebräuche nicht in den Kübel. Ein Album, das mächtig aufpeppt. Marianne Berna, SRF 3

Anfang der 2000er-Jahre waren Äl Jawala eine Strassenband. Aber eine, die selbst gestresste Passanten nicht kaltliess. Mittlerweile sind sie einer der grossen Namen der deutschen Balkan-Bläser-Szene. Die fünfköpfige Formation beweist mit ihrem Live-Album einmal mehr, wie sehr sie ihr Publikum mitreissen kann. Und sie zeigt eine beeindruckende musikalische Entwicklung. Ska, Reggae und DanceBeats – vor nichts macht die Band mit dem originellen Sound halt. Claudine Gaibrois

Cha da Fö Automatic (R-Tunes 2014).

Matt Schofield Far As I Can See (Mascot 2014).

Black Bazar Round 2 (Lusafrica 2013).

Äl Jawala Live (ENJA Records 2013).

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