players en Ter, They play, and iF The game designers have done ...

sam und max sind zwei privatdetektive und die Hauptdarsteller des gleichnamigen adventure-games ... (übersetzte ausgabe, 1982) frankfurt/main : ullstein.
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Understanding Games Wie Computer- und Videospiele funktionieren Diplomarbeit (Theoretischer Teil) von Andreas Zecher Studiengang Kommunikationsdesign Matrikelnummer 4223 FH Potsdam, FB Design Wintersemester 2006/2007 Betreuer: Prof. Boris Müller, Prof. Klaus Dufke, Mattias Ljungström

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Inhalt Einleitung

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Kapitel 1: Spiel

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1.1 Definition des Spiels

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1.2 Eigenschaften des Computerspiels

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1.3 Klassifikation der Spiele

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1.4 Regeln

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1.5 Interaktivität und Gameplay

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1.6 Simulation

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1.7 Repräsentation

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Kapitel 2: Motivation

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2.1 Definition der Motivation

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2.2 Flow

33

2.3 Feedback

35

2.4

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Belohnungen

2.5 Konflikt

41

2.6

Ziele

43

2.7

Herausforderung

47

Kapitel 3: Lernen

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3.1 Definition des Lernens

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3.2 Aktives Lernen

52

3.3 Erforschen und Erkunden

55

3.4 Mustererkennung

59

3.5 Gefahrlosigkeit und Wiederholbarkeit

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3.6 Lerninhalte

61

Kapitel 4: Identifikation

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4.1 Definition der Identifikation

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4.2 Spielthema

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4.3 Spielfiguren

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4.4 Steuerung

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4.5 Immersion

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4.6 Strategien und Handlungsmöglichkeiten

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Kapitel 5: Dokumentation

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5.1 Umsetzung

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5.2 Entwicklungsprozess

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Kapitel 6: Anhang

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6.1 Literaturliste

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6.2 Spieleliste

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Another World

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– Steven Johnson: Everything Bad is Good for You

„There’s a comparable blindness at work in the way games have been covered to date. For all the discussion of gaming culture that you see, the actual experience of playing games has been strangely misrepresented.“

Einleitung Ich bin mit Computerspielen aufgewachsen, so wie Jugendliche heute ganz selbstverständlich mit dem Internet aufwachsen. Meinen ersten Kontakt mit Computerspielen hatte ich mit etwa 8 Jahren auf dem beliebten Heimcomputer Commodore 64. Meine Eltern hatten diesen für meinen älteren Bruder und mich gekauft, wohl in der Hoffnung, mit einem „richtigen“ Computer würden wir mehr machen als „nur“ Spielen. Zum Unglück meiner Eltern interessierten meinen Bruder und mich aber vor allem die Spiele. Ein paar Jahre später versuchte ich mich darin, eigene Spiele auf meinem Amiga zu programmieren. Meinem Vater dämmerte es, dass Computer später im Berufsleben eine wichtige Rolle spielen würden. Daher fragte er mich, warum ich anstelle von Spielen nicht etwas „Sinnvolles“ programmieren würde, beispielsweise Tabellenkalkulationen. Ihm war jedoch nicht bewusst, dass es keine Rolle spielt, ob ich nun Spiele oder Anwendungen programmieren würde – schließlich lernt man in beiden Fällen, wie man ein Computerprogramm schreibt. Wie groß wäre jedoch meine Motivation gewesen, eine Anwendung zu programmieren, für die ich keinen Grund sah, sie selbst zu benutzen? Die Aussicht auf ein eigenes Computerspiel motivierte mich hingegen ausreichend, um das Programmieren zu erlernen. Meine Faszination für Computerspiele hat bis heute angehalten: Ich versuche hinter die Kulissen der Spiele zu schauen, indem ich den Fragen nachgehe: Aus welchen grundlegenden Elementen setzt sich ein Spiel zusammen? Was macht ein gutes Spiel aus? Warum machen mir einige Spiele Spaß und andere nicht? Diese Fragen haben bereits zahlreiche Autoren in Fachpublikationen aus verschiedenen Perspektiven heraus versucht zu beantworten. Zu diesen Autoren zählen u. a. Huizinga, Caillois, Suits, Crawford, Salen, Zimmerman, Koster, Gee oder Juul, auf deren Positionen im theoretischen Teil dieser Arbeit ausführlicher eingegangen werden soll. Diese Publikationen werden jedoch naturgemäß nur von einem spezifischen Fachkreis und nicht von Spielern oder gar Nicht-Spielern gelesen. Das Verständnis und somit auch die Akzeptanz für Computerspiele scheinen jedoch insbesondere bei Nicht-Spielern oft gering zu sein. Die zentrale Fragestellung meiner Diplomarbeit lautet daher wie folgt: Wie kann ich grundlegende Prinzipien des Computerspiels – basierend auf ausgewählten Game Design Theorien der genannten Autoren – innerhalb eines dafür entworfenen Computerspiels direkt erfahrbar machen? Meine These lautet, dass sich diese Konzepte sehr viel besser in einem Computerspiel vermitteln und demonstrieren lassen, als in einer theoretischen Abhandlung. Wer verstehen will, wie das Medium Computerspiel funktioniert, muss selbst spielen. Ein Zuschauer, der nur passiv das Spielgeschehen verfolgt, kann lediglich die Repräsentation des Spiels wahrnehmen, während ihm das eigentliche Spielerlebnis verborgen bleibt: Die aktive und zielorientierte Teilnahme am Spiel, das Eintauchen in die Spielwelt, die Identifikation mit den Spielfiguren, das Meistern einer schwierigen Herausforderung nach zahlreichen erfolglosen Versuchen, das Ausloten der Regeln, die Kommunikation mit den anderen Spielern, die tiefe Konzentration auf das Spielgeschehen oder die veränderte Wahrnehmung der Zeit.

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Mit meiner Diplomarbeit Understanding Games versuche ich, die Wahrnehmung für Computerspiele zu schärfen, indem ich die Spielprinzipen, Grafik und Sound so weit als möglich vereinfache, damit die Spielinteraktion in den Fokus des Spielers rückt. Dazu habe ich unter den folgenden Fragestellungen vier Spiele entwickelt: 1. Spiel: Wie definieren sich Computerspiele und aus welchen grundlegenden Elementen setzen sie sich zusammen? 2. Motivation: Welche Faktoren motivieren den Spieler auf Dauer, ein Computerspiel weiter zu spielen, anstatt aufzuhören? 3. Lernen: Welche Rolle spielt das Prinzip des Lernens bei Computerspielen? 4. Identifikation: Auf welche Art und Weise identifiziert sich der Spieler mit den Spielfiguren und dem Thema eines Computerspiels? In den folgenden vier Kapiteln werde ich die ausgewählten Konzepte der genannten Autoren zusammenfassen, erläutern und in Hinblick auf meine Fragestellung einordnen. In den jeweiligen Kapiteln werde ich weiterhin darauf eingehen, wie ich diese Konzepte in den Spielen umgesetzt und für den Spieler erfahrbar gemacht habe. Die ausgewählten Themen erheben nicht den Anspruch, alle Aspekte von Computerspielen vollständig abdecken zu können. Ein Blick auf die Literaturliste mag einen Eindruck davon vermitteln, wie viele unterschiedliche Sichtweisen auf Computerspiele möglich sind. Understanding Games richtet seine Aufmerksamkeit vor allem auf das Spielerlebnis des Spielers. Ich hoffe, mit meiner Diplomarbeit jene Aspekte beleuchten zu können, welche für mich die Faszination von Computer- und Videospielen ausmachen.

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Kapitel 1: Spiel

Vib Ribbon

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– Bernard DeKoven: The Well-Played Game

„What‘s amazing to me about all this is that the game itself doesn‘t change. The rules and the conventions are the same. But the manner of playing the game is completely different.“

Kapitel 1: Spiel

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Kapitel 1: Spiel

1.1 Definition DES SPIELS Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga untersucht in seinem Essay „Homo Ludens“ umfassend die Bedeutung des Spiels für die Kultur. Er etabliert eine Definition des Spiels, welche die formalen Kennzeichen des Spiels beschreibt. „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewußtsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche‘ Leben.“ (Huizinga 1938: 37) Sehen wir uns die einzelnen Punkte von Huizingas Definition etwas genauer an: • Das Spiel ist eine freie Handlung. Ohne die freiwillige Teilnahme der Spieler kann kein Spiel zustande kommen. Nach Huizinga ergibt sich die Freiheit aus der fehlenden physischen Notwendigkeit des Spiels: „[...] für den erwachsenen und verantwortlichen Menschen ist das Spiel eine Funktion, die er ebensogut lassen könnte.“ (1938: 16) • Das Spiel ist zeitlich und räumlich abgeschlossen und begrenzt. Huizinga schreibt: „Das Spielt beginnt, und in einem bestimmten Augenblick ist es ‚aus‘. Es ‚spielt sich ab‘.“ (1938: 18) Aus der zeitlichen Begrenztheit ergibt sich nach Huizinga die Wiederholbarkeit als zentrale Eigenschaft des Spiels. Räumlich wird das Spiel durch ein Spielfeld abgegrenzt, welches unterschiedliche Formen annehmen kann und in dem besondere Regeln gelten. • Das Spiel beinhaltet absolut bindende Regeln, die für alle Spieler gültig sind. Werden die Spielregeln übertreten, stürzt die Spielwelt zusammen. (1938: 20). • Das Spiel hat sich selbst zum Ziel. Nach Huizinga ist weder ein materielles Interesse mit dem Spiel verbunden, noch wird ein Nutzen durch das Spielen erworben. (1938: 22) • Das Spiel ist nicht das „eigentliche“ Leben, sondern unterbricht das „gewöhnliche“ Leben vielmehr. Huizinga schreibt: „In der Sphäre eines Spiels haben die Gesetze und Gebräuche des gewöhnlichen Lebens keine Geltung.“ (1938: 21) Die Spieler sind sich darüber bewusst, dass sie „nur spielen“. Ihr Spielen ist ein „So-tun-als-ob“ und „nicht so gemeint“. Huizinga weist darauf hin, dass „dies ‚bloße Spielen‘ mit dem größten Ernst vor sich gehen kann“. (1938: 17) Der französische Schriftsteller und Philosoph Roger Caillois etabliert in seinem Buch „Die Spiele und die Menschen“ eine weitere Definition des Spiels, welche auf der Arbeit von Huizinga basiert. Caillois definiert das Spiel in formaler Hinsicht wie folgt in sechs fundamentale Merkmale: „Das Spiel ist 1. eine freie Betätigung, zu der der Spieler nicht gezwungen werden kann, ohne daß das Spiel alsbald seines Charakters der anziehenden und fröhlichen Unterhaltung verlustig ginge; 2. eine abgetrennte Betätigung, die sich innerhalb genauer und im voraus festgelegter Grenzen von Raum und Zeit vollzieht; 3. eine ungewisse Betätigung, deren Ablauf und deren Ergebnis nicht von vornherein feststeht, da bei allem Zwang, zu einem Ergebnis zu kommen, der Initiative des Spielers notwendigerweise eine gewisse Bewegungsfreiheit zugebilligt werden muß.

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Kapitel 1: Spiel

4. eine unproduktive Betätigung, die weder Güter noch Reichtum noch sonst ein neues Element erschafft und die, abgesehen von einer Verschiebung des Eigentums innerhalb des Spielerkreises, bei einer Situation endet, die identisch ist mit der zu Beginn des Spiels; 5. eine geregelte Betätigung, die Konventionen unterworfen ist, welche die üblichen Gesetze aufheben und für den Augenblick eine neue, alleingültige Gesetzgebung einführen; 6. eine fiktive Betätigung, die von einem spezifischen Bewußtsein einer zweiten Wirklichkeit oder einer in Bezug auf das gewöhnliche Leben freien Unwirklichkeit begleitet wird.“ (1958: 16) Caillois übernimmt einige Merkmale aus Huizingas Definition: Spiel als eine freie, geregelte und zeitlich und räumliche begrenzte Handlung. Das Merkmal der fiktiven Betätigung basiert auf dem Gedanken von Huizinga, nachdem das Spiel als „außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird“. Caillois verzichtet hingegen bewusst auf Huizingas Eigenschaft des Spiels als eine Handlung ohne materielles Interesse. Denn eine solche Definition schließt Wetten und Glücksspiele, und damit letztlich den Aspekt des Zufalls vollkommen aus. (1958: 11) Statt dessen ersetzt Caillois dieses Merkmal durch das der Unproduktivität. Dieses Merkmal deckt auch Glücksspiele ab, da diese als zero-sum games betrachtet werden können: Der Gewinn des einen Spielers ergibt sich aus dem Verlust des anderen Spielers. Während die Definitionen von Huizinga und Caillois das Spiel als Spielhandlung beschreiben, etablieren Katie Salen und Eric Zimmerman in ihren Standardwerk „Rules of Play: Game Design Fundamentals“ eine Definition, welche das Spiel als System betrachtet: „A game is a system in which players engage in an artificial conflict, defined by rules, that results in a quantifiable outcome.“ (2004: 80) Salen und Zimmerman heben in ihrer Definition den künstlichen Konflikt hervor, unter dem die Spieler miteinander interagieren. Der Konflikt endet im einem quantifizierbarem Ergebnis: Ein Spieler gewinnt oder verliert, oder kann seine Leistung in Form eines Punktestands ablesen. Kapitel 2.5 geht ausführlich auf das Element des Konflikts in Spielen ein.

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Kapitel 1: Spiel

A Bub erklärt dem Spieler, warum es wichtig ist, dass sich das Ergebnis des Spiels nicht vorhersehen lässt. Der Spieler hat zuvor bereits einige

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Zeit gegen Bub gespielt, ohne einen Punkt zu machen.

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Kapitel 1: Spiel

1.2 Eigenschaften des Computerspiels In wie weit sind die in Kapitel 1.1 aufgeführten Merkmale von Huizinga und Caillois für Computerspiele gültig? Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Dabei sind unter dem zusammenfassenden Begriff des Computerspiels nachfolgend alle Spiele gemeint, welche auf einem Computer oder auf einer Spielkonsole gespielt werden können. Die Regeln bilden ein zentrales Element von Computerspielen. Sie sind für den Spieler unverzichtbar, weil sie dessen Handlungsmöglichkeiten bestimmten. Der Computer benötigt wiederum Regeln, um die Handlungen des Spielers verarbeiten zu können. Auf die Bedeutung der Regeln wird in Kapitel 1.4 weiter eingegangen. Das Spielen eines Computerspiels ist weiterhin eine eindeutig freie Betätigung. Es besteht, wie beim Spiel im Allgemeinen, keine physische Notwendigkeit, seine Zeit mit einem Computerspiel zu verbringen. Gleichzeitig ist die freiwillige Interaktion des Spielers die Voraussetzung für den Ablauf eines Computerspiels. Dies wird in Kapitel 1.5 näher beleuchtet. Der Ausgang eines Computerspiels muss ungewiss A sein, da das Spiel sonst seinen Reiz verliert. Steht zu einem bestimmten Zeitpunkt fest, dass ein Spieler keine Möglichkeit mehr hat das Spielziel zu erreichen, wird er in der Regel aufgeben und die Partie beenden. Spielen zwei Personen gegeneinander, welche das Spiel unterschiedlich gut beherrschen, gewährt der erfahrenere Spieler dem unterlegenen Spieler daher oft einen Vorteil in Form eines Handicaps. Computerspiele finden in einer fiktiven Welt statt. Das Spielen eines Computerspiels ist eine simulierte Handlung, ein „So-tun-als-ob“. Ein Spieler, der Space Invaders (1978) spielt, sitzt nicht tatsächlich in einem Raumschiff, sondern navigiert seine Spielfigur durch einen fiktiven Raum. Welche Rollen Simulation und Repräsentation in Computerspielen einnehmen, wird in den Kapiteln 1.6 und 1.7 behandelt.

SPACE INVADERS

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Kapitel 1: Spiel

Lassen sich Computerspiele zeitlich und räumlich abgrenzen? Jesper Juul nennt den Zeitraum zwischen Beginn des Spiels und dem Ende des Spiels play time. Mit dem Ende des Spiels ist dabei jener Zeitpunkt gemeint, an dem das Spielergebnis fest steht. (Juul 2005: 142) In vielen Computerspielen hat der Spieler jedoch die Möglichkeit, das Spiel mit Hilfe einer Speicherfunktion zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen. Zahlreiche Computerspiele wie The Sims (2000) haben zudem kein Ziel, mit dem das Spiel zwangsläufig endet. Sie lassen sich über einen beliebig langen Zeitraum spielen.

Grand Theft Auto III

Auch die räumliche Abgrenzung ist bei Computerspielen weniger eindeutig als bei konventionellen Spielen. Der virtuelle Spielraum ist durch das Computerprogramm veränderbar und oftmals von den Handlungen und der Position des Spielers im Raum abhängig. Während viele klassische Arcade-Spiele wie Pac-Man (1979) auf einem fest abgegrenzten Spielfeld stattfinden, wirkt die virtuelle Welt aktueller Computerspiele wie Grand Theft Auto III (2001) oder World of Warcraft (2004) nahezu grenzenlos. Der Begriff der Unproduktivität lässt sich nicht ohne Probleme auf Computerspiele übertragen. Caillois schrieb seine Definition in den fünfziger Jahren, als sich der Begriff der Produktivität auf die Herstellung von materiellen Gütern bezog. Unser heutiges Verständnis von Produktion beinhaltet aber auch die Generierung von immateriellen Gütern wie Computersoftware. Viele Computerspiele bieten den Spielern die Möglichkeit eigene Inhalte wie Level, Modifikationen oder Spielfiguren zu erstellen und stellen somit Caillois Modell der Unproduktivität in Frage.

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Kapitel 1: Spiel

1.3 Klassifikation der Spiele In seiner Klassifizierung der Spiele erweitet Caillois die eher Wettkampf-orientierte Sicht des Spiels von Huizinga mit Hilfe der Rubriken Agôn, Alea, Mimikry und Ilinx. Kaum ein Spiel enthält dabei ausschließlich Elemente einer dieser Rubriken, sondern kombiniert sie in einer sinnvollen Balance miteinander.

Agôn (Wettkampf) Der Wettkampf wird bestimmt von der Chancengleichheit zwischen den Spielern und den idealen Bedingungen, unter denen er ausgetragen wird. Diese werden künstlich herbeigeführt, indem jeder Spieler Ressourcen wie Spielsteine in gleicher Anzahl und Wert erhält. Der Wettkampf ist daher in erster Linie abhängig von den individuellen Eigenschaften der Teilnehmer wie Geschwindigkeit, Ausdauer, Kraft, Geschick, Gedächtnis oder Scharfsinn. Klaffen die Fähigkeiten der gegeneinander antretenden Spieler zu weit auseinander, so ist es üblich, die Chancengleichheit mit Hilfe eines Handicaps wiederherzustellen. Caillois merkt jedoch an, dass absolute Chancengleichheit nicht vollständig realisierbar zu sein scheint. (1958: 22) So kann es ein Vorteil sein, beim Schach den ersten Zug zu machen oder bei einer Fußballpartie die Sonne im Rücken zu haben. Um dies auszugleichen, wird gelost wer anfangen darf, und die Seiten nach Hälfte der Spielzeit gewechselt.

Alea (Zufall) Glücksspiele sind im Gegensatz zum Wettkampf in ihrem Spielverlauf und Ausgang vollkommen unabhängig von den Fähigkeiten der Spieler, welche passiv und abwartend am Spiel teilnehmen. Alea zeigt sich unbeeindruckt von Anstrengung, Geduld, Erfahrung und Qualifikation und stellt vollkommende Chancengleichheit her. Caillois betont den starken Gegensatz von Agôn und Alea, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass einige Spiele beide Merkmale miteinander vereinen: „Der agôn erfordert persönliche Verantwortung, das alea hingegen setzt Verzicht auf den Willen und passive Hingabe an das Schicksal voraus. Manche Spiele, wie etwa Domino und die meisten Kartenspiele, verbinden agôn und alea miteinander.“ (1958: 25)

Mimikry (Nachahmung) So-tun-als-ob, in die Rolle eines Anderen schlüpfen, sich maskieren, zum eigenen Vergnügen oder für ein Publikum. Das Mimikry beinhaltet in sich selbst nur eine zwingende Regel: Dem Zuschauer (oder sich selbst) möglichst überzeugend vorzutäuschen, jemand oder etwas anderes zu sein. Auch das Mitfiebern und Hineinversetzen in die Heldenfigur beschreibt Caillois als Mimikry: „Die Identifikation mit dem Champion konstituiert bereits eine mimikry, die verwandt ist mit jenem Vorgang, den der Leser vollzieht, der sich in dem Romanhelden wiedererkennt, oder der Zuschauer, der im Filmhelden sich selber erkennt.“ (1958: 31) Kapitel 4 befasst sich ausführlich mit dem Thema Identifikation.

Ilinx (Schwindelgefühl) Die Spiele dieser Kategorie versuchen „für einen Augenblick die Stabilität der Wahrnehmung zu stören“, um so Taumel und Schwindelgefühle auszulösen. (1958: 32) Diese können vor allem durch physikalische Aktionen wie schnelle Umdrehungen, Gleiten, Beschleunigen und Fallen hervorgerufen werden.

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Kapitel 1: Spiel

Paidia und ludus Caillois etabliert zwei weitere sich gegenüberstehende Konzepte zwischen denen Spiele eingeordnet werden können: Paidia, eine stürmische, spontane, improvisierte und freie Art zu spielen auf der einen Seite, und Ludus, eine eher berechnende, regelbasierte und strukturierte Art zu spielen auf der anderen Seite. Callois bezeichnet Paidia als „spontane Manifestationen des Spieltriebs“, Ludus hingegen als „Hang zur Meisterung künstlicher Schwierigkeiten“. (1958: 36–37)

Klassifikation der Spiele nach Caillois

Repens (Überraschung / Sequenz) Die niederländische Doktorandin Maaike Lauwaert etabliert in ihrem Essay „In Search Of A Fifth Dimension“ den Begriff Repens als eine definierende Eigenschaft für das digitale Spiel und als Unterscheidungsmerkmal zu traditionellen Spielen. Ihrer Ansicht nach können die vier Rubriken von Caillois nicht alle Aspekte des digitalen Spiels abdecken, daher fügt sie mit Repens eine fünfte hinzu: „This ‚fifth dimension‘ should explain and give account of the fact that in a digital game the player is not only subject to competition, chance, vertigo and simulation, but also to discovery, narrative, and progression.“ (2003: 81) Der Begriff Repens (lat. für plötzlich) bezieht sich nach Lauwaert auf überraschende und unerwartete Ereignisse, welche die Spannung des Spiels aufrecht erhalten und den Spieler immer wieder antreiben, weiter zu spielen: „Repens are build-in moments and elements in the game that are specifically designed to guide the player, to make her or him learn something, do something, make progress.“ (2003: 81) Diese Ereignisse sind an strategisch wichtigen Orten im Spiel platziert und nehmen oft die Form von Hindernissen an, die der Spieler überwinden muss. Sie treten daher nicht unabhängig voneinander auf, sondern sind eingebunden in einer Verkettung von Ursache und Wirkung. Sie können in der Regel nur in einer bestimmten festgelegten Reihenfolge ausgelöst werden. In klassischen Grafik-Adventures wie The Secret of Monkey Island (1990) muss der Spieler beispielsweise erst einen oder mehrere Gegenstände in der Spielwelt gefunden haben, um ein bestimmtes Rätsel lösen und den nächsten Handlungsort erreichen zu können.

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Kapitel 1: Spiel

Entgegen den Ausführungen von Lauwaert scheinen die unter dem Begriff Repens zusammengefassten Eigenschaften jedoch nicht für alle digitalen Spiele definierend zu sein. Vielmehr umfasst Repens offenbar insbesondere diejenigen Spiele, welche auf den Prinzip der Progression basieren.

Progression und Emergenz Progressions-basierte Spiele legen die Herausforderungen für den Spieler in einer genau definierten Reihenfolge fest. Der Game Designer hat daher eine große Kontrolle über den Spielverlauf. Aufgrund ihrer Linearität bieten sie einerseits ein Potential für ambitioniertes Storytelling, andererseits jedoch nur eine geringe Wiederspielbarkeit. (Juul 2003: 73) Demgegenüber stehen Emergenz-basierte Spiele, in welchen die Herausforderungen indirekt aus der Kombination der Spielregeln heraus entstehen. Diese Spiele zeichnen sich durch eine grundlegende Asymmetrie zwischen den vergleichsweise einfachen Regeln und der hohen Komplexität des Spielablaufs aus. Emergenz führt zu mehr Variation und Improvisation in den Handlungen des Spielers, welche vom Game Designer daher nicht vorausgesehen werden können. Emergente Spiele gelten als einfach zu lernen, aber schwierig zu meistern. (Juul 2005: 56) Nach Jesper Juul kombinieren die meisten Computerspiele die Prinzipien von Progression und Emergenz: „The advantage of structuring a game like this is that the player experiences a predefined story by completing the missions, while having freedom to solve the task in different ways.“ (Juul 2005: 83)

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Kapitel 1: Spiel

B Die Spielregeln definieren die Handlungsmöglichkeiten der Spieler.

C Die Spielregeln müssen eindeutig sein, damit sie von den Spielern befolgt und angewendet werden können.

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Kapitel 1: Spiel

1.4 Regeln Eigenschaften von Regeln Regeln gehören zu den grundlegenden und unverzichtbaren Bestandteilen von Spielen. Juul schreibt: „[...] games are not tied to a specific set of material devices, but to the processing of rules.“ (Juul 2005: 53) Jedes Spiel besitzt eine Reihe von Regeln, welche die formale Struktur des Spiels definieren. Alle Regeln teilen die folgenden charakteristischen Eigenschaften. 1. Die Regeln legen die Handlungsmöglichkeiten B der Spieler fest: Was können die Spieler tun und was nicht? Nach Salen und Zimmerman limitieren Spielregeln die Aktionsmöglichkeiten der Spieler. (Salen 2004: 122) Juul ergänzt dies: „The rules of a game also set up potential actions, actions that are meaningful inside the game but meaningless outside.“ (Juul 2005: 58) Spielregeln schränken also nicht nur die Möglichkeiten der Spieler ein, sondern ermöglichen überhaupt erst sinnvolle Handlungen im Kontext des Spiels, indem sie die Reaktion auf eine bestimmte Handlung definieren. Die Spieler können innerhalb ihrer Handlungsmöglichkeiten verschiedene Spielstrategien verfolgen. Nach Juul ist die Effektivität dieser Strategien jedoch durch die Spielregeln festgelegt. (Juul 2005: 59)

2. Die Regeln müssen klar, verständlich und eindeutig C sein. Nach Juul muss eine Regel so gestaltet sein, dass mühelos erkennbar ist, ob die der Regel zugrunde liegende Bedingung zutrifft oder nicht. Er nennt dazu folgendes Beispiel:



Imagine two rules in soccer: 1. The ball is out of play when it is far away. 2. The ball is out of play when it crosses the white line drawn on the grass. (Juul 2005: 64)

Die erste Regel macht den Kontext der Regel (die Position des Balls) deutlich. Sie lässt jedoch offen, wie weit der Ball entfernt sein muss, damit die Regel zur Anwendung kommt. Der Regel fehlt es an Bestimmtheit. Sie würde daher sofort zu langen Diskussionen zwischen den Spielern führen. Computerspiele wiederum benötigen eindeutige Regeln und Werte, um diese implementieren zu können. Im obigen Beispiel müsste die Position der Spielfeldmarkierung numerisch im Spiel gespeichert sein, um die Regel überprüfen zu können.

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Kapitel 1: Spiel

D Die Spielregeln sind für alle Spieler bindend. Auch für Bob.

E Die Spielregeln sind zur Laufzeit unveränderbar. (Mit Ausnahme von Panda Park.)

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Kapitel 1: Spiel

3. Die Regeln sind für alle Spieler bindend. D Huizinga schreibt: „Die Regeln eines Spiels sind unbedingt bindend und dulden keinen Zweifel.“ (1938: 20). Die Spieler müssen sich untereinander über die Bedeutung der Regeln verständigen können. Ist dies nicht möglich, wird das Spiel durch Diskussionen über die Regeln unterbrochen und kann erst wieder fortgesetzt werden, sobald die Spieler sich über die Auslegung der Regeln einig sind. In manchen Spielen überwacht ein Spielleiter oder Schiedsrichter die Einhaltung der Regeln. Bei Computerspielen übernimmt der Computer diese Aufgabe selbst. Juul merkt dazu an, dass dadurch sehr viel komplexere Regeln möglich sind. Der Spieler muss sich nicht selbst um die Umsetzung der Regeln kümmern und braucht auch nicht alle Regeln zu Beginn des Spiels zu kennen. (Juul 2005: 53) 4. Die Regeln werden vor Beginn des Spiels festgelegt und bleiben während des Spiels unverändert. E So kann ein Spieler nicht einfach mitten im Spiel die Regeln zu seinem eigenen Vorteil verändern, ohne von seinen Mitspielern als Spielverderber angesehen zu werden. Sollten die Spieler gemeinsam beschließen, die Regeln zu modifizieren, so wird dies in der Regel vor Beginn des Spiels gemacht. Laut Salen und Zimmerman kann das Verändern bestimmter Regeln Teil des Spiels sein, allerdings unterliegen solche Veränderungen selbst strikter Regeln. (Salen 2004: 123) 5. Die Regeln sind wiederholbar und übertragbar. Ein Spiel kann sowohl beliebig oft, als auch in einer unbegrenzten Anzahl Instanzen gespielt werden. Wie viele Kinder spielen in diesem Moment gerade Fangen? Sie spielen alle aufgrund der gleichen, übertragbaren Regeln.

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Kapitel 1: Spiel

F Bub erklärt dem Spieler die operativen Regeln.

G Bub und Bob diskutieren die konstitutiven Regeln.

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Kapitel 1: Spiel

Arten von Regeln Salen und Zimmerman unterscheiden zwischen drei verschiedenen Arten von Regeln. (Salen 2004: 130) 1. Mit operativen Regeln F sind die expliziten Spielregeln gemeint. Sie beinhalten diejenigen Informationen, welche die Spieler zum Spielen benötigen. Operative Regeln beziehen sich auf die Interaktionen der Spieler mit dem Spiel. Sie erläutern, welche Folgen eine bestimmte Aktion im Spiel nach sich zieht. In Computerspielen bestimmen die operativen Regeln, in welcher Art und Weise der Spieler mit dem Spiel interagieren kann und welche Eingabegeräte (Tastatur, Maus, Joypad, …) ihm dafür zur Verfügung stehen. 2. Die konstitutiven Regeln G bilden die zugrundeliegende, abstrakte und formale Struktur des Spiels. Sie betreffen ausschließlich die interne Funktionsweise der Spiellogik. Konstitutive Regeln werden nicht zu Beginn des Spiels erläutert. Vielmehr sind sie vom Spieler durch Ausprobieren von verschiedenen Handlungen intuitiv erlernbar. In Computerspielen sind konstitutive Regeln im Programmcode enthalten. 3. Die impliziten Regeln bilden die „ungeschriebenen Regeln“ eines Spiels. Sie beinhalten jene Regeln, welche von den meisten Spielern als offensichtlich oder selbstverständlich angesehen werden, beispielsweise Fairness, gute Umgangsformen oder angemessenes Spielverhalten im Allgemeinen. Computerspiele teilen je nach technologischer Plattform eigene implizite Regeln. So verwenden beispielsweise alle Spiele für den Nintendo Gamecube die gleichen Buttons für Standardaktionen wie Bestätigen (grüner Button) oder Abbrechen (roter Button).

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Kapitel 1: Spiel

H Bub erklärt Bob, warum die aktive Teilnahme des Spielers unverzichtbar ist, um tatsächlich ein Spiel zu spielen.

I Eine einfache Änderung der Regeln führt zu einem vollkommen anderen gameplay. Der Spieler spielt nun nicht mehr Pong, sondern Squash

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oder Eishockey.

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Kapitel 1: Spiel

1.5 Interaktivität und Gameplay Interaktivität ist ein zentraler Bestandteil des Spielens: Spielen bedeutet, mit dem Spiel und den Mitspielern zu interagieren. Jede Aktion der Spieler führt zu einer Veränderung des Spielzustandes. Die Interaktion ist notwendig, um den Ablauf des Spiels voranzutreiben. Ohne die aktive Teilnahme H der Spieler ist also kein Spiel möglich. Salen und Zimmerman unterscheiden zwischen vier verschiedenen Formen der Interaktivität: 1. Cognitive interactivity als eine emotionale und intellektuelle Handlung, die zwischen einer Person und einem System stattfindet. Als Beispiel wird die imaginative Interaktion zwischen einem Spieler und einem Grafikadventure genannt. 2. Functional interactivity als Interaktion zwischen einer Person und den materiellen Komponenten eines Systems, beispielsweise das Interface eines Computerspiels. 3. Explicit interactivitiy als Interaktion einer Person, die in einem System aus einer Reihe von Aktionsmöglichkeiten eine Wahl trifft, beispielsweise auf einer Website einen Link anzuklicken oder mit Hilfe eines Joysticks eine Spielfigur steuern. 4. Beyond-the-object-interactivity als Interaktion einer Person außerhalb eines Systems, beispielsweise Fan-Diskussionen über ein bestimmtes Spiel in einem Internetforum. (2004: 59) Salen und Zimmerman merken an, dass Interaktivität in Spielen vor allem in einer expliziten und gestalteten Form auftritt. Die Regeln des Spiels geben mögliche Handlungen vor, welche bestimmte Auswirkungen auf den Spielzustand beinhalten. Die Spieler treffen zwischen diesen möglichen Handlungen eine Auswahl. Salen und Zimmerman sprechen daher von designed interaction. Sie unterscheiden zwischen micro choices, die sich als kurze, augenblickliche und taktische Entscheidungen des Spielers beschreiben lassen, und macro choices, welche eine zielorientierte Strategie beim Spieler erkennen lassen. (2004: 60–61) Die Interaktion des Spielers mit dem Spiel, welche durch die Regeln ermöglicht wird, bezeichnet man als gameplay I und bestimmt maßgeblich die Spielerfahrung. Ist die Spielinteraktion für den Spieler nicht ansprechend, können auch hervorragende Grafiken und Animationen oder atmosphärische Musik dies nicht wieder ausgleichen. (Saltzman 1999: 16) Nach Juul (2005: 91) entsteht gameplay aus der Interaktion zwischen: 1. den Regeln des Spiels, 2. dem Streben der Spieler nach dem Spielziel mit Hilfe bestimmter Strategien, und 3. der Kompetenz und dem Repertoire an Strategien der Spieler. Nach Juul besteht die Aufgabe des Game Design darin, die Regeln eines Spiels so auszuarbeiten, dass die möglichen Strategien für den Spieler unterhaltsam auszuführen sind. (Juul 2005: 91)

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Kapitel 1: Spiel

J Pong simuliert ausgewählte Eigenschaften und Prozesse von Tischtennis.

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Kapitel 1: Spiel

1.6 Simulation Computerspiele beziehen sich häufig auf Objekte, Eigenschaften und Prozesse der „realen“ Welt: Dinge, mit denen wir bereits vertraut sind und deren Verhaltensweisen wir kennen. Computerspiele lassen sich daher unter dem Aspekt der Simulation betrachten. Pong (1972) ist beispielsweise eine vereinfachte Simulation J von Tischtennis, Tetris (1985) eine vereinfachte Simulation von Gravitation. Salen und Zimmerman definieren Simulation wie folgt: „A simulation is a procedural representation of aspects of ‚reality‘.“ (Salen 2004: 423) Eine Simulation repräsentiert mit Hilfe der Interaktion des Spielers sowie der Spiellogik einen bestimmten Prozess. In Pong besteht dieser Prozess aus dem Hin-und-her-Schlagen des Balles. Obwohl der Ball durch ein Rechteck dargestellt wird, nehmen wir ihn dennoch ohne Probleme als Ball wahr, weil er eine ausgewählte Eigenschaft simuliert: Der Ball prallt in einem bestimmten Winkel vom Schläger ab. Eine Simulation kann nicht jeden Aspekt eines Prozesses implementieren, sondern muss sich auf eine zentrale Auswahl von Eigenschaften beschränken. Salen und Zimmerman betonen, dass Computerspiele als Simulation keine empirische Wahrheit abbilden müssen: „Pong is not meaningful to players because it is a scientifically accurate representation of Table Tennis; it is meaningful because as a simulation it provides a context for deep and engaging play.“ (2004: 425) Eine Simulation bezieht sich auf eine tatsächliche oder zumindest vorstellbare Situation. Eine tatsächliche Situation in einem Computerspiel könnte beispielsweise das Fahren eines Rennwagens auf dem Nürnburgring sein. Das Navigieren eines Raumschiffes durch eine fiktive Galaxie wäre eine vorstellbare Situation. Bei einer Simulation handelt es sich um die Abbildung bestimmter Aspekte der Realität, nicht um die Realität selbst. Ein hüpfender Ball kann realistisch simuliert sein, besitzt aber keine physikalischen Eigenschaften wie Geschwindigkeit, Masse oder Elastizität.

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Kapitel 1: Spiel

K Bub erklärt, warum Darstellung und Regeln eines Spiels idealerweise miteinander übereinstimmen sollten.

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Kapitel 1: Spiel

1.7 Repräsentation Wir haben in Kapitel 1.6 gesehen, wie in Computerspielen Repräsentation durch die Simulation von Prozessen entsteht. Repräsentation kann darüber hinaus in vielen anderen Formen stattfinden: Von der grafischen Gestaltung des Spiels, dem Sound und der Musik, der Hintergrundgeschichte, über die fiktive Spielwelt bis hin zur Bedienungsanteilung. Inwiefern besteht ein Zusammenhang zwischen Darstellung und Regeln K eines Spiels? Nach Salen und Zimmerman ist die visuelle Repräsentation eines Spiels dann ein Teil der Regeln, sofern diese die formale Struktur des Spiels beeinflussen. (Salen 2004: 145) Nehmen wir dazu erneut Pong als Beispiel: Die Spielmechanik besteht darin, den Ball mit seinem Schläger so zu treffen, dass der Gegenspieler den Ball möglichst nicht erreichen kann. Die Größe des Schlägers ist Teil der visuellen Darstellung, gleichzeitig aber auch ausschlaggebend für die Struktur des Spiels: Je kleiner der Schläger, desto schwieriger ist es, den Ball zu treffen. Stellen wir uns nun eine Variante von Pong vor, die sich ausschließlich darin unterscheidet, dass die Schläger der beiden Spieler unterschiedliche Farben haben. Die visuelle Darstellung hat sich verändert, die formale Struktur des Spiels bleibt jedoch identisch. Die Regeln lassen sich also formal von der Darstellung des Spiels trennen. So schreibt Juul, dass Spiele verschiedene Themen annehmen können, ohne die Spielregeln zu verändern. (Juul 2005: 199) Gleichzeitig merkt er an, dass eine Veränderung der Darstellung auch das Spielerlebnis beeinflussen kann: „[...] games formally equivalent can be experienced completely differently.“ (2005: 52) Juul weist weiter darauf hin, dass die Beziehung zwischen Regeln und Fiktion nicht willkürlich ist: „Fiction cues the player into understanding the rules, and rules can cue the player into imagining a fictional world.“ (2005: 197) Darstellung und Regeln eines Spiels beeinflussen sich also gegenseitig und formen des Erlebnis des Spielers. In Kapitel 2.4 wird ausführlich darauf eingegangen, wie Darstellungen und Regeln in einer sinnvollen Weise miteinander kombiniert werden können, um das Spielerlebnis zu verbessern.

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Kapitel 2: Motivation

Geometry Wars: Retro Evolved

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– Katie Salen und Eric Zimmerman: Rules of Play

„Players enter, they play, and if the game designers have done their job well, they stay to play some more.“

Kapitel 2: Motivation

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Kapitel 2: Motivation

2.1 Definition DER MOTIVATION In diesem Kapitel soll die Motivation des Spielers näher untersucht werden. Eine Definition des Motivationsbegriffes lässt sich in der Motivationspsychologie finden, welche sich mit zielgerichteten Aktivitäten befasst (Heckhausen 1980: 1) und die Richtung, Ausdauer und Intensität von Verhalten erforscht (Rheinberg 1995: 13). Heckhausen definiert Motivation als Sammelbegriff für unterschiedliche Prozesse und Effekte, „deren gemeinsamer Kern darin besteht, dass ein Lebewesen sein Verhalten um der erwarteten Folgen willen auswählt und hinsichtlich Richtung und Energieaufwand steuert.“ (Heckhausen 1980: 10) Rheinberg beschreibt den Motivationsbegriff wie folgt: „Es geht also darum, dass jemand (1) ein Ziel hat, dass er (2) sich anstrengt und dass er (3) ablenkungsfrei bei der Sache bleibt.“ (Rheinberg 1995: 14) Auf welche Art und Weise motivieren nun Computerspiele den Spieler? Jeder Spieler bringt eine gewisse Grundmotivation mit, wenn er sich entscheidet, ein Spiel zu beginnen. Das Spiel muss diese Motivation jedoch fortwährend aufrechterhalten und verstärken, andernfalls wird das Spiel seinen Reiz verlieren und der Spieler aufhören zu spielen. (Crawford 1982: 73) Im Folgenden soll auf die verschiedenen Anreize eingegangen werden, welche gezielt durch das Computerspiel erzeugt werden, um den Spieler zu motivieren, mit einer gewissen Ausdauer und über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu spielen. Es sollen die Faktoren gezeigt werden, welche notwendig sind, um Spielspaß anstelle von Frustration beim Spieler zu erzeugen.

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Kapitel 2: Motivation

2.2 Flow Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi beschreibt in seinem wegweisenden Buch „Flow: The Psychology Of Optimal Experience“ das Konzept des Flow, einem Bewußtseinszustand, in dem der Beteiligte aus der Leistung und Bewältigung einer bestimmten Aktivität höchste Konzentration und Freude, sowie ein Gefühl der Kontrolle über seine Handlungen erlangt. Zentral beim Erleben des Flow ist nicht die Art der Tätigkeit, sondern vielmehr die eigene Wahrnehmung der Tätigkeit. (Csikszentmihalyi 1975: 12) Csikszentmihalyi hat die unterschiedlichsten Flow-Erfahrungen zahlreicher Personen in seinem Buch dokumentiert. Diese Beispiele verdeutlichen, dass prinzipiell jede Aktivität – von der Arbeit am Fliessband bis zum Bergsteigen – zu einem Zustand des Flow führen kann, sofern die Aktivität bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Die Aktivität muss autotelisch sein, also sich selbst zum Ziel haben. Nach Csikszentmihalyi ist eine Aktivität dann autotelisch, wenn „sie vom Ausübenden zwar eine formelle und beträchtliche Energieaufwendung verlangte, ihm aber wenig oder gar keine konventionellen Belohnungen brachte.“ (1975: 30) Die maßgeblichen Anreize müssen also in der Tätigkeit selbst liegen. In vielen Fällen kann eine Tätigkeit jedoch neben starken intrinsische Belohnungen auch extrinsische Belohnungen, wie Anerkennung oder materiellen Lohn, bieten. (1975: 43) Nach Rheinberg wird ein Verhalten dann als „intrinsisch motiviert“ bezeichnet, wenn die Person aus eigenem Antrieb handelt. Liegt der Grund für das Verhalten außerhalb der eigentlichen Handlung, wird dies als „extrinsisch motiviert“ bezeichnet. (Rheinberg 1995: 148) Entscheidend für das Eintauchen in den Flow sind nach Csikszentmihalyi folgende acht Komponenten, von denen nicht alle Bestandteile zwingend vorhanden sein müssen: 1. Balance zwischen Herausforderung und Fähigkeiten 2. Verschmelzung von Aktivität und Bewusstsein 3. Klare, eindeutige Ziele 4. Direktes und unmittelbares Feedback 5. Konzentration auf die unmittelbare Handlung 6. Gefühl der Kontrolle über die Aktivität 7. Verlust des Bewusstseins über sich selbst 8. Veränderte Wahrnehmung der Zeit Die Komponenten des Flow zeigen eindeutige Parallelen zum Spiel. Csikszentmihalyi schreibt: „Spiele, geregelte wie spontane, sind offensichtlich exemplarische flow-Aktivitäten.“ (Csikszentmihalyi 1975: 59) Nach Salen und Zimmerman gehören Spiele zu den effektivsten Mitteln, Flow zu erzeugen. (Salen 2004: 338) Die acht Komponenten können in die beiden Gruppen Effekte und Voraussetzungen unterteilt werden. Die Voraussetzungen für den Flow-Zustand sind für die Motivation in Computerspielen von elementarer Bedeutung. Sie können den Spieler an das Spiel binden und ihn motivieren, fortwährend weiter zu spielen. • • • •

Balance zwischen Herausforderung und Fähigkeiten Klare, eindeutige Ziele Direktes und unmittelbares Feedback Gefühl der Kontrolle über die Aktivität

Aus diesen vier Grundkomponenten lassen sich die Kriterien für die Erhaltung der Spielermotivation direkt ableiten. Diese werden in den nachfolgenden Kapiteln näher betrachtet.

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Kapitel 2: Motivation

A Die Spielmechanik des zweiten Level besteht aus dem Aufsammeln und Ausweichen verschiedenfarbiger Streifen. Der Spieler bewegt seine Spielfigur mit Hilfe der Pfeiltasten auf der Tastatur innerhalb eines festen Rasters nach links und rechts. Er muss Streifen seiner eigenen Farbe einsammeln, um zu beschleunigen, und Streifen mit anderen Farben ausweichen, da diese ihn verlangsamen.

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Kapitel 2: Motivation

2.3 Feedback Wie wir in Kapitel 2.2 gesehen haben ist direktes und unmittelbares Feedback eine Voraussetzung für das Erleben von Flow. Warum ist Feedback auch in Computerspielen notwendig, um die Motivation des Spielers zu erhalten und verstärken? Stellen wir uns ein Spiel vor, welches alle formalen Kriterien des Spiels erfüllt, den Spieler aber im Ungewissen über die Spielmechanik A und den Zusammenhang zwischen seinen Aktionen und deren Folgen für das Spiel lässt: Der Spieler soll in unserem hypothetischen Spiel so schnell wie möglich die Ziellinie erreichen. Er kann seine Spielfigur mit Hilfe der Tastatur in alle vier Richtungen steuern. Nehmen wir an, die Spielsituation wird aus einer Vogelperspektive gezeigt und die Kamera folgt der Spielfigur, so dass diese immer im Zentrum des Bildschirms bleibt. Die Spielfigur besteht aus einem Quadrat, welches nicht animiert ist. Der Hintergrund besteht aus einer konstanten, einfarbigen Fläche. Die Ziellinie ist weit außerhalb des sichtbaren Bereiches plaziert, so dass der Spieler die Ziellinie erst nach einigen Minuten erreicht – sofern er in die richtige Richtung läuft. Sobald er die Ziellinie erreicht, endet das Spiel abrupt. Ein solches Spiel, welches vollständig auf Feedback verzichtet, würde dem Spieler keine Freude bereiten: Der Spieler kann weder einschätzen, ob er durch Drücken der Tasten die Spielfigur überhaupt bewegt, noch wie weit seine Spielfigur von der Ziellinie entfernt ist. Er kann nur raten, in welcher Richtung sich die Ziellinie befindet. Sollte er dennoch die Ziellinie erreichen, bekommt er keinerlei Rückmeldung über den Ausgang des Spiels. Nach Salen und Zimmerman ist die Beziehung von Aktion und Folge zentral für das Spielerlebnis. (Salen 2004: 354) Feedback setzt Aktion und Folge in einen für den Spieler nachvollziehbaren Zusammenhang: Es macht die Bedeutung der Aktionen sowie deren Auswirkungen auf den Spielzustand und das Spielergebnis sichtbar. Ohne Feedback ist der Spieler orientierungslos: Er kann die Konsequenzen seiner Aktionen nicht nachvollziehen und keine sinnvollen Entscheidungen im Spiel treffen.

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Kapitel 2: Motivation

B Bub führt eine grafische Geschwindigkeitsanzeige ein: Die eingesammelten Streifen der eigenen Farbe werden hinter der Spielfigur ver kleinert dargestellt. Sammelt der Spieler Streifen einer anderen Farbe ein, so verliert er einen Teil seiner Streifen und wird langsamer. Die Anzeige ermöglicht es dem Spieler, die Folgen seiner Aktionen – Einsammeln und Ausweichen – besser nachvollziehen zu können. Es wird deutlich, dass Streifen der eigenen Farbe gewinnbringend sind, während Streifen mit anderen Farben verlustbringend sind.

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Kapitel 2: Motivation

Salen und Zimmerman beschreiben Störungen in der Beziehung zwischen Aktion und Folge als failure states und nennen folgende vier Beispiele. (Salen 2004: 65) Diese Probleme können durch den sinnvollen Einsatz von Feedback B behoben werden. • Die Aktionen des Spielers haben keine erkennbaren Auswirkungen auf das Spielergebnis. • Der Spieler weiß nicht, was er als nächstes tun muss, um im Spiel weiterzukommen. • Der Spieler verliert das Spiel ohne zu wissen, warum. • Es ist nicht ersichtlich, ob die Aktionen des Spielers tatsächlich ausgeführt werden. Feedback kann in Computerspielen durch verschiedene Elemente erzeugt werden. Grafik, Animation und Sound geben die Handlungen des Spielers, sowie die Reaktionen des Spielsystems wider. Die grafische Darstellung vermittelt dem Spieler die Position der Spielfigur in der Spielwelt. Text erlaubt es, dem Spieler konkrete Anweisungen und Hilfestellungen zu geben. Eine Punktanzeige kann die Aktionen und Fähigkeiten des Spielers bewerten. Ein Wechsel der Musik kann auf eine veränderte Spielsituation aufmerksam machen. Ein taktiles Feedback, wie es die Vibrationsfunktion eines Spielcontrollers ermöglicht, kann physische Prozesse in der Spielwelt, wie die Kollision zwischen zwei Fahrzeugen oder das Schlagen eine Tennisballs, für den Spieler erfahrbar machen. Zuletzt kann das Verhalten der Spielfiguren dem Spieler Rückmeldung über den Spielzustand und seine Handlungsmöglichkeiten geben. Gee beschreibt Feedback in Computerspielen als amplification of input: „In a video game, you press some buttons in the real world and a whole interactive virtual world comes to life.“ (Gee 2003: 64) Die Eingaben der Spieler werden durch das Computerspiel verstärkt und in Form von Feedback wieder ausgegeben.

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Kapitel 2: Motivation

2.4 Belohnungen Belohnungen in Computerspielen ermöglichen es, bestimmte Aktionen und Strategien des Spielers systematisch zu fördern. In Super Mario Bros (1985) kann der Spieler Münzen einsammeln, welche in der Spielwelt versteckt sind. Sammelt der Spieler 100 Münzen ein, wird er mit einem Extraleben belohnt. Diese Art der Belohnung bietet dem Spieler einen Anreiz, die Spielwelt ausgiebig zu erforschen und gezielt nach versteckten Münzen zu suchen. Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Verhalten, Anreiz und Belohnung lassen sich in der Verhaltensforschung finden. In einem bekannten Experiment von Ivan Pavlov und John B. Watson wird das regelmäßige Füttern eines Hundes von einem Klingelton begleitet. Der Hund assoziiert das Klingeln mit dem Futter und reagiert auf den Klingelton, indem er Speichel produziert, auch wenn kein Futter vorhanden ist. Dies wird als konditionierter Reflex oder auch als klassische Konditionierung bezeichnet. Die Theorie des operanten Verhaltens von B. F. Skinner betont hingegen die aktive Rolle des Probanden. Nach dieser Theorie lernen Personen sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten, weil das entsprechende Verhalten in der Vergangenheit belohnt wurde. (Salen 2004: 345) In der Verhaltensforschung wird zwischen positive reinforcements (eine Belohnung), negative reinforcements (die Beseitigung eines unangenehmen Zustandes) und punishments (das Bewirken eines unangenehmen Zustandes) unterschieden. (Salen 2004: 345) In Computerspielen zählen Belohnungen wie beispielsweise Bonuspunkte oder ein Extraleben zu den positive reinforcements, die Aufhebung eines einschränkenden Zustandes hingegen zu den negative reinforcements. Der Abzug von Energie, die Wegnahme eines Power-Ups oder die Verlangsamung der Spielfigur sind Beispiele für punishments. Hallford und Hallford unterscheiden zwischen vier grundlegende Arten von Belohnungen: • Rewards of Glory (Ruhm): Diese Belohnungen haben keinen Einfluss auf den Spielzustand, wirken sich aber auf die Spielerfahrung aus. Der Spieler absolviert beispielsweise ein schwieriges Level im Spiel oder erreicht eine hohe Punktzahl, die in einer Rangliste (high score) gespeichert wird. • Rewards of Sustenance (Unterhalt): Diese Belohnungen halten den gegenwärtigen Status des Spielers aufrecht. Dazu zählen beispielsweise health packs, welche die Lebensenergie der Spielfigur wieder regenerieren. • Rewards of Access (Zugang): Diese Belohnungen können beispielsweise in Form von Schlüsseln oder Passwörtern auftreten und ermöglichen dem Spieler, neue Orte im Spiel zu betreten, die vorher nicht zugänglich waren. • Rewards of Facility (Möglichkeit): Diese Belohnungen verbessern die Fähigkeiten der Spielfigur oder fügen neue Fähigkeiten hinzu. Dadurch wird die Anzahl der möglichen Strategien für den Spieler erhöht. (Hallford 2001: 158) Belohnungen honorieren den Spieler für die Zeit, die er in das Spiel investiert. Gleichzeitig motivieren sie den Spieler, das Spiel fortzusetzen. Wie oft und nach welchem Muster treten Belohnungen in Computerspielen auf?

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Kapitel 2: Motivation

In der Verhaltensforschung wird in einem Verstärkungsplan (reinforcement schedule) festgehalten, nach welchen Regeln Belohnungen und Bestrafungen auftreten. Es wird zwischen festen Verstärkern (fixed reinforcements) und variablen Verstärkern (variable reinforcements) unterschieden. (Salen 2004: 346) Feste Verstärker treten in einer gleichmäßigen und konstanten Rate auf. Eine feste Quote bedeutet, dass ein Verstärker nach einer festgelegten Anzahl einer bestimmten Handlung auftritt. Dies ist im genannten Beispiel von Super Mario Bros bei der Belohnung in Form eines Extralebens für hundert gesammelte Münzen der Fall. Ein fester Intervall bezieht sich auf eine Verstärkung, welche in einem regelmäßigen Zeitabstand auftritt. In dem Multiplayer-Spiel Quake III Arena (1999) erscheinen in der Spielwelt Waffen und Munition in einem festgelegten Zeitabstand, welche von den Spielern aufgesammelt werden können. Variable Verstärker treten in unregelmäßigen Intervallen auf. Eine variable Quote bedeutet, dass ein Verstärker nach einer unregelmäßigen und nicht vorhersehbaren Anzahl von Handlungen auftritt. Die Gewinnquote eines Geldspielautomaten ist ein gutes Beispiel für eine variable Quote. Ein variabler Intervall beschreibt eine Verstärkung, welche in einem unregelmäßigen oder zufälligen Zeitabstand auftritt.

SUPER MARIO BROS

Salen und Zimmerman merken an, dass feste Verstärker sich besonders in Form von Bestrafungen eignen, um ein unerwünschtes Verhalten des Spielers zu verhindern: „Sending a child to his room every time he performs an undesired behavoir is much more effective then sending him to his room only some of the time.“ Für Belohnungen sind nach Salen und Zimmerman hingegen variable Verstärker besonders geeignet, da sie zu mehr Abwechslung und Spannung im Spiel führen. (Salen 2004: 348)

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Kapitel 2: Motivation

C Da es dem Spiel noch an Spannung fehlt, fügt Bub einen Gegenspieler hinzu, welcher vom Computer gesteuert wird. Der Spieler kann nun

seine Fähigkeiten an seinem Gegenspieler messen.

D

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E Konflikt kann in Computerspielen unterschiedliche Formen annehmen. Bub zeigt zwei weitere Beispiele.

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Kapitel 2: Motivation

2.5 Konflikt Spiele basieren auf einem inszenierten Konflikt: Der Spieler verfolgt aktiv ein vorgegebenes Ziel, die Spielregeln hindern ihn jedoch daran, dieses Ziel allzu einfach erreichen zu können. Bernard Suits beschreibt Spielen als freiwilligen Versuch, unnötige Hindernisse mit ineffektiven Mitteln zu überwinden. Erst durch den Willen des Spielers, die Spielregeln anzuerkennen und zu befolgen, kann Herausforderung entstehen. Die Anstrengung, die jeder Spieler macht, um die künstlichen Hürden zu überwinden, ist das, was dem Spieler Vergnügen und Befriedigung bereitet. Suits nennt dieses Verhalten des Spielers lusory attitude: „The acceptance of constitutive rules just so the activitiy made possible by such acceptance can occur.“ (Suits 1978) Ein Spiel kann verschiedene Formen von Konflikten beinhalten und diese miteinander kombinieren. Salen und Zimmerman unterscheiden zwischen folgenden Konfliktformen. (Salen 2004: 250) • • • • • • •

Einer gegen einen C Gruppe gegen Gruppe Einer gegen Viele Jeder gegen Jeden Einer gegen das Spielsystem D Einzelne Spieler konkurrieren unabhängig voneinander gegen das Spielsystem Eine Gruppe von Spielern zusammen gegen das Spielsystem E

Chris Crawford unterscheidet zwischen statisch-passiven Hindernissen, wie sie in Puzzles zu finden sind und dynamisch-aktiven Hindernissen, die gezielt auf den Spieler reagieren. Konflikt im Spiel kann weiterhin direkt oder indirekt sein: In einem direkten Konflikt nehmen die Spielpartien wie beim Fußball unmittelbar aufeinander Einfluss, während beim indirekten Konflikt die Kontrahenten wie bei einem 100-Meter-Lauf voneinander getrennt sind. Auch diese zwei Formen des Konflikts lassen sich in einem Spiel miteinander kombinieren. (Crawford 1982: 13) Obwohl Konflikt eine grundlegende Eigenschaft von Spielen darstellt, können auch kooperative Elemente eine Rolle spielen. Diese nehmen den Konflikt jedoch nicht aus dem Spiel, sondern verschieben ihn lediglich. So kann das Spiel Gauntlet (1985) beispielsweise von bis zu vier Spielern gleichzeitig an einem ArcadeAutomat gespielt werden. Die Spieler treten nicht gegeneinander an, sondern spielen als Team, um die Gefahren des Verließes zu meistern. Eine nicht-enden-wollende Horde von Monstern stellt das elementare Hindernis in diesem Spiel dar. Dennoch findet gleichzeitig auch ein Wettkampf zwischen den Spielern statt, da jeder Spieler individuell Punkte für seine Aktionen erhält und so seine Fähigkeiten mit seinen Mitspielern vergleichen kann. Weiterhin konkurrieren die Spieler um knappe Ressourcen in Form von Lebensmitteln, die verlorene Lebensenergie zurückbringen. Die Art des Konflikts ist nicht ausschließlich durch das Spiel festgelegt, sondern kann durch die Spielweise der Spieler verändert werden. So können sich die Spieler in Gauntlet absprechen, welche Spielfigur welche Ressourcen erhält, und somit den Konflikt untereinander zu minimieren. Eine solche Spielweise wird von Spielergemeinschaften oft in der Form von Hausregeln festgehalten. Nach Crawford wird die Spielinteraktion erst durch Konflikt ermöglicht. Dies betont auch Juul: „When it is sometimes suggested to be a problem that games are competitive, it is a basic misunderstanding of how a game works: The conflict of a game is not antisocial; rather it provides a context for human interaction“. (Juul 2005: 19)

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F Bob fragt nicht ohne Grund nach dem Ziel des Spiels. Ohne Ziel ist das Spiel witzlos, da der Spieler nicht weiß, warum es besser ist, schneller zu sein als sein Gegenspieler. (Das Ziel des Spiels könnte ja auch sein, so langsam wie möglich zu fahren.) Das Ziel gibt dem Spieler somit Orientierung.

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2.6 Ziele Nach Salen und Zimmerman unterscheiden sich Spiele von freien, informellen Spielaktivitäten durch ein klares Ziel und ein quantifizierbares Spielergebnis: „Add a goal to informal play and usually you will have a game.“ (Salen 2004: 258) Durch das Hinzufügen eines Ziels wird aus einer ungerichteten, spielerischen Handlung ein strukturiertes Spiel. Das Spielziel F ist die Grundlage für die intrinsische Motivation des Spiels. Es erhält die Spannung aufrecht und bestimmt den Reiz des Spiels. Rheinberg beschreibt dies wie folgt: „Genießt man beispielsweise bei einem Spiel die Spannung, wer gewinnen wird, so muß das Spiel im vorhinein erkennbar auf ein Endergebnis zulaufen [...]. Da Spiele typischerweise zweckfrei sind, hat aber das Ergebnis hier keinen besonderen Wert in Form wichtiger Dinge, die es nach sich zieht. Man braucht es aber als Bedingung dafür, dass man vor seinem Erreichen die Spannung und Aufregung erleben kann, die das Spiel reizvoll machen.“ (Rheinberg 1995: 146) Ein klares Ziel ist für den Spieler notwendig, um seine Handlungsmöglichkeiten beurteilen und Entscheidungen im Spiel treffen zu können. Was muss der Spieler tun, um zu gewinnen? Welche Handlung bringt den Spieler näher an das Erreichen des Ziels heran? Das Ziel ermöglicht dem Spieler, seine eigene Spielsituation einzuschätzen. Wie weit ist der Spieler von dem Ziel entfernt? Macht der Spieler Fortschritte oder fällt er zurück? Ist das Spielziel für den Spieler nicht sichtbar oder unklar, werden seine Handlungen bedeutungslos. Salen und Zimmerman schreiben dazu: „[...] if players cannot judge how their actions are bringing them closer to or farther away from winning the game, they cannot properly understand the significance of their actions.“ (Salen 2004: 258) Das Spielziel markiert in der Regel den Endpunkt einer Spielpartie. Allerdings haben nicht alle Computerspiele ein solches eindeutiges Ende, an dem der Spieler gewinnt oder verliert. In vielen Arcadespielen wie beispielsweise Space Invaders (1978) besteht das Ziel für den Spieler darin, möglichst lange gegen einen unbesiegbaren Gegenspieler durchzuhalten und eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen.

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G

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Bob spielt Sim City auf eine eher destuktive Spielweise.

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Kapitel 2: Motivation

Einige Computerspiele überlassen es dem Spieler selbst, ein Spielziel zu formulieren. Sim City (1989) war eines der ersten Spiele ohne explizites Spielziel. G IEs gibt daher weder die Möglichkeit zu gewinnen, noch zu verlieren. Der Spieler setzt sich jedoch als Bürgermeister seiner virtuellen Stadt selbst Ziele, beispielsweise eine bestimmte Bevölkerungszahl zu erreichen oder die Kriminalitätsrate um einige Prozent zu reduzieren.

THE SECRET OF MONKEY ISLAND

Neben dem eigentlichem, meist langfristig angelegtem Spielziel, enthalten Computerspiele auch kurzfristige Ziele (short-term goals), wie beispielsweise des Lösen eines bestimmten Rätsels, das Besiegen einer gegnerischen Spielfigur oder das Erhalten eines wichtigen Gegenstands. Diese kurzfristigen Ziele strukturieren den Spielverlauf und geben dem Spieler Orientierung, was als Nächstes zu tun ist. In der Regel verfolgen Spieler mehrere Ziele parallel. So besteht beispielsweise das langfristige Ziel in dem Point-andclick-Adventure The Secret of Monkey Island (1990) darin, ein gefürchteter Pirat zu werden und den untoten Piraten LeChuck zu besiegen. Dazu muss der Spieler zunächst drei Hauptaufgaben (Quests) lösen, die sich wiederum aus verschiedenen Rätseln zusammensetzen. Die kurzfristigen Ziele liegen darin, sich durch das Lösen dieser Rätsel neue Orte und Gegenstände in der Spielwelt zu erschließen, die zuvor nicht zugänglich waren.

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Kapitel 2: Motivation

H Bub erklärt dem Spieler, dass die Herausforderungen seinen Fähigkeiten angemessen sein sollten. Diese Aussage kann der Spieler direkt

mit seinen gerade gemachten Erfahrungen vergleichen: Auch für ihn war das Spiel wahrscheinlich zu leicht oder zu schwierig. Der Spieler kann deshalb das Level nach seinen eigenen Vorstellungen über ein Optionsmenu verändern. Der Spieler kann so „hinter die Kulissen“ der Spielmechanik zu sehen und verschiedene Ansätze auszuprobieren, das Spiel auszubalancieren und interessanter zu machen.

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Kapitel 2: Motivation

2.7 Herausforderung Herausforderungen bieten dem Spieler die Möglichkeit seine eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, zu verbessern und zu erweitern. Die Herausforderungen in Computerspielen können dem Spieler physische, kognitive oder intellektuelle Fähigkeiten abverlangen. Csikszentmihalyi unterscheidet zwischen der Herausforderung des Unbekannten, wie beispielsweise etwas zu erforschen oder ein bestimmtes Problem zu lösen, und der Herausforderung des Wettbewerbs. (Csikszentmihalyi 1975: 53) Für die Motivation des Spielers ist es essentiell, dass die Herausforderungen H seinem Können angemessen sind. Erscheinen die Aufgaben zu einfach, stellt sich schnell Langeweile beim Spieler ein. Erscheinen die Aufgaben hingegen zu schwierig, entsteht beim Spieler Angst und Frustration. (Csikszentmihalyi 1975: 74) Beides führt dazu, dass der Spieler das Spiel vorzeitig beenden wird. Entscheidend ist dabei die eigene Wahrnehmung und nicht unbedingt die objektiven Anforderungen und Fähigkeiten. Hinzu kommt, dass bei jedem Spieler die geforderten Fähigkeiten unterschiedlich ausgeprägt sind. Eine Herausforderung, die Spieler A große Probleme bereitet, kann für Spieler B unter Umständen viel zu einfach sein. Für den Game Designer stellt es daher eine enorme Herausforderung dar, den Schwierigkeitsgrad eines Computerspieles auszubalancieren. Die Herausforderungen können mit Hilfe folgender Prinzipien auf die Bedürfnisse des Spielers angepasst werden.

The Legend of Zelda

Reihenfolge Der Spieler hat die Möglichkeit, die Reihenfolge der Herausforderungen zu bestimmen. Falls der Spieler an einer bestimmten Herausforderung scheitert, kann er sich zunächst einer anderen Herausforderung widmen, die ihm einfacher erscheint. Später kann er zu der schwierigeren Aufgabe zurückkehren. In The Legend of Zelda (1986) kann der Spieler beispielsweise neun unterirdische Verliese in einer von ihm selbstbestimmten Reihenfolge erforschen. Der Nachteil dieser Variante ist, dass ein erfahrener Spieler trotzdem alle Herausforderungen absolvieren muss, auch wenn sie ihm zu einfach erscheinen.

Auswahl Der Spieler hat die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Herausforderungen zu wählen und kann somit zu leichte oder zu schwere Herausforderungen überspringen. In Advance Wars (2001) kann der Spieler beispielsweise Missionen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad auswählen.

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Kapitel 2: Motivation

Verschiedene Strategien Das Spiel bietet verschiedene Strategien und Lösungsmöglichkeiten, um ans Ziel zu kommen. Diese Variante spricht nicht nur unterschiedliche Spieler an, sondern erhöht zudem die Wiederspielbarkeit, da das Spiel nach Beendigung erneut auf eine unterschiedliche Art und Weise gespielt werden kann. So bietet das Grafik-Adventure Indiana Jones and the Fate of Atlantis (1992) dem Spieler drei vollkommen unterschiedliche Lösungswege mit jeweils eigenen Handlungssträngen und Orten.

Indiana Jones and the fate of Atlantis

Optionale Herausforderungen Das Spiel bietet neben den Pflichtaufgaben, die von jedem Spieler erfüllt werden müssen, um im Spiel voranzukommen, zusätzliche optionale Herausforderungen. Der Spieler kann selbst entscheiden, ob er diese Herausforderungen annehmen oder lediglich den obligatorischen Teil des Spiels verfolgen möchte. Optionale Herausforderungen sprechen vor allem erfahrenere Spieler an, welche möglichst alle Aufgaben eines Spiels bewältigen wollen. Insbesondere Konsolenspiele bieten vermehrt optionale Herausforderungen, um die Gesamtspielzeit zu erhöhen. In vielen Spielen können diese Herausforderungen durch gesammelte Punkte vom Spieler freigeschaltet werden.

Player-based goals Der Spieler definiert die Ziele des Spiels selbst und legt damit eine passende Herausforderung fest, die seinen Fähigkeiten und Wünschen entspricht. Wir haben in Kapitel 2.6 bereits Sim City als Beispiel genannt.

Dynamic Difficulty Adjustment Computerspiele mit Dynamic Difficulty Adjustment (DDA) versuchen den Schwierigkeitsgrad aufgrund der Fähigkeiten und Leistung des Spielers automatisch anzupassen. Laut Jenova Chen ist dabei problematisch, dass dem System für die Auswertung der Fähigkeiten des Spielers nur die indirekten Daten der Steuerung (Joypad, Tastatur, Maus) zur Verfügung stehen. Das System kann daher nicht wissen, ob der Spieler tatsächlich gelangweilt oder frustriert ist. Dementsprechend kann das System den Schwierigkeitsgrad nicht ohne Probleme den Fähigkeiten des Spielers anpassen. (Chen 2006)

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Kapitel 2: Motivation

Ein Beispiel für DDA findet sich beispielsweise in Crash Bandicoot (1996): Wenn der Spieler einen bestimmten Spielabschnitt mehrmals hintereinander nicht bewältigen kann, erhält er eine Maske, die ihn kurzzeitig unverwundbar macht. Allerdings birgt dieses Prinzip die Gefahr, dass der Spieler absichtlich „schlecht“ spielt, um sich einen Vorteil zu verschaffen. In dem Rennspiel Mario Kart 64 (1996) ist diese Problematik besser gelöst: Die vom Computer gesteuerten Rennfahrer fahren etwas schneller, wenn sie sich hinter dem Fahrzeug des Spieler befinden und etwas langsamer, wenn sie sich davor befinden. Auf diese Weise wird die Spannung über des Rennen hinweg aufrecht erhalten. Zudem funktioniert die Anpassung des Schwierigkeitsgrades hier sehr viel dynamischer und ist weiterhin für den Spieler nicht direkt sichtbar. Wir haben bereits in Kapitel 2.2 gesehen, dass der Spieler ein Gefühl der Kontrolle über das Geschehen haben sollte. Dies setzt voraus, dass die Steuerung des Spiels intuitiv und verständlich ist. Ist der Spieler mit der Steuerung überfordert, mindert dies den Spielspaß erheblich. Verliert der Spieler beispielsweise ein Bildschirmleben, weil die Steuerung nicht akkurat genug ist, wird dies bei ihm Frustration hervorrufen, weil er nicht für den Fehler verantwortlich ist. Dies gilt auch für sogenannte unfaire Stellen: In dem Jump’n’Run Sonic Rush (2005) gibt es beispielsweise zahlreiche Abgründe, bei denen der Spieler keine Möglichkeit hat, rechtzeitig auszuweichen. Trifft er das erste Mal auf die entsprechende Stelle, wird er in jeden Fall ein Bildschirmleben verlieren. Das Spiel zwingt den Spieler dazu, diese Stellen auswendig zu lernen, was sich negativ auf die Motivation des Spielers auswirkt. Es ist daher wichtig, dass Herausforderungen und schwierige Stellen vom Spiel angedeutet oder angekündigt werden. Die Herausforderung sollte darüber hinaus schrittweise ansteigen, so dass der Spieler die Möglichkeit hat, seine Fähigkeiten langsam zu verbessern. In vielen Computerspielen bauen die gestellten Aufgaben aufeinander auf, und beziehen sich auf Fähigkeiten oder Methoden, welche der Spieler in einem vorhergehenden Spielabschnitt gelernt hat. Viele Spiele machen sich auch die Konventionen innerhalb eines bestimmten Spielegenres zunutze. So können Spieler, die bereits ein ähnliches Spiel zuvor gespielt haben, auf diese Erfahrungen zurückgreifen und übertragen.

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Kapitel 3: Lernen

Bully

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– Marshall McLuhan: The Medium is the message

„The student finds no means of involvement for himself and cannot discover how the educational scheme relates to his mythic world of electronically processed data …“

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Kapitel 3: Lernen

3.1 Definition DES LERNENS In der Psychologie beinhaltet der Begriff des Lernens nach Rosemarie Mielke alle Prozesse, die den Lernenden so verändern, dass er beim nächsten Mal in einer vergleichbaren Situation die Möglichkeit hat, unterschiedlich zu reagieren. Diese Veränderung geht dabei auf Erfahrung oder Übung des Lernenden zurück, wobei Erfahrungen wie beispielsweise in der Schule auch sozial vermittelt werden können. Lernen beinhaltet nicht nur den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, sondern auch die Bildung von Vorlieben, Abneigungen und Gewohnheiten. Die Voraussetzung einer Verhaltensanpassung auf neue Situationen bildet das Erkennen von Regelhaftigkeiten in der Umwelt. Der Lernende muss dazu erkennen können, welche Vorgänge in seiner Umwelt auf welche Art und Weise miteinander in Beziehung stehen. Im allgemeinen Sprachgebrauch kann man zwischen zwei Verwendungsarten des Begriffs Lernen unterschieden. Einerseits kann der Lernprozess im Sinne von der Aufnahme und Speicherung von Informationen gemeint sein, andererseits wird mit dem Begriff Lernen auch die gezielte Lerntätigkeit selbst bezeichnet, wobei diese Bezeichnung unabhängig davon ist, ob das gesetzte Lernziel tatsächlich erreicht wird. Da das Ergebnis eines Lernprozesses nicht zwingend im Verhalten der lernenden Person sichtbar sein muss, unterscheidet man zwischen dem Lernergebnis als Aufbau eines Verhaltenspotenzials, welches über eine längere Zeit verfügbar ist, und der Lernleistung als überprüfbare Umsetzung dieses Verhaltenspotenzials durch den Lernenden. Für die Lernleistung spielen insbesondere die gegebenen Bedingungen wie Motivation und Ermüdungszustand der Person oder die Anreizbedingungen der Situation eine Rolle. (Mielke 2001: 12–14) Das Lernen stellt eine dauerhafte Veränderung des Lernenden dar. Diese Veränderung kann nur dann dauerhaft sein, wenn sie im Gedächtnis verankert ist. Daher bildet das Gedächtnis eine notwendige Voraussetzung für jeden Lernprozess. Der Gedächtnisbegriff bezieht sich dabei auf die Aspekte der Speicherung und Verfügbarkeit von aufgenommenen Informationen. (Schermer 1991: 14)

3.2 Aktives Lernen James Paul Gee untersucht in seinem Buch „What video games have to teach us about learning and literacy“ (2003) die Lernerfahrungen, welche in vielen Computerspielen beim Spieler auftreten. Er definiert 36 Lernprinzipien, und erläutert, wie sich diese Prinzipien auf andere Lernsituationen, wie beispielsweise den Schulunterricht, übertragen lassen. Gee bezieht seine Lernprinzipien auf Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft, welche sich mit Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Denken, Lernen, Motorik und Sprache befasst. Gee argumentiert, dass Computerspiele mit der Zeit immer komplexer und herausfordernder geworden sind. Um zu gewährleisten, dass die Spieler diesen steigenden Herausforderungen gewachsen sind, müssen Computerspiele daher wirkungsvolle Lernprinzipien beinhalten. Nach seiner Ansicht gibt der kommerzielle Erfolg eines Spiels einen Hinweis auf die Effektivität der implementierten Lernprinzipien: „If a game has poor learning principles built into its design, then it won’t get learned or played and won’t sell well.“ (2003: 6) 52

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Kapitel 3: Lernen

Gees Überlegungen basieren auf den Thesen der situated cognition, einer Bewegung innerhalb der Kognitionswissenschaft. Demnach findet Lernen immer in einem bestimmten, situationsbezogenen Kontext statt und wird von den Erfahrungen des Lernenden in einer sozialen, kulturellen und stofflichen Welt geprägt. Der Autor bezeichnet diesen Bedeutungskontext als semiotische Domäne (semiotic domain). Dieser Kontext bestimmt die jeweilige Bedeutung bestimmter Zeichen, wie beispielsweise Wörter, Handlungen, Objekte, Bilder oder Klänge. (2003: 17) Gee nennt Basketball als Beispiel für eine solche semiotische Domäne: „In basketball, ‚dribble‘ does not mean drool; a pick [...] means that some defending player must quickly switch to guard the now-unguarded offensive player“. (2003: 18) Er argumentiert, dass es notwendig ist diese spezifischen Bedeutungen aus der semiotischen Domäne „Basketball“ zu kennen, um Basketball „lesen“ und wirklich verstehen zu können. Er erweitert den Begriff der literacy, also der Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, wie folgt: „[...] we can say that people are (or are not) literate (partially or fully) in a domain if they can recognize (the equivalent of ‚reading‘) and/or produce (the the equivalent of „writing“) meanings in the domain.“ (2003: 18) Entscheidend für einen erfolgreichen Lernprozess ist nach seiner Ansicht, ob der Lernende in der Lage ist, innerhalb einer semiotischen Domäne Bedeutungen sowohl verstehen („lesen“) als auch selbst produzieren („schreiben“) zu können. Gee bezeichnet diesen Lernprozess als active learning, welcher im Gegensatz zu dem passiven Auswendiglernen von Inhalten steht. Er nennt als Beispiel für passives Lernen verschiedene Studien, die zeigen, dass viele Physikstudenten zwar Newtons Grundsätze der Bewegung auswendig kennen, einfache, angewandte Fragen zu diesem Thema aber nicht beantworten können. (2003: 22–23) Ein solches passives Lernen ist aber im Alltag unbrauchbar: „General, purely verbal meanings, meanings that a person has no ability to customize for specific situations [...] are useless.“ (2003: 85) Nach Gee müssen drei Faktoren für einen aktiven Lernprozess vorhanden sein. (2003: 23) 1. Experience (Erfahrung): Der Lernende lernt seine Umgebung in einer neuen Art und Weise zu sehen, zu erfahren und auf sie einzuwirken. 2. Affiliation (Zugehörigkeit): Der Lernende wird durch seine Handlungen Teil einer Gruppe von Personen, welche sich innerhalb der selben semiotischen Domäne bewegen. Der Lernende gewinnt Kenntnisse, die es ihm ermöglichen, sich mit Personen dieser Gruppe auszutauschen. 3. Preparation (Vorbereitung): Der Lernende erlangt Kenntnisse, welche ihn auf zukünftige Lernsituationen innerhalb der selben oder einer ähnlichen semiotischen Domäne vorbereiten. Gee erläutert das Prinzip des aktiven Lernens beispielhaft anhand des Spiels Pikmin (2001). In Pikmin nimmt der Spieler die Rolle von Captain Olimar ein, dessen Raumschiff auf einem ihm unbekannten Planeten abgestürzt ist. Mit Hilfe der hilfsbereiten Pikmin versucht er, die verstreuten Teile seines Raumschiffes wieder zu finden. Die Pikmin sind kleine, planzenähnliche Wesen, welche den Planeten bewohnen. Es gibt im Spiel drei verschiedene Pikmin-Arten (rot, blau und gelb) mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften. Nach Gee hat beispielsweise ein gelber Pikmin für den Spieler keine allgemeingültige Bedeutung in der Spielwelt. So kann ein gelber Pikmin zum einen Bomben werfen, um beispielsweise Hindernisse zu zerstören, zum anderen lässt er sehr hoch werfen und kann dadurch unzugängliche Orte erreichen. Der Spieler muss daher selbst die jeweilige Bedeutung des Pikmin aus der spezifischen Situation heraus ableiten. (2003: 40)

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A

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B

C Nachdem der Spieler alle vier Puzzles gelöst hat, erklärt Bob mit Hilfe von Bub die Lernprinzipien dieses Levels.

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Kapitel 3: Lernen

3.3 Erforschen und Erkunden Wie wir am Beispiel von Pikmin gesehen haben ist die Bedeutung von Zeichen und Objekten in Computerspielen situationsspezifisch, also abhängig von dem Kontext der gegebenen Spielsituation. Gee bezeichnet dies als situated meaning. Der Spieler kann die Bedeutung eines Objektes erst dann erkennen, wenn es ihm möglich ist, einen Zusammenhang zwischen dem Objekt, seinen möglichen Handlungen und der Spielwelt herzustellen. (2003: 84) Der Spieler versucht demnach aktiv die Bedeutung eines Objektes aufgrund seiner Spielerfahrungen zu entschlüsseln.

Pikmin

Gee nennt dazu als ein weiteres Beispiel das Computerspiel Deus Ex (2000), in dem der Spieler die Rolle eines Geheimagenten in einer futuristischen und endzeitlichen Welt einnimmt. In der Spielwelt von Deus Ex findet der Spieler an einer bestimmten Stelle einen numerischen Code, der für ihn zunächst bedeutungslos ist. Erst sobald der Spieler ein anderes Objekt in der Welt findet, auf den sich der Code anwenden lassen könnte (wie beispielsweise ein Safe oder ein Computer), kann er eine mögliche Bedeutung des Codes konstruieren. Nach Gee beinhalten die Objekte in einem Computerspiel eine integrierte Aufforderung an den Spieler, diese auf eine bestimmte Art und Weise zu verwenden: „Every potentially meaningful sign in a game like Deus Ex – whether word, deed, artifact, or action – is a particular sort of invitation to embodied action“. (2003: 85) Der Prozess, in welchem der Spieler versucht, sich die Bedeutung von Objekten, Ereignissen und Handlungen in der Spielwelt zu erschließen, wird von Gee probing cycle genannt (2003: 90). Dieser besteht aus vier aufeinander folgenden Schritten: 1. Der Spieler muss die virtuelle Spielwelt durch seine ihm möglichen Handlungen untersuchen und erforschen. A 2. Basierend auf seinen Untersuchungen muss er eine Hypothese B über die Bedeutung eines bestimmten Objektes, eines Ereignisses oder einer Handlung bilden. 3. Der Spieler überprüft C seine Hypothese, indem er erneut Handlungen in der Spielwelt durchführt und die darauf folgenden Reaktionen beobachtet. 4. Der Spieler bewertet diese Reaktion und akzeptiert oder überdenkt daraufhin seine ursprüngliche Hypothese.

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D Der Spieler muss das Prinzip des probing cycle anwenden, um in einem Computerspiel weiter zu kommen.

E Viele Computerspiele lassen sich ohne vorheriges Lesen der Anleitung spielen, da sie dem Spieler wichtige Informationen innerhalb der Spielsituation geben.

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Nach Gee setzen viele Computerspiele vom Spieler voraus, die einzelnen Schritte des probing cycle D zu befolgen, um im Spiel überhaupt Fortschritte machen zu können: „In a good video game you have to try lots of different things and then you have to think about the results you get, try to make sense of what they mean for you and your progress through the virtual world of the game.“ (2003: 91) Wie wir in Kapitel 2.3 gesehen haben muss das Spiel dem Spieler ausreichend Feedback bereit stellen, damit er Handlung und Folge miteinander in Beziehung setzen und somit überhaupt erst eine Hypothese aufstellen kann. Nach Gee erhält der Spieler in vielen Computerspielen essentielles Feedback direkt innerhalb der Situation, in welcher die entsprechende Information benötigt wird. Der Spieler muss sich wichtige Informationen nicht bereits im Voraus oder außerhalb des Spielkontextes merken. (2003: 132) Für den Spieler ist es daher in der Regel nicht zwingend, die Spielanleitung E vor Beginn des Spiels zu lesen. Dies ist im Gegensatz dazu beispielsweise bei einem Brettspiel unumgänglich. Gee schreibt dazu: „Players don‘t need to read a manual to start, but can use the manual as a reference after they have played a while and the game has already made much of the verbal information in the manual concrete through the player‘s experiences in the game.“ (Gee 2004) Vielmehr lernt der Spieler die dem Spiel zugrundeliegenden konstitutiven Regeln durch Ausprobieren unterschiedlicher Handlungen und Erforschen der Spielwelt. Nach Chaim Gingold ist die Spielwelt durch klar definierte und sichtbare Grenzen abgesteckt, welche den Spieler zu dem Versuch anspornen können, diese offenkundigen Grenzen zu übertreten: „Testing boundaries is one way to find out what stuff a constructed world is made of.“ (Gingold 2003: 32) Die sichtbaren Grenzen der Spielwelt bilden nach Gingold die Voraussetzung dafür, dass der Spieler die Welt auf Geheimnisse und Überraschungen hin erforschen kann. So kann der Spieler in Super Mario Bros (1985) beispielsweise über eine geheime Passage über den Bildschirmrand heraustreten und sich oberhalb der Spielwelt ungehindert bis zum Ziel bewegen.

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F Bob sucht nach dem zugrundeliegenden Muster dieses Puzzles. Er muss dazu das zuvor Gelernte auf die neue Situation übertragen. Die zwei

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schraffierten und unveränderlichen Felder im rechten Spielfeld geben dem Spieler und Bob den entscheidenden Hinweis.

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Kapitel 3: Lernen

3.4 Mustererkennung Nach Gee lernen Kinder im Alltag aus sich selbst heraus auf dem Prinzip des probing cycle, wenn natürlich auch unbewusst. (2003: 91) Demnach beobachten Kinder, welche Reaktion eine von ihnen getätigte Handlung auslöst und versuchen dabei unterbewusst einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung zu erkennen. Die Kinder lernen, wie sie auf ihre Umgebung einwirken und diese somit verändern können. Der amerikanische Grundschullehrer John Holt hat in seinem Buch „Wie Kinder lernen“ (1967) zahlreiche solcher spielerischen Lernversuche von Kleinkindern beobachtet: Heute morgen versuchte Lisa, einen Luftballon vom Boden aufzuheben, doch im selben Augenblick kam ein Windstoß von der Türe und blies den Luftballon quer durchs ganze Zimmer. Sie schaute ihm nach, während er sich entfernte. Als er zur Ruhe gekommen war, kroch sie zu ihm und blies ihn an, als ob sie ihn weitertreiben wollte. Ich war verblüfft. Sollten so kleine Kinder den Zusammenhang zwischen der Fähigkeit des Windes, Gegenstände zu bewegen, und der eigenen Fähigkeit, sie durch Anblasen zu bewegen, erkennen können? Offensichtlich ja. (Holt 1967: 13) Nach Gee lernt ein Kind aufgrund der Erfahrungen innerhalb seiner Umwelt assoziativ die zugrundeliegenden Muster F bestimmter Zusammenhänge: „As children build up their concepts [...] as a set of complexly interlinked patterns and subpatterns, they use these patterns to situate meanings that are appropriate to specific situations.“ (2003: 93) Ein solches Muster lässt sich auf neue unbekannte Situationen übertragen und adaptieren. Daher argumentiert Gee, dass erkannte Muster den Lernenden auf zukünftige Lernsituationen besser vorbereiten, als dies eine Liste von auswendig gelernten Fakten tun würde. (2003: 96) Das Entdecken eines zugrundeliegenden Musters wird in der Wahrnehmungsforschung als Mustererkennung (pattern recognition) bezeichnet. Mustererkennung beinhaltet beispielsweise das Identifizieren von Objekten, Buchstaben, Melodien oder auch Gesichtern. Scott McCloud zeigt in „Understanding Comics“ (1993: 32–33) eindrucksvoll, dass die Fähigkeit des Menschen Gesichter zu erkennen so ausgeprägt ist, dass der Mensch auch in unbelebten Objekten Gesichtsmuster wiedererkennen kann.

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Kapitel 3: Lernen

Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Modelle der Mustererkennung aufgeführt. Bei der Merkmalsanalyse wird ein Objekt auf seine charakteristischen Merkmale hin überprüft. So bestehen die Merkmale eines Buchstaben aus unterschiedlich angeordneten Strichen, welche nach bestimmten Regeln miteinander kombiniert werden. Das Muster für den Buchstaben L setzt sich beispielsweise aus einer langen vertikalen und einer kurzen horizontalen Linie zusammen, welche in einem rechten Winkel zueinander stehen. Die Kontextinformationen eines Objektes liefern dem Betrachter wichtige Anhaltspunkte, um das entsprechende Muster des Objektes erkennen zu können. So werden beispielsweise beim Lesen die charakteristischen Merkmale eines Wortes durch den Satzkontext ergänzt. Die Bedeutung des zu erkennenden Wortes ergibt sich also nicht allein aus den Buchstaben des Wortes, sondern auch aus dem Sinnzusammenhang des Satzes. (Mielke 2001: 89–93) Auch in Computerspielen trifft der Spieler immer wieder auf grundlegende Muster. Raph Koster schreibt dazu: „We learn the underlying patterns [of games], grok them fully, and file them away so that they can be rerun as needed.“ (Koster 2005: 34) So kann der Spieler beispielsweise den Bewegungsablauf einer gegnerischen computergesteuerten Spielfigur vorausahnen, wenn er das zugrundeliegende Muster der Bewegung erkannt hat. Puzzlespiele wie Tetris (1985) erfordern wiederum vom Spieler das Erkennen von visuellen und räumlichen Mustern. Gingold betont die Bedeutung der Variation von Mustern in Computerspielen: „A key property of games is recombining familiar elements into novel configurations.“ (Gingold 2003: 11) So finden sich laut Gingold im ersten Spielabschnitt von Super Mario Bros (1985) bereits alle grundlegenden Spielelemente wieder, die in den darauf folgenden Abschnitten lediglich variiert werden.

3.5 Gefahrlosigkeit und Wiederholbarkeit Nahezu alle Computerspiele bieten dem Spieler die Möglichkeit, schwierige Herausforderungen beliebig oft zu wiederholen, bis der Spieler in der Lage ist, diese zu meistern. Der Spieler verbessert seine Fähigkeiten durch Wiederholung seiner Spielhandlungen. Juul beschreibt dies so: „Games are learning experiences, where the player improves his or her skills at playing the game. At any given point, the player will have a specific repertoire of skills and methods for overcoming the challenges of the game.“ (Juul 2005: 56) Verliert der Spieler eines seiner zahlreichen Bildschirmleben, so bedeutet dies nicht etwa ein unwiderrufliches Scheitern, sondern impliziert vielmehr die Möglichkeit, es daraufhin erneut versuchen zu können. Computerspiele erlauben es also dem Spieler, Fehler innerhalb der Spielwelt zu machen und aus diesen Fehlern zu lernen. Ein vom Spieler gemachter Fehler hat dabei außerhalb des Spielraumes allenfalls geringe Konsequenzen zur Folge. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden naturgemäß Spiele aus dem Bereich des professionellen Sports, wo ein Fehler möglicherweise zum Ausscheiden aus einem bedeutendem Turnier führen kann. Caillois beschreibt die Domäne des Spiels als eine „reservierte, geschlossene oder geschützte Welt“, aus welcher die Spielhandlungen nicht in das wirkliche Leben übertreten. (Caillois 1958: 11) Nach Crawford ist dieses Prinzip der Gefahrlosigkeit (Safety) ein wichtiger Bestandteil des Computerspiels: „[...] a game is an artifice for providing the psychological experiences of conflict and danger while excluding their physical realizations. In short, a game is a safe way to experience reality.“ (Crawford 1982: 14) Koster argumentiert hier ähnlich: „That’s what games are for in the first place – to package up the unpredictable and the learning experience into a space and time where there is no risk.“ (Koster 2005: 116)

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Kapitel 3: Lernen

3.6 Lerninhalte Wie wir gesehen haben spielt das Prinzip des Lernens in Computerspielen eine wichtige Rolle. Sehr wenige Spiele vermitteln dem Spieler jedoch tatsächliches Wissen, welches von der Gesellschaft als sinnvoll angesehen wird. Gee bezeichnet dieses Phänomen als problem of content. (2003: 20) Demnach werden in der westlichen Gesellschaft vor allem solche Inhalte als lernenswert und relevant angesehen, welche in akademischen Disziplinen wie beispielsweise Literatur, Geschichte, Physik oder Kunst verortet sind. Gee sieht diese Haltung problematisch, da nach seiner Auffassung eine akademische Disziplin (oder eine semiotische Domäne allgemein) in erster Linie nicht aus Inhalten im Sinne von Daten und Fakten besteht, sondern vielmehr aus den sozialen Handlungen, aus denen diese Inhalte erzeugt werden: „It is in these social practices that ‚content‘ is generated, debated, and transformed via certain distinctive ways of thinking, talking, valuing, acting, and, often, writing and reading.“ (2003: 21) Gee betont hier erneut die Wichtigkeit für den Lernprozess, innerhalb einer semiotischen Domäne Erfahrungen zu sammeln und tätig zu werden, anstatt ausschließlich verbal Inhalte zu lernen. Nun liegt die Motivation eines Spielers in der Regel ohnehin nicht darin, mit Hilfe eines Computerspiels etwas „Nützliches“ für das wirkliche Leben zu lernen. Wie wir bereits in den ersten beiden Kapiteln gesehen haben hat das Spielen als Handlung vor allem sich selbst zum Ziel. Die Anreize liegen in der Tätigkeit des Spielens und nicht in dem möglicherweise darauf auftretenden Lernergebnis. Dennoch gibt es zahlreiche sogenannte Educational Games, welche dafür gedacht sind, Kinder und Erwachsene dabei zu unterstützen, eine Fähigkeit oder Wissenswertes aus einem bestimmten Fachgebiet zu lernen und sie in ihrer Entwicklung zu fördern. Wie sollte ein solches Lernspiel gestaltet sein, das gezielt versucht, einen bestimmten Lernprozess beim Spieler hervorzurufen? Nick Fortugno und Eric Zimmerman argumentieren, dass Lernspiele idealerweise nicht statisches Wissen, sondern vielmehr Prozesse abbilden sollten: „Games are dynamic, participatory systems, and processoriented content is much better suited to games than factual content. For example, if your aim is to create a game about history, an experience in which players learn historical dates is less of a game-native approach than one about historical causality, or a simulation of a historical period.“ (Fortugno 2005) Die zu vermittelnden Inhalte sollten nach Ansicht der beiden Autoren direkt an die Spielinteraktion und Handlungsmöglichkeiten gekoppelt werden. So können die Spieler die entsprechenden Zusammenhänge des Lerninhalts selbst entdecken und erforschen, was zu einem besseren Verständnis führt. Als Beispiel für einen solchen Lernprozess wird oft Sim City (1989) genannt, obwohl es sich hierbei nicht um ein explizites Lernspiel handelt. Sim City erlaubt es dem Spieler grundlegende Prozesse und Zusammenhänge der Stadtentwicklung nachvollziehen zu können. Gingold beschreibt dies wie folgt: „[...] the macroscopic overview creates a plasticity unavailable to even the most authoritarian city planner. Insert some roads to help this section of the city develop; plant some residential seeds in the hope that homes will grow over here.“ (Gingold 2003: 26) Prozesse für den Spieler nachvollziehbar und erfahrbar zu machen ist eine inhärente Eigenschaft von Computerspielen. Dies spiegelt sich auch in der Argumentation von Crawford wieder: „A game derives its quality from the richness of the network of options it presents. These options are only accessible through the process-intensive aspects of the game.“ (Crawford 1982: 46)

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Kapitel 4: Identifikation

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– James Paul Gee: What video games have to teach us about learning and literacy

„… when you are playing as a virtual character in a video game, that character (you) is the hero (center) of the story and in that sense the ‚good guy‘ no matter how bad he or she might be from another perspective.“

Kapitel 4: Identifikation

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Kapitel 4: Identifikation

4.1 Definition DER IDENTIFIKATION Der Begriff Identifikation wird in der Literatur- und Filmwissenschaft verwendet, um die emotionale Beziehung zwischen dem Leser und einem fiktiven Charakter im Buch oder zwischen dem Zuschauer und einem fiktiven Charakter auf der Leinwand zu beschreiben. Murray Smith bezeichnet die allgemeine, umgangssprachliche Verwendung des Begriffs der Identifikation im Filmkontext als folk model: „We watch a film, and find ourselves becoming attached to a particular character or characters on the basis of values or qualities roughly congruent with those we possess, or those that we wish to possess, and experience vicariously the emotional experiences of the character: we identify with the character.“ (M. Smith 1995: 2) Allerdings fehlt diesem Modell nach Smith eine koheränte Systematik, um die komplexen Vorgänge zwischen dem Zuschauer und den fikitiven Charakteren treffend beschreiben zu können. Smith unterteilt deshalb das Konzept der Identifikation als imaginative Beziehung zwischen dem Zuschauer und den Charakteren in drei unterschiedliche Ebenen, die er als levels of engagement bezeichnet: Recognition (Erkennung) beschreibt die mentale Konstruktion der fiktiven Charaktere durch den Zuschauer, Alignment (Ausrichtung) den Zugang des Zuschauers zu Handlungen, Gefühlen und Wissen der unterschiedlichen Charaktere und Allegiance (Zugehörigkeitsgefühl) bezeichnet die moralische Bewertung der Charaktere durch den Zuschauer. Die letztgenannte Ebene ist nach Smith dem allgemeinen Sprachgebrauch des Begriffs Identifikation am ähnlichsten: „[...] we talk of ‚identifying with’ both persons and characters on the basis of a wide range of factors, such as attitudes related to class, nation, age, ethnicity and gender“. (1995: 82–86) Smith argumentiert, dass der Zuschauer die Charakterzüge, Erfahrungen, Gedanken und Emotionen des fiktiven Charakters nicht auf sich selbst überträgt und repliziert, sondern vielmehr die Eigenschaften und Handlungen des Charakters im Kontext der Narration versteht und nachvollzieht: „In sympathizing with the protagonist I do not simulate or mimic her occurrent mental state. Rather, I understand the protagonist and her context, make a more-or-less sympathetic or antipathetic judgment of the character, and respond emotionally in a manner appropriate to both the evaluation and the context of action.“ (1995: 86) In diesem Kapitel soll unter dem Begriff der Identifikation die emotionale Beziehung zwischen Spieler und Computerspiel näher untersucht werden. Auch in Computerspielen findet Identifikation auf mehreren unterschiedlichen Ebenen statt. Im Folgenden soll dazu insbesondere auf das Spielthema und die Beziehung zwischen Spieler und Spielfiguren eingegangen werden.

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Kapitel 4: Identifikation

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Kapitel 4: Identifikation

A Um inbesondere auch Personen ohne Erfahrung mit Computerspielen anzusprechen, basiert die Spielmechanik dieses Levels auf dem Kinderspiel Fangen, welches bei den meisten Menschen Erinnerungen an ihre Kindheit wecken sollte. So auch bei Bob.

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4.2 Spielthema Greg Costikyan bezeichnet das Thema eines Spiels mit dem Begriff color. Mit dieser „Spielfarbe“ sind Setting und Details gemeint, welche den Reiz für den Spieler erhöhen: „Pageantry and detail and sense of place can greatly add to a game‘s emotional appeal.“ (Costikyan 1994) Die Spielfarbe ist nach Costikyan von den eigentlichen Spielregeln unabhängig und daher austauschbar. Wir haben jedoch bereits in Kapitel 1.7 gesehen, dass sich Darstellung und Regeln eines Spiels gegenseitig beeinflussen – demnach ist es sinnvoll, dass sich das Spielthema der Spielinteraktion unterordnet. (Crawford 1982: 50) Das Spielthema gibt uns einen Hinweis auf die Frage, warum ein Spieler ein bestimmtes Spiel einem anderem vorzieht. Ob ein Spieler sich mit einem Spiel identifizieren kann, wird unter anderem davon beeinflusst, welche persönlichen Erfahrungen er mit dem Spielthema verbindet. Nehmen wir beispielsweise das Computer-Rollenspiel Eye of the Beholder (1990), welches auf dem Pen-and-Paper-Rollenspiel Dungeons & Dragons (1974) basiert. Der Spieler hat die Aufgabe, Verließe zu erforschen, Monster zu töten und Schätze zu finden. Das Spiel spricht insbesondere Spieler an, die mit dem Originalspiel bereits vertraut sind oder sich für Fantasy-Literatur wie beispielsweise The Lord of The Rings (Tolkien 1954) begeistern. Das Setting des Spiels bietet daher nur für eine bestimmte Personengruppe die Möglichkeit zur Identifikation.

Eye of the Beholder

Ein Thema, mit dem hingegen viele Personen eine bestimmte Erfahrung verbinden können, hat das Potenzial, eine Vielzahl unterschiedlicher Personen anzusprechen. So gilt Pac-Man (1979) als eines der erfolgreichsten Arcadespiele aller Zeiten (Parish 2004). Das Thema von Pac-Man basiert auf dem Kinderspiel Fangen. A Der Spieler nimmt abwechselnd die Rolle des Jägers und des Gejagten ein. Fangen ist ein gutes Beispiel für ein universelles Spieltheima mit einem hohen Identifikationspotenzial, da es von Kindern auf der ganzen Welt und in verschiedenen Kulturkreisen gespielt wird.

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B Bub erklärt Bob (und dem Spieler), warum sie durch ihre abstrakte und universelle Darstellung Sympathie erwecken.

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4.3 Spielfiguren In vielen Computerspielen werden die Handlungen des Spielers mit Hilfe von Spielfiguren repräsentiert. Die Beziehung, die der Spieler zu den Figuren aufbaut, ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig, auf die im Folgenden eingegangen werden soll. Die Darstellung, der Charakter und die Hintergrundgeschichte einer Spielfigur können unterschiedlich stark ausgearbeitet sein. Scott McClould zeigt in seinem Buch „Understanding Comics“ (1993) eine Bandbreite möglicher Figurendarstellungen, die von spezifisch bis abstrakt reicht.

Für McCloud besteht eine herausragende Eigenschaft von Comics in dem Prinzip der Amplification through Simplification, der Verstärkung der Wirkung durch die Vereinfachung der Darstellung. (McCloud 1993: 31-46) Während eine spezifische und detailliert ausgearbeitete Darstellung eine bestimmte Figur repräsentiert, kann eine abstrakte und unspezifische Figur für eine Vielzahl möglicher Figuren stehen. Eine abstrakte Darstellung B erhöht die Identifikationsmöglichkeiten für den Rezipienten immens, da er selbst durch seine Imagination die Lücken in der Darstellung ausfüllt. Dies gilt in Computerspielen insbesondere für die Figur des Spielers. Harvey Smith merkt dazu an: „The less well-defined the player-character is, the more easily the player himself can ‚be‘ the character, can immerse himself in the game world.“ (H. Smith 1999) Eine Spielfigur, die nur skizzenhaft ausgearbeitet ist, gibt dem Spieler die Möglichkeit, die Figur durch seine Handlungen mit Leben zu füllen, ohne dabei gegen die Persönlichkeit der Figur zu handeln. Ein gutes Beispiel dafür ist Dr. Gordon Freeman, der Protagonist aus Half-Life (1998). Freeman selbst ist im Spiel nicht zu sehen, stattdessen nimmt der Spieler die Umgebung aus der Ich-Perspektive des Helden wahr. Freeman spricht während des gesamten Spiels nicht – auch wenn er von anderen Charakteren im Spiel direkt angesprochen wird. David Speyrer, der Projektleiter der Half-Life Serie, begründet diese Designentscheidung in einem Interview wie folgt: „We worked hard to immerse players in our universe, and hearing Gordon speak would just remind players that they‘re playing a game. Despite the design difficulties, we still think that Gordon needs to be an empty vessel for the player‘s personality and emotions.“ (Elliott 2006)

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C Die Spielfiguren des Nintendo Wii sind eher abstrakt dargestellt, lassen sich aber zugleich in vielen Details dem Aussehen des Spielers individuell anpassen.

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Ein weiteres Beispiel für eine universelle Spielfigur ist Nintendos Flagschiff Super Mario. Über seine Persönlichkeit und Hintergrundgeschichte ist aus den Spielen wenig bekannt: „He‘s short, wears overalls, has a mustache and is Italian. Barring a few family ties and rivalries, that‘s essentially all we know.“ (H. Smith 1999) Der schwach ausgearbeitete Charakter von Mario bestimmt gleichzeitig seine Vielseitigkeit und ermöglicht es Nintendo, Mario in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen zu lassen. So taucht Mario in über 130 verschiedenen Videospielen auf: Mario rettet Prinzessinnen, arbeitet als Doktor, spielt Tennis, Golf, Fußball oder Basketball und fährt Go-Kart-Rennen.

Mario Golf: Advance Tour

Zahlreiche Computerspiele beinhalten hingegen visuell sehr detailliert ausgearbeitete Figuren. Die kontinuierlich steigenden grafischen Möglichkeiten von Computer und Videospielkonsolen ermöglichen eine immer realistischere Darstellung von Spielwelten und Figuren. Eine solche fotorealistische Darstellung kann jedoch die Akzeptanz der künstlichen Figur durch den Rezipienten mindern. Diesen Effekt beschreibt Masahiro Mori in seiner Hypothese des Uncanny Valley: Eine künstliche Figur, die dem Menschen so realitätsgetreu wie möglich nachempfunden ist, wird vom Beobachter intuitiv mit den selben Maßstäben gemessen wie ein Mensch. Dadurch wird ein eher unnatürliches Ausdrucksverhalten in Form von Bewegungen und Mimik der künstlichen Figur vom Betrachter besonders stark wahrgenommen und als negativ empfunden. (Mori 1970) Clive Thompson nennt Resident Evil Outbreak (2003) als ein Beispiel für ein Computerspiel mit realistischer Darstellung, bei dem dieser Effekt auftritt: „Every highly realistic game has the same problem. Resident Evil Outbreak‘s humans are realistic, but their facial expressions are so deadeningly weird they‘re almost scarier than the actual zombies you‘re fighting.“ (Thompson 2004) Eine Reihe von Computerspielen geben dem Spieler die Möglichkeit, die Spielfiguren nach seinen eigenen Wünschen anzupassen. So kann der Spieler beispielsweise in Tony Hawk Underground (2003) seinen eigenen Skater erstellen und dessen Aussehen nach Belieben verändern. Mit Hilfe einer Digitalkamera kann der Spieler darüber hinaus sein eigenes Gesicht in die virtuelle Spielfigur einbauen. Dies verstärkt bei dem Spieler das Gefühl, sich selbst im Spiel zu befinden, anstatt eine andere Person zu steuern. Auch die Spielkonsole Nintendo Wii (2006) ermöglicht es, individuelle Spielfiguren C zu erstellen. Diese Funktion ist direkt in das System einprogrammiert, wodurch die Figuren in unterschiedlichen Spielen zum Einsatz kommen können.

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D Die indirekte Steuerung macht aus Bob eine eigenständige Figur, die auf die Anweisungen des Spielers reagiert. Bei der direkten Steuerung

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verkörpert Bob hingegen die Handlungen des Spielers.

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4.4 Steuerung Die Steuerung des Spiels beeinflusst ebenfalls die Beziehung zwischen Spieler und Spielfiguren. Man kann dabei zwischen direkter und indirekter Steuerung D unterscheiden. In einem Spiel mit direkter Steuerung führt die Figur des Spielers seine Handlungen unmittelbar aus. Bewegt der Spieler beispielsweise in Pac-Man (1979) den Joystick nach links, so bewegt sich seine Spielfigur synchron in diese Richtung. Die Spielfigur repräsentiert die Handlungen des Spielers in der Spielwelt. In Lemmings (1991) steuert der Spieler hingegen bis zu hundert Spielfiguren indirekt, in dem er ihnen per Mausklick Anweisungen gibt. Ohne die Anweisungen des Spielers laufen die Figuren gedankenverloren in den nächsten Abgrund. Die Spieler nimmt daher nicht selbst die Rolle der Spielfiguren ein, sondern nimmt diese als selbstständig handelnde Figuren wahr.

Lemmings

Auch der Grad an Exaktheit und intuitiver Bedienbarkeit der Steuerung beeinflusst die Beziehung zwischen Spieler und Spielfigur. So kann eine ungenaue Steuerung bei dem Spieler das Gefühl hervorrufen, dass die Figur seine Eingaben nicht befolgt, sondern gewissermaßen ein Eigenleben führt. Eine flüssige Steuerung kann dem Spieler hingegen ein Gefühl der Kontrolle geben und die Immersion verstärken.

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4.5 Immersion Mit dem Begriff der Immersion wird die Erfahrung des Spielers, sich in einer virtuellen Welt zu befinden und darin einzutauchen, umschrieben. Die Idee der Immersion wurde vor allem durch das Buch „Hamlet on the Holodeck“ (1997) von Janet Murray populär. Nach Murray ist ein ideales immersives System nicht von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Immersion setzt bei dem Spieler voraus, dass er gewillt ist, bestimmte Gegebenheiten in der Fiktion und Limitationen in dem Medium des Spiels zu akzeptieren. Dieser Vorgang wird als Suspension of disbelief bezeichnet und geht auf den englischen Dichter Samuel Taylor Coleridge zurück. (Laurel 1991) Bernd Hartmann beschreibt die Suspension of disbelief in Computerspielen wie folgt: „Ein Spieler, der sich auf die Welt des Spiels einlässt, ist normalerweise bestrebt, die Fiktion ernst zu nehmen, so dass er die Begrenzungen weitgehend ausblendet.“ (Hartmann 2004: 95) Weichen jedoch die Fiktion und die Regeln eines Spiels zu sehr voneinander ab, droht die Suspension of disbelief zu zerbrechen. Werden beispielsweise in einer dreidimensionalen Spielwelt Türen und Fenster realistisch und detailreich dargestellt, suggeriert dies dem Spieler, dass diese sich öffnen lassen. Lassen sich nun zwar die Türen öffnen, nicht aber die Fenster, wird der Spieler diese inkohärente Einschränkung des Spiels nicht akzeptieren. Das Spiel Half-Life (1998) wird aufgrund seiner in-game cutscenes oft als Beispiel für ein besonders immersives Computerspiel genannt: Der Spieler kann sich während dieser Zwischensequenzen, in denen die Handlung vorangetrieben wird, völlig frei bewegen. Dadurch erlebt der Spieler das gesamte Spiel hinweg aus der Perspektive der Spielfigur und wird im Spielfluss nicht unterbrochen.

Half-life

Die Idee der Immersion als direkte Identifikation des Spielers mit seiner Spielfigur ist allerdings in der Literatur über Computerspiele oft kritisiert worden. (Linderoth 2005) So wird der übertriebene Fokus auf Immersion in Computerspielen von Salen und Zimmerman als immersive fallacy, also als Irrtum bezeichnet. (Salen 2004: 450) Salen und Zimmerman argumentieren, dass der Spieler sich stets der Künstlichkeit der Spielsituation bewusst ist: „A player’s relationship to a game character he or she directly controls, is not a simple matter of direct identification. Instead, a player relates to a game character

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through the double-consciousness of play. [...] the player is fully aware of the character as an artificial construct.“ (Salen 2004: 453) Die übermäßige Betonung der Immersion wird demnach dem Medium des Computerspiels nicht gerecht. Vielmehr findet die Identifikation mit den Spielfiguren auf mehreren unterschiedlichen Ebenen statt. Basierend auf den Überlegungen von Salen und Zimmerman hat Jonas Linderoth empirisch untersucht, wie Kinder sich mit den Spielfiguren in Computerspielen identifizieren und dabei insbesondere berücksichtigt, auf welche Art und Weise die Kinder über die Spielfiguren sprechen. (Linderoth 2005) Er hat festgestellt, dass Kinder im Kommentieren des Spielgeschehens zwischen drei verschiedenen Bedeutungsebenen der Identifikation hin und her wechseln und sich dieser Ebenen durchaus bewusst sind. Nach Linderoth spiegeln diese Bedeutungsebenen verschiedene Funktionen der Spielfiguren wider: 1. Ein fiktiver Charakter, dessen Rolle (Role) der Spieler einnimmt. Der Spieler kann beispielsweise versuchen, der Rolle des Charakters entsprechend angemessen zu handeln, indem er in der Sprache des Charakters spricht oder überlegt, was der Charakter in einer bestimmten Situation tun würde. 2. Ein Hilfsmittel (Tool), welches dem Spieler ermöglicht Handlungen im Spiel zu tätigen. In diesem Fall dient die Spielfigur dem Spieler als eine Art Cursor, mit dem der Spielzustand verändert werden kann. 3. Requisiten (Props), welche dem Spieler ermöglichen, sich selbst in Form von Aussehen oder Kleidung oder in einer bestimmten Art und Weise zu präsentieren.

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E Der Spieler kann zwischen vier unterschiedlichen Spielfiguren wählen. Die Spielfiguren besitzen jeweils eigene Spezial-Fähigkeiten, welche

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sich aus ihren Charaktereigenschaften ableiten lassen. So ist Bob beispielsweise unberechenbar und kann sich an einen (unvorhergesehenen) Ort teleportieren.

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Kapitel 4: Identifikation

4.6 Strategien und Handlungsmöglichkeiten In der mathematischen Spieltheorie wird mit dem Begriff der Strategie ein übergreifender Plan bezeichnet, auf den der Spieler in einer Vielzahl unterschiedlicher Spielzustände zurückgreifen kann. Unter einer complete strategy versteht man eine vollständige und eindeutige Handlungsanweisung, die alle denkbaren Spielsituationen eines Spiels abdeckt. Im Gegensatz zu diesem Modell der Spieltheorie verfolgen die meisten Spieler in der Wirklichkeit eine eher lose definierte Strategie, die nicht von vornherein alle möglichen Spielsituationen abdeckt. Vielmehr ändert der Spieler seine Strategie sobald neue und unerwartete Situationen auftreten. Eine Strategie, welche sich in jeder Situation und unabhängig von den Handlungen der Mitspieler besser als eine andere erweist, wird als dominant strategy bezeichnet. Eine solche Strategie mindert die Attraktivität anderer Strategien erheblich und macht das Spiel uninteressant. (Juul 2005: 59) Wie wir bereits in Kapitel 1.4 gesehen haben wird die Effektivität einer bestimmten Strategie durch die Spielregeln definiert. In einer Reihe von Computerspielen bestimmt die Wahl der Spielfigur E die möglichen Strategien und Handlungsmöglichkeiten des Spielers. Dabei lässt sich zwischen vorgefertigten und konfigurierbaren Spielfiguren unterscheiden. Eine vorgefertigte Spielfigur ist fest in das Spiel implementiert und ihre spezifischen Eigenschaften in der Regel unveränderbar. Oft stehen dem Spieler mehrere vorgefertigte Spielfiguren zur Auswahl. So steuert der Spieler in dem Grafik-Adventure Maniac Mansion (1987) beispielsweise drei verschiedene Charaktere, die er zu Beginn des Spiels auswählt. Die Aufgaben im Spiel, der Spielverlauf, sowie das Spielende sind abhängig von den gewählten Charakteren, welche jeweils fest definierte Eigenschaften besitzen.

Maniac Mansion

Auch das erfolgreiche Kampfsportspiel Street Fighter II (1992) bietet acht unterschiedliche Spielfiguren zur Auswahl, die sich durch individuelle Spezialfähigkeiten (Special Moves) auszeichnen. Der Spieler kann sich dadurch auf einen oder mehrere bestimmte Kämpfer spezialisieren und für diese Spielfiguren eigene Strategien entwickeln.

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Kapitel 4: Identifikation

F Die unterschiedlichen Spezial-Fähigkeiten der Spielfiguren ermöglichem dem Spieler verschiedene Strategien auszuprobieren. Dabei ent

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wickelt jeder Spieler seine eigene Präferenz, die von verschiedenen Faktoren abhängig ist. So kann es durchaus sein, dass ein Spieler bevorzugt Flop spielt, weil sie sich Unsichtbar machen kann – obwohl es auf den ersten Blick nicht reizvoll erscheint, eine ängstliche Figur zu spielen.

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Kapitel 4: Identifikation

Eine konfigurierbare Spielfigur bietet dem Spieler die Möglichkeit, dessen spielrelevanten Eigenschaften zu verändern. So kann der Spieler beispielsweise in dem SkateboardingSpiel Tony Hawk Underground (2003) zehn unterschiedliche Fähigkeiten wie Geschwindigkeit, Beschleunigung oder Sprungkraft im Laufe des Spiels verbessern. Diese Fähigkeiten bestimmen die physikalischen Fähigkeiten der Spielfigur und werden numerisch dargestellt. Sie legen die Handlungsmöglichkeiten des Spielers fest – beispielsweise wie lange der Spieler während eines Sprungs in der Luft bleiben kann. Um eine bestimmte Fähigkeit der Spielfigur zu steigern, muss der Spieler diese Fähigkeit im Spiel „üben“, in dem er mehrmals einen bestimmten Skateboard-Trick ausführt. Dieser Mechanismus bestärkt den Spieler in seiner persönlichen Spielweise, da die Spielfigur mit seinen Fähigkeiten mitwächst. Der Spieler kann somit das Spiel in einer Art und Weise spielen, die seinen persönlichen Präferenzen entspricht. Sowohl vorgefertigte und wählbare Spielfiguren als auch konfigurierbare Spielfiguren bestärken den Spieler darin, unterschiedliche Strategien F auszuprobieren und erhöhen somit die Wiederspielbarkeit des Spiels. Darüber hinaus werden durch eine solche Diversifikation unterschiedliche Spielertypen gleichermaßen angesprochen. Zahlreiche Computerspiele erlauben es dem Spieler darüber hinaus Dinge zu tun, die er im „wirklichen“ Leben nicht tun kann. Viele dieser Spiele bieten zudem in ihrer Spielinteraktion einen hohen Freiheitsgrad. So kann der Spieler in Sim City (1989) beispielsweise die Aufgaben eines Bürgermeisters übernehmen und städteplanerisch tätig werden.

Sid Meier‘s Pirates!

Das Spiel Sid Meier’s Pirates! (1987) versetzt den Spieler in die Rolle eines Kapitäns einer Mannschaft von Piraten in der Karibik des 16. bis 18. Jahrhunderts. Der Spieler entscheidet selbst, auf welche Seite er sich schlagen möchte, welche Abenteuer er verfolgt und wie sich die Geschichte seines Protagonisten entwickelt. In Grand Theft Auto III (2001) spielt der Spieler einen Kriminellen, der sich in der fiktiven Stadt Liberty City in der Unterwelt hocharbeitet. Obwohl das Spiel einem linearen Hauptplot folgt, hat der Spieler die Freiheit, ein riesiges Areal zu erkunden und sich darin frei zu bewegen. In Grand Theft Auto III kann der Spieler unter anderem Autos stehlen, mit Drogen handeln oder sich an Bandenkriegen beteiligen. Der Spieler nimmt die Rolle des „bösen“ Protagonisten ein, allerdings ohne Konsequenzen außerhalb des Spiels befürchten zu müssen.

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Kapitel 5: Dokumentation

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Kapitel 5: Dokumentation

5.1 Umsetzung GESTALTUNGSPRINZIPIEN Um den Fokus auf die Spielinteraktion zu verdeutlichen, arbeitet Understanding Games bewusst mit einer einfachen, zweidimensionalen Darstellung und verzichtet auf die heute in Computerspielen vorherrschende 3D-Grafik. Die Gestaltung ist dabei an die grobaufgelöste Bildschirmgrafik von Videospielsystem der 1980er Jahre wie dem Atari 2600 angelehnt. Dieses Videospielsystem konnte aufgrund seiner (aus heutiger Sicht) sehr eingeschränkten technischen Möglichkeiten weder Text noch ansprechende oder gar realistische Grafiken darstellen. Durch diese Einschränkung wurde die Qualität eines Spiels fast ausschließlich von der Spielinteraktion bestimmt.

NARRATIVE EBENE In Understanding Games bewegt sich der Spieler zwischen Spielebene und narrativer Metaebene. Auf der Spielebene taucht der Spieler in das Spiel ein und versucht ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Auf der narrativen Ebene soll der Spieler etwas über das Spiel und seine zugrundeliegenden Prinzipien lernen. In den ersten Versionen von Understanding Games wurde dem Spieler die narrative Ebene in Form eines einfachen Bildschirmtextes präsentiert. Anhand zahlreicher aufschlussreicher Kommentare und Anmerkungen der Testpersonen wurde jedoch deutlich, dass diese Art der Präsentation nur bedingt für das Vermitteln von Inhalten geeignet ist. Die Testpersonen fühlten sich von dem anonymen Text nicht angesprochen. Einige Personen nahmen den Bildschirmtext während des Spielens überhaupt nicht war. In der vorliegenden Version führen deshalb die beiden Erzähler Bub und Bob in Dialogform durch das Spiel. Durch die Interaktion zwischen den beiden Erzählerfiguren wirken die Erklärungen lebhafter und werden vom Spieler mit einer höheren Aufmerksamkeit verfolgt. Die beiden Figuren nehmen dabei zwei unterschiedliche Standpunkte ein. Bub vertritt einen eher theoretischen Ansatz und versucht aus der wissenschaftlichen Sicht eines Professors zu erklären, was ein Spiel ausmacht. Bob steht hingegen stellvertretend für die Sicht des Spielers, für den das wichtigste Element des Spiels der Spielspaß darstellt.

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Kapitel 5: Dokumentation

SCHRIFT Für die Dialoge zwischen Bub und Bob wird die Schrift rktr7cd von Fork Unstable Media (www.fork.de/v5/05_Reaktor.phtml) verwendet. Um den pixelhaften Charakter der Schrift zu verstärken, wird sie ohne Schriftglättung (Anti-Alias) und in 20 Punkt dargestellt. Dies entspricht einer Verdopplung der üblichen Schriftgröße. In dieser Darstellung gleicht die rktr7cd den Schriften, die sich in vielen klassischen, dialoglastigen Grafik-Adventures finden lassen. Um die Schrift auf den verschiedenen Hintergründen gut lesbar zu machen, werden die Buchstaben von einer Outline in der Strichstärke der Schrift umrandet. Für numerische Angaben wie dem Punktestand oder die verbleibende Spielzeit wird die Schrift DS SQR35 von Designershock (www.designershock.com) verwendet. Die Schrift erinnert stark an Arcade-Spiele wie Star Wars (1983), in welchen die Hauptmotivation für den Spieler im Erzielen einer möglichst hohen Punktzahl und einer damit verbundenen Plazierung in der Highscore-Liste liegt.

Star wars

FORMAT Bei allen vier Episoden von Understanding Games kommt das Format 640 x 480 px mit dem Seitenverhältnis 4:3 zum Einsatz. Dies entspricht einer üblichen VGA-Bildschirmauflösung. Dieses mittelgroße Format eignet sich sowohl für die Verwendung innerhalb eines Browsers, als auch für die bildschirmfüllende Darstellung im Vollbildmodus. Die verschiedenen Episoden werden von einer fünffarbigen Banderole als wiederkehrendes Element zusammen gehalten. Die Banderole sitzt in der linken oberen Ecke des Formats und verdeckt den darunter liegenden Inhalt. Die fünf Farben sind den Logos bekannter Computerspielfirmen wie Activision und Infogrames aus den 1980er Jahren entliehen.

TECHNOLOGIE Understanding Games ist für die im Internet weit verbreitete Flash-Plattform entwickelt worden, um eine möglichst hohe Nutzergruppe erreichen zu können. Als Entwicklungsumgebung wurde das frei verfügbare Adobe Flex 2 SDK (www.adobe.com/products/flex/sdk/) im Kombination mit dem leistungsstarken Texteditor Textmate (www.macromates.com) verwendet. Understanding Games wurde in der objektorientierten Programmiersprache ActionScript 3.0 geschrieben, welche sich von seinem Vorgänger vor allem durch strengere Programmierkonventionen und eine bessere Performance unterscheidet. Diese Geschwindigkeitssteigerung wird vor allem in der Stand-Alone-Version des Flash Players deutlich. Zahlreiche Browser haben jedoch beim Abspielen von Flash-Inhalten nach wie vor mit Problemen hinsichtlich der Performance zu kämpfen. ActionScript 3.0 wird vom Flash Player ab Version 9 unterstützt.

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Kapitel 5: Dokumentation

USER-FEEDBACK Um die Ideen und Konzepte für die einzelnen Episoden von Understanding Games frühzeitig testen zu können, habe ich einen Blog eingerichtet, auf dem etwa vierzig ausgewählte Testpersonen aktuelle Prototypen spielen und kommentieren konnten. Auf diese Weise wurden Stärken und Schwächen sowohl im Spielkonzept also auch in der Umsetzung frühzeitig sichtbar. Basierend auf diesem Feedback wurde der Prototyp kontinuierlich weiterentwickelt und erneut getestet. Diese Herangehensweise wird nach Salen und Zimmerman iterative design genannt. Bei dieser Methodologie werden die Designentscheidungen nicht bereits vor Beginn der Entwicklung, sondern vielmehr währenddessen getroffen. Dazu wird so früh wie möglich ein stark vereinfachter, aber spielbarer Prototyp entwickelt. Dieser Prototyp sollte bereits die wichtigsten Spielinteraktionen beinhalten, ist in der Regel jedoch nicht visuell ausgestaltet. Der Prototyp wird von verschiedenen Testpersonen gespielt, evaluiert, angepasst und erneut gespielt. (Salen 2004: 11)

Kommentare der BETA-TESTER

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Kapitel 5: Dokumentation

5.2 Entwicklungsprozess Ich habe den Entwicklungsprozess meiner Diplomarbeit mit Hilfe der Projektverwaltungssoftware Basecamp (http://www.basecamphq.com) dokumentiert. Im Folgenden werden ausgewählte Einträge aus der so entstandenen Dokumentation aufgeführt.

Konzeption & Themenauswahl 22. August 2006 In meinem Exposé habe ich für meine Diplomarbeit insgesamt acht verschiedene Level angedacht. Allerdings hat Boris Müller bereits darauf hingewiesen, dass die Vielzahl der Themen wahrscheinlich zu umfangreich für ein sechsmonatiges Diplom ist. Ich erarbeite diesbezüglich gerade einen Zeitplan: Sinnvoll erscheinen mir zwei Monate für Konzeption und Theoriearbeit sowie vier Monate für Entwurf und Entwicklung der Spiele. Ich nehme an, ich benötige einen Monat pro Spiel, realistisch wären also vier, höchstens fünf unterschiedliche Level für Understanding Games. Nach welchen Kriterien und Fragestellungen wähle ich nun meine Themen aus? • Welches Publikum möchte ich ansprechen? Fachpublikum? Erfahrene Spieler? Gelegenheitsspieler? Nicht-Spieler? • Welche didaktische Zielsetzung haben die unterschiedlichen Level? Was soll der Spieler lernen, begreifen, erfahren? • Welche Themen lassen sich auf der Metaebene eines Spiels (also durch das Spielen selbst) gut darstellen, welche eher weniger gut? Auch zeitlicher Aufwand und Machbarkeit sollte mitbedacht werden. • Sollte ich versuchen, etablierte Konzepte von Huizinga und Caillois (siehe The Definition of Play & The Classification of Games) in verschiedenen Leveln umzusetzen? Anbieten würde sich die Gliederung in Competition, Chance, Simulation und Vertigo nach Caillois, eventuell ergänzt durch Repens nach Lauwaert. • Welche Themen lassen sich in einem Level kombinieren? Nach Caillois setzt sich jedes Spiel aus mehreren Kategorien zusammen, Kartenspiele beinhalten beispielsweise immer Wettkampf und Zufall. • Welche Aspekte sind so essentiell, dass sie nicht ausgelassen werden können? Welche ergänzen sich in einer sinnvollen Art und Weise, so das die Auswahl nicht beliebig wirkt?

Zielsetzung und Gestaltungsprinzipien 27. August 2006 Understanding Games soll ... • vermitteln, dass Interaktion und Spielmechanik den Kern eines Spiels ausmacht. Alle auditiven und visuellen Elemente des Spiels sollen dem Zweck dienen, dem Spieler Feedback zu seinen Aktionen sowie zu seinen Möglichkeiten zu geben. Die Form folgt der Interaktion. • vermitteln, welche Elemente den Spieler herausfordern, motivieren, unterhalten und somit Spielspass erzeugen. • einfach zu lernen sein. Der Spieler soll stets ausreichend Feedback darüber erhalten, was das Spiel von ihm erwartet. • einfach zu bedienen sein. Die Steuerung soll verständlich, eindeutig und konsistent sein. • eine sinnvolle Einheit aus sich ergänzenden Kapiteln (Level) bilden.

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Kapitel 5: Dokumentation

Zielpublikum 5. September 2006 Eine zentrale Fragestellung für die Themenauswahl der vier Spiele ist die des anvisierten Zielpublikums. Auf der einen Seite des Spektrums stehen Fachleute wie Game Designer oder interessierte Designstudenten, auf der anderen Seite Laien wie Gelegenheitsspieler.

Ich beabsichtige mit Understanding Games nicht, neue Theorien über Spiele zu erarbeiten, sondern viel mehr auf der Basis bestehender Konzepte von Huizinga, Caillios, Sutton-Smith, Gee oder Crawford das Wesen des (digitalen) Spiels erfahrbar zu machen. Ich ziele daher eher in Richtung des Laien, als des Fachmanns, der diese Konzepte bereits kennt. Ein (gut gemachtes) Spiel, welches auf casual gamer abzielt, wird hingegen auch für Game Designer interessant sein, währenddessen der umgekehrte Fall jedoch kaum eintreten wird. Ich muss jedoch bei meinem Zielpublikum ein bestimmtes Mindestinteresse am Spiel voraussetzen, da ich von absoluten Nicht-Spielern nicht erwarten kann, dass sie Understanding Games überhaupt zu Spielen beginnen. Um den Gelegenheitsspieler anzusprechen, möchte ich in dem didaktischen Teil des Spiels auf Fachbegriffe und wissenschaftlich-abstrakte Formulierungen verzichten und stattdessen eine persönliche, verständliche und beispielhafte Ansprache verwenden. Welche Themen wähle ich aus? Für den Laien ist der sehr theoretische Unterschied zwischen freiem und strukturiertem Spiel nicht besonders interessant (auch wenn der erste Prototyp möglicherweise unter einem anderen Thema lehrreich sein könnte). Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was „gewöhnliche“ Spieler am Spielen fasziniert und Nicht-Spieler davon abhält, habe ich angefangen Statements von unterschiedlichen Personen dazu zu sammeln. Für die Definition der Zielgruppe ebenfalls wichtig ist die Wahl der Sprache des didaktischen Teils des Spiels. Ich möchte mich ungern auf den ausschließlich Deutsch sprechenden Teil der User beschränken, und deshalb alle On-Screen-Texte in Englisch verfassen, möglicherweise sogar zweisprachig in Deutsch und Englisch. Eine Freundin von mir, die gelegentlich als Übersetzerin arbeitet, hat mir diesbezüglich ihre Hilfe angeboten.

Was möchte ich vermitteln? 20. September 2006 Diese Liste ist als Grundlage für die Spielkonzeption von Understanding Games gedacht, sie ist jedoch nicht endgültig: Es können Punkte verschoben, hinzugefügt oder gestrichen werden, je nachdem wie gut diese sich in die vier unterschiedlichen Level integrieren lassen.

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Kapitel 5: Dokumentation

Das Level Spiel soll vermitteln, dass ... • ein Spiel durch das Spielfeld räumlich abgegrenzt ist. • ein Spiel durch die Regeln zeitlich abgegrenzt ist. • die Regeln des Spiels für jeden Spieler bindend sind. • ohne die freiwillige Interaktion der Spieler kein Spiel möglich ist. • der Ausgang eines Spiels ungewiss sein muss. • Spielen ein So-tun-als-ob ist. • Spiele Eigenschaften und Prozesse aus der „realen Welt“ simulieren oder verändern. • inwiefern Computerspiele sich von klassischen Spielen unterscheiden. Das Level Motivation soll vermitteln, dass ... • Konflikt und Wettbewerb wesentliche Elemente für die Motivation der Spieler sind. • Spieler die Möglichkeit haben sollten, interessante Entscheidungen zu treffen, die den Spielverlauf in einer sinnvollen Weise beeinflussen. • Spieler für bestimmte Aktionen belohnt werden sollten. • Spieler stets ausreichend Feedback darüber erhalten sollten, welche Aktionsmöglichkeiten ihnen das Spiel bietet. • ein Spiel nicht zu einfach (langweilig) und nicht zu schwierig (frustrierend) sein sollte. • die Herausforderungen mit dem Spieler „mitwachsen“. Das Level Identifikation soll vermitteln, dass ... • Spiele durch ihre Darstellung und Spielmechanik unterschiedliche Themen repräsentieren können. • Spieler die Möglichkeit haben, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. • Spieler die Möglichkeit haben, persönliche Strategien zu wählen, um ans Ziel zu kommen. • Spieler die Möglichkeit haben, sich gefahrlos gefährlichen Situationen und Konflikten auszusetzen. • Spieler die Möglichkeit haben, ein Spiel zu wiederholen um somit ein anderes Ergebnis herbeizuführen. • welche Rolle die Art der Steuerung für die Identifikation spielt. Das Level Lernen soll vermitteln, dass ... • Spiele Herausforderungen beinhalten, die bestimmte Fähigkeiten vom Spieler fordern. • Spiele dem Spieler Informationen im Kontext der Spielerfahrung geben. • Spieler grundlegende Muster (statt zusammenhangslose Listen von Fakten) lernen. • Spieler lernen, bestimmte Probleme zu erkennen und aktiv zu lösen. • Spieler ihre Spielerfahrungen auf neue, unbekannte Situationen übertragen. • Spieler bestimmte Situationen aus einer anderen Perspektive wahrnehmen können.

Ideenfindung Identifikation 26. September 2006 Auf der Suche nach einer Spielidee für das Level Identifikation scheint mir aus Spielersicht eine Frage entscheidend: „Welche Fähigkeiten oder Eigenschaften hätte ich gerne, die ich im echten Leben nicht habe?“ Eine kurze Befragung unter Freunden brachte folgende Liste hervor.

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Kapitel 5: Dokumentation

• Fliegen • Unverwundbarkeit • Unsichtbarkeit • Durch-Wände-gehen • Durch-Wände-sehen • Im-Dunkeln-sehen • Schnelligkeit • Ausdauer • Selbstheilungskräfte • Teleportation • Zeitreisen • Allwissenheit • Berühmtsein • Beliebtsein • Reichtum • Furchtlosigkeit • Expertentum

Understanding Comics 29. September 2006 Ich habe einen interessanten Artikel über Scott McCloud’s Understanding Comics und dessen Parralellen zu Videospielen gefunden: „Another thing I really loved – and that I think is perhaps the most relevant to the game industry – is his notion of ‚Amplification through Simplification‘. [...] The more simplified the rendering, the more universal. There is power in this notion clearly. In games – where we often work so hard to simulate things perfectly and accurately, this notion is something we need to be more familiar with, because we use it all the time.“ http://clicknothing.typepad.com/click_nothing/2006/06/understanding_g.html

Identifikation mit dem Thema des Spiels 27. Oktober 2006 Für das Level Identifikation ist es wichtig, dass möglichst jeder Spieler einen Bezug zu dem Thema des Spiels herstellen kann. Nehmen wir beispielsweise ein Spiel, bei dem es darum geht, Verließe zu erforschen, Drachen zu töten und Schätze zu finden (Dungeons & Dragons). Dieses Setting bietet nur für eine bestimmte Gruppe von Personen eine Möglichkeit zur Identifikation. Wählen wir hingegen ein Thema, mit dem viele Personen eine bestimmte Erfahrung verbinden, können wir sehr unterschiedliche Personen durch das Spiel anzusprechen. Folgende Aktivitäten scheinen mir dafür geeignet zu sein: • Fangen (engl. Tag) • Verstecken (engl. Hide and seek) • Ball spielen • Schlitten fahren • Frisbee werfen • Drachen steigen lassen • Musikinstrument spielen • Zeitung austragen

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Kapitel 5: Dokumentation

Bei der Auswahl zu Beachten ist, dass nicht alle Aktivitäten in verschiedenen Kulturkreisen universell sind. Während Fangen und Verstecken (wahrscheinlich) von Kindern auf der ganzen Welt gespielt wird, bietet sich Schlitten fahren nur dort an, wo es auch tatsächlich schneit.

Spielkonzept Level Identifikation 29. Oktober 2006 Der Spieler wählt einen von vier unterschiedlichen Charakteren aus. Der Computer übernimmt die Steuerung der übrigen Charaktere. Jeder Charakter hat eine Spezial-Fähigkeit, die er bis zu drei Mal (?) pro Spiel für einen kurzen Zeitraum einsetzen kann. Die Spezialfähigkeit ergibt sich aus der Persönlichkeit des Charakters: Der ängstliche Junge kann sich beispielsweise unsichtbar machen. Zu Beginn wird nach dem Zufallsprinzip bestimmt, welche Spielfigur der Fänger ist. Regeln • Die Spielfiguren können sich frei in alle acht Richtungen bewegen. Das Spielfeld wird aus der Vogelperspektive dargestellt. • Der Fänger versucht, einen der anderen Spieler durch Berühren zu fangen. Gelingt ihm dies, muss der gefangene Spieler nun die anderen Spieler jagen. • Das sofortige Zurück-Fangen ist nicht erlaubt: Der neue Fänger muss kurz stehen bleiben, um den anderen Spielern einen Vorsprung zu geben. • Die Geschwindigkeit mit der sich die Spieler fortbewegen können, ist abhängig von ihrer Ausdauer. Die Ausdauer nimmt durch das Laufen langsam ab. Die Spieler können ihre Ausdauer regenerieren, in dem sie stehen bleiben. • Das Spiel endet nach einer festgelegten Zeit. • Derjenige Spieler, welcher am wenigsten Zeit als Fänger verbracht hat, gewinnt. Charaktere Jodi Ein sportliches Mädchen. Spezial-Fähigkeit: Kann besonders schnell laufen. Tricky Ein unberechenbares Mädchen. Spezial-Fähigkeit: Kann sich an eine zufällige Position teleportieren. Skip Ein ängstlicher Junge. Spezial-Fähigkeit: Kann sich unsichtbar machen. Little Professor Ein intelligenter Junge. Spezial-Fähigkeit: Kann eine „sichere Zone“ deklarieren, welche die anderen Spieler nicht betreten dürfen.

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Kapitel 5: Dokumentation

Fragestellungen zum Kapitel Identifikation 5. November 2006 Im Kapitel Identifikation der theoretischen Arbeit, möchte ich untersuchen, auf welchen Ebenen Identifikation in Computerspielen stattfinden kann: Thema und Darstellung des Spiels • Kann ich bestimmte (positive) Erfahrungen mit dem Thema des Spiels verbinden? • Spricht mich die Darstellung des Spiels auf einer ästhetischen Ebene an? Hintergrundgeschichte, Eigenschaften und Darstellung der Spielfiguren • Kann ich eine Beziehung zu den Spielfiguren aufbauen? • Kann ich mich in den Spielfiguren widerfinden und mich in sie hineinversetzen? • Kann ich das Aussehen der Spielfiguren verändern? (bsp. Tony Hawk) • Wie detailliert sind Charakter und Darstellung der Spielfigur ausgearbeitet? Ist die Figur universell oder spezifisch? (vgl. McCloud 1993: 31-46 „Amplification through Simplification“) Mögliche Spielstrategien und Handlungen • Kann ich das Spiel in einer Art und Weise spielen, die mir persönlich zusagt?

(fair, agressiv, bedacht, hektisch, hinterhältig ...)

• Kann ich Dinge tun, die ich im „wirklichen“ Leben nicht tun kann? Widerholbarkeit und Gefahrlosigkeit des Spiels • Kann ich unterschiedliche Rollen und Strategien ausprobieren? • Kann ich mich „gefahrlos“ in eine gefährliche Situation begeben? (bsp. Burnout) • Kann ich den „Bösen“ spielen, ohne mit Konsequenzen zu rechnen? (bsp. GTA) Steuerung / Immersion • Steuere ich die Spielfigur direkt (bsp. Half-Life) oder indirekt (bsp. Lemmings)? • Sage ich „Ich wurde getroffen!“ oder „Meine Spielfigur wurde getroffen!“?

(vgl. McCloud 1993: 38 in Bezug auf McLuhans „Extension of Body“)

• Wie intuitiv und exakt ist die Steuerung? Befolgt die Spielfigur meine Eingaben oder führt

sie ein „Eigenleben“?

Beispiele für Metaebene 15. November 2006 In Understanding Games soll sich der Spieler im Idealfall zwischen zwei Ebenen hin und her bewegen: Auf der einen Seite haben wir die Spielebene, in die der Spieler eintaucht und versucht ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Auf der anderen Seite haben wir die Metaebene, in welcher der Spieler etwas ÜBER das Spiel erfahren und lernen soll. In der jetzigen Version bleibt der Spieler noch zu sehr in der Spielebene – der didaktische Teil funktioniert eher als Tutorial, denn als Metaebene. Wie lässt sich die Metaebene verstärken? Zu dieser Frage habe ich zwei Beispiele herausgesucht.

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WarioWare Inc (Gameboy Advance) siehe http://www.youtube.com/watch?v=Pef9mo9bcQw Das Intro von WarioWare Inc zeigt uns die Figur Wario (den bösen Bruder von Mario), welcher aus den Fernsehnachrichten erfährt, dass man mit Videospielen sehr viel Geld verdienen kann. Deshalb ruft er seine Freunde mit der Bitte an, möglichst viele Spiele zu entwickeln. Der Spieler hat die Möglichkeit über 200 dieser Minispiele zu spielen. Sam & Max: Hit the Road (PC) siehe http://www.youtube.com/watch?v=nyoHQqb_WaQ Sam und Max sind zwei Privatdetektive und die Hauptdarsteller des gleichnamigen Adventure-Games von Lucas Arts. Wie in vielen anderen Adventures, wechseln die Spielfiguren in ihren Dialogen oft in die Metaebene. So macht Sam gleich zu Beginn des Spiels eine Bemerkung über die Titelsequenz (siehe Video), welche ja eigentlich nur vom Spieler und nicht von den Spielfiguren gesehen werden kann. Einige Minuten später betreten die beiden dann einen Laden, in dem sich Merchandise-Produkte zum Spiel finden, welches der Spieler gerade spielt. Sam & Max ist auch deshalb interessant, weil die zwei unterschiedlichen Charaktere einen guten Ausgangspunkt für witzige/interessante Dialoge und Konflikte zwischen den beiden bieten. Würde man dieses Prinzip auf Understanding Games übertragen, könnte man zwei Figuren als Erzähler etablieren, die unterschiedliche Standpunkte (und dementsprechend verschiedene Ansätze/Theorien) vertreten. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, die beiden Figuren miteinander interagieren zu lassen, um bestimmten Dinge direkt zu zeigen, anstatt sie nur in Textform zu erklären.

Storyboard Identifikation 16. November 2006 Ich habe im Storyboard des Levels Identifikation jetzt zwei Figuren, welche durch den didaktischen Teil des Levels führen. Dies hat mehrere Vorteile: • Man folgt dem Text aufmerksamer • Die Erklärungen sind lebhafter und weniger trocken • Die beiden Figuren können miteinander interagieren • Die beiden Figuren stehen für unterschiedliche Konzepte: Bub steht für die Metaebene

(Theorie, Game Design) und Bob für die Spielerebene (Praxis, Gameplay)

Das Level beinhaltet darüberhinaus jetzt Screenshots einiger bekannter Spiele als Beispiel.

Storyboard Opener 16. November 2006 Eigentlich sollten Bub und Bob nur Platzhalter für die Erzählerfiguren sein, aber langsam finde ich Gefallen an den beiden. Sie vereinen sehr gut die beiden Pole, zwischen denen ich mich in meiner Diplomarbeit hin und her bewege.

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Kapitel 5: Dokumentation

Storyboard Spiel 26. November 2006 Das Storyboard für das Einführungslevel Spiel beinhaltet mehr Narration und weniger Interaktion als die darauf folgenden Level. Dies soll den Einstieg für Spieler mit wenig Spielerfahrung erleichtern. Das Level greift auf Pong als Spielprinzip zurück: Pong ist leicht verständlich, einfach zu bedienen und weitestgehend bekannt. Das Level behandelt Grundlagen des digitalen Spiels und bietet daher einen ganz guten Einstieg und Überblick über das Thema.

Spielkonzept Level Lernen 29. Dezember 2006 • Eine Reihe von visuell-logischen Rätseln, denen ein systematisches Raster zugrunde liegt. • Das Level soll auf dem Probing Principle von James Paul Gee basieren: „Learning is a cycle of probing the world (doing something); reflecting in and on this action and, on this basis, forming a hypothesis; reprobing the world to test this hypothesis; and then accepting or rethinking the hypothesis.“ • Geforderte Fähigkeiten des Spielers: Wahrnehmung der Umwelt, Verknüpfung mit Bekanntem (Erfahrung) und Erkennen von Regelmäßigkeiten (Mustererkennung) • Keine Anleitung. Der Spieler erhält keine Anweisungen in Textform. Stattdessen muss er selbst herausfinden, was das Ziel des Spiels ist und wie er dieses Ziel erreichen kann. (Der Spieler lernt ein bestimmtes Problem zu erkennen und aktiv zu lösen.) Der Spieler erhält jedoch visuelles und auditives Feedback (Informationen im Kontext der Spielerfahrung). Die Rätsel sollen intuitiv erlernbar sein. • Die Rätsel bauen aufeinander auf. Der Spieler muss seine Spielerfahrungen auf neue, unbekannte Situationen übertragen. • Score als Motivationsanreiz. Punktzahl ist abhängig von der benötigen Zeit zum Lösen eines Rätsels. • Visuelle Formen werden dynamisch generiert, um beim erneuten Spiel nicht das Auswendiglernen zu belohnen, sondern das Problem-orientierte Denken zu fördern.

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Kapitel 6: Anhang

6.1 Literaturliste Burnham 2001, Van Burnham: Supercade: A visual history of the videogame age, 1971–1984. Cambridge, Massachusetts : MIT Press. Caillois 1958, Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen: Maske und Rausch. (übersetzte Ausgabe, 1982) Frankfurt/Main : Ullstein. Chen 2006, Jenova Chen: Flow in Games. http://jenovachen.com/flowingames/thesis.htm Costikyan 1994, Greg Costikyan: I Have No Words & I Must Design. http://www.costik.com/nowords.html Crawford 1982, Chris Crawford: The Art of Computer Game Design. http://www.vancouver.wsu.edu/fac/peabody/game-book/Coverpage.html Csikszentmihalyi 1975, Mihaly Csikszentmihalyi: Das flow-Erlebnis: jenseits von Angst und Langeweile: im Tun aufgehen. (7. übersetzte Auflage, 1999) Stuttgart : Klett-Cotta. Elliott 2006, Shawn Elliot: Previews: Half-Life 2: Episode 2. 1UP.com http://www.1up.com/do/previewPage?cId=3152735 Faber 1998, Liz Faber: re:play: ultimate games graphics. London : Laurence King. Fortugno 2005, Nick Fortugno; Eric Zimmerman: Learning to Play to Learn – Lessons in Educational Game Design. Gamasutra.com http://www.gamasutra.com/features/20050405/zimmerman_01.shtml Holt 1967, John Holt: Wie Kinder lernen. (übersetzte Ausgabe, 1979) Weinheim : Beltz. Gee 2003, James Paul Gee: What Video Games Have to Teach Us About Learning and Literacy. New York : Palgrave Macmillan. Gee 2004, James Paul Gee: Learning by Design: Games as Learning Machines. Gamasutra.com http://www.gamasutra.com/gdc2004/features/20040324/gee_01.shtml Gingold 2003, Chaim Gingold: Miniature Gardens & Magic Crayons: Games, Spaces & Worlds. Georgia : Institute of Technology. http://www.slackworks.com/~cog/writing/thesis/ Hallford 2001, Neal Hallford; Jana Hallford: Swords and Circuitry: A Designer’s Guide to Computer Role Playing Games. Roseville, CA : Prima Publishing. Hartmann 2004, Bernd Hartmann: Literatur, Film und das Computerspiel. Münster : Lit. Heckhausen 1980, Heinz Heckhausen: Motivation und Handeln. (2. Auflage, 1989) Berlin : Springer.

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Kapitel 6: Anhang

Huizinga 1938, Johan Huizinga: Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel. (19. übersetzte Auflage, 2004) Hamburg : Rowohlt. Johnson 2005, Steven Johnson: Everything Bad Is Good for You. London : Penguin Books. Juul 2005, Jesper Juul: Half-Real: Video Games between Real Rules and Fictional Worlds. Cambridge, Massachusetts : MIT Press. Koster 2005, Ralph Koster: A Theory of Fun for Game Design. Scottsdale, Arizona : Paraglyph Press. Krumpschmid 1979, Jürgen Krumpschmid; Karl Lichtensteiger; Jochen Mariel: Flächengestaltung mit System. München : Callwey Laurel 1991, Brenda Laurel: Computers as theatre. Reading, MA : Addision-Wesley. Lauwaert 2003, Maaike Lauwaert: In search of a „fifth dimension“. In: M. Copier en J. Raessens (Hrsg.), Level Up, Digital Games Research Conference. Universiteit Utrecht : De Longte. – S. 80-90. Linderoth 2005, Jonas Linderoth: Animated game pieces. Avatars as roles, tools and props. Aesthetics of Play Conference. University of Bergen. http://www.aestheticsofplay.org/linderoth.php Lott 2006, Joey Lott; Darron Schall; Keith Peters: ActionScript 3.0 Cookbook. Sebastopol, CA : O’Reilly. McConnell 2004, Steve McConnell: Code Complete: Second Edition. Unterschleißheim : Microsoft Press Deutschland. McCloud 1993, Scott McCloud: Understanding Comics: The Invisible Art. New York : Harper Perennial. McLuhan 1964, Marshall McLuhan: Understanding Media: The Extensions Of Man. (bearbeitete Ausgabe, 2003) Corte Madera, CA : Ginko Press. McLuhan 1967, Marshall McLuhan; Quentin Fiore: The Medium is the Message. An inventory of effects. (bearbeitete Ausgabe, 2001) Corte Madera, CA : Ginko Press. Mielke 2001, Rosemarie Mielke: Psychologie des Lernens. Eine Einführung. Stuttgart : Kohlhammer. Mori 1970, Masahiro Mori: Bukimi no tani (The uncanny valley). In: Energy, 7: 33–35. http://www.androidscience.com/theuncannyvalley/proceedings2005/uncannyvalley.html Murray 1997, Janet Horowitz Murray: Hamlet on the Holodeck: the future of narrative in cyberspace. New York : Free Press.

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Kapitel 6: Anhang

Parish 2004, Jeremy Parish: The Essential 50: Part 10 – Pac Man. 1UP.com. http://www.1up.com/do/feature?cId=3122102 Rheinberg 1995, Falko Rheinberg: Motivation. (3. Auflage, 2000) Stuttgart : Kohlhammer, 2000 Saltzman 2002, Marc Saltzman: Secrets of the Sages: Creating Characters, Storyboarding, and Design Documents. Gamasutra.com http://www.gamasutra.com/features/20020308/saltzman_04.htm Salen 2004, Katie Salen; Eric Zimmerman: Rules of Play: Game Design Fundamentals. Cambridge, Massachusetts : MIT Press. Salen 2006, Katie Salen; Eric Zimmerman (Hrsg.): The Game Design Reader: A Rules of Play Anthology. Cambridge, Massachusetts : MIT Press. Schermer 1991, Franz J. Schermer: Lernen und Gedächtnis. Stuttgart : Kohlhammer. H. Smith 1999, Harvey Smith: Player Character Concepts. Gamasutra.com http://www.gamasutra.com/features/19991108/smith_01.htm M. Smith 1995, Murray Smith: Engaging Characters: Fiction, Emotion and the Cinema. Oxford : Clarendon Press. Suits 1978, Bernhard Suits: Grasshopper: Games, Life and Utopia. Toronto : University of Toronto Press. Sutton-Smith 1997, Brian Sutton-Smith: The Ambiguity of Play. Cambridge, Massachusetts : Harvard University Press. Thompson 2004, Clive Thompson: The Undead Zone: Why realistic graphics make humans look creepy. Slate.com http://www.slate.com/id/2102086/ Tolkien 1954, John R.R. Tolkien: The Lord of The Rings. (2. Auflage, 2004) London : HarperCollins.

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6.2 Spieleliste (Falls ein Spiel auf mehreren Plattformen erschienen ist, wird nur die erste angegeben.) Advance Wars, Gameboy Advance, Intelligent Systems, 2001 Alex Kidd: BMX Trail, Master System, Sega, 1987 Another World, Amiga, Delphine Software, 1991 Asteroids Deluxe, Arcade, Atari, 1980 Bully, PlayStation 2, Rockstar Games, 2006 Crash Bandicoot, PlayStation, Naughty Dog, 1996 Deus Ex, PC, Ion Storm, 2000 Dungeons & Dragons, Rollenspiel, Gary Gygax and Dave Arneson, 1974 Eye of the Beholder, PC, Westwood Associates, 1990 Gauntlet, Arcade, Atari Games, 1985 Geometry Wars: Retro Evolved, Xbox 360, Bizarre Creations, 2005 Grand Theft Auto III, PlayStation 2, DMA Design, 2001 Half-Life, PC, Valve Software, 1998 Indiana Jones and the Fate of Atlantis, PC, LucasArts, 1992 The Legend of Zelda, NES, Nintendo, 1986 Lemmings, Amiga, DMA Design, 1991 Maniac Mansion, C64, Lucasfilm Games, 1987 Mario Kart 64, N64, Nintendo, 1996 Pac-Man, Arcade, Namco, 1979 Pikmin, Gamecube, Nintendo, 2001 Pong, Arcade, Atari, 1972 Quake III Arena, PC, id Software, 1999 Resident Evil Outbreak, PlayStation 2, Capcom, 2003

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The Secret of Monkey Island, PC, Lucasfilm Games, 1990 Sid Meier’s Pirates!, C64, MicroProse, 1987 Sim City, Amiga, Maxis, 1989 The Sims, PC, Maxis, 2000 Sonic Rush, Nintendo DS, 2005 Space Invaders, Arcade, Taito, 1978 Star Wars, Arcade, Atari, 1983 Street Fighter II, Arcade, Capcom, 1992 Street Fighter Alpha 3, Arcade, Capcom, 1998 Super Mario Bros, NES, Nintendo, 1985 Rockstar Tabletennis, Xbox 360, Rockstar Games, 2006 Tetris, Verschiedene Platformen, Alexey Pazhitnov, 1985 Tony Hawk Underground, PlayStation 2, Neversoft, 2003 Tony Hawk‘s Project 8, PlayStation 3, Neversoft, 2006 Vib Ribbon, PlayStation, NanaOn-Sha, 1999 World of Warcraft, PC, Blizzard, 2004

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Beta Tester Adrian Stutz André Knoerig Carsten Zecher Christian Iten Christian Schneider Christoph Bucher David Löwe Dieter Zecher Elisabeth Moch Fabian Graf Fabian Grossekemper Fabian Hemmert Felix Benninghaus Felix Richter Henning Gawrisch Janine Meyer Jördis Anderson Johannes Kiesbauer Judith Schalansky Katharina Poblotzki Katrin Korch Karin Zecher Kirstin Weppner Lasse Wolf Luc Ravioli Marek Plichta Martin Straka Mattias Ljungström Patrick Gschwend Patrick Winkler Rafael Strassburger Rene Bauer Renzo Thönen Reto Spoerri Reto Wettach Roland Fritz Sebastian An Sebastian Schäfer Stefan Ecks Sven Kremer Tim Finke Yvonne Von Allmen

DANKE!

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