participation reinvented - Europaforum Wien

wurde ein entscheidender Schritt in Richtung Neupositionierung des Gürtels im gesamtstädtischen Gefüge gesetzt. Eine Reihe von konkreten stadträumlichen, ...
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„PARTICIPATION REINVENTED“ BürgerInnenbeteiligung weiter entwickeln und neu gestalten

Europaforum Wien Eugen Antalovsky Herbert Bartik Johannes Lutter Alexander Wolffhardt

Wien, Dezember 2006

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Endbericht Participation Reinvented 04.doc

Inhalt 1

Einleitung: Hintergrund, Themenstellung & Aufbau der Studie ........................ 4

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Partizipation in der repräsentativen Demokratie – Herausforderung & Chance. 9 2.1 2.2 2.3 2.4

Partizipation – Defensiv- oder Offensivstrategie........................................................ 9 Partizipation als Element von „good governance“ .................................................. 11 Partizipation im städtischen Planungs-, Gestaltungs- und Politikfindungsprozess..... 13 Formen & Stufen der Beteiligung ............................................................................ 13

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Methoden und Instrumente der Beteiligung................................................... 17

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Stärken, Schwächen und Perspektiven von Partizipationsprozessen – Wiener Fallbeispiele ...................................................................................... 36 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

Fallbeispiel „STEP 05 – Dialoge zur Stadtentwicklung“ ........................................... 37 Fallbeispiel „Mobil in Wien – BürgerInnenbeteiligung zum Masterplan Verkehr“ .... 41 Fallbeispiel „vie.mediation“ .................................................................................... 45 Fallbeispiel „BürgerInnenbeteiligungsverfahren Zielgebiet Gürtel“ .......................... 52 Fallbeispiel „Partizipative Bezirksentwicklung – Zielfindungsprozess Baublock Sechskrügelgasse“.................................................................................................. 60 4.6 Fallbeispiel „Kooperativer Planungsprozess Kabelwerk – Stadt 2000“ ..................... 66 4.7 BürgerInnenbeteiligung Aufwertung Brunnenviertel................................................ 73 4.8 Fallbeispiel „Lokale Agenda 21 – Projekt Augustinplatz“ ........................................ 79 4.9 Fallbeispiel „Mediation Volksgarage Bacherpark“ ................................................... 84 4.10 Wiener Integrationskonferenz................................................................................. 91

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Zusammenfassung: Auf dem Weg zu einer interaktiven Politikgestaltung? Leitsätze und Empfehlungen für Wien............................................................ 96

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Checkliste: Planung, Vorbereitung und Durchführung von Beteiligungsverfahren .................................................................................. 106 6.1 6.2

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Planung und Vorbereitung von Beteiligungsverfahren........................................... 106 Durchführung von Beteiligungsverfahren.............................................................. 107

Checkliste II: Erfolgsfaktoren für Beteiligungsverfahren ............................... 109

Anhang: Gesprächspartner der Hintergrundgespräche........................................ 111 Literaturliste (Auswahl) ...................................................................................... 112

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„Es ist eine Irrlehre, dass es Fragen gibt, die für normale Menschen zu groß und zu kompliziert seien. [...] Die Politik ist zugänglich, beeinflussbar für jeden. Das ist der zentrale Punkt der Demokratie.“ (Olof Palme) * „Es liegt an der Politik, festzustellen, wo sie sich auf partizipative Prozesse einlassen will und wo nicht. Sie muss ihre Entscheidung zu begründen wissen und sie soll klar machen, dass in einer repräsentativen Demokratie sie es ist, der die Entscheidungen übertragen sind; in dem Augenblick, in dem sie sich auf einen partizipativen Prozess einlässt, begibt sie sich freiwillig ihrer Entscheidungsmacht.“ (Armin Thurnher, 2002)

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Einleitung: Hintergrund, Themenstellung & Aufbau der Studie „Partizipation“ steht für verschiedene Möglichkeiten politischer bzw. gesellschaftlicher Teilhabe, die in Ergänzung zu repräsentativ- und direktdemokratischen Instrumenten (Wahlen; Volksbegehren, Volksbefragung, Volksabstimmung etc.) praktiziert werden. Unter Partizipation ist jedenfalls mehr als Information und Anhörung zu verstehen, Partizipation heißt Beratung und Kooperation zwischen EntscheidungsträgerInnen und Entscheidungsbetroffenen, heißt Mitwirkung der BürgerInnen an der Gestaltung von Politik und Gemeinwesen. BürgerInnenbeteiligung hat Tradition in Wien Partizipation bzw. BürgerInnenbeteiligung hat in Wien eine lange Tradition. Seit den 1970er Jahren praktiziert Wien verschiedene Modelle der Beteiligung. Erinnert sei an den Sternwartepark und die Donauinsel, an Gaußplatz und Lainzer Tunnel, an das Wiener Verkehrskonzept und den Marchegger Ast, oder an den Yppenmarkt, Bacherpark, das Flughafen WienMediationsverfahren und die Lokale Agenda 21. Heute gibt es nahezu kein städtisches Vorhaben, sei es im Wohnbau, in der Stadtentwicklung, der Verkehrsplanung u.a.m., bei dem nicht Beteiligungsverfahren zur Anwendung kommen. Zum Teil ist es Partizipation, die durch formelle Anforderungen vorgegeben ist (z.B. SUP, UVP, Flächenwidmungsplan), zum anderen sind es freiwillige, informelle Prozesse der BürgerInnenbeteiligung (z.B. „Dialoge zur Stadtentwicklung“ im Rahmen der Erstellung des Stadtentwicklungsplans STEP 05). Ob auf städtischer Ebene oder im europäischen Maßstab: Partizipation, die Beteiligung von BürgerInnen ist ein zentrales Thema der politischen Debatte, ein nicht mehr wegzudenkendes Instrument von Governance, eine Facette von Demokratie. Trotzdem sind Partizipation & BürgerInnenbeteiligung wenig attraktiv Für Politik, Verwaltung und die BürgerInnen sind BürgerInneninitiativen einerseits und Partizipationsverfahren andererseits nichts neues mehr. Man kann heute auf viele Erfahrungen zurückgreifen, man kennt verschiedene Instrumente, man hat unterschiedliche Prozessverfahren entwickelt. Die politische Bereitschaft für mehr Partizipation ist gegeben (vgl. die Diskussionen auf europäischer Ebene zur Frage der BürgerInnen-Nähe). Und dennoch, der Enthusiasmus und die Zufriedenheit mit BürgerInnenbeteiligung ist enden wollend, sowohl auf Seite der BürgerInnen als auch auf Seite der politisch, administrativ und wirtschaftlich Verantwortlichen. Warum?

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Betrachtet man BürgerInnenbeteiligung aus der Distanz, dann fallen folgende Besonderheiten auf, die zum Verständnis dieses Phänomens beitragen: •



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Unklarheit über Funktion, Wirkung & Konsequenzen Sowohl von Seiten der Politik wie von Seiten der BürgerInnen werden Begriffe wie „Partizipation“ und „BürgerInnenbeteiligung“ oftmals relativ unspezifisch verwendet, angeboten oder eingefordert. Erfolg oder Misserfolg, bzw. positive oder negative Wirkungen von Beteiligungsverfahren hängen jedoch zu einem ganz wesentlichen Teil davon ab, wie klar und transparent die Spielregeln und die Rollenverteilungen zwischen den Mitwirkenden sind, wie sehr man dabei von einem gemeinsamen Verständnis ausgeht. -

Es schadet Politik und Verwaltung, Partizipation anzubieten, wenn sie nicht bereit ist, die Konsequenzen ernsthaft zu tragen (differenzierte Abgabe von Entscheidungsmacht); es schadet den BürgerInnen, wenn sie versucht, mit partizipativen Instrumenten repräsentativdemokratische Mechanismen und Verantwortungen auszuhebeln.

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Partizipationsprozesse benötigen Klarheit und Transparenz und das heißt die Grenzen der Mitwirkung im Entscheidungsprozess aufzuzeigen und zu ziehen, und es heißt insbesondere, dem Konflikt um das Prozedere und die Bedeutung der Partizipation von Anbeginn nicht auszuweichen.

Primär statusbewahrend & wenig entwicklungsorientiert Für die überwiegende Zahl von Beteiligungsprozessen ist ein (potenzieller) Konfliktfall und nicht ein gemeinsames Entwicklungs- oder Gestaltungsinteresse der Anlass für die Durchführung eines Partizipationsverfahrens. -

Partizipation/BürgerInnenbeteiligung dreht sich einerseits um Bewahren, Schützen, Abwehren und andererseits um Veränderung, Zustimmung, Identifikation und Akzeptanz.

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BürgerInnenbeteiligung hat in der öffentlichen Wahrnehmung ein oftmals negatives Image, weil man primär Verhindern, Bremsen, Egoismus, Stören, etc. damit verbindet. Es wird auch kaum das Faktum genutzt, dass man ja für etwas eintritt, wenn man sich offen gegen etwas stellt. So bleiben die positiven Botschaften meist im Hintergrund, überwiegend werden die „Verluste“, zu wenig die „Gewinne“ kommuniziert. Insgesamt wird Partizipation daher in seiner demokratischen Bedeutung relativ gering geschätzt.

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Hoher Aufwand & relativ geringe Wirkung Die meisten Beteiligungsverfahren sind mit einem hohen Aufwand (Zeit, Engagement etc.) aller Beteiligten verbunden. Zum einen hängt der Aufwand von der Komplexität der zu behandelnden Problematik ab, zum anderen von der Professionalität der Prozessgestaltung und Kommunikation (damit ist insbesondere die Klarheit und Transparenz gemeint, mit der die Funktion des Verfahrens kommuniziert wird). -





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Gemessen am eingesetzten Aufwand erscheinen die Erfolge bzw. erzielten Resultate oftmals unbefriedigend, d.h., dass mehr die Mühe und Frustration als die positiven Ergebnisse und Teilerfolge in Erinnerung bleiben.

Kaum repräsentativ & selektiv bevorzugend Selbst aufwändige Partizipationsverfahren erfüllen in den seltensten Fällen Repräsentativitätskriterien, vielmehr leben sie sogar davon, dass nur (selektiv) Interessierte mitwirken. Sie genügen auch nicht formalen direktdemokratischen Ansprüchen, wie sie z.B. bei Volksbefragungen, Volksabstimmungen oder Umweltverträglichkeitsprüfungen gegeben sind. -

Es handelt sich um freiwillige, weitgehend informelle Verfahren, die Konsultationsfunktion erfüllen und in denen die sogenannte „schweigende“ Mehrheit nur indirekt vertreten ist, nämlich über die mitwirkenden politischen RepräsentantInnen.

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Genau diese Vermengung von repräsentativen und partizipativen Elementen führt aber zu strukturellen und systematischen Konflikten zwischen repräsentativdemokratisch legitimierten EntscheidungsträgerInnen und BürgerInnenvertreterInnen, bzw. zu einer selektiven Bevorzugung partikulärer Interessen.

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In der Wahrnehmung der mitwirkenden BürgerInnen haben BürgerInnenbeteiligungsverfahren trotz faktischer Beschränkungen den Status von „Entscheidungsverfahren“.

-

Die Attraktivierung und Gestaltung von Partizipationsverfahren für einen größeren Kreis von Interessierten und Mitwirkenden ist daher eine Option für die Zukunft. Die andere Möglichkeit besteht in einer konsequenten „Entzauberung“ der Bedeutung und Rolle von BürgerInnenbeteiligung in der politischen Entscheidungsfindung.

Wenig spielerisch & geringer Spass- und Lustfaktor BürgerInnenbeteiligungsverfahren erscheinen bzw. sind oft mühsam, technisch-nüchtern, trocken, jedenfalls wenig wirkliche Freude verbreitend. Wer kennt sie nicht, die lähmenden, sich inhaltlich im Kreis drehenden Sitzungen und die sich wiederholenden Debatten, wo diejenigen als die inhaltlich Bestimmenden erscheinen, die große Ausdauer haben. Es ist nicht

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zufällig, dass mit der Dauer von Beteiligungsverfahren der Kreis der Mitwirkenden üblicherweise kleiner wird bzw. die Verantwortung an „SprecherInnen“ delegiert wird. -

De facto laufen Beteiligungsverfahren seit Jahrzehnten mehr oder weniger gleich und mit einem sehr beschränkten Instrumentarium ab. Bekanntermaßen bieten spielerische Situationen günstige Voraussetzungen, um zu kreativen Lösungen zu gelangen. Darauf wird aber nach wie vor kaum geachtet, weder methodisch noch im Hinblick auf den Einsatz der Instrumente.

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Die vielfältigen Spielarten, die sich über Kommunikationstechnologien (Internet, TV, Video, Radio, Telefon, Animation, etc.) erschließen ließen, werden auch nur „technisch“ genutzt, es geht jedoch um die Entwicklung von „Spielinhalten“, „Rollen- & Identitätswechseln“, „Wettbewerbsituationen“ etc.

Partizipation & BürgerInnenbeteiligung daher weiter und neu denken Lobbying von institutionellen und wirtschaftlichen Stakeholdern zur Durchsetzung ihrer Interessen ist gesellschaftlich und politisch weitgehend respektiert. Dass BürgerInnen für ihre Anliegen Lobbying betreiben wird jedoch in viel geringerem Ausmaß als selbstverständlich und normal angesehen. Deshalb sind auch die Gestaltungspotenziale, die sich aus dem Engagement von BürgerInnen ergeben können, zu einem guten Teil noch ungenutzt. Auf wirtschaftlicher Ebene haben sich auch vielfältige Formen der Zusammenarbeit, der Abstimmung und der Aufgabenteilung zwischen öffentlicher Hand und Privaten etabliert, die sich immer weiter ausdifferenzieren. Im demokratiepolitischen Bereich bzw. im Zusammenspiel von Politik und Zivilgesellschaft ist die Palette an Möglichkeiten nicht so vielfältig und innovativ. Geht man davon aus, dass heute die Bereitschaft von Politik und Verwaltung zur Nutzung von bürgerlichem Engagement gegeben und das Interesse und Engagement von BürgerInnen zur Mitgestaltung ebenso vorhanden ist, dann sollten neue Formen der Zusammenarbeit kreiert werden, die bislang nicht im Kontext von Demokratie und BürgerInnenbeteiligung gedacht worden sind.

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Aufbau der Studie Die vorliegende Studie gliedert sich in vier Hauptabschnitte: •







In Kapitel 2 wird das Konzept der BürgerInnenbeteiligung in einen demokratietheoretischen Kontext eingebettet. Partizipation wird als ein Element zur Bereicherung des bestehenden Rahmens der repräsentativen Demokratie betrachtet. Dabei wird argumentiert, dass Beteiligung nicht nur eine „defensive“ Funktion zur Legitimation von Entscheidungen haben kann, sondern ihr volles Potential erst dann entwickelt, wenn sie pro-aktiv als Instrument zur „deliberativen“ (Mit-)Gestaltung von Planungs- und Entscheidungsfindungsprozessen eingesetzt wird. Kapitel 3 gibt einen Überblick über Methoden und Instrumente der BürgerInnenbeteiligung. Aufbauend auf der Unterscheidung in formale, gesetzlich vorgeschriebene Formen der Partizipation (Volksabstimmungen, Strategische Umweltprüfung etc.) einerseits und informelle, „freiwillige“ Beteiligungsverfahren andererseits werden in diesem Abschnitt vor allem jene informellen Modelle skizziert, die sich im Kontext kommunaler Planungs- und Entscheidungsfindungsprozesse bewährt haben. Neben der Beschreibung von Methode und Anwendungsfeldern werden auch Angaben über den benötigten zeitlichen Rahmen, Zahl und Art der TeilnehmerInnen sowie die Verbindlichkeit der einzelnen Verfahren gemacht. Kapitel 4 fasst die Analyse von aktuellen Wiener Beteiligungsverfahren zusammen. Untersucht wurden insgesamt zehn Fallbeispiele der letzten Jahre, die das breite Spektrum der methodischen Möglichkeiten aufzeigen sollen. Vor allem aber wird analysiert, unter welchen Voraussetzungen welche Methoden erfolgreich waren bzw. worin die kritischen Faktoren für den Erfolg/Misserfolg im Einzelfall bestanden. In Kapitel 5 werden schließlich die Ergebnisse der Studie zusammengefasst und Empfehlungen für die Stadt Wien formuliert. Aus den Analyseergebnissen, einem begleitenden „Screening“ internationaler Trends sowie einer ergänzenden Untersuchung über mögliche künftige Funktionen von (neuen) Medien in Partizipationsprozessen werden neun Leitsätze zur BürgerInnenbeteiligung abgeleitet und auf die Wiener Situation umgelegt.

Abschließend werden zentrale Erfolgsfaktoren für eine effektive Planung, Vorbereitung und Umsetzung von Beteiligungsverfahren in zwei Checklisten kompakt zusammengefasst.

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Partizipation in der repräsentativen Demokratie – Herausforderung & Chance Die Demokratie in ihren repräsentativen Ausprägungen gilt gemeinhin nicht als Idealtypus, sondern vielmehr als pragmatische Lösung. Angesichts praktischer Grenzen der direkten Mitbestimmung, komplexer und für „Normalsterbliche“ nahezu undurchschaubare Sachverhalte sowie vielfach unübersichtlicher Betroffenheitsverhältnisse wird die Entscheidung zwischen politischen Optionen repräsentativen Gremien übertragen – wobei die „technische“ Ausformung der Repräsentanz an die jeweiligen Verhältnisse (Größe des Gemeinwesens, Entscheidungsebene, politische Kultur etc.) angepasst wird. Die repräsentative Demokratie stößt jedoch in zunehmendem Maß an Grenzen. Die Diversifizierung der Gesellschaft, der Bedürfnisse, Interessen und Lebensstile der BürgerInnen erschwert die Entscheidungsfindung „zum Wohle aller“. Der Souverän – das „Volk“ – setzt sich in zunehmendem Maß aus einer Vielzahl von oft flüchtigen, situativen Teilgemeinschaften zusammen, die nur unzureichend repräsentiert werden können. Bevölkerungsgruppen, die aus sozialen, sprachlichen u.a. Gründen nicht in der Lage sind, ihre Bedürfnisse und Interessen (laut)stark genug zu vertreten und die dadurch nur geringen Einfluss auf ihre Lebensumstände nehmen können, drohen marginalisiert zu werden. Unter dem aktuellen Modernisierungsdruck (Stichwort „New Public Management“) wird die Verwaltung zunehmend als Service-Provider wahrgenommen. Die repräsentative Demokratie wird zur „administrativen Demokratie“, BürgerInnen werden vornehmlich als „Klienten“ statt als „Souverän“ behandelt – und handeln selbst danach, indem sie Serviceleistungen einfordern, für allgemein-politische Fragen aber immer schwerer zu mobilisieren sind. Umgekehrt wächst, insbesondere wenn Entscheidungen weit reichende Auswirkungen auf die für den einzelnen unmittelbar wahrnehmbare Lebenswelt haben, der Wunsch nach direkter Einflussnahme und Mitgestaltung – nach Partizipation.

2.1

Partizipation – Defensiv- oder Offensivstrategie In der politologischen Theorie wie auch in der politischen Praxis gibt es eine Reihe von Argumenten für die Förderung partizipativer Elemente in der repräsentativen Demokratie. Bewusst vereinfachend und plakativ soll hier unterschieden werden zwischen • •

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Partizipation als Defensivstrategie zur Legitimation von Entscheidungen und Partizipation als Offensivstrategie zur Optimierung von Entscheidungen

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Partizipation zur Legitimation von Entscheidungen. Im Vordergrund steht hierbei die Argumentation, dass durch Beteiligung sichergestellt werden kann, dass kollektive Entscheidungen die Akzeptanz der BürgerInnen finden. Es findet eine Rückkoppelung zwischen staatlichem Handeln und dem Willen der BürgerInnen statt. Wird Herrschaft im Sinne von Max Weber als die Chance verstanden, für einen Befehl Gehorsam zu finden, so muss der Staat von seinem Herrschaftsanspruch zurücktreten und die BürgerInnen in dem Maß einbinden, in dem • • •

der Vollzug von Entscheidungen auf die Kooperationsbereitschaft der BürgerInnen angewiesen ist, die Fähigkeit der BürgerInnen wächst, Widerstand zu organisieren das Selbstverständnis der BürgerInnen die Legitimation einer Entscheidung von ihrer frühzeitigen Beteiligung abhängig macht

Partizipation zur Optimierung von Entscheidungen. Dieser „defensiven“ Argumentation steht eine Reihe theoretischer Ansätze gegenüber, die Funktion und Bedeutung von Partizipation breiter fassen – und ihren Niederschlag in periodischen aufflackernden gesellschaftspolitischen Diskussionen über die Rolle von Staat und Gesellschaft finden. So besteht der Wert von Partizipation etwa in kommunitaristischer Denkweise vor allem in der Stärkung der Zivilgesellschaft und der Rückbesinnung auf Bürgertugenden. Diese gesellschaftspolitische Dimension hintanstellend soll hier bewusst selektiv die Funktion von Partizipation aus der Perspektive der „deliberativen“ Demokratietheorie (Jürgen Habermas, Seyla Benhabib u.a.) ausgeführt werden: In dieser Logik wird „öffentliches Interesse“ über Prozesse der gemeinsamen Deliberation – also verständigungsorientierter Kommunikation – definiert, die rational und fair zwischen gleichen BürgerInnen durchgeführt wird. Beteiligung ist somit nicht nur ein Instrument der Machtlegitimation, sondern dient dazu, gemeinsam zu optimierten Lösungen zu gelangen: •



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Deliberation ist ein Verfahren der Information: Weder einzelnen BürgerInnen noch Politik oder Verwaltung ist es möglich, einen Sachverhalt aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten und Informationen über die Auswirkungen von Maßnahmen auf die unterschiedlichsten Gruppen zu haben. Dieses notwendige Gesamtbild entsteht erst durch den Diskurs. Deliberation ermöglicht die Bildung von kohärenten Präferenzen: BürgerInnen haben üblicherweise zu komplexen (politischen) Fragestellungen zwar punktuelle Ansichten und Wünsche, aber kein strukturiertes und begründetes „Set“ an Präferenzen. Dieses wird erst durch die Deliberation (d.h. die Kenntnis der unterschiedlichen Aus- und Wechselwirkungen von Maßnahmen) erzeugt.

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Deliberation führt zu „erweiterter Mentalität“ (Hannah Arendt): Die Notwendigkeit, eigene Positionen in der öffentlichen Diskussion mit guten Argumenten zu untermauern, zwingt zur Reflexion der eigenen Standpunkten und macht es notwendig, die tieferliegenden Interessen und Bedürfnisse hinter den vorgebrachten Positionen offenzulegen und sich andererseits auch in die Position der Diskussionspartner zu versetzen – eine Grundvoraussetzung für die Erzielung von Konsens.

• Positionen: offen artikuliert; oberflächlich sichtbar („Ich bin gegen die Garage!“) • Wünsche, Interessen: „subkutan“, nur z.T. artikuliert, nicht immer bewusst („Mir ist die Erhaltung des Grünraums ein Anliegen.“) • Bedürfnisse: stabil, keinen Moden oder Schwankungen unterworfen (Erholungsbedürfnis, Freizeitangebot für meine Kinder...)

Positionen

Positionen Oberfläche

Wünsche, Interessen

Wünsche, Interessen Oberfläche

Bedürfnisse

Bedürfnisse

Deliberationsprozess Quelle: Eigene Abbildung nach Sigmund Freud bzw. Vilfredo Pareto („Pareto-Prinzip“)

2.2

Partizipation als Element von „good governance“ Partizipation stellt in dieser Sicht ein zentrales Element bei der Entwicklung optimierter „Governance“-Strukturen dar. Um die Handlungsfähigkeit und Effektivität von Politik zu verbessern sollen starre, meist stark hierarchisch organisierte „Government“-Strukturen durch

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kooperative Verhandlungsmodelle bereichert werden, in die neben Politik und Verwaltung 1 zunehmend nicht nur Wirtschaftsakteure sondern auch BürgerInnen eingebunden werden. Wirtschaftsunternehmen und -verbände BürgerInnen, Communities, Zivilgesellschaft

Politik

Politik

Verwaltung

Verwaltung

Gesellschaft

Government

Good Governance

Quelle: eigene Abbildung

BürgerInnen werden damit zu PartnerInnen im politischen Gestaltungsprozess – nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zum System der repräsentativen Demokratie. Direkte Demokratie in ihrer reinen Form (Volksabstimmungen, Referenden etc.) kann nur funktionieren, wenn die „Betroffenheit“ gleich verteilt ist. In dem Maß, in dem das „Gemeinwohl“ von einer Entscheidung berührt ist, muss ein Ausgleich zwischen den Anliegen der unmittelbar Betroffenen und den Interessen der Allgemeinheit gefunden werden. Die Herausforderung liegt dabei darin, die Schnittstelle zwischen partizipatorischen Verfahren einerseits und repräsentativ-

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Unter „Government“ versteht man Regierungssysteme in ihrer formellen/institutionellen Dimension, d.h. die Funktionsweise politischer Institutionen; „Governance“ meint im Gegensatz dazu vor allem (teils informelle) Steuerungs- und Regelungsstrukturen politisch-gesellschaftlicher Einheiten (Staat, Region, Kommune) oder anderer Institutionen (z.B. Unternehmen). Im politischen Zusammenhang umfasst der „Governance“-Begriff alle Stufen des „Regierungsprozesses“: Entscheidungsvorbereitung, -findung und -umsetzung.

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demokratischen Entscheidungen andererseits zu definieren, um sowohl Mehrheits- wie auch Minderheitsdespotismus zu vermeiden.

2.3

Partizipation im städtischen Planungs-, Gestaltungs- und Politikfindungsprozess Umgelegt auf den Kontext des vorliegenden Projekts ergeben sich daraus einige zentrale, bereits sehr „praxisnahe“ Argumente, die eine verstärkte Anwendung von Partizipationsverfahren nahe legen: •







2.4

Beteiligung ermöglicht Nutzenoptimierung: Die Einbeziehung von BürgerInnen in Planungsund Gestaltungsprozesse ermöglicht es, Entscheidungen an den konkreten Bedürfnissen und Wünschen der lokalen „NutzerInnen“ zu orientieren. Entscheidungen werden dadurch nicht nur von den BürgerInnen (langfristig) mitgetragen; auch eine Unterstützung/Mitwirkung der Betroffenen bei der Implementierung von Maßnahmen wird gefördert. Alltagswissen als Planungsinput: BürgerInnen sind unbestrittene ExpertInnen in allen Fragen, die ihr unmittelbares Lebensumfeld betreffen. Dieses Alltagswissen ist naturgemäß sehr punktuell und bildet nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit ab; es ist aber gleichzeitig detailliert und durch Erfahrung fundiert und kann damit einen wichtigen Input bei der Entscheidungsfindung darstellen. Die Umsetzung von Projekten kann rascher erfolgen, nachträgliche Nachbesserungen können vermieden werden. Optionenvielfalt steigert Lösungsqualität: Die Einbeziehung des vorhandenen Alltagswissen sowie die Vielfalt an möglichen Lösungen, die im Rahmen von Partizipationsverfahren artikuliert werden, ermöglichen eine Optimierung der Ergebnisse – auch aus gesamtstädtischer Perspektive. Partizipation schafft Vertrauen: Die Zusammenarbeit im Gestaltungsprozess gewährt einerseits öffentlichen Akteuren aus Politik und Verwaltung Einsicht in die tatsächlichen Interessenlagen der Betroffenen; gleichzeitig wird den BürgerInnen ein direkter Einblick in stadtpolitische Denkweisen „ihrer“ RepräsentantInnen sowie in die administrativen Verfahrensabläufe gewährt: Dieser jeweilige Perspektivenwechsel stellt die Grundlage für nachhaltige gegenseitige Vertrauensbildung dar.

Formen & Stufen der Beteiligung Formal lassen sich Partizipationsformen in zwei Gruppen unterteilen: •

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Gesetzliche festgeschriebene Rechte auf Beteiligung: Neben dem aktiven und passiven Wahlrecht sind in den meisten repräsentativ-demokratischen Verfassungen (so auch der österreichischen Bundesverfassung) direktdemokratische Beteiligungsformen vorgesehen:

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Volksabstimmung, Volksbegehren, Volksbefragung, Gemeindeversammlung; sowie obligatorische partizipative Verfahren (etwa im Zuge von Umweltverträglichkeitsprüfungen, Strategischen Umweltprüfungen, Flächenwidmungsverfahren etc.). Informelle Formen der Beteiligung: Darüber hinaus existiert jedoch eine breite Palette an „freiwilligen“, nicht im Gesetzt verankerten Formen der Partizipation, denen das Hauptaugenmerk dieser Studie gilt. Beispielhaft seien hier Planungszellen, Zukunftswerkstätten, die Lokale Agenda 21 – aber auch Versammlungen von BürgerInneninitiativen, Leserbriefe etc. genannt.

Sowohl die formalen wie auch die informellen Partizipationsmodelle umfassen wiederum • •

direkte Formen der Partizipation, in denen der/die einzelne unmittelbar an der Gestaltungs/Entscheidungsprozessen beteiligt ist (z.B. Volksabstimmung), sowie indirekte Formen, in denen eine Delegationsebene eingezogen ist (etwa bei Planungszellen, Repräsentation von BürgerInneninteressen durch die Sprecher einer BürgerInneninitiative etc.)

Direkt

Volksabstimmung Volksbegehren Volksbefragung...

BürgerInnenversammlung Zukunftswerkstatt Lokale Agenda 21...

Repräsentativdemokratische Vertretung...

Planungszelle Interessenvertretung durch Bürgerinitiative...

Quelle: eigene Abbildung

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Informell

Indirekt

Formal

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Ein drittes und zentrales Unterscheidungskriterium bildet die Intensität bzw. Verbindlichkeit der 2 Beteiligung ab und lässt sich als Stufen- oder Pyramidenmodell darstellen :

Stufen der Beteiligung Selbstverwaltung

(Mit-)Entscheidung

Konsultation, Planungsbeteiligung

Information Quelle: eigene Abbildung







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Information: An der Basis steht der Erwerb von Information durch die BürgerInnen. Dabei kommt den „mündigen“ BürgerInnen einerseits ein hohes Maß an eigener Verantwort zu („Holschuld“): Erst die aktive Nutzung von Informationsangeboten ermöglicht „informierte“ und begründete Teilhabe. Gleichzeitig besteht in vielen Fällen eine „Bringschuld“ der öffentlichen Hand (z.B. öffentliche Bekanntmachung) – insbesondere wenn eine weitergehende Beteiligung (Konsultation/Mitentscheidung) vorgesehen ist. Konsultation & Planungsbeteiligung: Auf dieser Stufe werden BürgerInnen eingeladen, an der Ideen-, Lösungs- oder Entscheidungsfindung mitzuarbeiten und eigene Vorschläge oder Positionen einzubringen. Grundvoraussetzung eines konstruktiven Konsultationsprozesses ist eine maßgeschneiderte Dialoggestaltung, um unterschiedlichen Interessen Gehör zu verschaffen und „Deliberation“ (siehe oben) zu ermöglichen. (Mit-)Entscheidung: Auf dieser Stufe wird Entscheidungsmacht und –verantwortung von der Politik, d.h. den gewählten repräsentativ-demokratischen Gremien, an die BürgerInnen abgegeben. Zentral ist hierbei die exakte und transparente Abgrenzung des Entscheidungsgegenstands sowie eine ebenso explizite Zusage der gewählten repräsentativ-

Andere Autoren, darunter Roger Hart (1992) und Wolfgang Gernert (1993) und Richard Schröder (1995) unterscheiden bis zu neun Stufen der Beteiligung: Die Systematisierungen schließen dann aber Formen der de-facto Nicht-Beteiligung mit ein („Fremdbestimmung“, „Alibi-Teilhabe“ etc.). Dieses Modell wird daher hier auf die vier zentralen Unterscheidungsmerkmale Information, Konsultation, (Mit-)Entscheidung, Selbstverwaltung reduziert.

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demokratischen Organe, eine durch die BürgerInnen getroffene Entscheidung zu akzeptieren und umzusetzen. Selbstverwaltung bildet die höchste Stufe der Partizipation. Hierbei können BürgerInnen nicht nur autonom über Ziele und Maßnahmen in bestimmten Handlungsräumen entscheiden, sondern sie übernehmen auch die Verantwortung über die organisatorische und finanzielle Verantwortung für die Implementation. Dazu müssen Beteiligungsrechte und –pflichten im Vorfeld detailliert ausgehandelt werden und Schnittstellen zur öffentlichen Verwaltung definiert werden.

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Methoden und Instrumente der Beteiligung In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Instrumenten und Methoden für informelle Beteiligungsverfahren entwickelt bzw. ausdifferenziert. Im folgenden Abschnitt werden vor allem jene Methoden kurz skizziert, die sich im Kontext kommunaler Planungs- und Entscheidungsfindungsprozesse bewährt haben. Die Funktionen und Anwendungsgebiete der einzelnen Verfahren im Überblick

Internet Forum / Weblog Konsensus-Konferenz Kooperativer Diskurs Mediation Open Space Planning for Real Planungszelle Runder Tisch World Café Zukunftskonferenz Zukunftswerkstätte

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Konfliktlösung

Gemeinwesenarbeit/ Grätzelmanagement

Planungsbeteiligung

Fokusgruppe

Konsultation

BürgerInnenversammlung

Ideenfindung

Anwaltsplanung

Interessenerhebung

Aktivierende Befragung

Information

Mobilisierung

Agenda-Konferenz

In der Detaildarstellung der einzelnen Beteiligungsmethoden und –instrumente werden neben der Beschreibung von Methode und Anwendungsfeldern auch Angaben über den benötigten zeitlichen Rahmen, Zahl und Art der TeilnehmerInnen sowie die Verbindlichkeit des Verfahrens gemacht. Auf nicht im einzelnen beschriebene Varianten der angeführten Methoden wird unter „verwandte Verfahren“ verwiesen.

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Agenda-Konferenz

Methodische Kurzbeschreibung Die Agenda Konferenz ist eine Methode, die aus dem Lokalen Agenda 21 Prozess entwickelt wurde. Sie dient dazu, in einem Prozess den aktuellen Stand zu resümieren, diesen gemeinsam zu bewerten, Ziele für die Zukunft zu entwickeln und Aktionen anzustoßen. Die AgendaKonferenz kann sowohl als Einstieg in einen Beteiligungsprozess eingesetzt werden, als auch in einer Phase, in der ein Prozess ins Stocken geraten ist bzw. eine neue Etappe begonnen werden soll. Die Agenda Konferenz bedient sich unterschiedlicher Methoden. Dazu gehören u.a. Plenarsitzungen, Kleingruppenarbeit und Marktplatzpräsentationen.

Zeitrahmen Kurz- bis mittelfristig Die Dauer von AgendaKonferenzen beträgt meist 1 Tag bis 1 Woche. Für die Vorbereitung müssen rund drei Monate Vorlauf eingeplant werden.

TeilnehmerInnen Das Verfahren ist für größere Gruppen geeignet (bis zu 200 Personen).

Ablauf Beim Ablauf der Konferenz können unterschiedliche Phasen unterschieden werden: •

• •

Phase 1 & 2: Der Stand der Dinge – Bestand & Bewertung (Informationen zur aktuellen Situation und Bewertung in einem offenen Rahmen) Phase 3: Entwicklung von Leitbildern und konkreten Plänen Phase 4: Entwicklung von Maßnahmen & Projekten

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos Zukunftswerkstatt (siehe unten)

Zweck / Anwendungsfelder • • •

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Information aller Beteiligten über den aktuellen Stand eines Prozesses. Entscheidungen können auf eine breitere Basis gestellt werden. Mobilisierung von PartnerInnen für die Mitarbeit, sowie die Umsetzung von Zielen und Maßnahmen

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Verbindlichkeit ► ►

Information Konsultation (Mit-)Entscheidung Selbstverwaltung

Aktivierende Befragung

Methodische Kurzbeschreibung Methode der Aktionsforschung, um Interessen und Bedürfnisse der Bevölkerung in einem bestimmten Grätzel zu erheben. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Menschen nur bereits sind, sich für etwas zu engagieren, wenn es in ihrem eigenen Interesse liegt (und sie sich dessen bewusst sind), wird in aktivierenden Gesprächen herausgearbeitet, was als änderungsbedürftig angesehen wird und was die einzelnen zu tun bereit sind, damit sich etwas ändert. Durch offene Fragestellungen wird das „Alltagswissen“ der Befragten über Missstände aber auch Lösungsoptionen mobilisiert. Durch die Einladung zu weiterführenden Workshops mit anderen Interessierten wird die „Rutsche“ zur weiteren aktiven Beteiligung gelegt.

Zeitrahmen kurzfristig Die Befragung selbst kann relativ kurzfristig abgewickelt werden. Bei entsprechendem Beteiligungsinteresse der Befragten ist ein längerfristiger Prozess möglich.

TeilnehmerInnen Die Befragung kann mit einer sehr großen Personenzahl durchgeführt werden. Bei Beteiligungsinteresse der Befragten empfiehlt sich die Bildung von thematischen Kleingruppen.

Ablauf • • • •

Formulierung des Vorhabens; Befragungsvorbereitung Befragung der BürgerInnen durch geschulte InterviewerInnen Auswertung Bildung von Interessen-/Aktionsgruppen

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos Appreciative Inquiry Participatory Rapid Appraisal BürgerInnenpanel Arbeitsbuchmethode

Zweck / Anwendungsfelder • • •

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Erhebung von Interessen und Befürfnissen der BewohnerInnen In überschaubaren, klar abgrenzbaren (Wohn-) Gebieten Förderung von Engagement und Eigeninitiative der BürgerInnen; Stadtteilarbeit mit den BewohnerInnen (statt für sie)

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Verbindlichkeit ►

Information Konsultation (Mit-)Entscheidung Selbstverwaltung

Anwaltsplanung

Methodische Kurzbeschreibung Ziel der Anwaltsplanung ist es, insbesondere artikulationsschwache und sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen bei der Wahrnehmung ihrer Interessen zu unterstützen. Zu diesem Zweck werden ihnen fachlich versierte „BürgerInnenanwälte“ als BeraterInnen zur Seite gestellt. Abhängig von den Rahmenbedingungen (Gestaltungsspielräume, vorhandene Konflikte, Organisation der repräsentierten Gruppen etc.) kann Anwaltsplanung auch andere Beteiligungsmethoden (z.B. Mediation) nutzen. Anwaltsplanung bedeutet „Partei ergreifen“, gleichzeitig muss sie verhandlungsfähig und konsensortientert sein. Anwaltsplanung soll die Kommunikation zwischen verschiedenen Fach- und Alltagswelten herstellen und dabei die Position der vertretenen Gruppe(n) stärken. Leitung: AnwaltsplanerInnen mit hoher fachlicher wie auch methodischer Kompetenz (Moderation, Mediation etc.) Zweck / Anwendungsfelder • • •

Mittel- bis langfristige städtebauliche bzw. raumplanerische Entwicklungsprozesse Wo eine frühzeitige Einbindung der Bevölkerung in den Planungsprozess möglich Und von Politik/Verwaltung erwünscht ist

Zeitrahmen mittel- bis langfristig Anwaltsplanung setzt eine intensive Befassung mit den (oft divergierenden) Interessen und Bedürfnissen benachteiligter Gruppen voraus.

TeilnehmerInnen Je nach tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben (Beratung, Gemeinwesenarbeit etc.) sind mehr oder weniger überschaubare Gruppengrößen notwendig.

Verwandte Verfahren Weiterführende Infos Anwaltsplanung im Stadtteil: www.buergergesellschaft.de/ politische_teilhabe/modelle_ methoden/beispiele/kuklinski . php

Verbindlichkeit ► ►

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Information Konsultation (Mit-)Entscheidung Selbstverwaltung

BürgerInnenversammlung

Methodische Kurzbeschreibung Einer der methodischen Grundpfeiler von Beteiligungsverfahren. BürgerInnenversammlungen bieten die Möglichkeit, eine relativ große Zahl von betroffenen und/oder interessierten BürgerInnen über (Planungs-) Vorhaben zu informieren und diese zur Diskussion zu stellen.

Zeitrahmen Kurzfristig Setzt keine weiterführenden Beteiligungsformen voraus.

Leitung: versierte/r ModeratorIn Ablauf • •

Information über Vorhaben Diskussion im Plenum (oder alternativ in Kleingruppen)

Zweck / Anwendungsfelder • • •

Information einer breiten Öffentlichkeit über (Planungs-)Vorhaben Diskussionsforum Einholung von Stimmungsbildern, Meinungen, Kritikpunkten und Vorschlägen

TeilnehmerInnen Sehr große Gruppengrößen möglich; betroffene wie auch interessierte BürgerInnen Bei großer Personenzahl empfiehlt sich die Detaildiskussion in Kleingruppen

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos

Verbindlichkeit ► ►

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Fokusgruppe

Methodische Kurzbeschreibung Die Fokusgruppe ist eine moderierte Gruppendiskussion über ein vorgegebenes Thema. Sie stammt ursprünglich aus der Marktforschung, wo sie unter anderem beim Test von Produkten und Werbestrategien eingesetzt wird. In einer zielgerichteten Diskussion sollen – durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Wahrnehmungen, durch die Notwendigkeit, die eigene Meinung zu begründen oder durch spontane emotionale Reaktionen – gruppendynamische Prozesse angeregt werden. Ablauf •

• •



Option 1: In einer Eröffnungsrunde wird die Motivation, Position und persönliche Betroffenheit der TeilnehmerInnen gesammelt Option 2: In einer Runde fachlicher Inputs werden die unterschiedlichen Entwicklungen/Ansätze präsentiert Anschließende Diskussion, die von dem/r ModeratorIn mittels Protokoll, Ton- oder Videoaufnahmen dokumentiert wird Auswertung der Ergebnisse durch den/die ModeratorIn

Zeitrahmen Kurzfristig Normalerweise handelt es sich um mehrstündige Veranstaltungen

TeilnehmerInnen Die Fokusgruppe ist für kleine Gruppen von 8-15 TeilnehmerInnen geeignet. Dabei kann es sich um betroffene & interessierte BürgerInnen ebenso wie um EntscheidungsträgerInnen handeln.

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos

Zweck / Anwendungsfelder • • •

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Offenlegen von Problemfeldern, Wahrnehmungen und Verhaltensmustern Sammlung von Informationen und Anregungen zum Umgang mit kontroversiellen Themenstellungen Qualitative Vorstufe für eine größere quantitative Befragung

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Verbindlichkeit ►

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Gemeinwesenarbeit / Grätzelmanagement

Methodische Kurzbeschreibung Bei Gemeinwesenarbeit handelt es sich um einen prozessorientierten partizipativen Arbeitsansatz, der darauf abzielt, gemeinsam mit den BewohnerInnen eine nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen in (benachteiligten) Stadtteilen zu erreichen. Die Menschen werden dabei unterstützt, selbst aktiv zu werden, um ihre Interessen öffentlich zu machen und sich für eine Umsetzung einzusetzen. Gemeinwesenarbeit arbeitet sowohl zielgruppen- als auch ressortübergreifend und fungiert dabei als Bindeglied zwischen den Interessen und Aktivitäten der BürgerInnen und den Ressourcen der Stadt und gestaltet Aushandlungsprozesse zwischen EntscheidungsträgerInnen und BürgerInnen.

Zeitrahmen Mittel- bis langfristig Gemeinwesenarbeit/Grätzelmanagement ist im Regelfall als Prozess angelegt, der zumindest über mehrere Monate läuft

TeilnehmerInnen Je nach angewandter Methode unterschiedlich

Ablauf/angewandte Methoden Je nach Zielgruppe und Aufgabe kommen in der Gemeinwesenarbeit unterschiedliche Methoden zur Anwendung. Darunter fallen: Aktivierende Befragung; Projekt- und Ideenwerkstatt; BürgerInnenversammlung; Begleitung & Unterstützung bei der Umsetzung konkreter Projekte; Moderation bei Aushandlungsprozessen; Konfliktmanagement, Öffentlichkeitsarbeit

Verwandte Verfahren Weiterführende Infos Community Organising Stadtteilarbeit Gemeinssinn-Werkstatt www.graetzlmanagement.at

Zweck / Anwendungsfelder • • •

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Mobilisierung von BürgerInnen, für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse im Grätzel aktiv zu werden, und die materielle Situation (öffentlicher Raum, Verkehrssituation etc.) im Stadtteil zu verbessern Verbesserung der immateriellen Faktoren (soziales Klima, räumliche Identität etc.)

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Verbindlichkeit ► ►

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Internet Forum / Weblog

Methodische Kurzbeschreibung Weniger eine Methode, als ein Instrument der internetgestützten Beteiligung (die in ihrer Gesamtheit meist unter den Begriffen tele- oder e-democracy zusammengefasst wird.) Internetforen sind online-Plattformen, die gleichermaßen die Information einer breiten Öffentlichkeit wie auch die öffentliche Diskussion von Themen ermöglichen. Im Unterschied zu Chats läuft die Diskussion asynchron, d.h. nicht in Echtzeit. Das ermöglicht die Strukturierung von einzelnen Diskussionsbeiträgen („postings“) nach thematischen Strängen („threads“).

Zeitrahmen unbegrenzt kurz- bis langfristig

TeilnehmerInnen unbegrenzt

Um das Niveau der Diskussion zu wahren ist eine strenge Redaktion des Internetforums durch einen inhaltlich versierten Webmaster notwendig, der ungeeignete postings entfernt bzw. – je nach System – nicht freischaltet.

Zweck / Anwendungsfelder • • • •

Informations- und Kommunikationsangebot für interessierte BürgerInnen, das Beteiligung unabhängig von räumlicher Nähe / Mobilität zulässt meist aber nur ergänzend zur direkten Kommunikation eingesetzt werden kann. Information und Plattform zur öffentlichen Meinungsäußerung/Diskussion

Verwandte Verfahren Weiterführende Infos e-democracy tele-democracy weblog

Verbindlichkeit ► ►

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Konsensus-Konferenz

Methodische Kurzbeschreibung Methode zur Erarbeitung von Konsenslösungen in Zusammenarbeit zwischen ExpertInnen und repräsentativ ausgewählten Samples von BürgerInnen. Die KonsensusKonferenz ist methodisch zwischen Planungszelle und Mediationsverfahren angesiedelt.

Zeitrahmen kurzfristig Die eigentliche Konferenz dauert max. 3 Tage; die Erhebung und Auswahl der Beteiligten sowie deren Briefing erfordert eine gewisse Vorlaufzeit.

Ablauf • •

• •





Werbung von interessierten BürgerInnen Auswahl eines Samples von 10 bis max. 30 BürgerInnen aus den Interessierten, die hinsichtlich strukturellen Merkmalen (Geschlecht, Bildung, Brerufstätigkeit etc.) und Grundeinstellungen zum Diskussionsgegenstand ein annähernd repräsentatives Bild der Gesellschaft ergeben. Einarbeitung der BürgerInnen in das Thema mit Hilfe zur Verfügung gestellten Materials Durchführung einer 2- bis 3-tägigen Konferenz, bei der die Thematik durch ExpertInnen umfassend dargestellt und durch die BürgerInnen diskutiert wird. Moderation durch professionelle ProzessbegleiterInnen Formulierung eines schriftlichen Berichts durch die BürgerInnen mit – nach Möglichkeit im Konsens erzielten – Stellungnahmen und Empfehlungen Präsentation des Berichts am Schlusstag der Konferenz, allfällige technische „Korrekturen“ durch die ExpertInnen

TeilnehmerInnen 10-30 interessierte interessierte, mehr oder weniger „repräsentative“ BürgerInnen plus Sachverständige

Verwandte Verfahren Weiterführende Infos Vgl. Planungszelle – s.u.

Zweck / Anwendungsfelder Verbindlichkeit • • •

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Bearbeitung kontroversieller Themen Durch BürgerInnen und ExpertInnen Nutzung von Alltagswissen zur konsensualen Lösungsfindung

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► ►

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Kooperativer Diskurs

Methodische Kurzbeschreibung Der Kooperative Diskurs ist eine Kombination aus Elementen der Mediation, der Delphi-Berfragung (einer Form der ExpertInnenkonsultation) und der Planungszelle zur Lösung von Planungsaufgaben. Die Kombination von Elementen aus ExpertInnenverfahren, Mediation und Beteiligungsmechanismen für BürgerInnen soll etwaige Defizite der einzelnen Verfahren ausgleichen. Dadurch wird der Kooperative Diskurs jedoch auch aufwendiger und kostspieliger. Ablauf •







Erstellung eines Kriterienkataloges zur Bewertung verschiedener Planungsoptionen. Diese erfolgt mediativ unter Beteiligung der betroffenen Interessensgruppen ExpertInnen analysieren die Auswirkungen der Planungsoptionen (im Rahmen eines DelphiVerfahrens) Zufällig ausgewählte BürgerInnen bewerten im Rahmen einer Planungszelle die Planungsoptionen mit Hilfe des Kriterienkataloges und der ExpertInnenanlysen Ergebnis ist eine Empfehlung an politische EntscheidungsträgerInnen

Zeitrahmen Mittel- bis langfristig Das Verfahren läuft über mehrere Monate.

TeilnehmerInnen Der Kooperative Diskurs eignet sich für mittlere bis größere Gruppen unter Einbezug von VertreterInnen von Interessensgruppen, ExpertInnen sowie ausgewählten BürgerInnen

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos Mediation Delphi Befragung Planungszelle

Zweck / Anwendungsfelder • •

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Handhabung sehr komplexer Entscheidungsprozesse Einsatz bei Planungsfragen auf der regionalen Ebene bei latenten wie auch offenen Konflikten

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Verbindlichkeit ►

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Mediation

Methodische Kurzbeschreibung Freiwilliges, klar strukturiertes Verfahren zur Konfliktlösung, bei dem alle betroffenen Parteien von unparteiischen MediatorInnen dabei unterstützt werden, gemeinsam nach konsensualen Lösungen zu suchen, die von allen akzeptiert und dauerhaft mitgetragen werden. Dies erfolgt insbesondere dadurch, dass die Bedürfnisse und Interessen „hinter“ den vorgebrachten Positionen der Konfliktparteien freigelegt und nachvollziehbar gemacht werden. Erfolgsvoraussetzung sind die Ergebnisoffenheit (=Gestaltungsspielraum zur Konsensfindung), die Neutralität und Unabhängigkeit der MediatorInnen, die Vertraulichkeit des Prozesses, die konsequente Rückbindung zur Gesamtheit der Betroffenen sowie die Sicherstellung der Verbindlichkeit des Mediationsergebnisses für alle Parteien. Ablauf • •





Zustimmung aller Parteien zur Durchführung einer Mediation; Festlegung des/r MediatorIn Pre-Mediation: Vorgespräche zur Festlegung der Beteiligten, Ausarbeitung von Inhalt, Ziel & Spielregeln des Verfahren in einer Mediationsvereinbarung Mediation: Herausarbeiten von Konfliktpunkten und Interessen der Konfliktparteien, Auslotung von Spielräumen, kreative Lösungsfindung Abschluss eines für alle Seiten bindenden Mediationsvertrags über die erzielten Ergebnisse & deren Umsetzung

Zweck / Anwendungsfelder • •

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Bei offenen/latenten Konflikten (u.U. mit mehreren Konfliktparteien, großen Gruppen, komplexen Themen) Unterstützung einvernehmlicher, nachhaltiger Lösungen

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Zeitrahmen Mittelfristig Mediation erfordert Zeit, da bereits im Rahmen der PreMediation Vertrauen zwischen den Konfliktparteien hergestellt werden muss. Spielraum für innovative Lösungsentwicklung!

TeilnehmerInnen Mediation eignet sich auch bei Konflikten mit mehreren Parteien; bei großen Grundgesamtheiten empfiehlt sich ein von allen Parteien auszuarbeitendes Repräsentanzund Rückbindungssystem.

Verwandte Verfahren Weiterführende Infos Internationaler Dachverband für Wirtschafts-Mediation und Konfliktbearbeitung www.icbm.at

Verbindlichkeit



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Open Space

Methodische Kurzbeschreibung Open Space Veranstaltungen verzichten bewusst auf eine vorstrukturierte Agenda, fixe ReferentInnen und eine Leitung mit Kontrollfunktion. Hauptakteure sind statt dessen die TeilnehmerInnen selbst, die sich zu einem Leitthema in Arbeitsgruppendiskussionen aktiv als Initiatoren, Referenten oder Diskutanten einbringen. Auf diese Weise sollen insbesondere Innovations- und individuelle Lernprozesse in Gang gesetzt werden. Ablauf • •



Vorstellung des Leitthemas und Sammlung von Fragestellungen/Themenaspekten (Marktplatz) Bearbeitung der einzelnen Fragestellungen in selbst moderierten Arbeitsgruppen, die sich in regelmäßigen Abständen neu formieren. Erstellung von Gruppenprotokollen Periodische Präsentation der Protokolle/Ergebnisse im Plenum und Modifikation der Agenda

Zweck / Anwendungsfelder • • • • • •

Diskussion von komplexen, u.U. kontroversiellen Themenfeldern mit großen, heterogen zusammengesetzten Gruppen Ideensammlung als Initialzündung von Vorhaben auf breiter Basis Übungsfeld für demokratisches Verhalten Konfliktprävention Förderung von individuellem Engagement und Verantwortungsbewusstsein

Zeitrahmen kurzfristig Die Dauer von Open-SpaceKonferenz wird meist mit 1-3 Tagen angesetzt (mit entsprechender Vorlaufzeit zur thematischen und organisatorischen Vorbereitung)

TeilnehmerInnen Die Anzahl der TeilnehmerInnen ist nicht vorgegeben –von sehr kleinen bis zu sehr großen und heterogenen Gruppen

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos www.openspace.de

Verbindlichkeit ►

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Planning for Real

Methodische Kurzbeschreibung Planning for Real ist ein gemeinwesenorientiertes und mobilisierendes Planungsverfahren. Dabei sollen Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Betroffenen verringert werden. Durch das Herausarbeiten vorhandener Potentiale, Ressourcen und Defizite soll eine Atmosphäre des gemeinsamen Handels zwischen BürgerInnen, ExpertInnen und lokalen Interessensgruppen geschaffen werden. Die Initiative für den Prozess geht von lokalen AkteurInnen aus, der Ablauf erfolgt mit Hilfe einer externen, fachlichen Begleitung.

Zeitrahmen Mittelfristig Das Verfahren läuft im Regelfall über mehrere Wochen

TeilnehmerInnen Für mittlere und große Gruppen mit lokalem Bezug geeignet

Ablauf Der Prozess gliedert sich in mehrere Schritte mit unterschiedlichen Kommunikations- & Beteiligungsmöglichkeiten • • • • • •

Initiierung des Prozesses durch BürgerInnen Entwickelung eines dreidimensionalen Modells des zu gestalteten Ortes Präsentation des Modells; Interessierte können bestehende Mängel aufzeigen & Vorschläge einbringen. Stadtteilanalyse durch die BewohnerInnen selbst Ereignisveranstaltungen zur Ideensammlung Entwicklung eines umsetzungsorientierten Aktionsplans (inkl. Prioritätensetzung, Zeitplanung) und Einbeziehung von ExpertInnen

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos Planungswerkstatt, Perspektivenwerkstatt, www.planning-for-real.de

Zweck / Anwendungsfelder Verbindlichkeit • • •

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Mobilisierung, Anregung von Eigenengagement zur Gestaltung des Wohn- und Lebensumfeldes Herausarbeiten von Konfliktpunkten und Prioritäten

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► ►

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Planungszelle

Methodische Kurzbeschreibung Unter einer Planungszelle versteht man eine Gruppe von ca. 25 im Zufallsprinzip ausgewählten, nicht organisierten BürgerInnen, die gemeinsam Lösungsvorschläge für ein Planungsproblem erarbeiten. Dieses „BürgerInnengutachten“ basiert vorwiegend auf dem individuellen (Alltags-)Wissen der Beteiligten, in fachlichen Fragen wird die Planungszelle durch ExpertInnen unterstützt. Durch die Auswahl nach dem Zufallsprinzip soll der Gefahr der sozialen Selektivität und Dominanz artikulations- und organisationsstarker Interessen bzw. der Polarisierung im Beteiligungsverfahren vorgebeugt werden. Ablauf • • • •

Auswahl der TeilnehmerInnen der Planungszelle; Freistellung von ihren beruflichen Verpflichtungen Information aller TeilnehmerInnen über den Planungsgegenstand, evtl. Begehung, ExpertInnengespräche Diskussion und Erarbeitung von Lösungsvorschlägen in Kleingruppen Zusammenfassung der Ergebnisse in einem BürgerInnengutachten

Zeitrahmen kurzfristig Dauer üblicherweise etwa eine Woche

TeilnehmerInnen Ca. 25 Personen, die nach dem Zufallsprinzip aus der lokalen Bevölkerung ausgewählt werden. ExpertInnen werden zugezogen.

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos Vgl. Konsensus-Konferenz (siehe oben) BürgerInnenforum, www.planungszelle.de

Zweck / Anwendungsfelder • •



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Lösung von Planungsaufgaben in begrenztem lokalem Maßstab Unter Einbindung einer repäsentativen, alle (auch schwer erreichbare) Bevölkerungsgruppen umfassenden BürgerInnengruppe Gleichzeitige Nutzung von Alltagswissen der Betroffenen und Expertise der Fachleute

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Verbindlichkeit ► ►

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Runder Tisch

Methodische Kurzbeschreibung Methodisches Grundelement von Beteiligungs- und Konfliktlösungselementen mit unterschiedlichen Gestaltungsvarianten. Kennzeichnend ist die gleichberechtigte Partizipation aller TeilnehmerInnen mit dem Ziel, für ein Problem eine von allen Parteien getragene Lösung zu finden. Die Verbindlichkeit der Ergebnisse resultiert aus der Teilnahme aller Betroffenen (oder ihrer RepräsentantInnen). Runde Tische können zu einer großen Bandbreite an Themen eingesetzt werden. Erfolgsvoraussetzungen sind Ergebnisoffenheit und die Mobilisierung aller (Konflikt-) Parteien, die durch eine gleiche Zahl von VertreterInnen repräsentiert seien sollten. Bei Konflikten mit verhärteten Fronten können Runde Tische als Element in umfassendere Verfahren (z.B. Mediation) integriert werden. Moderation durch neutrale Prozessbegleitung Zweck / Anwendungsfelder •



Zur konsensualen Lösung von Konfliktfällen (oder kontrovers diskutierter Fragestellungen) mit mehr als zwei Parteien und entsprechenden Gestaltungsspielräumen Förderung von Dialogkultur

Zeitrahmen Kurzfristig Runde Tische sind – als methodischer Baustein – wenig zeitintensiv. Je nach Problemfall wird jedoch eine Reihe von Sitzungen, die Einbettung in umfassendere Verfahren sowie die Organisation von Rückbindungsprozessen erforderlich sein.

TeilnehmerInnen Runde Tische eignen sich insbesondere für die Lösung vonKonflikten mit mehreren Parteien; bei großen Grundgesamtheiten empfiehlt sich ein von allen Parteien auszuarbeitendes Repräsentanzund Rückbindungssystem.

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos www.regionalesdialogforum.de

Verbindlichkeit ► ►

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World Café

Methodische Kurzbeschreibung Durch eine Rahmengestaltung, die eine entspannte (kaffeehausähnliche) Atmosphäre ermöglicht, soll ein kreativer Prozess in Gang gesetzt werden. Über mehrere Gesprächsrunden, mit wechselnden TeilnehmerInnen wird der Austausch von Wissen und Ideen gefördert. Die Methode ist explorativ und nicht geeignet, wenn sich bereits im Vorfeld eine bestimmte Lösung heraus kristallisiert hat. Ebenso wenig eignet sie sich für eine detaillierte Umsetzungsplanung. Zu beachten ist darüber hinaus, dass das World Café nur in ausreichend großen Gruppen funktioniert.

Zeitrahmen kurzfirstig Die Dauer eines World Cafés bewegt sich üblicherweise zwischen einem Tag und max. einer Woche.

TeilnehmerInnen Die Methode ist vor allem für größere TeilnehmerInnenkreise geeignet (Mindestanzahl 30 Personen)

Ablauf •



• •

Es finden meistens drei 20-30 Minuten lange Gesprächrunden von 4-8 Personen an verschiedenen Tischen statt. Nach der ersten Gesprächsrunde verlassen die TeilnehmerInnen (mit Ausnahme des/der sog. TischgastgerberIn) ihren Tisch und mischen sich an anderen Tische neu. Die TischgastgeberIn fasst für die neu ankommenden die wesentlichen Gedanken der Vorrunde zusammen Zum Schluss werden an jedem Tisch die Ergebnisse gesammelt und im Plenum vorgestellt & diskutiert.

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos www.theworldcafe.com

Zweck / Anwendungsfelder • • •

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Austausch von Wissen, Erfahrungen, Meinungen und Ideen der Beteiligten Entwicklung neuer Ideen und Handlungsmöglichkeiten Im Dialog großer und heterogener Gruppen

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Verbindlichkeit ►

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Zukunftskonferenz (Future Search Conference)

Methodische Kurzbeschreibung Ursprünglich ist die Zukunftskonferenz ein Instrument der partizipativen Unternehmensentwicklung, mit dem organisationelle Transformationen bzw. grundsätzliche Neuorientierungen erarbeitet werden. Dieses Dialog-, Lern-, Planungs- und Mobilisierungsinstrument wird aber zunehmend auch für spezifische städtische Entwicklungsfragen eingesetzt. Prinzipiell setzt die Zukunftskonferenz auf ein sehr offenes, diskursives Setting in einer Großgruppe zwischen 30 und 80 Personen, in dem auf Basis von differierenden individuellen und kollektiven Erfahrungen gemeinsame Visionen und Maßnahmen für zukünftige Entwicklungen erarbeitet werden.

Zeitrahmen Kurz- bis mittelfristig Dauer der Konferenz meist 23 Tage; mit entsprechendem Vorlauf (Entwicklung des Designs der ZK und Auswahl der TeilnehmerInnen)

TeilnehmerInnen Die ZK funktioniert aus einer Kombination von Kleingruppen und Plenum und ist daher auf 30 bis 80 Personen beschränkt.

Ablauf •

• • • •

Bildung von selbststeuernden Gruppen in einem Mix von Personen, die üblicherweise nicht zusammen arbeiten (Überwindung von Hierarchien/Disziplinen) Gemeinsamer Rückblick auf Meilensteine der vergangenen Entwicklung Untersuchung des Umfeldes (SWOT-Analyse) zur Klärung von Trends und Herausforderungen Entwicklung einer Vision mit Entwicklungspfaden Ableitung von Maßnahmen und Aktionen

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos Zukunftsforum, www.futuresearch.net

Zweck / Anwendungsfelder • • •

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Stärkung der Kultur des Miteinander Identifizieren von gestaltbaren Möglichkeiten Moderierte temporäre Denkfabrik, meist zu zukunftsorientierten, strategischen Querschnittthemen

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Verbindlichkeit ► ►

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Zukunftswerkstatt

Methodische Kurzbeschreibung Im Rahmen einer Zukunftswerkstätte sollen die TeilnehmerInnen durch eine kreativitätsfördernde Atmosphäre angeregt werden, phantasievolle und ungewöhnliche Lösungen für aktuelle Fragestellungen zu entwickeln. Zukunftswerkstätten sind aktivierend und handlungsorientiert. Sie sollten daher in eine Strategie eingebettet werden, die neben der Generierung neuer Ideen auch deren Umsetzung ermöglicht und fördert. Zukunftswerkstätten setzen Ergebnisoffenheit voraus. Sie kommen daher vor allem am Beginn von städtischen Leitbildprozessen und als Ideenfindungsmethode im Rahmen der Lokalen Agenda 21 zum Einsatz. Ablauf Der Ablauf erfolgt in drei Kernphasen • • •

Kritikphase: Analyse der aktuellen Situation und Erfassung der Probleme durch die TeilnehmerInnen Fantasiephase: Entwicklung von (unkonventionellen) Ideen & Lösungsvorschläge Realisierungsphase: Strukturierung der Vorschläge und Überprüfung der Umsetzbarkeit (u.U. mit Beteiligung von ExpertInnen)

Zeitrahmen Kurzfristig Die Dauer von Zukunftswerkstätten beträgt meist 1-3 Tage

TeilnehmerInnen Das Verfahren ist sowohl für kleine als auch mittlere Gruppengrößen geeignet. Die TeilnehmerInnengruppe kann sich aus BürgerInnen, InteressensvertreterInnen, ExpertInnen und VertreterInnen von Politik und Verwaltung zusammensetzen

Verwandte Verfahren, weiterführende Infos www.jungk-bibliothek.at www.zwnetz.de

Zweck / Anwendungsfelder •



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Zur Entwicklung von Visionen – z.B. bei der Erstellung von Leitbildern, Entwicklungsszenarien und Zukunftsprojekten Erarbeiten von neuen, kreativen Lösungen für bestehende Probleme und Fragestellungen

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Verbindlichkeit ► ►

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Stärken, Schwächen und Perspektiven von Partizipationsprozessen – Wiener Fallbeispiele Wien blickt bereits auf eine lange Beteiligungstradition zurück. Partizipative Verfahren kommen in einer Vielzahl von Planungs- und Entscheidungsfindungsprozessen zur Anwendung. Durch die exemplarische Analyse von zehn Wiener Beteiligungsverfahren der letzten Jahre soll das breite Spektrum der methodischen Möglichkeiten aufgezeigt werden. Vor allem aber wird analysiert, unter welchen Voraussetzungen welche Methoden erfolgreich waren bzw. worin die kritischen Faktoren für den Erfolg/Misserfolg im Einzelfall bestanden. Die evaluierten Verfahren im Überblick: • • • • • • • • • •

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STEP 05 – Dialoge zur Stadtentwicklung (2004/05) Mobil in Wien – BürgerInnenbeteiligung zum Masterplan Verkehr (2002/03) vie.mediation (2000-2005) Zielgebiet Gürtel (2001-) Partizipative Bezirksentwicklung – Zielfindungsprozess Baublock Sechskrügelgasse (2005/06) Kooperativer Planungsprozess Kabelwerk – Stadt 2000 (1998-) BürgerInnenbeteiligung Aufwertung Brunnenviertel (2002-2004) Lokale Agenda 21 – Projekt Augustinplatz (2003-) Mediation Volksgarage Bacherpark (2006) Wiener Integrationskonferenz (2003-)

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4.1

Fallbeispiel „STEP 05 – Dialoge zur Stadtentwicklung“

4.1.1

Hintergrund 2005 wurde der neue Wiener Stadtentwicklungsplan dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt. Die Entwicklung des STEP 05 begann bereits im Frühjahr 2002 unter der Federführung der MA 18; die Bearbeitung erfolgte durch ein interdisziplinäres Team (STEPTeam), das sich aus VertreterInnen verschiedener Magistratsdienststellen sowie ExpertInnen des Österreichischen Instituts für Raumplanung (als inhaltliche KonsulentInnen) und des Büros PlanSinn (zur Gestaltung und Durchführung der Öffentlichkeitsarbeit) zusammensetzte. Der STEP 05 ist inhaltlich darauf ausgelegt, grundsätzliche und langfristig stabile Orientierungen für eine vorausschauende Stadtentwicklung zu bieten, prioritäre Zielgebiete der Stadtentwicklung zu definieren und die städtische Entwicklung in den funktionalen Rahmen eines regionalen räumlichen Leitbilds einzubetten. Gleichzeitig, so die Intention, sollte der STEP 05 ein öffentlichkeitswirksames Signal für die BürgerInnen der Stadt darstellen. Die BürgerInnen sollten daher von Beginn an über die Entwicklung des STEP informiert und darüber hinaus im Rahmen eines breiten Diskussionsprozesses in die Erarbeitung der STEPInhalte eingebunden werden. Als Instrumente der Information und Einbindung kamen u.a. ein Internetforum, Filme mit Interviews von Jugendlichen bzw. ExpertInnen zur Zukunft Wiens, ein Planspiel sowie ein Forumtheater (zur Sensibilisierung für Gender Mainstreaming) zum Einsatz. Im folgenden soll primär der Informations- und Konsultationsprozess „Dialoge zur Stadtentwicklung“ skizziert werden, der im Spätherbst 2004 eingeleitet wurde.

4.1.2

Ausgangslage für den Dialogprozess Der STEP 05 stellt ein zentrales Dokument für die räumliche Entwicklung Wiens dar – seine Umsetzung hat somit Auswirkungen auf das Lebensumfeld der gesamten Stadtbevölkerung (und darüber hinaus). Der STEP 05 verbindet jedoch andererseits die generellen, strategischen Leitziele mit detaillierten Ausführungen zu einzelnen Handlungsfeldern, deren Erarbeitung (aber auch Verständnis) einen beträchtlichen fachlichen Hintergrund voraussetzen. Die Ziele der „Dialoge zur Stadtentwicklung“ wurden vor diesem Hintergrund eher pragmatisch definiert: •

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Informations- und Diskussionsangebot zum Stand der Bearbeitungen an interessierte BürgerInnen ohne Anspruch auf umfassende Repräsentanz unter

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• • •

Einbindung von institutionalisierten Beteiligungsforen in den Dialog Sammlung von Input aus der Bevölkerung zu einzelnen Themenschwerpunkten, die in die weiteren Bearbeitungen einfließen „Erdung“ des mit der STEP-Entwicklung befassten Teams durch unmittelbare Konsultation mit den BürgerInnen

Der Dialogprozess hatte somit nicht nur Informationscharakter, sondern sollte durchaus inhaltliche Impulse für die weitere Bearbeitung des STEP geben. Die fachliche „Redaktion“ des STEP blieb jedoch den ExpertInnen der Stadtverwaltung vorbehalten. 4.1.3

Design und Arbeitsweise des Dialogprozesses Zeitpunkt: Die Dialoge zur Stadtentwicklung wurden bewusst zu einem Zeitpunkt angesiedelt, wo einerseits bereits erste STEP-Entwürfe als Diskussionsgrundlage und „Reibungsfläche“ vorlagen, andererseits noch Spielräume für zusätzlichen Input, inhaltliche Adaptierungen etc. vorhanden waren. 8 Dialogveranstaltungen: Von November bis Dezember 2004 fanden insgesamt acht Dialogveranstaltungen zur Stadtentwicklung statt. Diese wurden vom Büro Plansinn in Kooperation mit den TrägerInnen der Lokalen Agenda 21 organisiert. Nach einer Auftaktveranstaltung am 18. Oktober 2004 wurde je ein Dialog in jedem der Wiener AgendaBezirke abgehalten. Die Themenschwerpunkte der einzelnen Dialoge orientierten sich dabei gleichermaßen an den STEP-Themen wie an den Agenda-Schwerpunkten: Gestaltung öffentlicher Räume, lebendige (Einkaufs-)Straßen, Stadtumlandkooperation, Integration – Stadt der Vielfalt etc. Den Schlusspunkt des Dialogs bildete eine Informationsveranstaltung für BezirkspolitikerInnen am 3. Dezember 2004. Zielgruppe des Dialogs waren alle interessierten BürgerInnen. Die Veranstaltungen wurden daher auch über Einschaltungen in wien.at, Puls-TV und weiteren Medien breit beworben. Parallel dazu wurde die bestehende Struktur der Lokalen Agenda 21 bewusst genutzt, um insbesondere engagierte BürgerInnen aus dem Agenda-Prozess für den Dialog zu mobilisieren. Spezifische Teil-Zielgruppen (wie Jugendliche, MigrantInnen etc.) wurden nicht gezielt angesprochen. Design des Dialogs: Die Dialogveranstaltungen liefen im wesentlichen nach einem gleichbleibenden Schema ab: •

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Überblick über den Stand der Diskussion und STEP-Entwicklung im jeweiligen Themenbereich durch VertreterInnen des STEP-Teams

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• • •

Moderierter Dialog zwischen BürgerInnen und STEP-Team; „Einwürfe“ durch eingeladen, informierte Kommentatoren (etwa JournalistInnen) Protokollierung der Diskussion Schriftliche Reaktionen auf in der Debatte nicht erschöpfend beantwortete Fragen, Anliegen, Kritikpunkte

Die ProzessmoderatorInnen (Büro Plansinn) verstanden sich gleichzeitig als „Botschafter“, die spezifische Vorschläge oder Fragen an die jeweils zuständigen Fachgremien (Verkehrskommission, Fachabteilungen etc.) weiterleiteten. Am Ende des Prozesses wurde ein Resümeepapier erstellt, in dem – über die Zusammenfassung der Diskussionen hinaus – detailliert festgehalten wurde, welche Anregungen in welcher Weise Eingang in den STEP fanden und warum (bzw. warum nicht). 4.1.4

Ergebnisse des Dialogprozesses An den acht Dialogveranstaltungen nahmen insgesamt rund 500 Personen teil, wobei sich eine willkommene Vielfalt zeigte: PolitikerInnen, InvestorInnen, BürgerInneninitiativen, VertreterInnen der Wirtschaft, Jugendliche und ältere Menschen waren vertreten. Alles in allem dominierten „beteiligungsroutinierte“ Personen, was aus der aktiven Mobilisierung im Umfeld der LA 21 Aktivitäten resultierte. Durch die Konzentration auf Schwerpunktthemen bei den einzelnen Veranstaltungen konnte die Diskussion stärker „in die Tiefe“ gehen. Insgesamt wurden bei den Dialogveranstaltungen rund 200 Anregungen und Vorschläge gesammelt, weitere 100 gingen per e-mail bzw. über das Internetforum ein.

4.1.5

Einschätzung des Dialogprozesses und seiner Ergebnisse Der gesamte Dialogprozess verlief nach Aussage der zentralen Beteiligten sehr konstruktiv und ergebnisorientiert. Im Detail sind folgende Aspekte hervorzuheben: •



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Verknüpfung von Top-down und Bottom-up: Der „Dialog zur Stadtentwicklung“ stellt einen gelungenen Versuch dar, die STEP-Entwicklung durch die Stadtverwaltung (top down) um Inputs aus der Bevölkerung (bottom up) zu bereichern. Die klare Definition der jeweiligen Rollen beider Seiten wirkte sich positiv auf die Qualität des Dialogs aus. „Konstruktive Irritation“: Die Funktion des Konsultationsprozesses bestand dabei weniger in der unmittelbaren Generierung oder Adaptierung von STEP-Inhalten durch die BürgerInnen als vielmehr darin, die – teilweise bereits seit Jahren mit der STEP-Entwicklung befassten –

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Fachleute mit den sehr lebensnahen Wünschen und Vorstellungen der Bevölkerung zu konfrontieren (= zu „erden“). Der auf diese Weise vollzogene Perspektivenwechsel wirkte sich auch positiv auf die weitere Bearbeitung des STEP aus. Selektive Zielgruppe als Bonus: Der Dialogprozess war bewusst nicht als repräsentatives Verfahren angelegt, sondern es wurden vorrangig beteiligungsinteressierte und –fitte Menschen mobilisiert, wobei der Informations- und Konsultationsprozess prinzipiell allen BürgerInnen offen stand. Diese Vorgangsweise scheint insofern angebracht, ein Prozess der offenen Ideenfindung und Zielentwicklung, nicht der Ausgleich zwischen konfligierenden Interessen im Mittelpunkt stand. Eine gezielte Mobilisierung von spezifischen Zielgruppen wie etwa Jugendlichen (wie von Plansinn angeregt) hätte diesen offenen Konsultationsprozess und den oben beschriebenen Perspektivenwechsel jedoch womöglich noch deutlich erweitern können. Vertrauensbildung: Das Angebot zu einer aktiven Beteiligung an der Entwicklung des STEP zu einem Zeitpunkt, an dem Einflussnahme tatsächlich noch möglich ist, wurde von den BürgerInnen sehr positiv aufgenommen. Der unmittelbare Kontakt mit den MitarbeiterInnen des STEP-Teams sowie der Einblick in deren Arbeitsweisen und Denklogik trug bei den Beteiligten noch einmal wesentlich zum Abbau von gegenseitigem Misstrauen bei. Verbindlichkeit: Die Verbindlichkeit der Ergebnisse des Dialogprozesses war gering – was jedoch zum einen sehr offen kommuniziert wurde. Zum anderen sollte durch die schriftliche Beantwortung sämtlicher nicht ausdiskutierter Anfragen und Anliegen eine Wertschätzung gegenüber allen Beteiligten vermittelt werden. (Dieser Effekt wurde jedoch z.T. dadurch merklich geschmälert, dass manche Antworten erst mehrere Monate nach Abschluss des Dialogprozesses eintrafen.)

Das dargestellte Beteiligungsverfahren hat sich als erfolgreich erwiesen • •

Als Informations- und Konsultationsangebot in einem Zielentwicklungsprozess mit sehr hoher Komplexität und Gemeinwohlorientierung Als Verfahren zur (unverbindlichen) Rückkoppelung von Top-down- und Bottom-upProzessen

Der „Dialog zur Stadtentwicklung“ hatte (in dieser Form) einen punktuellen, situativen Charakter. Zu überlegen wäre die Etablierung eines kontinuierlicheren Dialogs zwischen Stadtverwaltung und institutionalisierten Formen der BürgerInnenbeteiligung (Lokale Agenda 21, Gürtelbeirat, Grätzelmanagement) etwa im Rahmen des Monitorings der Umsetzung des STEP – insbesondere in den definierten 13 Zielgebieten der Stadtentwicklung.

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4.2

Fallbeispiel „Mobil in Wien – BürgerInnenbeteiligung zum Masterplan Verkehr“

4.2.1

Hintergrund Seit 1970 basiert die Wiener Verkehrspolitik auf umfassenden Verkehrskonzepten, die in regelmäßigen Abständen überdacht und überarbeitet werden: 1970 wurde die Grundstruktur des neuen U-Bahnnetzes festgelegt, 1980 stand die Beschleunigung des Öffentlichen Verkehrs, 1994 die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung im Mittelpunkt. Durch die veränderten Rahmenbedingungen (EU-Erweiterung, Zunahme des Pendlerverkehrs etc.) wurde ein neuer Masterplan Verkehr notwendig, der im November 2003 vom Wiener Gemeinderat beschlossen wurde. Die Erstellung sollte – noch mehr als bereits 1994 – in Form eines offenen Dialogs erfolgen, in den neben Fachleuten insbesondere die Bezirke und die Bevölkerung einzubinden waren. Auf diese Weise sollten neben Meinungen der VerkehrsexpertInnen auch die alltäglichen „Verkehrserfahrungen“ der WienerInnen in den Masterplan einfließen.

4.2.2

Ausgangslage für das Beteiligungsverfahren Zwei Rahmenbedingungen waren prägend für die Gestaltung des Beteiligungsverfahrens: •



4.2.3

Dimension des Verfahrens: Die Verkehrsentwicklung „betrifft“ alle WienerInnen – daher war mit einer regen Beteiligung an dem Verfahren zu rechnen. Gleichzeitig stellen sich die Probleme, Herausforderungen und Kernfragen für die einzelnen VerkehrsteilnehmerInnen sehr unterschiedlich da – abhängig von der jeweiligen lokalen Situation (Verkehrslage im Bezirk/Grätzel), der Rolle als NutzerInnen von MIV, ÖV etc. Eine zentrale Herausforderung bestand daher darin, das Beteiligungsverfahren so zu gestalten, dass bereits durch das Verfahrensdesign eine Strukturierung der Themenstellungen ermöglicht wurde. Schnittstelle Fachgremien – Beteiligungsverahren: Die zweite Herausforderung lag darin, einen Beteiligungsprozess zu gestalten, der inhaltlich wie auch zeitlich optimal mit der Arbeit der VerkehrsexpertInnen des Magistrats und der Wiener Linien abgestimmt und verzahnt war, um so eine bestmögliche Berücksichtigung der Anregungen der BürgerInnen zu gewährleisten.

Design und Arbeitsweise des Beteiligungsverfahrens Das Verfahren wurde gemeinsam mit den Bezirken organisiert. Um eine überschaubare Zahl von Diskussionsforen zu erzielen, wurden 13 sogenannte „Bezirkstandems“ (Zusammenschlüsse von meist 2 benachbarten Bezirken) gebildet, in denen das Beteiligungsverfahren dezentral organisiert wurde.

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Kick-off-Veranstaltungen: Am Beginn der Beteiligungsprozesse in den Bezirken stand zunächst jeweils eine Kick-off-Veranstaltung. Diese wurde von den jeweiligen Bezirken bekannt gemacht, teilweise durch Aussendungen an die Haushalte, z.T. durch Ankündigungen in den Medien. Die Auftaktveranstaltungen bedienten sich zunächst der Open-Space-Methode: Die BürgerInnen konnten ihre Anliegen und Vorschläge zum Verkehr vorerst unkommentiert einbringen. Die Wortmeldungen wurden in Schwerpunktthemen „geclustert“ (die bereits weitgehend vordefiniert waren). Thematische Arbeitsgruppen: Entlang der Themencluster wurden noch im Rahmen der Auftaktveranstaltungen Arbeitgruppen gebildet, die von professionellen ProzessbegleiterInnen moderiert wurden. In den Arbeitsgruppen wurden die einzelnen Problemfelder in bis zu drei aufeinanderfolgenden Sitzungen ausführlich diskutiert und Maßnahmenvorschläge präzisiert. Die Diskussion erfolgte nur unter den interessierten BürgerInnen – ohne Teilnahme von ExpertInnen. Internet-Plattform "Mobil in Wien": Zusätzlich wurde eine Web-Plattform eingerichtet, auf der Hintergrundinformationen (z.B. eine Zusammenfassung & Evaluation des Verkehrskonzeptes 1994) und Protokolle der Sitzungen verfügbar gemacht wurden und über ein Diskussionsforum weitere Vorschläge eingebracht werden konnten. Stellungnahmen der ExperInnen: Sämtliche Vorschläge aus allen Bezirksgruppen wurden gesammelt, in einer Datenbank strukturiert und dem mit der Erstellung des Masterplans befassten ExpertInnenteam zur Beantwortung/Kommentierung weitergegeben. Abschlussveranstaltungen in den Bezirken: Das dezentrale Beteiligungsverfahren fand seinen Abschluss in Plenarveranstaltungen, bei denen von den ExpertInnen einerseits die Rohfassung des Masterplans vorgestellt, andererseits – wieder in den thematischen Arbeitsgruppen – zu den Vorschlägen der BürgerInnen Stellung bezogen wurde. Dabei wurde von der Prozesssteuerung explizit darauf geachtet, dass der gesamte Katalog der von der jeweiligen Arbeitsgruppe eingebrachten Anregungen „abgearbeitet“ wurde. Strittige Fragen wurden ausführlich diskutiert. Wien-weiter Schluss-Event: Den offiziellen Abschluss des Verfahrens bildete ein zentraler Schlussevent, der eher den Charakter eines Fests als einer Diskussionsveranstaltung hatte.

Alle Beteiligten wurden während des gesamten Prozesses über den Fortgang auf dem Laufenden gehalten. Protokolle der Veranstaltungen wurden den TeilnehmerInnen mit der Post zugeschickt. Zusätzlich wurde eine bezirksübergreifende Arbeitsgruppe für mobilitätseingeschränkte Personen eingerichtet, die sich vornehmlich mit Fragen der barrierefreien Mobilität auseinandersetzte und für die gezielt über Vereine und Verbände TeilnehmerInnen mobilisiert wurden.

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4.2.4

Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens Insgesamt wurden nahezu 2.000 inhaltlich unterschiedliche Vorschläge eingebracht. Davon waren 55 % sehr konkrete Detailmaßnahmen (z. B. Haltestellenverlegungen, Fahrplanabstimmungen, Fußgängerübergänge, Tempo-30-Zonen etc.), die zu einem großen Teil in die Kompetenz der Bezirke fallen und nicht auf der Ebene des Masterplans behandelt werden konnten. 80 bis 90 % dieser Vorschläge entsprachen jedenfalls den Grundsätzen und Zielen des Masterplans. Die Detailvorschläge wurden den Wiener Linien und den Bezirken als Grundlage für die Arbeit in den Bezirksverkehrskommissionen übermittelt. Ca. ein Viertel aller Vorschläge deckte sich mit Zielen und Maßnahmen, die im Masterplan auch von den ExpertInnen ausgearbeitet wurden; ca. 20 % der Vorschläge der BürgerInnen standen im Widerspruch zu den Zielen des Masterplans (z. B. Gürteltunnel, U-Bahnverlängerung nach Auhof, Verzicht auf B 225) und fanden daher keinen Eingang in die weiteren Bearbeitungen. Hier wurde nur die Nichtberücksichtigung gegenüber den BürgerInnen argumentiert. Das TeilnehmerInnenfeld des Beteiligungsprozesses blieb – sobald sich die Arbeitsgruppen konsolidiert hatten – relativ konstant, wobei die Struktur der TeilnehmerInnen meist ein recht treffendes Spiegelbild der demographischen Verhältnisse des jeweiligen Bezirks darstellte.

4.2.5

Einschätzung des Beteiligungsverfahrens und seiner Ergebnisse Das BürgerInnenbeteiligungsverfahren im Rahmen der Erstellung des Masterplan Verkehr stellte eines der umfangreichsten partizipativen Verfahren in der jüngeren Vergangenheit dar. •



43

Dezentraler Dialogprozess: Durch die Abwicklung des Verfahrens auf Ebene der Bezirke (bzw. von Bezirkstandems) konnte die Dimension der Beteiligung bewältigt und der Dialogprozess zur Wiener Verkehrsentwicklung auch in einen jeweils lokalen Kontext gestellt werden. Dies bewährte sich vor allem insofern, als – wie erwartet – der größere Teil der von den BürgerInnen angesprochenen Problemlagen auf lokaler Ebene zu verorten sind. Die Diskussion in den Arbeitsgruppen auf Bezirksebene verlief daher sehr konstruktiv, die Ergebnisse konnten direkt an die verantwortlichen Bezirksstellen bzw. die Wiener Linien weitergegeben werden. Gleichzeitig gelang es der Prozesssteuerung, die in den unterschiedlichen Bezirkstandems vorgebrachten Vorschläge mittels einer Datenbank inhaltlich zu strukturieren und so in verwertbarer Form an das mit der Erstellung des Masterplans befasste ExpertInnenteam weiterzugeben. Rollenteilung: Methodisch bewährte sich die klare Trennung zwischen einer „Open Space“Phase, in der BürgerInnen für sämtliche vorgebrachten Anliegen ein offenes Ohr fanden. Diese Phase wurde nur von professionellen ProzessbegleiterInnen moderiert. Die Ebene der

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FachexpertInnen wurde erst in der darauf folgenden zweiten Phase eingebunden, als es darum ging, zu den einzelnen Anliegen aus fachlicher Stellung zu nehmen und die Vorschläge auf ihre Umsetzbarkeit und Vereinbarkeit mit den Zielen des Masterplans zu überprüfen. Input für den Masterplan Verkehr unklar: Der Großteil der von den BürgerInnen eingebrachten Vorschläge hatte stark lokalen Bezug und fiel daher in die Kompetenzen der Bezirke bzw. der Wiener Linien. Auf dieser Ebene konnte das Alltagswissen der lokalen Bevölkerung unmittelbar in konkrete Maßnahmenvorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation im Bezirk umgesetzt werden; die Vorschläge wurden von den Bezirken aufgenommen. Unklar blieb jedoch von der Initiierung bis zum Abschluss des Verfahrens, worin die Intentionen im Hinblick auf die inhaltliche Erstellung des Masterplans bestanden, d.h. in welcher Form die von den BürgerInnen eingebrachten Vorschläge in die parallel laufenden Arbeiten des ExpertInnenteams einfließen sollten. De facto stellten die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens keinen substantiellen Input für die ExpertInnen dar, sondern es wurde umgekehrt jeder Vorschlag nur kommentiert, ob er sich im Einklang mit dem parallel (und völlig unabhängig) entwickelten Masterplan befand oder nicht. Mangelhaftes Briefing für Prozessbegleiter: Die Unklarheit (oder Halbherzigkeit?) im bezug auf die mit dem Beteiligungsverfahren verbundenen politischen Intentionen spielte sich auch in den vagen inhaltlichen Vorgaben an die Prozesssteuerung wieder. Seitens der Prozessbegleitung wurde entsprechend kritisch angemerkt, dass detaillierte fachliche Vorinformationen über Intentionen und Kerninhalte des Masterplans eine stärkere inhaltliche Fokussierung des Beteiligungsprozesses erlaubt hätten. Inkonsistente Öffentlichkeitsarbeit: Schließlich stand auch die Bedeutung, die dem Beteiligungsverfahren in der öffentlichen Darstellung zugemessen wurde (und die sich auch in der Anzahl der Arbeitsgruppen und ihrer Sitzungen, der Größe des Projektteams etc. niederschlug) und der hohe Aufwand der ExpertInnenteams bei der Diskussion der Vorschläge in keinem Verhältnis zu der bescheidenen Öffentlichkeitsarbeit zur Bekanntmachung des Verfahrens: Diese wurde von der Stadt fast vollständig den Bezirken überlassen, die diese Aufgabe – je nach vorhandenen Budgetmitteln – höchst unterschiedlich wahrnahmen. Die Palette reichte von persönlich adressierten Postwurfsendungen bis zu knappen Ankündigungen in den Bezirkszeitungen. Entsprechend unterschiedlich fiel auch der Beteiligungsgrad in den einzelnen Bezirken aus. Vertrauensbildung: Nichtsdestotrotz hatte die Erfahrung, dass sämtliche vorgebrachten Anliegen und Vorschläge von den magistratsinternen Fachleuten bzw. externen ExpertInnen aufgenommen, geprüft und kommentiert wurden, bei den Beteiligten des Verfahrens stark vertrauensbildenden Effekt. Auch negative Stellungnahmen wurden – bei entsprechender fachlicher Argumentation – auf diese Weise leichter akzeptiert. Das Verfahren trug somit wenn nicht zur inhaltlichen Bereicherung, so doch zumindest zur öffentlichen Legitimation des Masterplans Verkehr bei.

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4.3

Fallbeispiel „vie.mediation“

4.3.1

Hintergrund Der Vienna International Airport (VIE) ist in der Europa Region Mitte (CENTROPE) der wichtigste und größte Flughafen. Der Flughafen Wien ist zugleich eine der größten Infrastruktureinrichtungen und ein elementarer Wirtschafts- und Standortfaktor für ganz Österreich. Seine zukünftige Entwicklung hat somit bedeutende verkehrs- und wirtschaftspolitische Implikationen, aber ebenso auch markante Auswirkungen auf die in der Flughafenregion lebenden Menschen. Aufgrund der internationalen Entwicklung im Flugverkehr sind seitens der Flughafen Wien AG in den 90er Jahren die Planungen für umfangreiche Infrastrukturerweiterungen intensiviert worden. 1998 wurden schließlich jene Ausbaupläne der Öffentlichkeit vorgelegt, die auch heute noch Grundlage für die Erweiterungsvorhaben sind. Größtes und umstrittenstes Investitionsvorhaben ist dabei der Neubau einer „Dritten Piste“. Sollten die derzeitigen Verkehrswachstumsprognosen eintreffen und die technischen Voraussetzungen gleich bleiben, so geht die Flughafen Wien AG davon aus, dass spätestens ab 2010 zusätzliche Start- und Landekapazitäten erforderlich sind. Bereist von 2000 auf 2006 ist das Passagieraufkommen von 12 Mio. auf 16 Mio. pro Jahr angewachsen, und die Prognose sieht ein weiteres Ansteigen auf 20 Mio. bis zum Jahr 2010. Ohne Ausbaumaßnahmen werden bereits für 2007 Engpässe in der Abwicklung des Flugverkehrs erwartet. Die positive wirtschaftliche Entwicklung des Wiener Flughafens steht in Konflikt mit den Interessen von Teilen der Bevölkerung in den betroffenen Gemeinden rund um den Flughafen. Sie sind bereits heute durch Lärmemissionen infolge des steigenden Flugverkehrs belastet und in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt und befürchten klarerweise eine weitere Zunahme der Belastungen durch wachsendes Passagieraufkommen, das letztlich aber erst mit dem Bau einer Dritten Piste ermöglicht wird bzw. Realität werden kann.

4.3.2

Ausgangslage für das Mediationsverfahren Offensichtlich ist, dass hier ein Grundkonflikt zwischen „ökonomischer Rationalität“ einerseits und „Lebensqualität“ andererseits vorlag. Außer Frage stand jedoch ab Beginn des Mediationsverfahrens, dass die Regionen Wien und Niederösterreich einen wettbewerbsfähigen internationalen Flughafen Wien erhalten wollen. Damit war ohne Zweifel von Anbeginn eine Einschränkung betreffend die verhandelbaren Themen in der Mediation gegeben, nämlich insofern, als die Lösung der allgemeinen gesellschaftspolitischen Frage, ob permanentes

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wirtschaftliches Wachstum und nachhaltige Entwicklung vereinbar sind, als Kernaufgabe der Mediation de facto ausgeschlossen war. Die Befürworter wie Gegner des Ausbaus des Flughafen Wien waren sich aber dennoch bewusst, dass es unabhängig von einer Lösung dieses Grundkonflikts einige Spielräume gibt, um einen, wenn auch bedingten, Interessenausgleich zwischen ökonomischer Rationalität und Lebensqualität herzustellen. Diese Einsicht ermöglichte es schließlich, dass sich im Juni 2000 VertreterInnen der Flughafen Wien AG, der Austro Control, der AUA, regionaler und überregionaler BürgerInneninitiativen, Bürgermeister von Nachbarschaftsgemeinden, Vertreter der Länder Wien und Niederösterreich sowie deren Umweltanwaltschaften, Vertreter von Parteien und Interessenvertretungen dazu vereinbarten, ein Mediationsverfahren vorzubereiten und einzuleiten. 4.3.3

Design und Arbeitweise des Mediationsverfahrens Das Mediationsverfahren wurde in einer Form gestaltet, die bestmögliche Transparenz, Effizienz und Ergebnisoffenheit ermöglichen sollte. Das Verfahren wurde mit folgenden Kernelementen operativ strukturiert:

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Mediationsforum. Das Mediationsforum stellte das Hauptgremium (das „Parlament“) aller an der Mediation beteiligten Verfahrensparteien dar, und wurde am Beginn des Verfahrens von einem 25-köpfigen Arbeitsausschuss unterstützt, der die Vorbereitung von Entscheidungen zur Aufgabe hatte.



Prozesssteuerungsgruppe. Im Laufe des Verfahrens wurde der Arbeitsausschuss von der Prozesssteuerungsgruppe abgelöst. Im Kern bestand sie aus dem Prozess-Provider des Mediationsverfahrens und zugleich Sprecher des Mediationsforums (RA Thomas Prader), dem Mediationsteam und einer Anzahl von VertreterInnen der Verfahrensparteien. Der Prozessteuerung oblag die kontinuierliche Reflexion und Adaptierung des Prozessablaufs, die Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen, die Einsetzung und Beendigung von Arbeitsgruppen, die Strukturierung der Öffentlichkeitsarbeit u.a.m.



Arbeitskreise. Zur inhaltlichen Bearbeitung wurden vier Arbeitskreise vereinbart, denen jeweils weitere Arbeitsgruppen zu Behandlung von Spezialthemen angegliedert waren. Arbeitskreise wurden zu den Themen „Lärm“, „Entwicklungsszenarien“, „Ökologie“ und „Öffentlichkeitsarbeit“ eingerichtet. Diese Arbeitskreise wurden später um zwei weitere ergänzt, nämlich „Aktuelle Maßnahmen“ und „Szenarien 2010 und 2020“.



Gutachten. Im Laufe des Verfahrens wurden insgesamt 7 Gutachten, deren Themen von den Verfahrensparteien einvernehmlich vereinbart wurden, beauftragt und dienten als unterstützende Grundlagen für die Entscheidungsfindung.

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Wissenschaftliche Begleitung und Beratung. Angesichts der Dimension des Mediationsverfahrens wurde mit Zustimmung aller Parteien eine wissenschaftliche Begleitforschung durchgeführt (IFF) und die ARC Seibersdorf research GmbH beauftragt, für die im VIE-Mediationsverfahren diskutierten Themen- und Fragestellungen wissenschaftliche Methoden, Daten, Informationen und Analyseergebnisse einzubringen.



Öffentlichkeitsarbeit. Zwei zentrale Kommunikationswege wurden zur kontinuierlichen Information unter den Verfahrensparteien wie gegenüber der Öffentlichkeit zum Einsatz gebracht: zum einen die Webplattform www.viemediation.at, auf der alle Informationen, Protokolle, Termine, Gutachten etc. verfügbar gemacht wurden; und zum anderen der viemediation-Newsletter, der in zusammengefasster Form über den Fortschritt und jeweilige Kernergebnisse informierte. Die aktive Information der Öffentlichkeit wurde primär über Pressekonferenzen und Pressegespräche erzielt. Den Verfahrensparteien stand darüber hinaus auf der website auch ein permanentes Diskussionsforum zur Verfügung. Ebenso war auf der website ein digitales „Bürgerbüro“ eingerichtet, über das sich Interessierte mit den Beteiligten im Mediationsverfahren in Verbindung setzen konnten.

In der Vereinbarung zur Mediation wurden Gegenstand des Verfahrens und Spielregeln der Zusammenarbeit definiert. In der Mediationsvereinbarung von März 2001, die 50 Verfahrensparteien unterzeichneten, wurden als Gegenstand des Mediationsverfahrens zum einen die Ausbauvorhaben der Flughafen Wien AG und zum anderen die aktuelle Fluglärmbelastung im 2-Pisten-Sytstem vereinbart. Als generelle Ziele des Verfahrens legte man fest: •

„Das Erarbeiten von einvernehmlichen Lösungen in einem fairen Verfahren, die zum Ziel haben, die Belastung durch den Flugverkehr für die betroffene Bevölkerung und die Umwelt akzeptabel zu gestalten;



die Ausarbeitung und Unterzeichnung eines Mediationsvertrages, welcher die gefundenen Lösungen verbindlich festhält;



die Einrichtung geeigneter Abläufe und Kontrollmittel zur Unterstützung und Absicherung der Umsetzung der vereinbarten Lösungen.“

Ebenso vereinbarte man, dass sich die Flughafen Wien AG verpflichtet, während des Verfahrens „keinen Genehmigungsantrag bei der Behörde hinsichtlich der geplanten Errichtung einer weiteren Start- und Landebahn zu stellen“ und bereit ist, Ergebnisse aus Teilverträgen des Mediationsverfahrens noch während des Prozesses zu berücksichtigen. Als Regeln der Zusammenarbeit vereinbarten die Verfahrensparteien das Prinzip von Freiwilligkeit, Transparenz, Konsens, Ergebnisoffenheit und Rückbindung der VertreterInnen zu ihren Interessensgruppen.

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4.3.4

Ergebnisse des Mediationsverfahrens Nach einem rund 5-jährigen Mediationsprozess liegen heute folgende Ergebnisse in Form eines von der überwiegenden Zahl der Verfahrensparteien verbindlich unterzeichneten Mediationsvertrages vor. Was sind nun die Hauptergebnisse:

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1

Teilvertrag „Aktuelle Maßnahmen“. 47 der 50 Verfahrensparteien unterzeichneten diesen Teilvertrag, der im wesentlichen Maßnahmen zur spürbaren regionalen Verbesserung hinsichtlich der Lärmbelastungen festlegt. In detaillierter Form werden darin Maßnahmen zur Lärmreduktion im Start- & Abflug- wie im Anflug- & Landebetrieb verbindlich festgeschrieben. Dies betrifft die Deckelung der Flugbewegungen (insbesondere zu Nachtzeiten), die An- und Abflugkorridore, die Förderung und Kostentragung für Schallschutzfenster, das Monitoring- und Evaluationssystem, weitere Untersuchungen, ein Beschwerde- und Informationssystem sowie Regeln zur Streitbeilegung.

2

UVP-Verfahren 3. Piste. In diesem Vertragsteil verpflichtet sich die Flughafen Wien AG dazu, die im Mediationsverfahren ausverhandelten Projektparameter als Grundlage für das Einreichprojekt zu verwenden.

3

Prozessvereinbarungen. Da eine Reihe von Problemen und Konflikten in Zusammenhang mit dem aktuellen und zukünftigen Fluggeschehen heute nicht gelöst werden können verpflichtet sich die Verfahrensparteien in diesem Vertragsteil zu einer definierten Vorgangsweise, insbesondere auch hinsichtlich des kommenden UVP-Verfahrens, um konsensuale Lösungen zu finden.

4

Nachtflugregelung. Dieser Abschnitt des Mediationsvertrages weist ebenfalls in ganz konkreter Detaillierung aus, wie in Zukunft der Nachtflugbetrieb abzuwickeln sein wird und gibt darüber hinaus klare Vorgaben, wie auch bei Bau der 3. Piste der Nachtflugverkehr gedeckelt bzw. reduziert wird. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die am Verfahren beteiligten Gemeinden und der Verein „Arbeitsgemeinschaft der BürgerInneninitiativen und Siedlervereine um den Flughafen Wien“ mit dieser Vereinbarung irreversibel zugestehen, den Genehmigungsbescheid für eine 3. Piste unter den im Mediationsverfahren festgelegten Bedingungen weder politisch noch juristisch zu bekämpfen.

5

Technischer Lärmschutz. Dieser Vertragsteil enthält Regelungen über die Bedingungen der Lärmreduktion und über die Kostentragung von Lärmschutzmaßnahmen, die an Objekten (Wohnungen, Häusern) nach definierten Kriterien durchzuführen sind, als auch Regelungen über Liegenschaftsablösen.

6

Bodenlärm. Darin sind Vereinbarungen über Lärmschutzmaßnahmen am Flughafen selbst getroffen, die eine Reduktion der Lärmbelastung durch das Zu- und Abrollen zu und von den Pisten erzielen sollen.

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7

Lärmzonendeckelung. Mit dieser Vertragsvereinbarung wird geregelt, dass sich die beteiligten Gemeinden verpflichten, in den definierten Lärmzonen zukünftig keine weiteren Flächenwidmungen für Wohnbau zu beschließen.

8

Landwirtschaft. Im Abschnitt Landwirtschaft sind Vereinbarungen betreffend die Abgeltung von Maßnahmen definiert, die im Zuge des Ausbaus der 3. Piste durch Umnutzung und Umsiedlung von landwirtschaftlichen Nutzflächen entstehen. Ebenso werden auch landwirtschaftliche Projekte unterstütz, die zur nachhaltigen Entwicklung der Flughafenregion beitragen.

9

Umweltfonds. Dieser bereits vor Abschluss des Mediationsverfahrens gegründete „Fonds zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung der Region rund um den Flughafen“ dient dazu, jene Gemeinden zu unterstützen, deren Entwicklungsmöglichkeiten durch den Flugbetrieb in besonderem Maße eingeschränkt werden. Die Finanzierung des Fonds ist gekoppelt an das Passagieraufkommen, pro Passagier verpflichte sich die Flughafen Wien AG, 0,20 € in den Umweltfons einzuzahlen. Ebenso wird im Vertrag die Nutzung der Fondsgelder definiert.

10 Regionales Konfliktmanagement. Ausgehend von der Erkenntnis, dass nach Abschluss des Mediationsverfahren die Ergebnisumsetzung gewährleistet sein muss, auch in Zukunft neue Probleme und Konflikte auftauchen werden, und die weitere Partizipation der BürgerInneninitiativen gesichert sein soll, wurde im Mediationsvertrag die Schaffung des „Vereins Dialogforum Flughafen Wien“ fixiert. In einem Kooperationsvertrag sichert der Flughafen Wien die für den Betrieb des Dialogforums erforderlichen Mittel zu. 11 Schiedsvertrag. Zur Schlichtung von Streitigkeiten aus den zivilrechtlich verbindlichen Verträgen zwischen den Vertragparteien wurde ein „Schiedsgericht Mediationsverfahren Flughafen“ eingerichtet und die personelle Zusammensetzung vereinbart. 12 Verbindlichkeitsklausel. In der „Zusammenfassung des Mediationsvertrages“ wird darauf verwiesen, dass alle verbindlichen Verfahrensergebnisse in gesondert errichteten und unterfertigten Verträgen abschließend festgehalten sind und erst nach Genehmigung durch die jeweiligen Gremien rechtswirksam werden. Weiters wird festgehalten, dass die zwischen den Vertragsparteien getroffenen vertraglichen Regelungen keine Bindung für die behördlich auszuübenden Funktionen der Organe des Landes Niederösterreich (z.B. als UVP-Behörde) darstellen. 4.3.5

Einschätzung des Mediationsverfahrens und seiner Ergebnisse Das Mediationsverfahren ist anerkannt erfolgreich gewesen – diese Einschätzung teilen die Verfahrensparteien ebenso wie externe BeobachterInnen. Geholfen hat dabei, dass von Beginn weg grundsätzlich günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung des Mediationsvefahrens gegeben waren:

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50

1

Realismus vor Fundamentalismus. Der Flughafen Wien ist eine langjährig existierende Großinfrastruktur, so dass eine realistische Möglichkeit, eine politisch fundamentalistische Opposition gegen die Infrastrukturerweiterung bzw. gegen den Flughafen an sich aufzubauen von vornherein eher gering war. Im Gegensatz zu komplett neuen Großprojekten „auf der grünen Wiese“ gab es somit vom Start weg sehr klare Befürworter und Nutzniesser, deren Interessen nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden konnten bzw. wo eine derartige grundsätzliche Infragestellung kaum Chancen auf breite Mehrheitsfindung erwarten ließ.

2

Verhandlungsspielraum durch Ausweitung. Von zentraler Bedeutung für das Gelingen des Mediationsverfahren war, dass von Beginn an nicht nur der Ausbau der „Dritten Piste“ als Gegenstand des Verfahrens vereinbart wurde, sondern ebenso die Reduktion der Belastungen durch das bestehende „2-Pisten-System“ in Kombination mit dem Ausbau der Dritten Piste. Mit dieser Koppelung konnte die „Verhandlungsmasse“ für die Erzielung von win win-Situationen wesentlich erhöht und der Druck reduziert werden, dass wachstumspolitische Grundsatzdiskussionen das Verfahren beherrschen könnten.

3

Offenheit für Verfahrensparteien. Durch die Organisation des Mediationsforums als auch durch den Zusammenschluss der BürgerInneninitiativen in einem Dachverband, der auch während des Verfahrens das Hinzukommen von weiteren BürgerInneninitiativen ermöglichte, war eine Problematik vieler Partizipationsverfahren weitgehend gebannt: Zum einen wurde damit Beteiligungsoffenheit hergestellt und zum anderen aber auch die Kanalisierung von divergierenden Interessen in eine klare Prozessstruktur.

4

Breite Vertrauensbasis. Die Breite und Ergebnisoffenheit des Verfahrens einerseits, und die transparenten und klaren Spielregeln andererseits setzten eine positive Spirale der sukzessiven Vertrauensentwicklung und des Konfliktabbaus in Gang. Die Intensität der Auseinandersetzung über noch so kleine Detailfragen vertiefte diese Entwicklung und schuf eine sehr tragfähige Basis, durch die auch weiter bestehende Konflikte bzw. Interessensgegensätze an Schärfe verloren.

5

Durchbruch mit Teilvertrag „Aktuelle Maßnahmen“. Von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Verfahrens war der Umstand, dass es relativ bald gelang, Konsens über einen Teilvertrag betreffend „aktuelle Maßnahmen“ herzustellen. Damit wurde insbesondere seitens der Flughafenbetreiber demonstriert, dass sie tatsächlich für einen Interessenausgleich bereit sind. Mit dieser positiven Erfahrung konnte die Diskussion zu den Bedingungen des Baus der 3. Piste wesentlich leichter und sachlicher geführt werden, als wenn der Pistenausbau der alleinige Verhandlungsgegenstand gewesen wäre.

6

Verbindlichkeit als Schlüsselkriterium. Obwohl das Mediationsverfahren aufwendig, umfangreich und langwierig war – manche Erfolge können sicher auch zum Teil den Ermüdungserscheinungen, die bei manchen Verfahrensparteien eintraten, zugeschrieben

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werden – , bietet es gegenüber anderen Verfahrensmethoden den unschätzbaren Vorteil, dass sich die beteiligten Verfahrensparteien mit dem Mediationsvertrag wechselseitig gebunden haben. D.h., dass auch die BürgerInneninitiativen Verantwortung übernehmen, was gerade bei einem kostenintensiven Großvorhaben und bei den betriebswirtschaftlich durchaus markanten Angeboten, die von der Flughafen Wien AG gesetzt wurden, von entscheidender Bedeutung ist.

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7

Persönlicher Einsatz. An sich eine Binsenwahrheit, jedoch nicht immer selbstverständlich: der persönliche Einsatz und die Integrität der Prozessteuerung und der VertreterInnen der Verfahrensparteien hat wesentlich zu einer schrittweisen Entwicklung von für alle tragbaren Lösungen beigetragen. Dies äußert sich insbesondere auch darin, dass die Medienarbeit in konsensuierter Weise stattfinden konnte – bei vielen anderen Verfahren ist es nicht unüblich, dass Konflikte nicht innerhalb des Verfahrens, sonder außerhalb, über die Medien ausgetragen werden.

8

Koppelung an UVP-Verfahren. Was nicht von Anbeginn so offensichtlich war, sich aber mit der Dauer des Verfahrens immer deutlicher herauskristallisierte, war, dass eine inhaltliche Orientierung der Ergebnisse auf das noch ausständige UVP-Verfahren nicht nur sinnvoll ist, sondern die größten Erfolgsaussichten mit sich bringt. Damit konnte gesichert werden, dass die Ergebnisse nicht zur „Beruhigungspille“ verkommen, sondern für das zukünftige Handeln aller Verfahrensparteien selbstbindende Verantwortung bedeuten.

9

Legitimation durch Repräsentativdemokratie. Ein bei vielen Partizipationsverfahren vorgebrachter Einwand lautet: die Ergebnisse wurden von einer nicht repräsentativen Gruppe von Betroffenen erzielt und sind somit für die Repräsentativorgane der betroffenen Gebietskörperschaften nicht bindend. In diesem Verfahren wurden alle Vertragsvereinbarungen jeweils nach Aushandlung im Mediationsverfahren von den politischen Repräsentativorganen beraten und durch deren Zustimmung oder Ablehnung demokratiepolitisch legitimiert.

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4.4

Fallbeispiel „BürgerInnenbeteiligungsverfahren Zielgebiet Gürtel“

4.4.1

Hintergrund Mit dem von 1995 bis 2000 abgewickelten, EU-geförderten Projekt „URBAN Wien Gürtel Plus“ wurde ein entscheidender Schritt in Richtung Neupositionierung des Gürtels im gesamtstädtischen Gefüge gesetzt. Eine Reihe von konkreten stadträumlichen, wirtschaftlichen und sozialen Interventionen löste positive Impulse aus, die in weiterer Folge eine starke Eigendynamik entwickelten. Bestrebungen, nach Beendigung des URBAN-Programms diesen sichtbaren und imagemäßigen Aufwertungsprozess am Gürtel weiter fortzuführen, bildeten den Ausgangspunkt für das BürgerInnenbeteiligungsverfahren „Zielgebiet Gürtel“. Im „Strategieplan für Wien 2001“ wurde diese Zielsetzung nochmals bestärkt. Auf der Basis der Überlegungen, die 2000/2001 im Projekt „Gürtel Transform“ – einem moderierten Nachdenkprozess über die Zukunft des Gürtels unter Einbindung wichtiger Stakeholder – angestellt wurden, formulierte die MA 21A schließlich ein „Operationelles Programm“ für das künftige Zielgebiet Gürtel.

4.4.2

Ausgangslage für das Beteiligungsverfahren Im „Operationellen Programm“ wurden die inhaltlichen Zielsetzungen der geplanten Aufwertung in der gesamten, auch den Südabschnitt umfassenden, Gürtelzone festgelegt. Die neue „Gebietskulisse“ umfasste rund 100.000 EinwohnerInnen in 58.000 Wohnungen, rund 60.000 ArbeitnehmerInnen in fast 6.000 Betrieben und betraf insgesamt 14 angrenzende Bezirke. Als Umsetzungshorizont wurde ein Zeitraum von sieben bis acht Jahren festgelegt. Das Operationelle Programm umfasste neun Punkte: 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Durch viele punktuelle Maßnahmen die Situation verbessern Entwicklungspotenziale erkennen und Entwicklungsspielräume schaffen Investoren anziehen, die Standortpotenziale nutzen und attraktive Leistungen anbieten Ein zeitgemäßes Maß an Wohnqualität erreichen Integration unterschiedlicher Bewohnergruppen Imagetransformation zu einem Bereich des jungen urbanen Lebens Im öffentlichen Raum ein hohes Maß an Gestaltungs- und Nutzungsqualität Strukturelle und physische Barrieren aufbrechen und abbauen, Strukturen verbinden und vernetzen, aus Grenzbereichen werden urbane Kernzonen Die Interessen von Investoren sind durch die soziale, strukturelle und ökologische Verträglichkeit begrenzt

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Als strategische Grundprinzipien bei der Umsetzung dieser Ziele wurden formuliert: Partnerschaftliches Prinzip; integrativ und kommunikativ; vernetzungsfähig und interaktiv; Entwicklung von Eigendynamik; Herstellung von Kontinuität und Erzeugung von Synergien. 4.4.3

Design und Arbeitsweise des Beteiligungsverfahrens Gleichzeitig kam es zur Festlegung, dass das konkrete Maßnahmenpaket für den Gürtel im Rahmen eines breit angelegten BürgerInnenbeteiligungsverfahren erarbeitet werden soll. Das für Wien neuartige Modell des Gürtelbeirats sah – im Sinne einer öffentlich-privaten Partnerschaft – ein von Stadt, BürgerInnen und WirtschaftsvertreterInnen gleichermaßen beschicktes Gremium vor. In thematischen Arbeitsgruppen, regelmäßigen „Gürtelwerkstätten“ und auf einem jährlichen „Marktplatz“ wurden Ideen zur Gürtelaufwertung generiert und in umsetzungsreife Vorschläge gegossen. Die Implementierung sollte nach deren Beschluss im Gürtelbeirat und Weiterleitung an die zuständigen Stellen erfolgen. Flankiert wurden diese Kernelemente durch eine Geschäftsstelle im Magistrat, eine Steuerungsgruppe, einen Gürtelbeiratsausschuss sowie das „Team Gürtel“ (ein externes Konsortium, das mit dem Projektmanagement beauftragt wurde). Die Gremien des Bürgerbeteiligungsverfahrens Zielgebiet Gürtel Gürtelbeirat. Der Gürtelbeirat tagte unter Leitung des Klubvorsitzenden der Mehrheitsfraktion im Gemeinderat ca. zweimal jährlich. Er bestand aus 31 VertreterInnen aus der Bevölkerung und 31 VertreterInnen aus Politik, Verwaltung und Interessensvertretungen (d.h. VetreterInnen der 14 Gürtelanrainerbezirke, der Gemeinderatsfraktionen, der Arbeiter- und Wirtschaftskammer, der Geschäftsgruppen, der Magistratsdirektion und betroffenen Magistratsabteilungen). Bei der Nominierung der BürgerInnenvertretung wurde auf Repräsentativität in Bezug auf Alter, Geschlecht und Bezirke geachtet. Steuerungsgruppe. Die Steuerungsgruppe bestand aus der Geschäftsstelle Zielgebiet Gürtel, dem Team Gürtel sowie dem Vorsitzenden des Gürtelbeirats. In ihre Verantwortung fielen die strategische Prozessverantwortung sowie die Feinabstimmung des Prozessverlaufs durch flexibel gehandhabte Vorbesprechungen. Gürtelbeiratsausschuss. Gebildet aus 12 Mitgliedern des Gürtelbeirats (je 6 öffentlich und privat), diente der Ausschuss als eine dem Beirat vorgelagerte Plattform zur Vorbereitung operativer Entscheidungen bzw. unterstützungswürdiger Projekte. Aufgrund der hohen Kongruenz mit der Steuerungsgruppe und dem Beirat wurde der Ausschuss schlussendlich seltener einberufen als ursprünglich vorgesehen.

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Geschäftsstelle Zielgebiet Gürtel in MA 21A. Initiierung des Gesamtvorhabens, Programmkoordination und Funktion der zentralen Anlaufstelle für Fragen des Zielgebiets Gürtel im Magistrat lagen bei der MA 21A. Team Gürtel. Dem Konsortium aus vier externen Büros in den Bereichen Stadtplanung, Freiraum, Verkehr und Wirtschaft oblag das operative Prozessmanagement. Dazu gehörten Vorbereitung und Durchführung von Marktplatz, Gürtelwerkstätten und Arbeitsgruppen ebenso wie Aufbereitung und Finalisierung der Maßnahmenvorschläge. Marktplatz am Gürtel. Die einmal jährlich stattfindende Großveranstaltung diente der Vorstellung und gegenseitigen Vernetzung von aktuellen Projekten, ausgewählten Initiativen und relevanten ProjektbetreiberInnen im Gürtelbereich. Die TeilnehmerInnen wurden motiviert, sich aktiv am Gürtelprozess zu beteiligen und Themen für die nachfolgenden Gürtelwerkstätten einzubringen. Gürtelwerkstätten. Die periodisch abgehaltenen "Gürtelwerkstätten" waren offene Veranstaltungen zur Präsentation und kooperativen Weiterentwicklung von Projekten. Sie wurden an unterschiedlichen Orten im Bereich des Gürtels, die eine hohe lokale Identität aufweisen, abgehalten. Als Ort der Begegnung und des Informationstransfers konzipiert, verdeutlichten sie den "work in progress"-Charakter des Prozesses und dienten auch der Initiierung der thematischen Arbeitsgruppen. Arbeitsgruppen. In den Gürtelwerkstätten wurden die TeilnehmerInnen angeregt, bezirksübergreifende, themenbezogene Arbeitsgruppen zu gründen, die möglichst selbstständig arbeiten sollten. Auf der Basis der von den interessierten GürtelbewohnerInnen herausgearbeiteten Themen wurden folgende Gruppen gebildet: • • • • • • • • • • •

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Mittelzone – Gürtelbögen Mittelzone – öffentlicher Raum Müll und Lärm bei Lokalen Licht/Beleuchtung Radweg Wirtschaft und Gürtel Zone vor den Häusern Südgürtel Verkehr Plätze entlang des Gürtels Freiraum, Kultur & Image

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Mobilisierung & Ablauf Das BürgerInnenbeteiligungsverfahren startete im Juni 2002 mit einer Auftaktveranstaltung, bei der das Vorhaben Zielgebiet Gürtel vorgestellt und die Mitglieder des Gürtelbeirats nominiert wurden. Alle Interessierten – BewohnerInnen, Betriebe und ArbeitnehmerInnen – waren eingeladen, an der Gestaltung und Verbesserung des Gürtelraumes mitzuwirken. Die Bevölkerung wurde per Postwurfsendung an etwa 60.000 Haushalte und Nutzung der Bezirksmedien auf den bevorstehenden Prozess aufmerksam gemacht und ermutigt, Projekte anzuregen bzw. beim Beteiligungsprozess mitzuarbeiten. Auf die Beauftragung des Team Gürtel und die Konstituierung des Gürtelbeirats im Frühjahr 2003 folgten bis Frühjahr 2005 zwei Marktplätze, vier Treffen des Gürtelbeirats und acht Gürtelwerkstätten. In den Arbeitsgruppen fand, unterstützt vom Team Gürtel, die eigentliche Entwicklungsarbeit zu den Maßnahmenvorschlägen statt. Die hier formulierten Projektanträge wurden dem Gürtelbeiratsausschuss zur Diskussion vorgelegt und im Falle einer positiven Bewertung vom Gürtelbeirat diskutiert. Auf die positive Empfehlung durch den Gürtelbeirat hin war die Geschäftsstelle Zielgebiet Gürtel dazu angehalten, die Anträge weiterzuverfolgen und die betroffenen Dienststellen bzw. Bezirke in Hinblick auf die Umsetzung der Maßnahmen zu aktivieren. Wegen der positiven Dynamik in den Arbeitsgruppen bzw. den Gürtelwerkstätten wurde der ursprünglich nur auf zwei Jahre angelegte BürgerInnenbeteiligungsprozess bis Ende 2006 weitergeführt; in dieser abschließenden Phase konnten zusätzliche zwanzig Maßnahmenvorschläge generiert werden. 4.4.4

Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens Maßnahmenvorschläge. Der Bürgerbeteiligungsprozess bzw. die Entwicklungsarbeit in den thematischen Arbeitsgruppen resultierte in einem umfassenden Katalog von insgesamt 94 Maßnahmenvorschlägen. Nach Themenbereichen umfasst dieser im Wesentlichen: Öffentlicher Raum & Architektur • • • • • • •

55

Verbesserung des Erscheinungsbildes der Mittelzone („Übernutzung“) & Bereinigung von Nutzungskonflikten Bessere Beleuchtung an schlecht ausgeleuchteten Stellen Ideenwettbewerb [licht:guertel] für Lichtinstallationen an vier Stellen Sanierung kulturhistorisch wertvoller Gebäude inkl. U6-Stationen Wettbewerb PlayVienna von ArchitekturstudentInnen Neugestaltung Gaudenzdorfer Gürtel/Eichenstraße Optimierung/Verkehrsberuhigung im Straßenraum des Südgürtels

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Verkehr, Umwelt & Infrastruktur • •

Verringerung von Lärm- und Müllbelastung im Umfeld der Gürtellokale Südgürtel: Lärmschutzmaßnahmen zur Bahntrasse

Wirtschaft & Arbeitsmarkt • • • • •

Größere Nutzungsvielfalt in den Gürtelbögen (Galerien, Handwerker, Dienstleistungen,...) Verstärkte nichtkommerzielle Nutzung, z.B. Künstlerateliers, Jugendtreffs,... Einrichtung einer Koordinationsstelle zur Vergabe der Bögen bei den Wiener Linien Ansiedlung von Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtungen am Südgürtel (Sport- und Konzerthallen am Außengürtel) Orientierungshilfen, bessere Zufahrts- und Umkehrmöglichkeiten am Südgürtel

Kultur, Image & Freiraum • • •

Spielplätze: Eltern- und Kinderbefragung Kreativwettbewerb für Kinder lebensraum:gürtel, auch zur Einbeziehung von MigrantInnen ArbeitnehmerInnenbefragung und Fotowettbewerb zu Arbeitsumfeld gürtel:arbeit

Umgesetzte Maßnahmen Aus diesem vom Gürtelbeirat beschlossenen Vorschlägen wurden bis dato einige Maßnahmen umgesetzt bzw. befinden sich in der Umsetzung: Öffentlicher Raum & Architektur • • • •

Mittelzone: Bessere Koordination Flächennutzung FußgängerInnen, RadfahrerInnen & Lokale Neuplanung Umfeld Station Josefstädter Straße (Projekt ZOOM Brunnenmarkt) Maßnahmen Barrierefreiheit Urban-Loritz-Platz Beleuchtung: Mängelbehebung bei Problemstellen

Wirtschaft & Arbeitsmarkt • • •

Folder Betriebe am Gürtel Unternehmensbefragung Südgürtel Projekt Wolke 7 / Wiederbelebung der Kaiserstraße & Stadtteilmanagement

Kultur, Freiraum & Image • •

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Gürtelübergrasung: Ausweitung des Kunstprojektes Kreativwettbewerb für Kinder lebensraum:gürtel

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4.4.5

Einschätzung des Beteiligungsverfahrens und seiner Ergebnisse Zusammenfassend stellt sich das Zielgebiet Gürtel als ambivalentes Beispiel für Konzeption, Durchführung und Umsetzung eines Beteiligungs- und Mitgestaltungsverfahrens dar. Während der Prozess auf der Ebene von Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung bzw. der Aktivierung und Vernetzung von AkteurInnen gute Resultate erbrachte, zeigt die Implementierungsebene, welche Probleme aus der unzureichenden politischen Anbindung eines Mitbestimmungsverfahrens entstehen können. Diese Gesamtbewertung ergibt sich aus folgenden Einzelüberlegungen:

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Beitrag zum Imagewandel des Gürtels. Der Prozess „Zielgebiet Gürtel“ hat definitiv zum fortgesetzten Imagewandel des Gürtels beigetragen. Die weitere Schärfung des Bildes einer urbanen Trendzone in der Öffentlichkeit, die mentale „Adressbildung“ eines vormaligen „Un-Ortes“ und die zumindest ansatzweise Einbeziehung des Südgürtels in den Prozess der Neubewertung wurden durch das Zielgebietsverfahren wesentlich unterstützt.



Aktivierung gut gelungen. Die Aktivitäten zur Mobilisierung der betroffenen Bevölkerung haben vergleichsweise gut gegriffen. Das Team Gürtel erreicht mit seinen Aussendungen regelmäßig mehr als 1.250 Personen und Einrichtungen, die am Prozess beteiligt oder zumindest aktiv interessiert sind (bzw. waren). Zur Auftaktveranstaltung kamen mehr als 100 Personen, zu den Gürtelwerkstätten regelmäßig mehr als 50 Personen. Alle Arbeitsgruppen waren mit zumindest 15 bis 20 Personen besetzt, was für einen Beteiligungsprozess ein gutes und arbeitsfähiges Format darstellt.



Kreativpotenzial freigesetzt. Unter den vom Gürtelbeirat beschlossenen Vorschlägen finden sich zahlreiche Ideen von hoher inhaltlicher Qualität. Insbesondere die Maßnahmen im Bereich der Oberflächengestaltung, der NutzerInnenfreundlichkeit für nicht-automobile VerkehrsteilnehmerInnen und der optimalen Erreichbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel stellen eine wichtige Defizitanalyse bzw. konstruktive Verbesserungsideen dar. Durch die im Rahmen der Arbeitsgruppe „Müll/Lärm bei Lokalen“ durchgeführten Mediationsgespräche konnten tragbare Lösungen für die im Umfeld der Gürtellokale entstandenen Probleme gefunden werden.



Vernetzungsleistung. Zu den positiven Resultaten gehört zudem die gegenseitige Vernetzung bzw. Befruchtung von zahlreichen Initiativen und engagierten AkteurInnen entlang des gesamten Gürtels. Die „Marktplätze“ und „Gürtelwerkstätten“ stellten – als Ideenbörsen – im Prozessdesign jene Elemente dar, bei denen diese Vernetzungsleistung am besten gelang. Durch die Abhaltung der Gürtelwerkstätten an wechselnden Orten konnte auch der drohenden „Überdehnung“ des Prozesses in dem sehr großen Gebiet erfolgreich gegengesteuert werden. Insgesamt entstanden nachhaltige Netzwerke zwischen den für den

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Gürtelraum sensibilisierten AkteurInnen, die bis heute Bestand haben und ein Potenzial für die künftige Entwicklung darstellen. •

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Umsetzungsdefizit wegen problematischer politischer Anbindung. Misst man den Erfolg des Beteiligungsprozesses jedoch am Verhältnis zwischen den erarbeiteten Vorschlägen und den bis dato tatsächlich umgesetzten Maßnahmen, so stellen sich dringende Fragen nach Effektivität, Kosten-/Nutzenverhältnis sowie Legitimität des Verfahrens in den Augen der Beteiligten. Das derzeit vorhandene Umsetzungsdefizit lässt sich auf eine Reihe von Faktoren zurückführen, die letztlich alle mit dem Ausmaß des für den Prozess vorhandenen politischen „Commitment“ zusammenhängen: Vorgelagerter, nicht integrierter Entscheidungsprozess. Der gesamte Komplex aus Marktplätzen/Werkstätten, Arbeitsgruppen und Beiratssitzungen stellte nur eine dem eigentlichen Entscheidungsprozess innerhalb der Stadtverwaltung vorgelagerte Struktur dar. Ohne operative Einbindung der für die spätere Umsetzung verantwortlichen Akteure im Magistrat wurden Vorschläge formuliert, die dann als Empfehlungen des Beirats zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet wurden. Ihr weiteres „Schicksal“ liegt außerhalb des Aktionsradius des Beteiligungsprozesses und es besteht keine echte Verantwortungsbeziehung für die Umsetzung bzw. Nicht-Umsetzung der Maßnahmen. Abgesehen von der Geschäftsstelle Zielgebiet Gürtel in der MA 21A fehlt es weitgehend an Identifizierung mit dem Prozess und seinen Resultaten („project ownership“) durch Magistrats und Bezirke, für die der Gürtel allzu oft nur als nachrangige „Grenzzone“ gilt. Schwache Koordination in der Umsetzung. Ein hohes Maß an stadtinterner Identifizierung und Verbindlichkeit wäre aber umso nötiger, als die meisten Maßnahmen im Gürtelbereich sachbedingt eine Vielzahl von Dienststellen und Bezirken betreffen, und eine erfolgreiche gebietsbasierte Stadtteilaufwertung von vornherein den absehbaren „Kompetenzdschungel“ berücksichtigen müsste. Politische Priorisierung des Gesamtprozesses und die Einbettung in eine tatsächliche „Programmplanung“ unter Einbindung wesentlicher Stakeholder hätten hier zu einer koordinierten Vorgangsweise und besseren Ergebnissen führen können. „Non-Governance“. Als Ergebnis des institutionellen Designs nehmen die Umsetzungsprozesse den „langen“ Weg und benötigen häufig einen politischen Anstoß von höchster (politischer) Ebene. In einem komplexen Ablauf mit mangelhaft funktionierenden „Anschlussstellen“ müssen in der derzeitigen Umsetzungsphase einzelne Vorschläge zuerst nach „oben“ gespielt werden, um dann als politisch gewünschte Einzelmaßnahmen wiederum „unten“ umgesetzt zu werden. “Good Governance“ sieht anders aus: Dabei würden die späteren „Umsetzer“ in die Formulierung der Maßnahmen besser eingebunden, es würde ein stärkerer gegenseitiger Verpflichtungscharakter entstehen, ebenso wie ein partnerschaftliches Setting, bei dem die Stadt Verantwortung für die Substanz der geplanten Maßnahmen teilen kann. Über den „kurzen Weg“ könnten so zahlenmäßig vielleicht weniger, dafür aber akkordierte

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und umsetzungsreife Maßnahmen entstehen. Die Qualität der Vorschläge würde grosso modo ebenfalls steigen und unrealistische „Wünsche ans Christkind“ würden erst gar nicht das Stadium ernsthafter Erörterung auf höherrangiger Ebene erreichen. Enttäuschte Erwartungshaltungen & Legitimitätsverlust. Vor allem aber würden zeitgerechte Umsetzungsschritte durch ein besser an den politisch-administrativen Prozess angebundenes Verfahren die am Verfahrensbeginn erzeugten Erwartungen der teilnehmenden BürgerInnen erfüllen. Ein Beteiligungsprozess, dessen Resultate sich Jahre später immer noch in der Schwebe befinden, verliert nicht nur in Bezug auf seinen „Output“ an Legitimation: Das gesamte partizipative Verfahren als solches droht in den Augen der Beteiligten massiv an Glaubwürdigkeit zu verlieren, und einmal gewonnene PartnerInnen aus der Bevölkerung gehen für die Stadt wieder verloren. Fehlendes Projektbudget. Schließlich fehlte – insbesondere im Vergleich zum vorangegangenen Programm URBAN Gürtel plus – eine positive Anreizstruktur durch die Verfügbarkeit von programmgewidmeten finanziellen Mitteln für konkrete Projektumsetzungen. Eine solche Möglichkeit ist erfahrungsgemäß eines der besten Mittel, um neue AkteurInnen einzubinden, rasch Pilotresultate zu erzielen, Verpflichtungscharakter herzustellen und generell die Ernsthaftigkeit der gemeinsamen Anstrengung zu erhöhen. •

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Anspruch & Wirklichkeit. Die inhaltlichen Resultate des BürgerInnenbeteiligungsverfahrens decken nur ein schmales Segment des ursprünglichen Zielspektrums für die Aufwertung des Gürtels ab. Dass sich wesentliche Aspekte des Operationellen Programms – Investoren anziehen, Qualität der Wohnsubstanz heben, Integration der Bevölkerungsgruppen – nicht oder kaum in den Maßnahmenvorschlägen wiederfinden, kann jedoch kaum den in den Arbeitsgruppen aktiven BürgerInnen angelastet werden: Ein Prozessdesign, das in erster Linie die AnrainerInnen anspricht, wird in der Regel Antworten zu Fragen der Verkehrsbelastung und Oberflächengestaltung erbringen. Parallel zum Zielgebietsprozess kam es im Sinne der Gebietsaufwertung jedoch sehr wohl zu einer Reihe von Planungen und Entwicklungen, die für die Gürtelzone wichtige städtebauliche bzw. wirtschaftliche Impulsgeber darstellen: Renovierung der Stadthalle, Impulszentrum IP:TWO, Westbahnhof, Hernalser Hof, Bürohaus Spittelau. Diese Liegenschaftsentwicklungen – obwohl durchwegs positiv für die Gürtelaufwertung zu sehen – liefen völlig an den Gremien des Zielgebiets Gürtel vorbei, und es blieb der Initiative des Teams Gürtel überlassen, Bauträger und ArchitektInnen zur Präsentation der (abgeschlossenen) Planungen in die Gürtelwerkstätten einzuladen. Dass auf der Verfahrensebene keine Kommunikationsstrukturen und Instrumente gefunden wurden, die einem „echten“ programmorientierten und partnerschaftlichen Aufwertungsprozess entsprechen, deutet jedoch auf eine dahinterstehende Problematik: das Fehlen eines strategischen Gesamtkonzeptes für die künftige Entwicklung der Gürtelzone.

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4.5

Fallbeispiel „Partizipative Bezirksentwicklung – Zielfindungsprozess Baublock Sechskrügelgasse“

4.5.1

Hintergrund Durch die Novelle der Wiener Bauordnung vom Jänner 1996 wurde eine Überarbeitung aller auf ihr beruhenden Verordnungen, so auch der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren notwendig. Gegenstand dieser systematischen Überarbeitung ist gegenwärtig auch der Baublock Sechskrügelgasse im 3. Bezirk. Für die entsprechende Liegenschaft (Sechskrügelgasse 4) wurde seitens des Eigentümers ein Bebauungskonzept der Architekten Mikolasch/Kanner als Widmungsansuchen vorgelegt, das statt der bestehenden Tennisplätze eine Wohnbebauung + Grünfläche vorsieht. Von Seiten der MA 21A wurde ein BürgerInnenbeteilgungsverfahren initiiert, um komplexe und zu erwartende kontroversielle Positionen zwischen Eigentümern, AnrainerInnen, Stadtplanung und Bezirk detailliert zu diskutieren und nach Möglichkeit zu "harmonisieren". Ziel dieses partizipativen Zielfindungsprozesses war es, durch einen Interessenausgleich der neuen Gestaltung des Baublocks größtmögliche Akzeptanz zu verleihen. Bei dem Baublock Sechskrügelgasse handelt es sich um ein Grätzel in innerstädtischer Lage, das sich durch folgende Charakteristika auszeichnet: • • • • • •

4.5.2

Differenzierte Bebauungsstruktur Vorwiegend gründerzeitliche Wohnbebauung in Randlage Hofstrukturen mit gemischter Nutzung (Grünflächen, Tennisplätze etc.) Relativ große Liegenschaften, Lüssenparzellen Vorwiegend privates Eigentum Mangelnde Durchwegung in Nord-Süd-Richtung

Ausgangslage für das Beteiligungsverfahren Am 28.4.2004 wurde das erste Bebauungskonzept den benachbarten Liegenschaftseigentümern vorgestellt, Anfang Mai 2005 auch den AnrainerInnen. Das Konzept stieß auf vielfachen Widerstand, der sich aus den stark diversifizierten Interessenlagen der einzelnen Akteure ergab: Städtebauliche Ziele aus Sicht der Stadtplanung

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• • • • • •

Nutzung innerstädtischer Brachen anstelle von Stadterweiterung auf der „grünen Wiese“ Schaffung von Wohnraum an einem günstigen Standort (zentrale Lage, gute Erschließung, vorhandener Grünraum, vorhandene Schulen, vorhandene Infrastruktur) Durchgängigkeit des Blocks: Lückenschluss der Durchwegung durch Realisierung des schon lange gewidmeten Fußweges Zur Verfügungstellung einer zentralen Freifläche Schutz der historischen Bebauung, Erhaltung des bestehenden Bebauungscharakters Moderate bauliche Entwicklung im Inneren des Baublocks: keine Hochhäuser, keine mehrgeschossige Tiefgarage, Abdeckung von Feuermauern

Ziele der AnrainerInnen bzw. GrundeigentümerInnen (z.T. vertreten durch die BürgerInneninitiative „Lebensraum Landstraße“): • • • • •

Erhaltung des zentralen Freiraums Schaffung einer durchgängigen Grün- und Erholungszone Erhaltung des alten Baumbestands und der gewidmeten Gartenflächen Durchgangsmöglichkeit Moderate Bebauung an den inneren Randzonen des Areals zur Verbesserung der Wohnqualität unter Vermeidung negativer Auswirkungen für die Erholungszone

Das vorliegende Bebauungskonzept wurde seitens der Stadtplanung nicht als endgültige Lösung, sondern als Grundlage für die Diskussion mit den AnrainerInnen und Grundeigentümer erachtet. Somit bestand ausreichend Handlungsspielraum für einen öffentlichen Zielfindungsprozess. Umgekehrt konnte von Beginn an klargestellt werden, welche Funktion das Beteiligungsverfahren im Rahmen eines standardisierten Widmungsverfahrens haben kann, sodass überzogene Erwartungen vermieden wurden. 4.5.3

Design und Arbeitsweise des Beteiligungsverfahrens Der Zielfindungsprozess Baublock Sechskrügelgasse wurde als maßgeschneidertes Verfahren zur partizipativen Bezirksentwicklung im Vorfeld eines „klassischen“ Flächenwidmungs- und Bebauungsplanungsverfahrens gestaltet: Einer Auftaktveranstaltung im Mai 2004, bei welcher der erste Projektentwurf vorgestellt sowie die grundlegenden städtebaulichen Prinzipien für die Entwicklung des Baublocks präsentiert wurden, folgten eine GrundeigentümerInnen- sowie eine AnrainerInnenversammlung sechs Monate später. Die Einladung zu den öffentlichen Veranstaltungen erfolgte jeweils per Postwurfsendung. Im Rahmen der AnrainerInnenversammlung wurde es allen beteiligten Parteien freigestellt, sich an der weiteren Ausdifferenzierung der Zielfindung im Rahmen von 2

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Workshops zu beteiligen. In den Workshops (wieder im Halbjahresabstand) nahmen schließlich VertreterInnen des Bezirks, der Stadtplanung (MA 21A), der GrundeigentümerInnen, der BürgerInneninitiative sowie weitere interessierte BürgerInnen teil. In einem Abschluss-Workshop konnte schließlich – auf der Basis der Ergebnisse aus den Workshops – ein weitgehender Konsens über die Grundzüge der Baublockgestaltung erzielt werden. Rolle der einzelnen Prozessbeteiligten: •





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Stadtplanung/MA 21A: Der gesamte Prozess wurde inhaltlich wesentlich durch den fachlichen Input seitens der MA 21A gestaltet: - Diese stellte einerseits bestehende Informationen (etwa zur bestehenden Rechtslage, Eigentümerstruktur etc.) zur Verfügung, - andererseits erstellte sie eigens für den Prozess weiterführende Grundlagenerhebungen (Bestandsaufnahme, historische Entwicklung des Grätzels etc.). - In der Diskussion war es die Aufgabe der MA 21A die allgemeinen städtebaulichen Prinzipien und Zielsetzungen der Stadt einzubringen und zu vertreten - Als zentralen Input für die Diskussion erstellte die MA 21A Entwicklungsszenarien, die unter Berücksichtigung der Diskussionsergebnisse in den Workshops laufend entsprechend adaptiert wurden. - Nicht zuletzt übernahm es die MA 21 A, die Szenarien von zweidimensionalen Plänen in eine allen verständliche „Bildsprache“ zu übersetzen, um eine gleichberechtigte Debatte zu ermöglichen. Gebietsbetreuung Erdberg: - Die ansässige Gebietsbetreuung übernahm die Moderation des gesamten Prozesses (inkl. Protokollierung der Versammlungen und Workshops) als überparteiliche Diskussionsleitung. - Darüber hinaus trat die Gebietsbetreuung als Diskussionsplattform und Anlaufstelle für Fragen und Wünsche der am Prozess Beteiligten auf und führte eine Reihe von Einzelgesprächen zwischen den einzelnen Veranstaltungen, um Fragen zu klären etc. - Schließlich war die Gebietsbetreuung weitgehend für die organisatorische Abwicklung des Prozesses verantwortlich. Der Projektentwickler (im Auftrag des Liegenschaftseigentümers), Bezirksvertreter (BV-Stv, einzelne Bezirksräte) sowie die interessierten BürgerInnen (teilweise vertreten durch die BürgerInneninitiative „Lebensraum Landstraße“) brachten als Diskussionsparteien ihre Positionen, Interessen und Vorschläge in den Prozess ein.

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4.5.4

Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens Auf Basis der Arbeit in den beiden Workshops wurde schließlich von der MA 21A ein Kompromiss-Szenario entwickelt, das wiederum vom Architekturbüro Peichl & Partner als Orientierung für eine Überarbeitung des Bebauungsvorschlags herangezogen wurde. Kern des neuen Bebauungsvorschlages ist nunmehr die Schaffung eines attraktiven, öffentlich zugänglichen Grünraumes („Kulturpark“ mit Kulturpavillon für Ausstellungen usw.) und die Realisierung der Durchwegung des Blocks. Die Bebauung orientiert sich an den Höhen der Feuermauern, an die angebaut werden soll, im Blockinneren ist maximal Bauklasse II (Traufenhöhe max. 12m) vorgesehen – ein Zugeständnis an die Wünsche der AnrainerInnen. Als Nutzung sind 80-90 Wohnungen sowie Büros für Dienstleistungen und evtl. ein Kindergarten geplant. Über eine Tiefgarage unter den geplanten Gebäuden sollen 100 Stellplätze geschaffen werden. Der Entwurf berücksichtigt weiters den Baumbestand, für den es ein Baumgutachten gibt. Beim abschließenden Workshop gelang eine weitgehende Annäherung aller Partner. Das vom Büro Peichl&Partner präsentierte Projekt ist – aus Sicht der Bezirksvorstehung – im Sinne des Zielfindungsprozesses noch nachzubearbeiten. Da ein annähender Konsens erreicht wurde, konnte der Zielfindungsprozess mit dem Workshop beendet werden. Die gemeinsam formulierten städtebaulichen Zielsetzungen fließen nunmehr in die Bearbeitung des neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes ein. Konkrete Erörterungen des Bebauungsplanungsentwurfes mit interessierten BürgerInnen können erst im Rahmen der öffentlichen Auflage durch die MA 21A geführt werden, da von Gesetz wegen in einem laufenden Verfahren zur Festsetzung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Amtsverschwiegenheitspflicht gilt. Im Rahmen der „öffentlichen Auflage“ der endgültigen Entwürfe haben die BürgerInnen noch vor der Beschkussfassung durch den Gemeinderat die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Für die Phase vor der öffentlichen Auflage wurde seitens des Bezirks eine Zwischeninformation der TeilnehmerInnen über den Planungsstand der MA21A zugesichert. Derzeit läuft die magistratsinterne Abstimmung im Zuge des Widmunsverfahrens.

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4.5.5

Einschätzung des Beteiligungsverfahrens und seiner Ergebnisse Der Zielfindungsprozess gestaltete sich im wesentlichen zur Zufriedenheit aller Beteiligter, wobei sich folgende Faktoren als positiv erwiesen: •















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Transparenz des Prozesses und seiner Funktion: Von Beginn an wurde seitens der Stadtplanung die Funktion des Beteiligungsverfahrens im standardisierten Prozedere des Flächenwidmungsverfahrens klargestellt. Dadurch waren die Grenzen der Einflussmöglichkeiten durch die BürgerInnen transparent, während gleichzeitig durch die frühzeitige Einleitung des Prozesses umfangreiche Gestaltungsspielräume bestanden. Der Prozessablauf des Verfahrens wäre jedoch noch klarer herauszuarbeiten gewesen, um nachträgliche heftige Diskussionen nach dem (manchen abrupt erscheinenden) Ende des Prozesses zu vermeiden. Transparente Informationspolitik: Seitens der MA 21A wurden alle planungsrelevanten Informationen in verständlich aufbereiteter Form an die Betroffenen weitergegeben und für den Zielfindungsprozess eigens neue Erhebungen und Untersuchungen durchgeführt. Fachlicher Input: Die inhaltliche Leitung des Prozesses durch die MA 21A stellte sicher, dass die Interessen der BürgerInnen bestmöglich unmittelbar in neuen Szenarioentwürfen berücksichtigt, überzogene Wunschvorstellungen aber sofort ausgesondert und die allgemeinen städtebaulichen Prinzipien außer Streit gestellt wurden. Verständliche Bildsprache: Ein entscheidende Grundvoraussetzung für die qualitätsvolle und gleichberechtigte Diskussion im Rahmen der öffentlichen Veranstaltungen wie auch Workshops war die „Übersetzung“ der Planungsgrundlagen und aktuellen Szenarios in allgemein verständliche Bilder (dreidimensionale Skizzen) durch die MA 21A. Vertrauensbildung: Durch die engagierte Beteiligung aller Akteure, den transparenten Informationsfluss und den gegenseitigen Einblick in Prinzipien und Arbeitsweisen auf seiten der Stadtverwaltung bzw. Wünsche und Interessen auf seiten der BürgerInnen konnte eine Vertrauensbasis aufgebaut werden, die die Voraussetzung für eine spätere Akzeptanz des Endergebnisses darstellt. Überparteiliche Moderation: Zur Vertrauensbildung trug auch wesentlich bei, dass der Prozess von der lokalen Gebietsbetreuung moderiert wurde, die auf einem gewissen Vertrauensvorschuss aufbauen konnte. Interessenausgleich: Auf dieser Basis gelang ein weitgehender Interessenausgleich zwischen den einzelnen Akteuren. Interessen der jeweils anderen Partner wurden (insbesondere in der Workshopphase) in die Formulierung der eigenen Positionen übernommen. Städtebauliche Qualität: Das sich nun abzeichnende Ergebnis stellt sich aus Sicht aller Beteiligten deutlich besser dar als das eingangs präsentierte Projekt. Aus Sicht der Stadtplanung ist jedoch womöglich zu hinterfragen, wie weit eine niedrige Bebauungsdichte

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(wie nun vorgesehen) an einem so zentralen, gut erschlossenen Standort im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung sinnvoll ist. Das dargestellte Beteiligungsverfahren hat sich als erfolgreich erwiesen • • • •

65

für eine partizipative Zielfindung zur Gestaltung eines Grätzels (nicht einzelner Baulücken oder ganzer Stadtteile) wo (etwa durch noch nicht endgültig definierte Flächennutzungen) Handlungsspielräume bestehen und das Alltagswissen der AnrainerInnen zur Abdeckung möglicher Defizite genutzt werden kann.

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4.6

Fallbeispiel „Kooperativer Planungsprozess Kabelwerk – Stadt 2000“

4.6.1

Hintergrund & Vorlauf Ende 1997 stellt die Kabel- und Drahtwerke Aktiengesellschaft (KDAG) in Meidling die Produktion ein. Damit entstand nicht nur eine innerstädtische Brache. Im Verlauf ihrer 100jährigen Geschichte wurde das „Kabelwerk“ zu einem integralen Bestandteil der Meidlinger Bezirkskultur, sowohl als wichtiger Arbeitgeber als auch als Identitätsstifter. Seit Beginn der bereits wenige Wochen später anlaufenden Aktivitäten für eine Neunutzung des Areals stand daher fest, dass Planung und Umsetzung nur unter Bedachtnahme auf die Historie dieser Fläche erfolgen kann. Bereits 1996 erfolgte daher im Rahmen des sogenannten Millenium-Workshop, der der Frage nach der „Stadt der Zukunft“ nachging, ein erster Kontakt zwischen Beschäftigten des (damals bereits von der Schließung bedrohten) Werkes, den AnrainerInnen und VertreterInnen der Planungsabteilungen der Stadt. Neben seiner Historie stellt das stadträumliche Umfeld des Kabelwerks eine weitere Besonderheit dar. Es liegt gewissermaßen an einer städtebaulichen „Grenzlinie“, an der die gründerzeitliche Blockrandbebauung ausläuft und in mehrere heterogene Stadtfiguren (z.B. „klassischer“ sozialer Wohnbau der Nachkriegsjahre bzw. der 1970er Jahre, ganzjährig bewohnte Kleingartensiedlungen, historisches Zentrum Altmannsdorf, Arbeitersiedlung der Zwischenkriegszeit) übergeht. Hinzu kommt noch die Lage an nicht weniger als 5 Bahnlinien, wobei eine davon, die U6, für eine optimale innerstädtische Verkehrsanbindung sorgt. Diese Rahmenbedingungen verlangten nach einer Planung und Umsetzung, die sehr spezifisch auf die Bedingungen vor Ort eingeht und „universelle“ Lösungen, die rasch in Beliebigkeit übergehen, vermeidet.

4.6.2

Ausgangslage für das Beteiligungsverfahren Im Jänner 1998 erfolgte der Kauf des Areals durch eine Eigentümergemeinschaft aus acht Bauträgern. Parallel dazu wurden erste Schritte zur Etablierung von Beteiligungsmechanismen gesetzt. In einem ersten Schritt standen dabei die Information bzw. die Anregung zum Brainstorming im Mittelpunkt. •

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Aufforderung zur Beteiligung. Anfang 1998 wurde an alle Hauhalte im Nahbereich des Fabriksareals (rund 7000) ein Folder mit der Einladung versandt, sich an einem Bürgerwettbewerb zu beteiligen. Demnach sollten Interessierte ihre Vorstellung vom künftigen Gesicht des Kabelwerke-Areals darlegen. Gleichzeitig konnten die AnrainerInnen

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ihre Bereitschaft demonstrieren in einem Bürgerbeirat, der den Planungsprozess begleiten sollte, zu partizipieren. Aus dem regen Rücklauf und den eingesandten Vorschlägen/Vorstellungen ergab sich ein klares Bild dessen, welche Entwicklung die BürgerInnen für das Areal als wünschenswert erachteten. Der Grundtenor der Rückmeldungen lässt sich wie folgt zusammenfassen: 1 2 3

Keine Hochhausbebauung Keine ausschließliche Wohnnutzung (Negativbeispiel Wohnhausanlage „Am Schöpfwerk“) Symbolische Erhaltung von Teilen der Fabrik



Innovatives Planungsverfahren für neuartige Planungsideen. Seitens der Planungsabteilungen der Stadt stand die Zielsetzung im Vordergrund, der Komplexität des Planungsgegenstandes mit innovativen und unkonventionellen Planungsmethoden Rechnung zu tragen und damit beispielgebend für den sozialen Wohnbau zu wirken. Inhaltlich sollte das Projekt vor allem eine Stoßrichtung verfolgen, die es ermöglichen soll, in nicht-zentralen Stadtgebieten, eine neue Art von Urbanität zu entwickeln.



Städtebaulicher Wettbewerb. Vor diesem Hintergrund wurde ebenfalls zu Beginn des Jahres 1998 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb von der MA 21B ausgeschrieben. Das Siegerprojekt von Rainer Pirker und The Poor Boys Enterprise fokussiert auf die Schaffung von neuartigen Räumen (privat, halbprivat, öffentlich, halböffentlich), die auch für neuartige soziale Entwicklungen dienlich sein soll und gleichzeitig Entwicklungsmöglichkeiten offen lässt und damit eine gewisse Prozesshaftigkeit ermöglicht.



Kooperatives Planungsverfahren. Durch das kooperative Planungsverfahren wurde die Grundlage für den späteren Flächenwidmungs- und Bebauungsplan gelegt. Auf Basis des Siegerprojektes im Wettbewerb zum städtischen Leitbild sollte im Rahmen des Verfahrens ein Leitkonzept erstellt werden, das den Intentionen des Siegerprojektes eine realisierbare Form verleihen sollte. Den organisatorischen Rahmen des Planungsverfahrens bildeten eine städtebauliche Begleitgruppe sowie eine Arbeitsgruppe aus ExpertInnen, die konkrete Planungsschritte vorbereitete. In der Arbeitsgruppe erarbeiteten ArchitektInnen, Bauträger, VertreterInnen der Stadtplanung Wien, KonsulentInnen für Verkehrsfragen und Landschaftsplanung einen Entwurf für das Leitprojekt für das Areal. Die städtebauliche Begleitgruppe, die vom Bonner Architekten Thomas Sieverts geleitet wurde und in der unter anderem auch die Mitglieder des BürgerInnenbeirats vertreten waren, agierte als übergeordnetes Diskussionsforum. Im Rahmen des Begleitgruppe wurden

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die Erkenntnisse und Vorschläge aus der Arbeitsgruppe diskutiert bzw. versucht, durch Impulse von „außen“ dem Entwicklungsgeschehen eine neue Dynamik zu geben. 4.6.3

Design und Arbeitsweise des Beteiligungsverfahrens In Abgrenzung zu negativen Beispielen von Partizipationsverfahren, setzten die involvierten Akteure beim Kabelwerk auf eine synchrone Partizipation. Die gängige Praxis bei Beteiligungsverfahren zeichnet sich oftmals durch eine Vorgehensweise aus, bei der im Verfahrensablauf nach und nach die Stellungsnahmen der Involvierten und Betroffenen eingeholt werden. Dadurch wird der Planungsprozess mehr von der Reaktion, denn von Aktion bestimmt. Beim Kabelwerk wählte man bewusst eine proaktive Herangehensweise, wo die BürgerInnen vorab über die einzelnen Verfahrensschritte informiert wurden und auf dieser Basis Diskussionen über anstehende und nicht bereits getroffene Entscheidungen möglich waren. •

BürgerInnenbeirat. Anfang 1998 konnten interessierte BürgerInnen ihre Bereitschaft signalisieren, an einem BürgerInnenbeirat zu partizipieren. Aus einem Kreis von rund 35 interessierten Personen wurden schließlich drei BürgervertreterInnen ausgewählt. Wobei die „Wahl“ durch die BürgerInnen selbst, ohne Einflussnahme der Planer erfolgte. Durch die frühzeitige Konstituierung des Bürgerbeirats sollte sichergestellt werden, dass die Prinzipien einer synchronen Partizipation in die Praxis umgesetzt werden können. Der Bürgerbeirat wurde in alle folgenden Planungsschritte miteinbezogen und dessen Mitglieder zu wichtigen MitarbeiterInnen im nachfolgenden kooperativen Planungsverfahren. Die BürgervertreterInnen nahmen dabei folgende Kompetenzen war: 1

2

3



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Städtebauliches Leitbild. Die Mitglieder des BürgerInnenbeirats nahmen als Beobachter ohne Stimmrecht an der Entscheidungsfindung des städtebaulichen Wettbewerbs zum städtebaulichen Leitbild für das Areal teil. Städtebauliche Begleitgruppe. Der BürgerInnenbeirat nahm an den Sitzungen der städtebaulichen Begleitgruppe teil; nicht allerdings an der parallel laufenden Arbeitsgruppe, die mit konkreten Planungsfragen beschäftigt war. Gebietsmanagement. In der Realisierungsphase wurde ein Gebietsmanagement als Ansprechpartner eingerichtet. Neben VertreterInnen des Magistrats und der Bauträger spielte dabei auch der BürgerInnenbeirat eine wichtige Rolle.

Informations- und Kommunikationsmaßnahmen. Das direkte Beteiligungsverfahren wurde durch eine umfangreiche Kommunikations- und Informationspolitik ergänzt. Dadurch wurde sichergestellt, dass während des gesamten Planungsprozesses ein offenes Kommunikationssystem zwischen BürgerInnen und PlanerInnen aufrecht blieb und

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planerische Grundsatzvorstellungen nicht nur kommuniziert sondern auch, über den Bürgerbeirat und die städtebauliche Begleitgruppe hinaus, diskutiert wurden. Elemente dieser Informations- und Kommunikationspolitik waren : 1

2 3

4.6.4

BürgerInnenbefragungen. Im Rahmen der Ausstellung zum Entwurf des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes (die vor Ort in einem Fabriksgebäude stattfand), konnten BürgerInnen mittels Fragebogen ihre Meinung zum Entwurf kundtun. Führungen & Ausstellungen. Neben öffentlichen Ausstellungen fanden in der Planungsphase regelmäßig Führungen durch das ehemalige Fabriksgelände statt. Einbeziehung lokaler Schulen. VertreterInnen der Stadtplanung referierten in einer Volksschule in unmittelbarer Nähe zum Thema Stadtplanung, und SchülerInnen erhielten die Möglichkeit, eine Stadt nach ihren Vorstellungen zu planen. Darüber hinaus schrieb einer der beteiligten Planer eine Kinderbuch, dass sich mit der Thematik Stadt auseinandersetzte.

Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens Das Beteiligungsverfahren unterscheidet sich allein schon durch dessen Dauer von anderen Partizipationsverfahren. 1998 gestartet existiert der BürgerInnenbeirat bis heute und spielt mittlerweile auch im Gebietsmanagment eine wesentliche Rolle. In der Gesamtheit lässt sich vor allem ein empirisch leicht nachweisbares Ergebnis des Beteiligungsverfahrens festhalten: Es wurde ein Projekt entwickelt, das die breite Akzeptanz sowohl der BürgerInnen selbst, als auch der politischen Parteien und VertreterInnen anderer Institutionen fand. Angesichts des Umfangs und der Bedeutung des Projekts eine nicht unwesentliche Errungenschaft: 1

2

3

Hohe Zustimmung bei BürgerInnenbefragung. Eine mittels Fragebogen durchgeführte BürgerInnenbefragung im Rahmen der Ausstellung zum Entwurf des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes ergab eine hohe Zustimmung (über 90%) zu den Plänen. Kaum Einsprüche gegen Flächenwidmung. Im Zuge der öffentlichen Auflage des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes gingen kaum Einsprüche aus der Bevölkerung ein. Angesichts des Umfang des Projektes eine außergewöhnlicher Fall. Kontrolle der Bauträger. Die BürgervertreterInnen bzw. der hohe Informationsstand der AnrainerInnen allgemein sorgte dafür, dass die Bauträger in hohem Maß an die erarbeiteten Vorgaben gebunden waren.

Kulturelle Zwischennutzung. Ein wichtiges Ergebnis der Kommunikations- und Marketingstrategie war der Beschluss, in den alten Fabrikshallen eine kulturelle Zwischennutzung zu ermöglichen. Diese verhinderte erstens Vandalismus, zweitens ermöglichte sie vielen

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AnrainerInnen einen neuen Zugang zum Kabelwerk und legte drittens auch die Basis für eine Neupositionierung des Kabelwerks im gesamtstädtischen Gefüge (zwischen 1999 und 2004 konnten 500.000 BesucherInnen gezählt werden). 4.6.5

Einschätzung des Beteiligungsverfahrens und seiner Ergebnisse Das Beteiligungsverfahren im Zuge der Errichtung des Kabelwerks startete vor dem Hintergrund durchaus schwieriger Rahmenbedingungen. Mit dem Kabelwerk verloren viele BewohnerInnen Meidlings einen lokalen Identifikationspunkt. Etwaige Neuentwicklungen mussten also mit dem Handicap auskommen, dass sie anstelle von etwas errichtet werden, das, so die Sicht vieler 3 BürgerInnen, aus wirtschaftlichen Interessen zerstört wurde. Mit dieser Hypothek belastet, bestand zu Beginn die Gefahr, dass die Stadtplanung durch ein Beteiligungsverfahren in eine reaktive Rolle gedrängt werden würde. Retrospektiv betrachtet kann aber festgestellt werden, dass die Stadtplanung zu keinem Zeitpunkt das Gesetz des Handelns aus der Hand geben musste. Dabei spielten sowohl Aspekte der Beteiligungsmechanismen an sich, als auch zentrale Parameter des Planungs- und Umsetzungsprozesses eine entscheidende Rolle. •

Proaktive Herangehensweise. Ein wesentliches Kriterium für den Erfolg des Beteiligungsverfahrens war die frühe Einbindung der AnrainerInnen. Vor allem die Einbeziehung bei der Entscheidung über das städtebauliche Konzept erwies sich dabei als wichtige vertrauensbildende Maßnahme. Herrschte bei den BürgervertreterInnen vor der Sitzung die Ansicht, dass derlei Entscheidungen bereits im Vorhinein auf informeller Ebene fallen, konnten sie dann miterleben wie von den Verantwortlichen um eine Entscheidung regelrecht gerungen wurde.



Kompetenzklärung. Gegenüber den AnrainerInnen wurde frühzeitig kommuniziert, wo die Grenzen der Beteiligung liegen. So war von Anfang an klar, dass die BürgerInnen nicht in den Planungsprozess an sich einbezogen werden. Die dafür zuständige Arbeitsgruppe war ein ExpertInnengremium. In der städtebaulichen Begleitgruppe, die u.a. eine Monitoringfunktion erfüllte, stellten die AnrainerInnen drei von insgesamt rund 30 VertreterInnen, waren also aufgrund ihres Stimmgewichts bei weitem nicht in der Lage, bestimmte Entscheidungen zu erzwingen bzw. zu verhindern.



Symbolik der Beteiligung. Im realen Planungs- und Umsetzungsprozess spielte der BürgerInnenbeirat vor allem als Inputgeber in der städtebaulichen Begleitgruppe eine nicht unbedeutende Rolle. Die eigentliche Kontaktstelle bzw. das eigentliche Bindeglied zwischen AnrainerInnen auf der einen Seite und ArchitektInnen, Stadtplanung und Bauträgern auf der

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1989 übernahm Siemens als direkter Konkurrent die Aktienmehrheit an der KDAG.

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anderen Seite, war aber während des gesamten Prozesses das zuständige Dezernat in der MA 21B. Insofern wurde ein drohendes Repräsentationsdefizit bzw. mangelnde Rückkoppelung mit der breiten Mehrheit der AnrainerInnen durch die intensive Informationstätigkeit bzw. die häufige Präsenz vor Ort durch MitarbeiterInnen der MA 21B kompensiert. Neben den Inputs, die direkte AnrainerInnen aufgrund ihrer genauen Kenntnis des Umfeldes liefern können, hatte die Einrichtung des Bürgerbeirats also auch eine symbolische Komponente und war sozusagen die sinnbildliche Spitze eines umfangreichen Informations- und Konsultationsprozesses. •

Umfassende Informationspolitik. Das gesamte Planungsverfahren wurde durch eine umfangreiche Informationstätigkeit begleitet. Anstehende Entscheidungen wurden im voraus kommuniziert und nicht im Nachhinein gerechtfertigt. So dienten die Ausstellungen im Zuge des städtebaulichen Wettbewerbs und zum Entwurf des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes auch dazu, Unzufriedenen eine Plattform zur Kritik und Beschwerde vor Ort zu geben. Mit der eher zufällig entstandenen Einbindung lokaler Schulen konnte nicht nur mit Volksschulkindern spielerisch über Stadtplanung diskutiert werden, sondern die SchülerInnen wurden solcherart auch zu wichtigen KommunikatorInnen des Planungsprozesses.



Faktor Identität mitdenken. Ein wesentlicher Faktor, der die Ausgangsbedingungen für das Beteiligungsverfahren bzw. für den gesamten Planungsprozess verbesserte, war die seitens der Stadtplanung von Anfang an signalisierte Bereitschaft, die Identität und Historie des Ortes mitzudenken. Angesichts der engen Verbundenheit vieler AnrainerInnen mit dem Kabelwerk war dies eine Vorbedingung, um Ressentiments gegenüber Neuentwicklungen auf dem Areal zu begegnen. Gleichzeitig gelang es mit der kulturellen Zwischennutzung durch die Gruppe IG Kabelwerk, die Leere, die nach dem Ende der industriellen Tätigkeit entstanden war, zu verarbeiten und gleichzeitig Ansätze für eine neue Identität zu schaffen. Die Teilnahme vieler AnrainerInnen sowohl als Publikum als auch als „Aktive“ ist dabei als eine erweiterte Form von BürgerInnenbeteiligung zu verstehen.

Der Erfolg eines Beteiligungsverfahrens misst sich nicht zuletzt im Verhältnis zwischen Konfliktvermeidung und Verfahrenseffizienz. In dieser Hinsicht ist das Beteiligungsverfahren als Erfolg zu werten. Trotz der umfangreichen Informations- und Konsultationsmaßnahmen blieb die Verfahrensdauer im Rahmen vergleichbarer Projekte. Die Fertigstellung des Gesamtprojektes wird folgerichtig nur ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant stattfinden. Neben der vergleichsweise hohen Effizienz wurde durch das Beteiligungsverfahren ein weiterer positiver Effekte generiert:

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Kontrollfunktion gegenüber Bauträgern. Der Beteiligungsmechanismus und die umfangreiche Information der Bevölkerung übte gegenüber den Bauträgern eine Kontrollfunktion aus. Abweichungen von in der städtebaulichen Begleitgruppe getroffenen Vereinbarungen (z.B. bei der Bebauungsstruktur), die auf Basis des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes möglich gewesen wären, konnten durch den Druck und das potentielle Widerstandspotential, das die BürgervertreterInnen repräsentierten, verhindert werden.

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass das hier angewendete Beteiligungsverfahren einen sehr hohen Ressourceneinsatz der involvierten Stadtplanungsabteilungen bedingt. Ohne diesen hätte es nicht erfolgreich und effizient abgewickelt werden können. Dem damit verbundenen Kostenund Zeiteinsatz, steht auf der Haben-Seite eine hohe Akzeptanz des Ergebnisses durch AnrainerInnen und Bezirksbevölkerung gegenüber. Das ist – vor allem angesichts der Zielsetzung, mit dem Kabelwerk „ein Stück Stadt“, d.h. innovative Formen von Urbanität in einem Außenbezirk zu schaffen – nicht unwesentlich. Denn nur wenn das Projekt, mit seinen sozialen und kulturellen Aspekten von der ansässigen Bevölkerung angenommen wird, kann es jene urbanistischen Qualitäten entwickeln, die PlanerInnen und ArchitektInnen dem Projekt zugedacht haben.

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4.7

BürgerInnenbeteiligung Aufwertung Brunnenviertel

4.7.1

Hintergrund Das Brunnenviertel gilt grundsätzlich als städtebaulich problematisches Gebiet, das durch einen gründerzeitlichen Altbaubestand mit niedrigen Standards, schwache sozio-ökonomische Stellung der Bevölkerung und einen steigenden Anteil von ZuwanderInnen geprägt ist. Mit dem EUgeförderten Projekt URBAN Gürtel Plus wurde ab 1995 ein Aufwertungsprozess eingeleitet, der sowohl auf der Ebene der konkreten stadtstrukturellen Ausstattung der Gürtelzone als auch auf der Ebene des mit dem Gürtel verbundenen Images eine Trendwende einleitete. 1996/97 fand ein kooperatives Planungsverfahren zur Neugestaltung des Yppenplatzes statt, das zahlreiche Betroffene einbinden und eine Beteiligungstradition im Grätzl begründen konnte. Der Kunstinitiative „SoHo in Ottakring“, seit 1998 aktiv, kommt ein zentraler Stellenwert beim fortdauernden Imagewandel des Viertels zu. Das Brunnenviertel ist zudem Teil des seit 2001 laufenden Partizipationsprojekts „Zielgebiet Gürtel“, das in Nachfolge von URBAN Gürtel Plus den Aufwertungsgedanken des Gürtelraums weiterführt (vgl. Fallstudie 4.4). Grundlage für den Aufwertungsprozess Brunnenviertel ist die Aufnahme des Brunnenmarktes in das „50-Orte-Programm zur Attraktivierung des öffentlichen Raums“ der Stadt Wien. 2001 wurde das Programm zur Neugestaltung des Brunnenmarktes von Bezirksseite übernommen.

4.7.2

Ausgangslage für das Beteiligungsverfahren Die Ziele des Aufwertungsprozesses Brunnenviertel unter Einsatz von Modellen der Bürgerbeteiligung wurden vor diesem Hintergrund folgendermaßen definiert: • • • • • • • •

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Attraktives Erscheinungsbild durch neue Marktstände und Oberflächenneugestaltung Bessere Zugänglichkeit im Stadtraum Optimierte Verkehrssituation insb. für Marktzulieferer, NutzerInnen öffentlicher Verkehrsmittel, FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen Dabei gleichzeitig Verkehrsberuhigung Signifikante Verbesserung der infrastrukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Marktstandler und andere Unternehmer im Brunnenviertel Verbesserung der Wohnsubstanz im Brunnenviertel Höhere Lebens- und Aufenthaltsqualität für BewohnerInnen Verstärkung des Imagewandels des Brunnenviertels durch stadträumliche Aufwertung und Attraktivierung

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Zur Anwendung kam somit ein umfassender Aufwertungsbegriff, bei dem die Erneuerung des baulichen Bestands bzw. des öffentlichen Raums nur den Ausgangspunkt für eine weitergehende Attraktivierung des Brunnenviertels darstellte. 4.7.3

Design und Arbeitsweise des Beteiligungsverfahrens Projektablauf: Das Gesamtprojekt gliedert sich in eine Vorlaufphase von Ende 2001 bis Mitte 2002, die Beteiligungsphase zur Erarbeitung der Maßnahmen von September 2002 bis Oktober 2003 und eine Umsetzungsphase seit November 2003: •



Vorlaufphase. In der Vorlaufphase wurde ein Strategiepapier erstellt, das Struktur, Ablauf, die inhaltliche Zielsetzung und die Finanzierung des Verfahrens festlegte. Im Rahmen eines „Drei-Säulen-Modells“ wurden die drei betroffenen Geschäftsgruppen im Magistrat eingebunden und inhaltliche Unterstützung auf Stadtratsebene (Brauner, Faymann, Schicker) erzielt. In der Arbeitsteilung waren die MA 21A für das BürgerInnenbeteiligungsverfahren und die Stadtteilplanung, MA 19 und 59 für Gestaltung und Organisation des Marktbereichs sowie die MA 25 bzw. die Gebietsbetreuung Ottakring für die Sanierungsoffensive zuständig. In der Folge wurden zwei Planungsbüros mit der Durchführung der Planungsund Partizipationsphase beauftragt. Beteiligungsphase. In der Beteiligungsphase wurden in einem formalen, indirekten Partizipationsverfahren ein Zielkatalog und Maßnahmenempfehlungen zu den Bereichen Entwicklung des Viertels, Verkehr sowie Gestaltung des Marktbereichs erarbeitet. Außerhalb dieses Rahmens wurde die Sanierungsoffensive zur baulichen Erneuerung gestartet, die Installierung eines Marktmanagements diskutiert und kurzfristige Maßnahmen durch einen Verfügungsfonds umgesetzt.

Design des Prozesses: In Vorlauf- und Beteiligungsphase kamen unterschiedliche Prozessdesigns zur Anwendung: •



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Die Vorlaufphase erfolgte, nach Beauftragung durch den Bezirk, unter Federführung der Gebietsbetreuung. Die „Projektgruppe Aufwertung Brunnenviertel“ bestand als politischadministratives Gremium aus Mitgliedern der Bezirksvertretung, der MA 19, der MA 21A, der MD-BD IS und der Gebietsbetreuung. Wegen der eingeschränkten Ressourcen wurde in der Diagnose- und Aktivierungsphase eine informelle und direkte Beteiligungsform angewandt (Sondierungsgespräche mit den wichtigsten Stakeholdern, z.B. IG Brunnenmarkt, Wirtschaftskammer, Leitunternehmen etc.). Die Beteiligungsphase wurde federführend von MA 21A und MA 19 beauftragt. Das indirekte Partizipationsmodell stützte sich auf drei Gremien: Projektgruppe, Steuerungsgruppe und Planungsgruppe. In einer Kick-off-Veranstaltung wurden mit Hilfe

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eines Open-Space-Verfahrens Grundzüge eines Zielkatalogs entwickelt sowie die Delegierten für die Planungsgruppe festgelegt, die aus 24 Mitgliedern (darunter drei BürgervertreterInnen) bestand. Darauf folgten drei Planungsgruppentreffen, in denen der Zielkatalog und Maßnahmenszenarien weiter ausgearbeitet wurden. Diese wurden auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung präsentiert und diskutiert. Danach erfolgte in drei weiteren Planungsgruppentreffen die Konkretisierung und Erstellung der Maßnahmenkonzepte. In einer Schlussveranstaltung wurden diese schließlich der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Treffen der Steuerungsgruppe (Gebietsbetreuung, MAs, MDBD, Bezirk, beauftragte Planungs-/Architektenteams) wurden jeweils vor den Planungsgruppentreffen abgehalten und dienten der Abstimmung der unterschiedlichen Diskussions- und Bearbeitungsebenen. Die Projektgruppe (Planungsgruppe erweitert um Bezirksvorstehung bzw. Teile der Bezirksvertretung) wurde jeweils vor den öffentlichen Veranstaltungen von den Arbeitsergebnissen informiert und definierte den weiteren Verlauf des Prozesses. Der Gebietsbetreuung Ottakring kam als intermediäre Einrichtung im Prozessmanagement eine herausragende Bedeutung zu. Sie kann auf eine jahrelange Betreuung des Brunnenviertels zurückblicken und war an der Vorlaufphase initiierend beteiligt. In der Beteiligungsphase fungierte sie als zentrale Anlauf- und Vertrauensstelle, Vermittlerin, mobilisierte Akteure und leistete die organisatorische Hauptarbeit. Darüber hinaus eingebunden waren ein Verkehrsplanungsbüro, dem auch die Moderation der Planungsgruppentreffen bzw. der öffentlichen Veranstaltungen oblag, sowie ein ArchitektInnenteam. 4.7.4

Ergebnisse des Mitbestimmungsverfahrens Zielkatalog. Das erste Resultat der Beteiligungsphase, als Ergebnis von Kick-off-Veranstaltung und den beiden ersten Planungsgruppentreffen, bestand in einem konsensualen Zielkatalog zur Aufwertung des Brunnenviertels. Die hier formulierten Leitziele für die Bereiche Markt (Image & Marketing, Legistik & Logistik) sowie Viertel (Bauliche Entwicklung, Verkehr, Freiraum) dienten in der Folge als „Basis-Agreement“, zu dem sich alle Beteiligten bekannten und auf das sie in der Diskussion verweisen konnten. Mit anderen Worten konnte ein Diskursrahmen festgelegt werden, der definierte, was Gegenstand der „Deliberation“ ist und was nicht. Planungen und Konzepte. In den anschließenden Aktivitäten der Beteiligungsphase wurden die Maßnahmenempfehlungen des Partizipationsprozesses in konkrete Planungen und Konzepte integriert: •

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Entwicklungskonzept: Freiraumentwicklung mit den Schwerpunkten Yppenplatz, Hoferplatz, Huberpark, Friedmanngasse und Brunnengasse; bauliche Entwicklung anknüpfend an

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Schlüsselliegenschaften in Brunnengasse; verkehrliche Entwicklung im Rahmen einer Verkehrsberuhigung und besseren Anbindung an den Gürtel Verkehrskonzept: Konkretisierung des verkehrlichen Entwicklungskonzepts durch Maßnahmen der Oberflächengestaltung, prioritäre Berücksichtigung des Umweltverbunds (Brunnengasse als Fußgängerzone, Radwege) und Verkehrssicherheit (30km/h-Zone). Gestaltungskonzept: Ausweisung besonders gestalteter Zonen entlang der Brunnengasse zur Attraktivierung und Rhythmisierung durch Verweilplätze, Baumpflanzungen und Schanigärten; Grundkonzept für die Aufstellung der neuen, ständigen Marktsstände. Konzept für ein Marktmanagement: Installation eines Marktmanagements, das durch professionelle Unterstützung und Investitionsanreize eine selbsttragende Erneuerung von Seiten der Wirtschaftstreibenden ermöglichen würde. Kurzfristige Maßnahmen: Sofort umsetzbare Aktivitäten zur Verbesserung des Images des Brunnenmarktes und seiner besseren Wahrnehmung: Transparentaktion „Brunnenmarkt – Alle(s) in Einem“, Erwähnung des Brunnenmarkts in Stationsnamen der Wiener Linien u.ä.

In der seit Ende 2003 laufenden Umsetzungsphase sollen die beschlossenen Maßnahmen bis 2009 schrittweise realisiert werden, parallel zur Sanierungsoffensive des gründerzeitlichen Baubestandes unter Federführung der Gebietsbetreuung. Nicht realisieren ließ sich bis dato die Einrichtung des Marktmanagements. 4.7.5

Einschätzung des Mitbestimmungsverfahrens und seiner Ergebnisse Der Aufwertungsprozess Brunnenviertel muss als ein Erfolgsbeispiel für Beteiligungsverfahren in Wien gelten, sowohl in Hinblick auf die Substanz und Umsetzungsfähigkeit der vereinbarten Maßnahmen, als auch in Hinblick auf die Qualität des Zusammenspiels zwischen den beteiligten Akteuren. Folgende Faktoren sind dafür verantwortlich: •



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Ergebnisoffenheit: Inhaltlich hat sich die Stadt (wie schon zuvor beim Projekt Yppenplatz) stark zurückgenommen. Viele Vorschläge bzw. Detaillösungen sind erst im Prozess entstanden und von den Beteiligten eingebracht worden. Die Stadt hat die Resultate eines ergebnisoffenen Verfahrens akzeptiert und setzt diese nun um; gleichzeitig herrscht Klarheit darüber, dass die Verantwortung für die Qualität der beschlossenen Maßnahmen bei den Akteuren des Beteiligungsprozesses liegt. Die zuständige Planungsabteilung hat – im Sinne von „Good Governance“ – eine unterstützende Rolle gespielt, ohne die Resultate vorwegzunehmen. Verankerung im Grätzl: Das BürgerInnenbeteiligungsverfahren konnte von einem dichten, an der Aufwertung des Viertels interessierten Netzwerks von starken bzw. artikulationsfähigen Akteuren profitieren (z.B. IG Brunnenviertel, Sprecher der Standler, Leitunternehmen, Kulturinitiative SoHo, Bezirk etc.). Diese Dichte ist Zeichen einer starken

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Grätzlidentität, an der das BürgerInnenbeteiligungsverfahren anknüpfen konnte. Der Aufwertungsprozess Brunnenmarkt weist ein ideales Verhältnis zwischen dem Bezugsraum des Beteiligungsverfahrens und der gewählten Methode auf. Die Verankerung des Vorhabens in bestehenden Netzwerken und vorangegangenen Aktivitäten und ist auch der Grund für den frühen Zeitpunkt im Planungsablauf, an dem der Prozess gestartet wurde. Beteiligte & Aktivierung. Der Partizipationsprozess zeichnete sich dadurch aus, das alle entscheidenden institutionellen Stakeholder schon in der Vorlaufphase einbezogen waren: Marktstandler in Form der IG Brunnenmarkt, WKW, Außenstelle des WWFF, Einkaufsstraßenmanagement sowie die betroffenen Magistratsabteilungen und der Bezirk. Die Bevölkerung wurde über Postwurfsendung, Bezirkszeitung, Plakate, bestehende Netzwerke und Mundpropaganda informiert. Allerdings wurden aus dem Kreis der BewohnerInnen relativ wenige Interessierte für das Beteiligungsverfahren gewonnen, was zu einem gewissen Übergewicht der „organisierten“ Interessen bzw. von (Bezirks-)Politik und Verwaltung in der Planungsgruppe führte. Insbesondere die Aktivierung von MigrantInnen im türkisch geprägten Brunnenviertel erwies sich (mit Ausnahme der Standler) als schwierig, da ein Zugang zur Community über Personen in einer SprecherInnenrolle nicht recht gefunden wurde. Schlüsselrolle für Gebietsbetreuung: Mit der Gebietsbetreuung Ottakring verfügt das Brunnenviertel über ein direkt im Aufwertungsgebiet ansässiges Projektmanagement, das eine beständige Motoren- und Maklerfunktion ausüben kann. Durch die hier geleistete Vernetzungsarbeit und permanente Auseinandersetzung mit den Anliegen des Viertels entsteht eine glaubwürdige Langfristperspektive für den Aufwertungsprozess. BürgerInnen und andere Akteure erhalten damit einen wichtigen Anreiz zu Aktivwerdung und Engagement. Sanfte Aufwertung & „Entschleunigung“: Bei der Kommunikation und Mobilisierung der AkteurInnen standen zunächst nicht die konkreten Maßnahmen, sondern primär das übergeordnete Ziel der Aufwertung des gemeinsamen Grätzls im Vordergrund. Dadurch konnten nicht nur zusätzliche TeilnehmerInnen gewonnen werden, sondern es entstand auch Raum für die Verinnerlichung und Aneignung des Prozesses durch die Beteiligten. Dieses Element der Identitätsbildung stellt eine wichtige Voraussetzung dafür dar, dass später vom Eigeninteresse abweichende Resultate mitgetragen werden. Der Beteiligungsprozess Brunnenviertel ist ein Beispiel dafür, wie durch ein passendes Verfahren hohe „Output-Legitimität“ und Ergebnisidentifikation erreicht werden können. Politisches Commitment: Zu Beginn des Prozesses wurde sichergestellt, dass drei betroffene Geschäftsgruppen gleichermaßen hinter den Zielen des Vorhabens stehen und die BürgerInnenbeteiligung mit entsprechender politischer Priorität versehen ist. Die politische Verbindlichkeit setzte sich über das Gremium der Steuerungsgruppe in hohes Engagement der zuständigen Magistratsabteilungen um.

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Relativ geringe Interessensgegensätze: Für die positiven Resultate des Beteiligungsverfahrens mitverantwortlich ist letztlich aber auch die Abwesenheit von grundsätzlichen Interessensgegensätzen. Das übergeordnete Ziel der Aufwertung war dermaßen konsensfähig, dass sich Diskussionen nur an Details der Umsetzungsmaßnahmen entzündeten. Insgesamt ergeben sich also eine Reihe von spezifischen Besonderheiten der Fallstudie, die eine 1:1 Übertragbarkeit des Modells auf andere Situationen fraglich erscheinen lässt.

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4.8

Fallbeispiel „Lokale Agenda 21 – Projekt Augustinplatz“

4.8.1

Hintergrund Der 7. Bezirk Neubau zählt seit 2003 zu jenen Wiener Bezirken, in den die Lokale Agenda 21 (LA 21) umgesetzt wird. Das Projekt „Augustinplatz“ ist eines der ersten, die im Rahmen des LA-21-Prozesses „Agenda Wien Sieben“ initiiert wurden und zielt auf eine Neugestaltung des öffentlichen Raumes ab. „Augustinplatz“ ist die inoffizielle Bezeichnung für den Kreuzungsbereich von Neustiftgasse, Kellermanngasse und Kirchengasse, der sich in Form eines dreieckigen Platzes ausweitet. Der Augustinplatz ist wichtiger Kreuzungspunkt, insbesondere was den öffentlichen Verkehr betrifft: Sowohl in der Neustiftgasse als auch in der Kellermann- und Kirchengasse verläuft eine Buslinie. Die Verkehrs- und Freiraumsituation im Bereich Augustinplatz wird von den AnrainerInnen seit Jahren als problematisch empfunden: •





4.8.2

Freiraumqualität: Der Augustinplatz wird nicht als einheitlicher Platz wahrgenommen; Kellermanngasse und Nebenfahrbahn zerteilen den vorhandenen Raum. Der Platz wird dadurch als Aufenthaltsraum unattraktiv, die Nutzungsmöglichkeiten sind stark eingeschränkt. Die Beleuchtung des Platzes wird als mangelhaft wahrgenommen. Grünraumgestaltung: Die bestehenden großen Blumenbeete sind beim Überqueren des Platzes hinderlich und schränken die Nutzungsmöglichkeiten weiter ein. Niedrige Bäume behindern die freie Sicht. Verkehrssituation: Insbesondere die Neustiftgasse zeichnet sich durch starken Durchzugsverkehr (vielfach mit überhöhter Geschwindigkeit) aus. Für FußgängerInnen wird das sichere Queren der Neustiftgasse durch oft verparkte Zebrastreifen und das Fehlen von Fußgängerampeln weiter erschwert. Schadhafte Straßenbeläge führen zu einer verstärkten Lärmbelastung.

Ausgangslage für das LA 21 Projekt Die dargestellte Problemlage führte schließlich im Herbst 2003 zur Gründung einer Agendagruppe mit dem Ziel, durch eine Umgestaltung des Platzes die Lebensqualität für die AnrainerInnen des gesamten Grätzels zu verbessern. Im Detail werden für den Augustinplatz folgende Zielsetzungen verfolgt: • • •

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die Verkehrsberuhigung und Erhöhung der Verkehrssicherheit die Rückgewinnung von urbanem Raum, der bislang vorrangig durch den motorisierten Individualverkehr genutzt wird die Verschönerung des Platzes durch eine neue Grün- und Freiraumgestaltung sowie

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Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit

Allgemeine Ziele für das Grätzl rund um den Augustinplatz: • • •

• • •

Mehr Lebensqualität durch Lärmverringerung, Verkehrssicherheit und ein angenehmeres Raumklima mit mehr Grünraum Konsequente Verkehrsberuhigung und mehr sichere Fußgängerübergänge im Bereich der Hauptverkehrsachse Neustiftgasse/Burggasse; Verbesserung der Parkraumbewirtschaftung Fußwege: Stärkung der bestehenden und Schaffung neuer attraktiver fußläufiger Querachsen/Querverbindungen (z.B. von der Lerchenfelderstraße über den Ulrichsplatz zur Kirchengasse und zum Spittelberg) Verbesserung der Nahversorgung des Grätzels Auseinandersetzung mit der historische Entwicklung des Grätzels und Berücksichtigung dieser bei zukünftigen Umgestaltungen Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit

Die Agendagruppe verfolgt(e) mit dem Projekt im Sinne der LA-21-Idee mehrere Aspekte der Nachhaltigkeit: Im Mittelpunkt standen Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit (Verkehrsberuhigung) sowie der sozialen Nachhaltigkeit (Aktivierung der BewohnerInnen, Beteiligung von Personen mit Handicap, Hebung der Lebensqualität etc.). Der wirtschaftliche Aspekt spielte die vergleichsweise geringste Rolle. Das Projekt „Augustinplatz“ war/ist als Agendaprojekt in die institutionalisierte Beteiligungsstruktur der Lokalen Agenda 21 des Bezirks eingebunden. 4.8.3

Design und Arbeitsweise des LA 21 Projekts Das Projekt „Augustinplatz“ hat die Form eines „klassischen“ LA-21-Projekts auf Bezirksebene. Im Mittelpunkt des Projekts steht eine eigeninitiative Agendagruppe, die sich durch offenen Zugang auszeichnet, im Kern aber rund 6 Personen umfasst. Im Rahmen von Gruppentreffen (bis zu 20 pro Jahr) wurden ab Herbst 2003 Problembereiche aufgelistet und erste Maßnahmenvorschläge innerhalb der Agendagruppe diskutiert. Im Frühjahr/Sommer 2004 wurde ein Fragenkatalog an die Verkehrskommission des Bezirks erstellt und mit dieser diskutiert. (Parallel wurde eine breit angelegte Fragebogenaktion zur Umgestaltung des benachbarten Angerbereichs Burggasse durchgeführt und die Ergebnisse – eine Auswertung von rd. 450 Fragebögen – im Agendabüro präsentiert.) Gestaltungsvorschläge für den Platz und insbesondere die Verkehrsorganisation wurden zunächst von der Agendagruppe, anschließend von der Stadtverwaltung (MA 18 / MA 46) und

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schließlich von den Wiener Linien vorgelegt. Nach zahlreichen Begehungen und Diskussionen wurde Ende 2005 schließlich ein Kompromiss über die verkehrstechnische Lösung erzielt. Als Grundlage für die Frei- und Grünraumgestaltung wurde das Projekt „Geschichten mit Geschichte“ initiiert, in dessen Rahmen die historischen Wurzeln des Augustinplatzes untersucht und persönliche Erlebnisse/Erinnerungen der AnrainerInnen gesammelt wurden. Das Projekt mündete schließlich in einer Ausstellung im Frühjahr 2006. Mit der konkreten Frei- und Grünraumplanung wurde Anfang 2006 seitens der Stadt (MA 19) ein Technisches Büro für Landschaftsplanung (Koselicka) beauftragt. Die Agendagruppe verfasste einen umfangreichen Forderungskatalog, in dem Nutzerwünsche zu Funktion und Oberflächengestaltung aufgelistet sind. Der Katalog wurde mit dem Planungsbüro und der Bezirksvorstehung diskutiert und floss in die Planung ein. Der fertige Gestaltungsentwurf wurde im Herbst 2006 im Rahmen eines AnrainerInnenforums breit und sehr kontroversiell diskutiert. Die strittigen/offenen Fragen wurden in zwei weiteren Sitzungen der Agendagruppe behandelt, zu denen auch die kritischen TeilnehmerInnen des AnrainerInnenforums eingeladen wurden. Die Umsetzung des nunmehr überarbeiteten Planungsentwurfs soll im Jahr 2007 erfolgen. Einen wichtigen Bestandteil der Projektaktivitäten bildete eine umfassende begleitende Öffentlichkeitsarbeit: Informationen zum Stand des Projekts wurden regelmäßig an einen Verteiler von knapp 100 InteressentInnen versandt, in Lokalen aufgelegt bzw. in Bezirkszeitungen geschaltet. Darüber hinaus wurde direkt auf dem Augustinplatz ein Infopoint aufgestellt. Der Information wie auch Mobilisierung der Bevölkerung dienten auch mehrere Begehungen mit AnrainerInnen, Gewerbetreibenden und Interessierten sowie ein von der Agendagruppe veranstaltetes Frühstück am Augustinplatz. Im Rahmen des Projekts „Geschichten mit Geschichte“ fanden öffentliche Erzählrunden statt, die Ausstellung mit den Projektergebnissen war von Februar bis Juni 2006 am Augustinplatz zu sehen. Rollen der einzelnen Projektbeteiligten Die Agendagruppe definierte ihre Rolle nach einem internen Diskussionsprozess als Schnittstelle zu den BürgerInnen und „Teil der Bauherren/Auftraggeber“ (gemeinsam mit Stadt/Bezirk), die selbst keine Planungen vornimmt. Neben dem Vorantreiben des Prozesses und der Öffentlichkeitsarbeit erklärte sie die Qualitätssicherung durch Alltagswissen vor Ort zu einer ihrer zentralen Funktionen. Innerhalb der Gruppe kam es zu einer Aufteilung von spezifischen Aufgaben unter Berücksichtigung der Qualifikationen der einzelnen Gruppenmitglieder. Das lokale Agendabüro (Träger: Österreichisches Ökologie Institut) verstand seine Rolle als Vermittler zwischen den verschiedenen AkteurInnen. Das Agendabüro unterstützte das Projekt

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in der operationellen Arbeit, etwa bei der Organisation von Veranstaltungen, Befragungen, Aussendungen oder als ModeratorInnen. Die Bezirkspolitik hat als lokaler Entscheidungsträger in jedem LA-21-Prozess in Wien eine Schlüsselrolle. Ein/e VertreterIn jeder Partei ist im Bezirks-Steuerungsgremium der LA21 vertreten. Der Bezirksvorsteher ist außerdem Mitglied des Wien-weiten Agendabeirats. In der Anfangsphase des Projekts wurden mit der Verkehrskommission des Bezirks bzw. den FraktionsleiterInnen der Bezirksparteien die Möglichkeiten zur Umgestaltung des Augustinplatzes im allgemeinen sondiert. In weiterer Folge fanden (etwa im Rahmen der Steuerungssitzungen der „Agenda Wien Sieben“) regelmäßige Besprechungen zu Stand und Finanzierbarkeit der Planungen statt. Die Stadtverwaltung war im Projekt hauptsächlich durch die Magistratsabteilungen für Stadtplanung (MA 18), Architektur und Stadtgestaltung (MA 19), Straßenverwaltung (MA 28) und Verkehrsorganisation (MA 46) sowie durch die Wiener Linien beteiligt. Seitens der Magistratsstellen wurden die Vorschläge und Vorstellungen der Agendagruppe sowie des Planungsbüros auf ihre technische, rechtliche und finanzielle Durchführbarkeit geprüft sowie eigene Planungsvarianten entwickelt. Der Planungsauftrag zur Frei- und Grünraumgestaltung wurde seitens der MA 19 erteilt, die MA 28 ist für die technische Ausführung der Planungen zuständig. 4.8.4

Ergebnisse des LA 21 Projekts Verkehrsorganisation: Nach zahlreichen Diskussionen mit Magistratsabteilungen, dem Bezirk und den Wiener Linien über verschiedene Varianten zur verkehrstechnischen Lösung konnte zwischen allen beteiligten Gremien ein Konsens erzielt werden: Die Wiener Linien stimmten der Schließung der schrägen Nebenfahrbahn Neustiftgasse/Kellermanngasse zugunsten einer Vergrößerung des unteren Bereichs des Augustinplatzes und Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zu. Um die nötigen Ansprüche des öffentlichen Verkehrs zu erfüllen, ist nun eine funkgesteuerte Ampelverbindung geplant, die von den Linienbussen aus gesteuert werden kann. Bei der Frei- und Grünraumgestaltung soll vor allem eine Visualisierung der lokalen historischen Entwicklung erreicht werden (Verlauf des Ottakringer Baches, Standort der Wiener Werkstätten, Türkenbesetzung usw.). Der vom Landschaftsplanungsbüro Koselicka vorgelegte Planungsentwurf wurde nach der AnrainerInnenversammlung in einigen Punkten überarbeitet, um so auf breitestmögliche Akzeptanz zu stoßen. Der Entwurf ist nun Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Umsetzung des Entwurfs soll im Lauf des Jahres 2007 erfolgen.

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4.8.5

Einschätzung des LA 21 Projekts und seiner Ergebnisse Das Projekt Augustinplatz befindet sich derzeit noch vor dem Abschluss, eine endgültige Beurteilung wäre daher verfrüht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird jedoch von allen beteiligten AkteurInnen eine weitgehend positive Zwischenbilanz gezogen: •









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Transparente Rollenverteilung: Die Agendagruppe definierte ihre Rolle – als Ergebnis eines internen Diskussionsprozesses – dezidiert als die eines Co-Bauherren und beteiligte sich nicht selbst am Planungsprozess. Da der Planungsauftrag an das Büro Koselicka seitens der Stadtverwaltung erteilt wurde, konnte die Agendagruppe ihre selbst auferlegte Rolle, die Qualität der Planungen zu prüfen und zu sichern, aus einer „neutralen“ Position wahrnehmen. Die Möglichkeiten und Grenzen der Partizipation sowie die Rollen der einzelnen Beteiligten waren somit bestmöglich kommuniziert. Konsensfindung: Im Rahmen des Projekts traten diverse Uneinigkeiten auf (etwa bei der Frage der Verkehrsorganisation), die jedoch – nach zahlreichen Diskussionen – zur Zufriedenheit aller gelöst werden konnten. Dabei wurde der Agendagruppe von allen Seiten eine hohe Qualität der eingebrachten Vorschläge sowie eine konstruktive Diskussionsweise attestiert. Negativ wahrgenommen wurde dagegen, dass die Positionen der beteiligten BezirkspolitikerInnen z.T. eher parteipolitisch geprägt als durch Sachargumente gestützt waren. Vertrauensbildung: Die konstruktive Herangehensweise der Agendagruppe führte rasch zu einem Abbau von Vorurteilen auf Seiten der Bezirksvertretung und Stadtverwaltung. Umgekehrt gelang es den beteiligten BürgerInnen, direkte Kommunikationskanäle zur Bezirkspolitik aufzubauen und Einsicht in das politische Handeln, teilweise auch in Verwaltungsabläufe, zu erlangen. Während der Bezirksvorstehung von Neubau hohes Engagement für die Umsetzung der Agendaprojekte attestiert wurde, zeigten die BezirksvertreterInnen (aus Sicht der beteiligten BürgerInnen) z.T. allerdings zu wenig inhaltlichen Bezug. Mobilisierung: Durch die Fragebogenbefragung zum benachbarten Anger Burggasse sowie die umfangreichen öffentlichkeitsorientierten Aktivitäten (insbesondere die „Erzählabende“ zur Geschichte des Augustinplatzes) wurden zahlreiche AnrainerInnen für das Projekt aktiviert und die Identifikation mit dem Bezirk gestärkt. Repräsentativität: Umgekehrt zeigte die kontroversielle Diskussion bei der abschließenden AnrainerInnenversammlung, dass kontinuierliche Rückbindungsmaßnahmen zur Gesamtheit der AnrainerInnen einer der neuralgischen Punkte jedes Beteiligungsverfahrens sind, um eine breite Akzeptanz der Ergebnisse zu erzielen. Während die Agendagruppe während des gesamten Prozesses mit verschiedenen Aktivitäten zu aktivieren versuchte (s.o.), wurde der Stand der eigentlichen Planungen rückblickend nicht explizit genug kommuniziert, wodurch sich viele AnrainerInnen beim abschließenden AnrainerInnenforum erstmals mit den Entwürfen konfrontiert sahen.

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4.9

Fallbeispiel „Mediation Volksgarage Bacherpark“

4.9.1

Hintergrund & Vorgeschichte 2

Beim Bacherpark handelt es sich um einen kleinen (6.000 m ), innerstädtischen Park im dichtverbauten Gebiet des 5. Bezirks. Auf Antrag des Bezirks wurde der Bacherplatz bereits im Jahr 2001 als Standort für eine Volksgarage geprüft; eine Stellplatzerhebung (unter Einbeziehung umliegender Garagen) ergab eine starke Überparkung. Anfang 2002 wurde das Vorhaben in der Verkehrskommission des Bezirks diskutiert und im Februar 2002 im Bezirksbauausschuss mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und ÖVP mehrheitlich beschlossen. Im Rahmen des anschließenden Verfahrens zur Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans lagen die Pläne im Bezirksamt und Rathaus zur Einsichtnahme auf, wodurch erstmals auch die AnrainerInnen über das Vorhaben informiert wurden. Bei der Bezirksvertretungssitzung am 16. März 2004 wurde die Widmungsänderung wieder mit großer Mehrheit beschlossen; massive Bedenken wurden jedoch insbesondere von den Grünen geäußert, die in weiterer Folge eine BürgerInneninitiative gegen den Bau der Garage unterstützten. Nach dem Widmungsbeschluss durch den Gemeinderat wurde die Realisierung des Vorhabens öffentlich ausgeschrieben. Auflage: Der künftige Garagenbetreiber muss eine für die Wohnumgebung schonende Bauweise vorschlagen. Nach Abschluss der Bauarbeiten muss der Grünraum wiederhergestellt und um 10 Prozent vergrößert werden. Die Betreiberfirma muss ein BürgerInnenbeteiligungsverfahren abhalten, in dem die Wünsche der AnrainerInnen zur Parkgestaltung berücksichtigt werden. Das Umsetzungsprojekt des Bestbieters (Firma IC Projektentwicklung) sah – gemäß der Ausschreibung – eine Tiefgarage mit 200 Stellplätzen unter dem asphaltierten Teil des Bacherplatzes vor. Auf diese Weise sollte der Baumbestand im begrünten Teil des Parks weitgehend erhalten bleiben. Für vier zu fällende Bäume wurden Ersatzpflanzungen vorgesehen. Bei der Präsentation des Projekts im Zuge einer vom Bezirk veranstalteten BürgerInnenversammlung kam es erstmals zu massiven öffentlichen Protestkundgebungen. Das anschließende BürgerInnenkonsultationsverfahren zur Oberflächengestaltung des Parks wurde im Auftrag der MA 21 A vom Büro PlanSinn in der zweiten Jahreshälfte 2004 durchgeführt: Bei ersten Sondierungsgesprächen mit Parkbetreuung, Gebietsbetreuung, Back on Stage, Polizei, Agenda Margareten, Bacherschule, Bürgerinitiativen, PolitikerInnen der im Bezirk vertretenen Parteien sowie verschiedenen Magistratsabteilungen wurden die Interessen der Beteiligten zur Oberflächengestaltung erhoben. Im Rahmen von „Parkgesprächen“, zu denen mittels Informationsblatt eingeladen wurde, wurden die ParkbenützerInnen ausführlich befragt, die Interviewergebnisse wurden anschließend in einer Parkversammlung präsentiert und zur

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Diskussion gestellt. In Workshops mit der Bacherschule und der Volksschule Pannaschgasse konnten SchülerInnen der verschiedensten Schulstufen ihre Anforderungen an die Parkgestaltung formulieren, darüber hinaus fand ein Planungsgespäch mit der lokalen Agendagruppe sowie ein allgemein zugängliches Werkstattgespräch statt. Die Ergebnisse des Konsultationsverfahrens flossen in die Oberflächenplanung durch die MA 42 ein und wurden Anfang 2005 im Rahmen einer weiteren Parkversammlung vorgestellt und diskutiert. Die BürgerInneninitiative gegen den Bau der Volksgarage lehnte eine Beteiligung an dem Konsultationsverfahren allerdings ab, da dies – aus ihrer Perspektive – eine Zustimmung zum Bauprojekt bedeutet hätte. Im parallel abgewickelten Baubewilligungsverfahren wurden alle Einwendungen der Garagengegner abgewiesen. Im Dezember 2005 erteilte die Bauoberbehörde schließlich als letztinstanzliche Behörde die Baubewilligung, gegen die kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig war. Der Baubeginn erfolgte noch vor Weihnachten (Fällung der 4 Bäume). Die anschließende Weihnachtspause nützten die Garagengegner, um den Kinderspielplatz im Bacherpark – trotz winterlicher Verhältnisse – zu besetzen. Die Weiterführung der Bauarbeiten wurde dadurch unmöglich. Die BürgerInneninitiative gegen den Garagenbau erreichte durch diese Protestaktion darüber hinaus eine massive Medienpräsenz, die den Druck auf Bezirk und Stadtverwaltung erhöhte und zu einer weiteren Verhärtung der Fronten beitrug. 4.9.2

Ausgangslage der Mediation Volksgarage Bacherpark Anfang 2006 war die Situation relativ festgefahren: Bezirksvorstehung und Stadtverwaltung hatten sich auf den Bau der Garage festgelegt, alle Widmungs- und Baubewilligungsverfahren waren abgewickelt; der Garagenerrichter hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 400 Millionen Euro in Planung und Bauvorbereitung investiert. Umgekehrt drohte die von den Medien mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Besetzung des Parks – gerade angesichts des bevorstehenden Nationalratswahlkampfs – zu einem PR-Debakel zu werden. Die BürgerInneninitiative gegen den Bau der Garage zweifelte ihrerseits die Ergebnisse der fünf Jahre zuvor durchgeführten Stellplatzerhebung an und kritisierte, dass keine umfassende Bedarfserhebung erfolgt war. Der Garagenbau wurde als verkehrspolitisch verfehlte Maßnahme angeprangert, die den Willen der AnrainerInnen außer Acht lasse. Die politischen Parteien des Bezirks bezogen – nachdem sich eingangs des Verfahrens noch eine breite Mehrheit für den Garagenbau gebildet hatte – gemäß ihrer Position als Regierungs/Oppositionspartei Stellung. Die Garagengegner wurden insbesondere von den Grünen

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unterstützt; aber auch die ÖVP wandte sich gegen die Missachtung des BürgerInnenwillens durch die Bezirksvorstehung. Die Gruppe „LEB – Lebens- und Erholungsraum Bacherpark & Bacherplatz“ formierte sich im Herbst 2004 als Agendagruppe innerhalb der Lokalen Agenda 21 in Margereten. Ziel: die Erhaltung und Verbesserung des Lebens- und Erholungsraumes Bacherpark, bei gleichzeitiger Reduzierung von bereits bestehenden Verkehrs-, Umwelt- und Gesundheitsproblemen „und jener, die mit dem beabsichtigten Bau einer Volksgarage hinzukämen“. Anfang 2006 wurde die 4 Unterstützung der Gruppe durch die LA 21 ausgesetzt , die Gruppe LEB engagierte sich fortan als unabhängige Plattform im Verfahren Bacherpark. Auch für den Bau der Garage trat eine BürgerInneninitiative auf. Dem Vorschlag einer – von Seiten des Garagenentwicklers beauftragten – Mediation wurde schließlich von allen beteiligten Parteien zugestimmt, um die bestehende Pattsituation zu überwinden und wieder eine Gesprächsbasis aufzubauen. 4.9.3

Design und Arbeitsweise der Mediation Volksgarage Bacherpark Mit der Mediation Bacherpark wurde das Mediatorenteam „dieMediatoren.at“ beauftragt. In das Mediationsverfahren wurden alle bis dato beteiligten Parteien einbezogen: • • • • • • •

Die Bezirksvorstehung (Bezirksvorsteher Wimmer + 3 StellvertreterInnen) Die Klubchefs der im Bezirksrat vertretenen Parteien Die Stadt Wien, vertreten durch Gemeinderat Karlheinz Hora (anstelle von Stadtrat Schicker) Die BürgerInneninitiative gegen den Bau der Garage Die Initiative für den Bau der Garage Die Gruppe LEB Der Garagenerrichter

Als technischer Experte wurde der Garagenkoordinator der Stadt Wien, Alfred Theuermann, beigezogen.

4

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Seitens der LA-21-Geschäftsführung wurde argumentiert, die Lokale Agenda 21 sei keine Lobby- und Unterstützungsorganisation für Bürgerinitiativen, die bestimmte Projekte verhindern wollen, sondern diene der konsensualen Lösungsfindung. Für einen LA-21-Prozess hätte im Fall Bacherpark zum gegebenen Zeitpunkt kein ausreichender Gestaltungsspielraum mehr bestanden. Andere Beobachter orteten politischen Druck, der den „Ausschluss“ der Gruppe aus der LA 21 erzwang.

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Nach individuellen Vorgesprächen mit allen beteiligten Parteien fanden im Rahmen der Premediation zunächst rd. 10 Gesprächsrunden statt, in denen die Spielregeln der Mediation vereinbart wurden. Als Ergebnis der Ende März abgeschlossenen Mediationsvereinbarung, beendeten die Garagengegner die Besetzung des Spielplatzes und übersiedelt in einen Container am Parkeingang. Der frei werdende Kinderspielplatz wurde wieder in Stand gesetzt. Der Garagenerrichter sagte zu, bis zum Ende der Gespräche keine weiteren Baumaßnahmen zu setzen. Im Zuge der eigentlichen Mediationssitzungen einigten sich die Parteien relativ rasch, die Frage des Garagenbaus inhaltlich nicht in der Mediationsgruppe zu entscheiden, sondern eine AnrainerInnenbefragung durchzuführen (und auf diese Weise eine Bedarfserhebung zu substituieren). Text und Modus der Befragung wurde von einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet. Die Ergebnisse wurden in der Plenarrunde präsentiert und – nach kontroversiellen, parteipolitisch geprägten Diskussionen – schließlich von dieser akzeptiert. Die Vereinbarungen wurden Mitte Mai 2006 in einem Mediationsvertrag festgehalten. 4.9.4

Ergebnisse der Mediation Volksgarage Bacherpark Kern des Mediationsvertrags ist die Vereinbarung einer BürgerInnenbefragung, in der ausschließlich die Befürwortung oder Ablehnung des Garagenprojekts abgefragt wird. Als Teil des Vertrags wurde der räumliche Bereich der Befragung in einem Plandokument festgelegt. Zur Befragung zugelassen wurden alle Wahlberechtigten für Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen sowie MigrantInnen, die seit mindestens fünf Jahren in Wien wohnhaft sind. Alle Parteien des Mediationsverfahrens verpflichteten sich, das Ergebnis der Befragung – unabhängig von der Beteiligungsquote – als endgültig zu akzeptieren.

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Für den Fall, dass die Befragung zum Standort Bacherplatz mit einem „Nein“ ausgeht, nahmen die Parteien des Mediationsverfahrens zur Kenntnis, dass eine etwaige Bedarfserhebung sowie Abstimmung auch für alternative Standorte in Margereten in den nächsten zwei Jahren kein positives Ergebnis erwarten lässt. Da Projekte für geförderte Volksgaragen bis spätestens Ende 2007 eingereicht werden müssen, ist alle Vertragsparteien bewusst, dass in Margareten für absehbare Zeit (voraussichtlich bis 2010) keine Umsetzung anderer Garagenprojekte dieser Art erwartet werden kann.



Für den Fall, dass die Abstimmung ein „Ja“ ergeben sollte, herrscht bei allen TeilnehmerInnen des Mediationsverfahrens Übereinstimmung darüber, dass die Vorgaben des Masterplans Verkehr einzuhalten sind, insbesondere dass 30% der geschaffenen Garagenplätze an der Oberfläche zur Rückgewinnung des öffentlichen Raums verwendet

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werden. Alle Parteien werden alles auf ihrer jeweiligen Seite mögliche veranlassen, damit die Bauführung ungehindert durchgeführt werden kann. Der Garagenentwickler verpflichtete sich für den Fall, dass die Abstimmung mit „Ja“ ausgeht, die Führung der Betriebsabluft über die stillgelegten Kamine der Hauptschule zu führen, soweit dies im Wege eines Planwechsels möglich ist. Als Teil des Mediationsvertrags wurde von allen Vertragsparteien des Mediationsverfahrens auch für künftige Standorte von Volksgaragen folgendes Vorgehen vorgeschlagen: • • • • • •

Bezirksbeschluss für einen Überprüfungsantrag zur Errichtung einer Garage Bedarfserhebung (Erhebung nach subjektiven und objektiven Kriterien) Machbarkeitsstudie (unter Berücksichtigung von sozial-, verkehrs- und umweltpolitischen Grundsätzen) BürgerInneninformation Diskussionsphase Abstimmung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger

Die Gemeinde und das Land Wien sagten zu, auf dieser Grundlage unter Einbeziehung von interessierten BürgerInnen und Fachleuten gemeinsam Lösungen zu suchen und die gefundenen Ergebnisse umzusetzen. Ergebnis der Befragung: Die BürgerInnenbefragung erfolgte im Mai/Juni 2006. Die „Stimmzettel“ wurden allen Stimmberechtigten per Post zugestellt; nur 30% beteiligten sich an der Abstimmung. Fast 66% der abgegebenen Stimmen sprachen sich gegen den Bau der Garage aus, 34% dafür. Das Garagenprojekt wurde daraufhin fallen gelassen. 4.9.5

Einschätzung der Mediation Volksgarage Bacherpark und ihrer Ergebnisse Das Mediationsverfahren Volksgarage Bacherpark wurde als Methode zur Lösung eines Konflikts eingesetzt, in dem die Fronten so stark verhärtet waren, dass jegliche Gesprächsbasis für eine einvernehmliche Lösung zu fehlen schien. Beide Seiten warfen der jeweils anderen inhaltliche Inkompetenz, die bewusste Verbreitung von Falschmeldungen und ein undemokratisches Vorgehen vor. Die Besetzung des Parks stellte einen aktiven Widerstand gegen einen rechtsgültigen Baubescheid dar, eine Räumung des Parks hätte jedoch eines massiven Polizeieinsatzes bedurft. Das Mediationsverfahren hatte vor diesem Hintergrund vor allem die Funktion, die Handlungsfähigkeit auf beiden Seiten (insbesondere auf Seiten von Bezirk/Stadt) wieder herzustellen.

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Zeitpunkt der Beteiligung: Die Konflikteskalation hätte wohl vermieden werden können, wenn die AnrainerInnen deutlich früher konsultiert worden wären. Die erste Information der Öffentlichkeit erfolgte jedoch erst im Zuge der gesetzlich vorgeschriebenen Auflage der bereits fertig vorliegenden Widmungsänderungspläne. Das schließlich durchgeführte BürgerInnenkonsultationsverfahren ließ – nachdem zu diesem Zeitpunkt das Garagenprojekt bereits ausgelobt und der Gestaltungsspielraum somit enden wollend war – eher den Eindruck einer Alibibeteiligung entstehen. Das Mediationsverfahren konnte schließlich angesichts der zuletzt vollständig verhärteten Fronten nur noch die Funktion eines Konfliktlösungsinstruments übernehmen, scheiterte jedoch an der Entwicklung konstruktiver Konsenslösungen. Von Positionen zu Interessen? Die Grundphilosophie von Mediationsverfahren besteht darin, die eigentlichen Bedürfnisse und Interessen hinter den (oft starren und plakativen) Positionen von Konfliktparteien freizulegen. Durch die offene, wenn auch kritische Auseinandersetzung mit den Interessenlagen der anderen Parteien sollen im gemeinsamen Dialog schließlich (mehr oder weniger) einvernehmliche Lösungen gefunden werden. Diese Intention wurde im vorliegenden Fall – angesichts der beschriebenen Ausgangslage – nicht erreicht. Bereits in den ersten Mediationssitzungen einigten sich die Konfliktparteien darauf, die inhaltliche Frage in einer AnrainerInnenbefragung zu klären. Einzelheiten des Garagenprojekts, innovative Lösungen etwaiger Interessengegensätze etc. standen in weiterer Folge nicht mehr zu Diskussion. Plebiszit als Lösung eines Mediationsverfahrens? Die letztendlich erzielte Einigung auf eine BürgerInnenbefragung ist für ein Mediationsverfahren untypisch, wenn nicht gar verfehlt. Beteiligungsverfahren dienen naturgemäß dazu, die repräsentative Demokratie durch Elemente zu bereichern, die einen Ausgleich zwischen konfligierenden Einzelinteressen erlauben und dadurch zu breit akzeptierten Konsenslösungen führen. Plebiszitentscheidungen verkörpern hingegen das Gegenteil: Die Mehrheit entscheidet, Minderheiteninteressen werden marginalisiert (Stichwort: „Mehrheitsdespotismus“). Plebiszitlösungen sind daher aus demokratietheoretischen Überlegungen nur dann zulässig, wenn bei einer strittigen Frage die Betroffenheit gleich verteilt ist. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall mit dem Instrument eines Plebiszits eine Entscheidung revidiert wurde, gegen die zu diesem Zeitpunkt kein Rechtsmittel mehr zulässig war – eine Infragestellung der rechtsstaatlichen Prinzipien. Gemeinwohl: Die Volksgarage Bacherpark war nicht zuletzt als Baustein innerhalb des gesamtstädtischen Wiener Garagenkonzepts vorgesehen. Dieses sieht als Teil des Masterplans Verkehr eine sukzessive Verlegung von Parkraum in Tiefgaragen vor. Im Gegenzug wird öffentlicher Raum, der bis dahin vornehmlich vom motorisierten Individualverkehr genutzt wurde, für die Gesamtheit der AnrainerInnen und (nicht motorisierten) VerkehrsteilnehmerInnen zurück gewonnen. Einzelne Bausteine dieses Konzepts (d.h. konkrete Garagenprojekte) zur Abstimmung zu stellen kann dazu führen,

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dass das gesamte Konzept unrealisierbar wird. Sinnvoller erschiene es etwa, das Garagenkonzept in stärker demokratisch legitimierte Stadtteil-Verkehrskonzepte einzubetten. Künftige Vorgangsweise bei Volksgaragen: Ein aktueller Entwurf für die künftige Vorgangsweise bei Garagenprojekten sieht – parallel zu dem im Mediationsvertrag festgehaltenen Vorschlag – folgende Schritte vor: 1 2 3 4 5 6 7 8

Bezirksbeschluss für einen Überprüfungsantrag zur Errichtung einer Garage Machbarkeitsstudie und Bedarfserhebung Information der BürgerInnen durch die Bezirksvorstehung Diskussionsphase; BürgerInnenbefragung („sofern gewünscht“) Bezirksbeschluss zur Auslobung des Standorts Auslobung Zuschlag Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens

Positiv zu beurteilen ist dabei einerseits die fix vorgesehene Bedarfserhebung (beim Bacherpark wurde nur eine Stellplatzerhebung durchgeführt) sowie die auf einen Zeitraum von rund sechs Monaten angesetzte Dialogphase vor der Auslobung des Standorts. Die Einführung des Instruments einer BürgerInnenbefragung als standardisiertes Kriterium für die Entscheidung erscheint – unter den oben genannten Gesichtspunkten – zumindest als problematisch.

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4.10

Wiener Integrationskonferenz

4.10.1 Hintergrund In ihrer ursprünglichen Struktur wurde die Wiener Integrationskonferenz (WIK) im Jahr 1998 als Teil des Wiener Integrationsfonds (WIF) ins Leben gerufen. Bis zur Auflösung des WIF im Jahr 2003 stellte die WIK eine ergänzende, jedoch äußerst indirekte Form politischer Mitsprache dar. In ihr vertreten waren eine Reihe von MigrantInnendachverbänden sowie im Migrationsbereich tätige NGOs; die Konferenz hatte zudem Sitz und Stimme im Kuratorium des Wiener Integrationsfonds. Die Integrationskonferenz stellte jedoch aus mehreren Gründen keine ausreichende Form der politischen Repräsentation dar: Erstens war ihr Mandat auf die Einflussnahme auf den Wiener Integrationsfonds beschränkt, der selbst kein direkter Teil der Wiener Stadtverwaltung war; zweitens arbeiteten eine Reihe großer MigrantInnenorganisationen nicht mit; und drittens handelte es sich bei der Integrationskonferenz um ein Forum der Vertretung von Organisationen und nicht von gewählten RepräsentantInnen. Mit der Reform der Wiener Integrationspolitik im Jahr 2003 und ihrer Weiterentwicklung zu einer Diversitätspolitik entstand eine eigene Magistratsabteilung „Integrations- und Diversitätsangelegenheiten“ (MA 17), womit die Zuwanderungsagenda zur direkten Aufgabe von Stadtpolitik und -verwaltung wurde. Gleichzeitig fiel die Entscheidung, die Wiener Integrationskonferenz als Dachverband der MigrantInnenorganisationen in Wien neu zu gründen. Das Vernetzungsbüro der Wiener Integrationskonferenz (WIK-VB) wurde Ende des Jahres 2004 offiziell ins Leben gerufen; 2006 fand die zweite Generalversammlung der WIK statt. Die Integrationskonferenz befindet sich noch auf absehbare Zeit in der Aufbau- und Konsolidierungsphase. Im Zuge ihrer Unterstützung für im Integrations- und Diversitätsbereich tätige Einrichtungen fördert die Stadt die WIK in Form einer jährlichen Mittelzuweisung. 4.10.2 Ziele der Wiener Integrationskonferenz Die WIK sieht Integration als eine dauerhafte gesellschaftspolitische Aufgabe, die zu ihrem Gelingen auch der aktiven Einbindung der zivilgesellschaftlichen Kräfte bedarf. Dabei kommt dem Potential der MigrantInnenorganisationen eine besondere Bedeutung zu. Das WIK-Verbindunsgbüro versteht sich als:

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• • • •

Einrichtung zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen MigrantInnenorganisationen selbst und zwischen MigrantInnenorganisationen und anderen Institutionen; Kontaktstelle zur Stadt Wien, zu anderen NGOs und Regierungsorganisationen; Meinungsbildendes Forum der MigrantInnenorganisationen; Netzwerk und Beratungsstelle der NGOs im Migrations- und Integrationsbereich.

Die Aktivitäten des WIK-VB sind auf drei Säulen aufgebaut: 1 2 3

Vernetzung der Vereine und Communities; Hilfestellung und Vertretung der Interessen von MigrantInnen; Medienarbeit und Bewusstseinsveränderung.

Kernorientierungen der Integrationskonferenz liegen somit auf der zunehmenden Selbstorganisation der Wiener Zuwanderungsbevölkerung sowie der Bewusstseinsbildung in der allgemeinen Öffentlichkeit. Die Aufgabe, Kontaktstelle für die Stadt in Angelegenheiten der Migrationsbevölkerung zu sein, stellt nur eine von mehreren Funktionen der WIK dar. 4.10.3 Struktur und Arbeitsweise der WIK Die Wiener Integrationskonferenz ist als Verein konstituiert. MitgliederInnen des Vereins können alle juristischen Personen und Personengesellschaften werden, die MigrantInnen als Zielgruppe in ihrem Tätigkeitsprofil aufweisen (sowie physische Personen, die Interesse an migrationsrelevanten Themen haben). De facto ist die Integrationskonferenz zum Dachverband fast aller ethnischen Vereinigungen in Wien geworden und damit indirekt zur Interessenvertretung der wichtigsten Herkunftsgruppen. Mit inzwischen über 160 Einrichtungen als Mitgliedern ist die WIK die österreichweit größte und erste Vereinigung dieser Art. Ordentliche Generalversammlungen finden alle zwei Jahre statt; zuletzt im Oktober 2006. Die Generalversammlung („die“ Integrationskonferenz) dient einerseits der Diskussion über gemeinsame Ziele und Zukunftsperspektiven im Bereich der Migrations- und Integrationspolitik und der Situation der ImmigrantInnen in Wien. Andererseits wählt sie ein Vorstandsteam für eine zweijährige Mandatsperiode, derzeit bestehend aus insgesamt sieben Personen aus Asien, Europa und Afrika. Dieses Vorstandsteam verfügt über das Mandat, im Namen der an der WIK teilnehmenden Organisationen zu sprechen. Das operative Tagesgeschäft liegt beim Vernetzungsbüro, das mehrere MitarbeiterInnen (darunter Mitglieder des Vorstandsteams) beschäftigt.

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4.10.4 Partizipationsorientierte Aktivitäten der WIK Hauptansprechpartner des WIK-Vernetzungsbüros (WIK-VB) in Bezug auf die Wiener Integrations- und Diversitätspolitik ist naturgemäß die MA 17. Hier besteht ein regelmäßiger Meinungsaustausch über die Grundorientierungen, Ziele und Instrumente der von der Stadt gesetzten Aktivitäten. Die in diesem Rahmen stattfindenden Kontakte sind informell und ergeben sich häufig ad hoc aus einer bestimmten Problemlage heraus. Für die MA 17 stellen die Gespräche eine wichtige Quelle von Informationen über die Bedürfnisse und Interessen der Communities dar. Weitere Kontaktpunkte zwischen WIK-VB und MA 17 sind gemeinsam organisierte öffentliche Veranstaltungen (z.B. der Wiener MigrantInnentag) und die Verhandlungen über die jährliche Förderung der Stadt. Entsprechend ihrem breiten Mandat sucht das WIK-VB jedoch auch das Gespräch mit allen anderen Stellen der Stadt, die für die Zuwanderungsbevölkerung relevante Dienstleistungen erbringen. Andere Aktivitäten des WIK-VB zielen direkt oder indirekt auf die verbesserte gesellschaftliche und politische Teilhabe der WienerInnen mit Migrationshintergrund. Die „MigrantInnen & Diversitätsakademie“ bietet im Sinne von „Empowerment“ Weiterbildungskurse z.B. in den Bereichen Journalismus und Projektmanagement. In zahlreichen Presseaussendungn bzw. weiteren Aktivitäten der WIK-Medienarbeit wird zu essentiellen Themen der österreichischen Zuwanderungs- und Asylpolitik eine Stimme der MigrantInnen hörbar. Dass die Wiener Integrationskonferenz politisch wahrgenommen wird, zeigte auch ihre prominente Mitwirkung an den offiziellen Feierlichkeiten zum 50-Jahr-Jubiläum der „Gastarbeiter“-Zuwanderung im Jahr 2006. Die kontinuierliche Vernetzungsarbeit nach innen hin, d.h. unter den MigrantInnenorganisationen, trägt wesentlich zur organisatorischen Teilhabefähigkeit der Zuwanderungsbevölkerung bei. 4.10.5 Einschätzung der partizipationsorientierten Aktivitäten und ihrer Ergebnisse Information & Konsultation. Betrachtet man die Wiener Integrationskonferenz als ein Instrument zur Mitwirkung an der Formulierung bzw. Umsetzung von konkreten politischen Strategien und Maßnahmen, so ist sie auf der Stufenleiter der Partizipation (vgl. S. 15) eindeutig auf den unteren Stufen angesiedelt. Die zwar regelmäßigen und institutionalisierten, aber nach wie vor informellen Kontakte zwischen Stadt und WIK-VB dienen in erster Linie der gegenseitigen Information und Konsultation. Als Deliberation ohne Verpflichtungscharakter für die Stadt sind sie noch weit davon entfernt, einen Mechanismus für die gemeinsame Problemlösung oder gar Mitentscheidung darzustellen. Diese Einschätzung ist allerdings vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass in Wien die Selbstorganisation der Migrationsbevölkerung auf gesamtstädtischer Ebene noch in den

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Anfängen steckt. Aus Sicht der Stadt ist die geförderte WIK genau jenes Instrument, das diese politische Emanzipation erleichtern soll und Grundlagen für eine kontinuierliche Kommunikation und Politikentwicklung schaffen kann. Die entstehende „Konsultationskultur“ zwischen Stadt und den MigrantInnenverbänden ist somit als erster Schritt in einem Prozess der Vertrauensbildung zu verstehen, der eines Tages in eine echte „Beteiligungskultur“ münden kann. Auch muss gesehen werden, dass die WIK ihr Mandat bei weitem nicht nur gegenüber der Stadt, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit und dem Bund wahrnimmt. Eine der Stärken der WIK ist schließlich ihre umfassende Mitgliedschaft: alle wichtigen Communities sind in ihr vertreten und aufgrund dieser Repräsentativität kann sie als funktionierende Dachorganisation gelten. Perspektive. Fest steht, dass die Einbindung der Zuwanderungsbevölkerung in den politischen Entscheidungsprozeß eine zunehmende Bedeutung für Wien haben wird. Mit einem Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund zwischen 25 und 30% kommt die Stadt nicht um die Tatsache umhin, dass MigrantInnen spezifische Bedürfnisse und Interessen in praktisch allen Aktivitätsfeldern des Magistrats bzw. der stadtnahen Einrichtungen haben und diese auch artikuliert werden. Dies gilt umso mehr, als reguläre repräsentativ-demokratische Beteiligungsformen bei einem Bevölkerungssegment nicht greifen, das zu einem Großteil nicht über die Staatsbürgerschaft und damit auch (noch) nicht über das Wahlrecht verfügt. Auch stellt die Herstellung einer Verbindung zwischen BürgerInnen und ihrem Gemeinwesen im Sinne einer gemeinsamen – politische Teilhabe überhaupt erst ermöglichenden – Identität bei der Zuwanderungsbevölkerung eine besondere Herausforderung dar. Um die Anschlussfähigkeit an die gesellschaftlich-demographische Entwicklung der Stadt nicht zu verlieren, sind innovative Strategien zur Erhöhung der Partizipationsmöglichkeiten der EinwanderInnen künftig unabdingbar. Perspektivisch wären daher auch für Wien Beteiligungsformen für die Migrationsbevölkerung anzustreben, die eine echte Einflussnahme der von Maßnahmen betroffenen Bevölkerung auf kommunale Entscheidungsprozesse ermöglichen und die zur interkulturellen Qualität des städtischen Dienstleitungsangebots beitragen können. Eine Partizipationsstruktur zwischen der Stadt und der von ihrer Politik betroffenen Zuwanderungsbevölkerung muss – will sie erfolgreich sein – drei Voraussetzungen erfüllen: • •

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Frühzeitige Einbindung in Entscheidungsprozesse, um die tatsächliche Berücksichtigung von Interessen der EinwohnerInnenschaft mit Migrationshintergrund zu ermöglichen; Eine themenzentrierte Herangehensweise, welche die Artikulation aller von einer Sachfrage berührten Interessen in der Zuwanderungsbevölkerung, insbesondere von Frauen, Jugendlichen und ImmigrantInnen der zweiten Generation ermöglicht (z.B. in den Themenfeldern Gesundheit, Schule, Älterwerden,...). Dies setzt jedoch voraus, dass auf der

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Seite der Zuwanderungsbevölkerung fachliche Expertise besteht, die für eine Beteiligungsstruktur mobilisiert werden kann; Tatsächliche Unabhängigkeit der Struktur von der kommunalen Administration und Politik, bei gleichzeitiger rechtlich-finanzieller Absicherung des Systems.

Um eine solche Partizipationsstruktur zu erreichen, müssen jedoch einige Grundsätze befolgt bzw. „Fallen“ vermieden werden: Als nicht funktional können alle Modelle gelten, die im Sinne von „Ausländerbeiräten“ als „Ersatzgemeinderäte“ für die von der regulären politischen Partizipation ausgeschlossenen ausländischen Bevölkerung herhalten müssen. Ebenfalls als wenig angemessen haben sich Konsultationsgremien erwiesen, die nach ethnischen Ordnungsprinzipien direkt von den verschiedenen Herkunftsgruppen beschickt werden. Internationale Erfahrungen mit solchen Modellen bestanden darin, dass sie sich zur Plattform einiger weniger „community leaders“ entwickeln, welche die Interessen älterer, männlicher Zuwanderer der ersten Generation allzu sehr in den Vordergrund stellen. Als erfolgreich haben sich im internationalen Vergleich (v.a. Niederlande, Großbritannien, Kanada) dagegen Modelle erwiesen, die derartige Erfahrungen berücksichtigen. Sie arbeiten als „Stakeholder-Beiräte“ alle themenzentriert, haben eine multikulturelle Zusammensetzung, die auch nach Geschlecht und Alter repräsentativ für die Zuwanderungsbevölkerung ist, und bestehen aus Fachleuten für die jeweiligen Handlungsfelder (z.B. ÄrztInnen mit Migrationshintergrund in einem interkulturellen Gesundheitsbeirat). Die Verantwortung gegenüber den MigrantInnenverbänden ist höchstens indirekt, im Zentrum steht die Legitimation durch inhaltliche Expertise. Vor allem aber werden diese Gremien von Anfang an in kommunale Entscheidungsprozesse mit einbezogen und ihre Vorschläge – weil kompetent – meist berücksichtigt. Die Wiener Integrationskonferenz bietet einen guten Ausgangspunkt für eine mittel- bis langfristige Entwicklung in diese Richtung, da sie aufgrund ihrer inneren Struktur für alle Herkunftsgruppen sprechen kann und eine genuine Selbstorganisation der Zuwanderungsbevölkerung darstellt.

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Zusammenfassung: Auf dem Weg zu einer interaktiven Politikgestaltung? Leitsätze und Empfehlungen für Wien Die Analyse von zehn Wiener Partizipationsverfahren der letzten Jahre unterstützt die eingangs (Abschnitt 2) angeführten Argumente für einen gezielten Einsatz von Beteiligungsverfahren in städtischen Planungs- und Entscheidungsfindungsprozessen: •





Beteiligung schafft Legitimation –einerseits über die aktive Einbeziehung der Betroffenen bzw. ihrer RepräsentantInnen, andererseits durch die Gestaltung des Verfahrens als informativer/konsultativer Prozess. Interessens- und Zielkonflikte können frühzeitig erkannt und – im Idealfall – konsual gelöst werden (vgl. Flughafen-Mediation). Auf diese Weise legitimierte Entscheidungen erzielen eine höhere und nachhaltigere Akzeptanz bei den BürgerInnen – selbst bei jenen, die ihre Anliegen im Rahmen des Beteiligungsverfahrens nicht vollständig durchsetzen konnten (vgl. Masterplan Verkehr, Kabelwerk etc.) Beteiligung optimiert Lösungen: Beteiligung ist nicht nur „Selbstzweck“ als Mittel zur Legitimation und Schaffung von Akzeptanz. Die Einbeziehung von BürgerInnen in Planungsund Gestaltungsprozesse ermöglicht es, die Entscheidungen an den konkreten Bedürfnissen und Wünschen der lokalen „NutzerInnen“ zu orientieren. Die Nutzung des Alltagswissens der BürgerInnen und die Vielfalt ihrer (mehr oder weniger) kreativen Lösungsvorschläge trug in mehreren der untersuchten Verfahren auch wesentlich zur Qualität der Planung bei (vgl. etwa LA-Projekt Augustinplatz). Beteiligung schafft Vertrauen: Ausnahmslos alle untersuchten Verfahren zeigen, dass die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Investoren und BürgerInnen einen stark vertrauensbildenden Effekt bei allen Beteiligten hat. Öffentliche Akteure aus Politik und Verwaltung erhalten Einblick in die tatsächlichen Interessenlagen der Betroffenen (vgl. Beteiligungsprozesse STEP/Masterplan); gleichzeitig wird den BürgerInnen ein direkter Einblick in stadtpolitische Grundsätze und Denkweisen bzw. administrative Verfahrenslogik und -abläufe gewährt (vgl. z.B. Zielfindungsprozess Sechskrügelgasse). Gegenseitiges Vertrauen wiederum stellt die Basis für alle weiterführenden Formen kooperativer Politikgestaltung (Stichwort: good governance) dar.

Neun Leitsätze für den erfolgreichen und effizienten Einsatz von Beteiligungsverfahren 1

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Partizipation ist kein Ersatz für die repräsentative Demokratie. Die repräsentative Demokratie mit ihren gewählten MandatarInnen auf Stadt- und Bezirksebene bildet aus demokratiepolitischen wie auch pragmatischen Gründen auch weiterhin das Rückgrat der kommunalpolitischen Entscheidungsfindungsprozesse: Es ermöglicht eine mittelfristig stabile Entwicklung und Implementierung von Strategien, sichert dabei die Handlungsfähigkeit der

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RepräsentantInnen und gewährleistet die ausgewogene Berücksichtigung von gesamtstädtischen Interessen (=Gemeinwohl). Partizipative Methoden stellen aus den oben erwähnten Motiven eine sinnvolle und effektive Ergänzung der repräsentativ-demokratischen Gestaltungsprozesse dar – insbesondere dann, wenn es darum geht, maßgeschneiderte Lösungen auf lokaler Ebene zu finden, potentielle Konflikte zwischen den Bedürfnissen und Interessen der Betroffenen zu entschärfen und – im Sinne der „deliberativen Demokratie“ – durch Argumentation zu konsensualen Ergebnissen zu gelangen. Empfehlung für Wien: Schnittstelle zwischen Repräsentation und Partizipation definieren Zentral ist daher beim Einsatz partizipativer Verfahren, diese bereits in der Konzeption bestmöglich in das repräsentativ-demokratische System einzubetten und die Schnittstellen exakt zu definieren. Dies betrifft nicht zuletzt die zeitliche „Taktung“ von partizipativen Elementen, wenn etwa informelle Beteiligungsverfahren in den Ablauf von formalen Flächenwidmungsverfahren so einzupassen sind, dass noch ausreichend Gestaltungs- bzw. Verhandlungsspielraum besteht. Diese Einbettung ist z.B. beim Zielfindungsprozess Sechskrügelgasse sehr gut gelungen. Dagegen resultierte beim Zielgebiet Gürtel die unzureichende Definition der Schnittstellen zum magistratsinternen Implementationsprozess in geringer Umsetzungseffizienz. 2

Beteiligung braucht politischen Willen. Informelle Beteiligungsverfahren sind (per definitionem) gesetzlich nicht vorgeschrieben und – bei allen Vorzügen – für das Funktionieren eines politischen Gemeinwesens nicht zwingend notwendig. Umgekehrt kann Partizipation letztlich nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn sie politisch gewollt wird. Wird eine offensive Nutzung von Partizipation als politisches Prinzip verankert, so stellt dies einen ersten Schritt weg von der Anlassbeteiligung in Richtung „interaktive Politikgestaltung“ bzw. „good governance“ dar (mit der etwa niederländische Städte hervorragende Erfahrungen gemacht haben – siehe Kasten). Empfehlung für Wien: Beteiligung als fixen Bestandteil der politischen Agenda behandeln Es ist Aufgabe der (Stadt-/Bezirks-)Politik, explizit zu definieren, für welche Fragen und mit welchem Verbindlichkeitsgrad (Konsultation? Mitenscheidung? etc.) Beteiligung zugelassen werden soll. Diese Kernfrage – Wann und bei welchen Fragen/Prozessen sind welche BürgerInnen mit welcher Entscheidungsmacht einzubinden – sollte nicht als Randthematik, sondern als integraler Bestandteil der politischen Agenda verstanden werden. Wird in einem Planungs- oder Entscheidungsfindungsprozess Beteiligung vorgesehen, so sollte dieser auch entsprechendes Gewicht beigemessen werden: Dies umfasst u.a. die Ausstattung mit ausreichenden (finanziellen, zeitlichen, personellen) Ressourcen; die

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Signalisierung von Wertschätzung gegenüber allen Beteiligten sowie die explizite Kommunikation, wie die Ergebnisse des Beteiligungsverfahren in die Entscheidungsfindung einfließen werden. Andernfalls verkommen Beteiligungsverfahren zu AlibiLegitimationsaktivitäten oder zur Beschäftigungstherapie – und werden als solche zumeist sehr rasch durchschaut. Statt Vertrauen entsteht Frustration und „Politikverdrossenheit“. „Interaktive Politikgestaltung“ – Partizipation als Mainstream-Prinzip von Kommunalpolitik in den Niederlanden Die aktuelle Diskussion um Partizipation und BürgerInnenbeteiligung in den Niederlanden dreht sich um die Frage, wie partizipative Elemente verstärkt Teil des regulären politischen Prozesses in Städten werden können. Es geht also nicht nur um die Frage, für welche Problemlagen BürgerInnenbeteiligung überhaupt Sinn macht und welche einzelnen Partizipationsinstrumente jeweils geeignet sind. Viel grundsätzlicher geht es darum, wie durch einen „interaktiven“ Prozess Politik so formuliert werden kann, dass die lokale Demokratie als solche mit Hinblick auf Akzeptanz, Lösungsfähigkeit und Effektivität eine neue Qualität erreicht. Der Anspruch dieser strategischen Herangehensweise liegt darin, dass grundsätzlich alle kommunalen Politikbereiche für Elemente partizipativer Politikgestaltung in Frage kommen – auch und gerade unter den Rahmenbedingungen einer repräsentativen, von Parteien getragenen Demokratie. In diesem Zusammenhang ist häufig von einer „dritten Generation“ der BürgerInnenbeteiligung die Rede: auf die klassische Mitbestimmung, die auf rechtlich-formalen Einspruchsrechten basierte („1. Generation“) und Formen, bei denen die öffentliche Hand BürgerInnen zur Beratung quasi einlädt („2. Generation“) folgt nun die Partizipation zur genuin gemeinsamen Beschlussfassung. Zwei Kernkriterien müssen erfüllt sein, damit „interaktive Politikgestaltung“ als erfolgreich gilt: Erstens müssen die BürgerInnen bzw. weitere Stakeholder zu einem so frühen Zeitpunkt eingebunden werden, dass sie in Vorbereitungs-, Konkretisierungs-, Umsetzungs- und Evaluierungsphase gleichermaßen eingebunden sind. Zweitens muss an jedem dieser Punkte eine reale Möglichkeit bestehen, Einfluss auf die Ergebnisse des Prozesses auszuüben. Die Motivation, diese Prinzipien auf eine möglichst große Zahl kommunaler Politikfelder auszuweiten (mainstreaming), ist eine mehrfache: •



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Anschlussfähigkeit. Stadtgesellschaften und ihre Interessenlagen werden immer vielfältiger, komplexer und dynamischer. Durch partizipative Politikgestaltung verlieren Politik und Verwaltung zwar direkte, top-down orientierte Steuerungsmöglichkeiten, gewinnen jedoch an Fähigkeit, auf Veränderungen in der Stadtgesellschaft und neue Bedürfnislagen zu reagieren („Responsivität“). Höhere Ansprüche erfüllen können. Die Ansprüche, die mündige BürgerInnen und alle anderen gesellschaftlichen/wirtschaftlichen Stakeholder an die Qualität des Zusammenlebens

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in der Stadt und die Effektivität der städtischen Politiken stellen, werden immer höher. Interaktive Politikgestaltung eröffnet eine Möglichkeit, die Adressaten der Kommunalpolitik stärker in die Formulierung der sie betreffenden Maßnahmen einzubinden und deren Treffsicherheit zu erhöhen. Legitimität durch demokratische Rückbindung. Politische Entscheidungsprozesse werden in modernen Gesellschaften immer technokratischer, Expertise-lastiger und undurchschaubarer. Die Rückkoppelung von möglichst vielen Entscheidungsprozessen an partizipative Modelle erhöht die Legitimität des demokratischen politischen Systems insgesamt.

Am Beispiel Dordrecht Dordrecht ist eine der holländischen Städte, die sich der möglichst weitgehenden Bürgerbeteiligung im Rahmen einer „interaktiven Politikgestaltung“ verpflichtet fühlen. Auf strategischer Ebene besteht seit 2002 mit der „Dordtse Aanpak“ („Dordrechter Herangehensweise“) ein von Gemeinderat und Stadtregierung beschlossenes politisches Grundlagendokument. Dieses Regularium für beteiligungsorientierte Politikformulierung richtet sich an alle Politikbereiche und stellt klare Kriterien auf, wann und wie Partizipationsprozesse sinnvoll sind. Die Leitlinien betreffen sowohl die politisch-administrative Anbindung des Prozesses als auch adäquate Umsetzungsstrategien, inklusive einer verbindlichen Begründung für (oder gegen) einen Beteiligungsprozess sowie die Entwicklung von Kommunikationsplänen. Die aktive Stimulierung einer neuen Kultur im Umgang mit Partizipationsprozessen schlägt sich auch in Lehrgängen für die Verwaltung zur richtigen Handhabung der Leitlinien sowie eine professionelle und ergebnisorientierte Prozessgestaltung nieder. Die „Dordtse Aanpak“ wurde 2004 durch die „Dordtrechter Dynamik“ ergänzt, ein vom Gemeinderat beschlossenes Repertoire von direkten Beteiligungsformen, um in konkreten Themenfeldern den Dialog mit den BürgerInnen führen zu können. In diesem Zusammenhang entstand auch der „Partizipationswegweiser“, ein einfach zu bedienendes Internet-Tool, um für ein bestimmtes Problemfeld die jeweils geeignete Form der BürgerInnenbeteiligung bestimmen zu können (www.participatiewijzer.nl). Eine von der Stadt 2006 in Auftrag gegebene Evaluierung der bisherigen Ergebnisse der interaktiven Politikgestaltung zeichnete ein Bild, bei dem das Glas sowohl als halb voll als auch als halb leer gesehen werden kann. Vor allem machte sie deutlich, dass das Ideal einer interaktiv gestalteten Stadtpolitik nur durch einen langwierigen Veränderungs- und Lernprozess erreicht werden kann. Auf der Erfolgseite konnten 2003 bis 2005 insgesamt 74 Entscheidungsprozesse verbucht werden, die für informelle und formelle Mitspracheverfahren geöffnet wurden; in 36 Dossiers

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kam es tatsächlich zu Beiträgen von BürgerInnen und anderen Akteuren. Insgesamt wurden 628 individuelle oder institutionelle Akteure gezählt, die in 538 Stellungnahmen auf Pläne und Vorschläge der Stadtregierung reagierten (in einer Stadt mit 120.000 EinwohnerInnen). Größere Beteiligungsprozesse umfassten die Aufwertung eines Stadtteils, die Planungen für ein Kulturquartier sowie einen stadtweiten Dialog zur Integrationsthematik. Auf der Sollseite stehen auch in Dordrecht Probleme, die für lokale Partizipationsprozesse typisch sind: Politik und Verwaltung sind die „Gatekeeper“ bei der Frage, welche Thematik frühzeitig für Beteiligung geöffnet wird, die tatsächliche Umsetzung der bestehenden Richtlinien ist oft rein personenabhängig; Entscheidungsprozesse werden z.T. zu spät für eine effektive Mitbestimmung geöffnet; die aktiven BürgerInnen sind nicht völlig repräsentativ für die Stadtgesellschaft (zu männlich, zu „mittelalterlich“, zu weiß); unter den interaktiv gestalteten Dossiers besteht ein Übergewicht von Planung & Wohnen; auf der Ebene strategischer Beschlüsse der Stadtregierung kann nur bei einem Viertel der Stellungnahmen ein tatsächlicher Einfluss auf die Entscheidung nachgewiesen werden. Doch auch vor dem Hintergrund dieser Defizite wird deutlich, welchen Wert die hochrangig angesiedelte und bereichsübergreifende Herangehensweise zur interaktiven Politikgestaltung hat: Die Stadt verfügt über eine klare Zielsetzung und ein Instrumentarium, um das strategische Ziel verstärkter Partizipation kontinuierlich verfolgen zu können. Daraus folgt auch, dass Erfolge und Misserfolge präzise evaluiert und weitere Verbesserungsmaßnahmen gesetzt werden können.

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Beteiligung braucht Gestaltungsspielraum. Zentrales Erfolgskriterium jedes Beteiligungsprozesses ist der Zeitpunkt der Initiierung. Wird Partizipation zu einem Zeitpunkt ermöglicht, wo noch Gestaltungsspielraum vorhanden ist, kann dies wesentlich zur Qualität der Lösungen beitragen. Statt festgefahrene Konflikte langwierig zu entflechten, kann von Beginn an konsensorientiert gearbeitet werden. Empfehlung für Wien: Beteiligung proaktiv einsetzen (top-down) Voraussetzung ist, dass Beteiligungsverfahren nicht erst reaktiv (auf Druck von BürgerInneninitiativen) bemüht werden, sondern von Politik und Verwaltung proaktiv als offensives Instrument eingesetzt werden. Als positive Fallbeispiele können hier etwa der Kooperative Planungsprozess Kabelwerk, der Beteiligungsprozess zur Aufwertung des Brunnenviertels oder die Flughafen-Mediation genannt werden, die trotz schwieriger Ausgangslage zu einer hohen Akzeptanz der Ergebnisses führten; im Fall der Volksgarage Bacherpark wurde dagegen das „Mediationsverfahren“ erst zu einem Zeitpunkt initiiert, an

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dem kein ernsthafter Gestaltungs- bzw. Verhandlungsspielraum mehr vorhanden war und sich die Fronten bereits bis zur beiderseitigen Handlungsunfähigkeit verhärtet hatten.

Mitgestaltung Konflikprävention Proaktive Ebene

Erweiterung des Handlungsspielraums

Öffentlicher Druck

Ex-post Legitimation Reaktive Ebene

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Konfliktlösung

Partizipation braucht Handlungsfreiheit. Umgekehrt muss – wird Partizipation ernst gemeint – auch für bottom-up-Prozesse Spielraum sein. Beteiligung „von unten“ ist nicht nur ein Zugeständnis an (über-)engagierte BürgerInnen. Werden Bottom-up-Initiativen zugelassen (ohne sie zu vereinnahmen), so führt dies mittelfristig zu neuem Rollenbewusstsein der BürgerInnen – zurück vom fordernden Klienten einer „ServiceDemokratie“ zum verantwortungsbewussten „Souverän“ im ursprünglichen Sinn. Beteiligungsinitiativen ernst zu nehmen bedeutet in der Praxis aber auch, originäre Bedürfnisse der Bevölkerung wahrzunehmen und aus dem Alltagswissen der Beteiligten generierte Lösungsvorschläge zu honorieren. Empfehlung für Wien: Beteiligung zulassen (bottom-up) & „Haltung“ bewahren Die Herausforderung für Stadtpolitik und Verwaltung bei bottom-up-Prozessen besteht darin, Beteiligungsinitiativen der BürgerInnen zuzulassen und ihnen ausreichenden Spielraum einzuräumen – auch ohne das Ergebnis zu kennen. So kann etwa die Lokale Agenda 21 (wie sich gezeigt hat) ihr kreatives Potential nur dann ernsthaft entfalten, wenn sie – trotz öffentlicher Finanzierung – über eine gewisse inhaltliche Autonomie verfügt, wenn die BürgerInnen in höherem Maß als bisher über ihr Betätigungsfeld (also die Gründung/Zulassung von Agendagruppen) und die Spielregeln der Beteiligung mitentscheiden können. Entscheidend ist dabei aber, dass die Stadt-/Bezirkspolitik gleichzeitig

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in den bottom-up-Beteiligungsprozessen ihre repräsentativ-demokratische Verantwortung wahrnimmt. Diese besteht darin, „Haltung(en)“ zu bewahren, d.h. gesamtstädtische Interessen und grundlegende (z.B. sozial-, integrations- oder gleichstellungspolitische) Prinzipien inhaltlich zu vertreten. 5

Beteiligung heißt nicht zwingend Mitentscheidung, auch wenn der Begriff im Alltagssprachgebrauch oft so konnotiert ist. Visionäre, in die Zukunft gerichtete Politik braucht gelegentlich mutige Entscheidungen, die nicht bereits in der Konzeptionsphase durch die zwanghafte Suche nach Akzeptanz verwässert werden. Umgekehrt kann bei vielen Entscheidungsprozessen, wo eine Mitbestimmung nicht vorgesehen ist, die rechtzeitige Information der BürgerInnen – als erste Stufe der Beteiligung – bereits zur Konfliktprävention und Akzeptanz von Entscheidungen beitragen. Vielfach kann es für die Qualität von Planungs- bzw. Gestaltungsprozessen auch förderlich sein, ausschließlich unverbindliche Konsultationsprozesse zu initiieren, um eine große Bandbreite an Wahrnehmungen einzuholen und Nutzen aus dem Alltagswissen der BürgerInnen zu ziehen. Die neue Stadtbaudirektorin von Berlin, Regula Lüscher-Gmür, spricht von „Echoräumen“, in die die Stadt mit Ideen, Konzepten oder Entwürfen „hineinruft“, um Feedback einzuholen und – gegebenenfalls – einzuarbeiten. Empfehlung für Wien: Bandbreite der Beteiligung ausschöpfen & Grad der Verbindlichkeit offen kommunizieren Die skizzierten Beteiligungsformen (siehe auch Abschnitt 3) eröffnen für Stadt-/Bezirkspolitik und Verwaltung ein breites Instrumentarium, das – je nach politischer Zielsetzung – vielfältig einsetzbar ist. Zentraler Erfolgsfaktor für Partizipationsprozesse ist es jedoch, dass die vorgesehene Stufe der Beteiligung, der Grad der Verbindlichkeit und der Umgang mit den Ergebnissen von Beginn an definiert ist, konsequent in die methodische Konzeption des Verfahrens einfließt und explizit an die beteiligten BürgerInnen kommuniziert wird, damit keine überzogenen Erwartungshaltungen entstehen. Der Zielfindungsprozess Sechskrügelgasse oder das im Rahmen der STEP-05-Entwicklung angewandte Beteiligungsverfahren machen deutlich, dass auch Verfahren mit limitierter Verbindlichkeit zu positiven Ergebnissen, hoher Akzeptanz/Legitimation und gegenseitiger Vertrauensbildung beitragen können, wenn die vorgesehene „Stufe der Beteiligung“ von Beginn an offengelegt wird.

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Beteiligung macht das Zusammenspiel von Akteuren komplizierter – und fruchtbarer. Die internationale Diskussion von Verwaltungsreform, „New Public Management“ und „Good Governance“ hat in den letzten Jahren (bzw. Jahrzehnten) in vielen Städten – so auch in Wien – ihren Niederschlag gefunden. Leistungen der Daseinsvorsorge werden bereits vielfach im Rahmen von Public Private Partnerships abgewickelt, öffentliche (Planungs-)Projekte sind zunehmend Resultate von Aushandlungsprozessen zwischen Politik, Verwaltung und privaten Investoren. Zwischen diesen drei Akteursgruppen ist ein verhältnismäßig stabiles Beziehungsdreieck mit präzisen (mehr oder weniger öffentlichen) Spielregeln entstanden. Der parallel ablaufende gesellschaftliche Emanzipationsprozess bringt nun vermehrt einen vierten Player ins Spiel: die BürgerInnen. Aus dem stabilen Dreieck wird ein Viereck, das – angesichts der Vielgestaltigkeit der BürgerInneninteressen – eher als instabiles Parallelogramm zu beschreiben ist, als als Quadrat.

Politik Politik Investoren

Verwaltung

Verwaltung

Investoren BürgerInnen

Das Engagement und die Energie, die im Rahmen von BürgerInneninitiativen und Beteiligungsverfahren frei werden, machen aber das enorme Potential dieses vierten Players deutlich. Empfehlung für Wien: Allianzen bilden & Potentiale der Akteure stärker nutzen Das kreative Potential der BürgerInnen ist in Wien in den letzten Jahren z.B. im Rahmen von LA-21-Prozessen vor allem auf der „Mikroebene“ deutlich geworden. Große Stadtentwicklungsprojekte, wie sie in den STEP-05-Zielgebieten angepeilt werden, könnten sich dieses Potential zunutze machen, indem sie in einer breiten Allianz von Politik,

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Verwaltung (bzw. PlanerInnen), privaten Investoren und BürgerInnen entwickelt werden, um gemeinsam kreative Visionen der Stadt zu kreieren. Um dieses Ziel zu erreichen müsste einerseits die „democratic sphere“, also der Einflussbereich von BürgerInnen gezielt erweitert werden: Die öffentliche Diskussion und Beteiligung wäre sukzessive von punktuellen oft kleinräumigen Anlassfällen auf stadt(teil)strategische Fragen auszudehnen. Beteiligung meint dabei nicht nur, dass BürgerInnen gegenüber Politik und Verwaltung ihre Vorbehalte gegen Projekte vorbringen dürfen, sondern insbesondere Verfahren, die eine produktive Diskussion und Bearbeitung durch die BürgerInnen selbst ermöglicht. Gleichzeitig wäre auch mit den privaten Investoren eine klarer definierte Rollenverteilung etwa bei der Informations- und Kommunikationspolitik im Interesse der Öffentlichkeit und im Zusammenspiel mit der öffentlichen Hand auszuhandeln (vgl. Fallbeispiel Aufwertung Brunnenviertel). 7

Beteiligung braucht Struktur. Wien hat inzwischen eine lange Tradition bei der Konzeption und Umsetzung von Beteiligungsverfahren. Die bisher durchgeführten Verfahren hatten aber meist experimentellen und in der Regel punktuellen Charakter: Für unterschiedliche Anlassfälle wurden Methoden entwickelt und erprobt. Wird Partizipation zunehmend als ein integraler Bestandteil der politischen Agenda verstanden (siehe oben), dann ist als nächste Etappe eine stärkere Strukturierung der Beteiligung vorzusehen. Empfehlung für Wien: Verfahren evaluieren & Kompetenzen bündeln Für einen künftig strukturierteren (nicht standardisierten!) Einsatz von partizipativen Methoden wären zunächst in einer systematischen Reflexion und Evaluation die Charakteristika, Stärken und Schwächen sowie Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren der bisherigen Verfahren zu erfassen und in einer „Stabsstelle BürgerInnenbeteiligung“ zu bündeln. Aufgabe dieser zentralen Kompetenzstelle, die innerhalb des Magistrats (u.U. mit externer Unterstützung) anzusiedeln wäre, wäre es zunächst, auf Basis der Evaluationsergebnisse eine Standardisierung von Anlassfällen (etwa Ideenfindungsprozesse bei der Strategie-/Leitbildentwicklung, Zielfindungsprozesse bei der Grätzelentwicklung etc.) vorzunehmen, für die partizipative Verfahren nahegelegt werden. Für den jeweiligen Einzelfall würde die Stabsstelle Beratung bei der Entwicklung maßgeschneiderter Beteiligungsmethoden anbieten.

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Partizipation braucht Innovation. International gelangt eine Reihe von Beteiligungsmethoden zur Anwendung, die in Wien bisher nicht erprobt wurden. Als besonders erfolgreich erwiesen sich vor allem Verfahren, die (wie auch die Mediation) im Bereich von Privatwirtschaft/-recht entwickelt und später für

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kommunalpolitische Anlassfälle adaptiert wurden. So wurde etwa die Konsensuskonferenz in den USA zur Reduktion von Kosten im Gesundheitssystem verwendet; in Dänemark organisiert die Behörde für Technikfolgenabschätzung inzwischen seit 1987 sehr erfolgreich Konsensuskonferenzen zu Themen wie intelligenten Verkehrslösungen, Lärmbelastung u.ä. Empfehlung für Wien: Internationale Erfahrungen gezielt nutzen Im Rahmen eines regelmäßigen Screenings der internationalen Beteiligungspraxis wäre sukzessive ein Stock von innovativen Methoden anzulegen, die sich als effektiv und effizient herausgestellt haben. Von den in dieser Studie skizzierten Methoden (siehe Beschreibungen und weiterführende links in Abschnitt 3) könnten vor allem Erfahrungen mit der Zukunftskonferenz und Zukunftswerkstatt oder der in den USA und den Niederlanden mit Erfolg betriebenen Anwaltsplanung in Wien stärker als bisher genutzt werden 9

Beteiligung braucht Öffentlichkeit. Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Beteiligungsverfahren ist eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit – von der ersten Bekanntmachung bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse. Öffentliche Information ist die Voraussetzung für Transparenz, faire Beteiligungschancen und breite Mitwirkung. In dem Maß, in dem gerade Printmedien verstärkt auf eine ausdifferenzierte Lokalberichterstattung setzen, um sich gegenüber Medien mit Aktualitätsvorsprung wie dem Fernsehen oder Internet zu positionieren, werden sie auch zu potentiellen Partnern der öffentlichen Hand für eine professionelle, regelmäßige Berichterstattung über lokale Beteiligungsprozesse. Empfehlung für Wien: Medienpartnerschaften initiieren & „neue Medien“ nutzen Verfahren wie der (in dieser Studie nicht im Detail analysierte) Partizipationsprozess St. Bartholomäus-Platz im Rahmen des Leitprojekts „Umgestaltung und Aufwertung des Zentralraums Hernals“ zeigen, welchen mobilisierenden Effekt eine mediale Berichterstattung (in diesem Fall durch die Kronenzeitung) haben kann – wenn sie kontinuierlich, ausgewogen („deliberativ“ statt „akklamativ“) und in enger Kooperation mit der Prozesssteuerung erfolgt. In diesem Sinn könnten künftig verstärkt Partnerschaften zwischen der Stadt (Presse- und Informationsdienst) und Medien lanciert werden. Was den Einsatz der „neuen Medien“ und insbesondere des Internet als Informations- und Konsultationsplattform betrifft, so zeigt sich, dass Weblogs relativ rasch an Attraktivität verlieren, wenn sie nicht professionell und kontinuierlich betreut werden – was wiederum sehr zeit- und kostenintensiv ist. Hier empfiehlt sich ein sehr sparsamer und gezielter Einsatz von redigierten Internetforen bei Anlassfällen von entsprechender gesamtstädtischer Bedeutung. Dabei wäre durch ein professionelles Redaktionssystem zu gewährleisten, dass einerseits explizit nur qualitativ hochwertige Beiträge aufgenommen und diese andererseits rasch und kompetent kommentiert/beantwortet werden.

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Checkliste: Planung, Vorbereitung und Durchführung von Beteiligungsverfahren

6.1

Planung und Vorbereitung von Beteiligungsverfahren Zieldefinition Festlegung von Zielen und erwarteten Ergebnissen des Beteiligungsverfahrens Abschätzung von Chancen und Risiken des Beteiligungsverfahrens Definition des vorhandenen Gestaltungsspielraums sowie der angestrebten Verbindlichkeit des Verfahrens: Information – Konsultation – (Mit-)Entscheidung – Selbstverwaltung Rahmenbedingungen & Ressourcen Klärung, ob eine formale Form der BürgerInnenbeteiligung (z.B. UVP) vorgeschrieben ist; gegebenenfalls Klärung der Schnittstelle zwischen formalem Prozess und etwaigen zusätzlichen informellen Beteiligungsformen Klärung vorhandener zeitlicher und finanzieller Ressourcen Akteure Definition der einzubindenden Personengruppen („Betroffene“) Definition der Rollen der einzelnen Player (Politik, Verwaltung, Unternehmen/ Projektwerber, Bevölkerung, Medien...) Sicherstellung der Unterstützung des Beteiligungsverfahrens durch Politik (Stadt/Bezirk) und Verwaltung Prozessdesign Festlegung von Methode und Design des Beteiligungsverfahrens – anhängig von definierten Zielen, Zahl/Vielfalt der einzubindenden Personengruppen etc. Definition des Zeitpunkts der BürgerInnenbeteiligung im Planungs-/Politikfindungsprozess, Abschätzung und großzügige Einplanung zeitlicher Ressourcen (detaillierter Zeitplan) Sicherstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen Klärung der inhaltlichen/organisatorischen Prozesssteuerung; evtl. Beauftragung von externen allparteilichen ModeratorInnen, MediatorInnen, ProzessbegleiterInnen etc.)

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Vorbereitung des Verfahrens Umfassende Einladung und Information aller einzubindenden Akteure/ Bevölkerungsgruppen; (besondere Berücksichtigung schwer erreichbarer, nicht mobiler Gruppen) Evtl. Bilaterale Vorgespräche mit einzelnen Akteuren zu Rollenverständnis, Chancen und Grenzen des Beteiligungsprozesses Organisatorische Vorbereitung (Räumlichkeiten, benötigte technische Ausstattung, Unterlagen für Beteiligte etc.) Öffentlichkeitsarbeit Konzeption einer kontinuierlichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Ziele (Mobilisierung, Information der Betroffenen, öffentliche Berichterstattung) und Zielgruppen Konzeption einer kontinuierlichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Methoden aktives Informationsangebot: Postwurfsendungen, Newsletter, Inserate etc. passives Informationsangebot: Informationsstände/Ausstellung, Aushänge, Infotelefon etc. Klärung der Zuständigkeit für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Sicherstellung der finanziellen Ressourcen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

6.2

Durchführung von Beteiligungsverfahren Beteiligung & Spielregeln Klärung, ob alle einzubindenden „Betroffenen“ in ausgewogener Form beteiligt bzw. repräsentiert sind Sicherstellung von personeller Kontinuität Information aller Beteiligten über Gestaltungsspielraum und Verbindlichkeit des Verfahrens; Information, was im Anschluss an das Verfahren mit den Ergebnissen geschieht. Information aller Beteiligten über (bzw. gemeinsame Definition von) Rollenverteilung und Spielregeln des Verfahrens (Kommunikationsstil, Art der Entscheidungsfindung etc.); Rechte und Pflichten der Beteiligten etc. Information aller Beteiligten über vorgesehene Methode, vorhandene zeitliche und finanzielle Ressourcen (Information über allfällige Aufwandsentschädigungen, Offenlegung der Finanzierung des Verfahrens etc.)

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Informationsflüsse Ausreichende Erhebung und rechtzeitige Verfügbarmachung relevanter Informationen (z.B. Ergebnisse von Machbarkeitsstudien oder Bedarfserhebungen, bereits vorliegende Planungen etc.) für alle Beteiligten „Übersetzung“ von Fachinformationen (Pläne, Statistiken etc.) in allgemein verständliche Form Bei Bedarf Einholung von ergänzenden Expertisen Regelmäßige Weitergabe von (Zwischen-)Ergebnissen des Verfahrens an die Gesamtheit der Betroffenen („Rückbindung“) Umfassende und nachvollziehbare Dokumentation des Beteiligungsverfahrens Öffentlichkeitsarbeit Gemeinsame Festlegung von Spielregeln für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Inhaltliche und zeitliche Abstimmung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit allen Beteiligten Laufende Abstimmung von vertraulichen & öffentlichen Inhalten des Beteiligungsprozesses Abschluss und Ergebnisse Sicherstellung der größtmöglichen Akzeptanz der Ergebnisse durch alle Beteiligten Idealerweise gemeinsame Präsentation der Ergebnisse durch RepräsentantInnen der unterschiedlichen involvierten Parteien Information über den Fortgang der Umsetzung der Ergebnisse; gegebenenfalls Einrichtung eines Monitoringsystems für die Ergebnisimplementation

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Checkliste II: Erfolgsfaktoren für Beteiligungsverfahren Frühzeitige Initiierung des Beteiligungsverfahrens, solange ausreichend Handlungsspielraum vorhanden ist Einbettung und Abstimmung mit dem formalen kommunalen Entscheidungssystem und – fahrplan Klare Zielsetzung in Bezug Verbindlichkeit des Verfahrens, Art und Verwendung des Outputs Transparentes Grundkonzept und maßgeschneiderte Methode – abhängig von Problemlage, Maßstabsebene und definierter Zielsetzung Überschaubarer Zeitrahmen für Verfahren und Umsetzung; Zwischenziele definieren Sicherstellung von ausreichenden personellen, zeitlichen, finanziellen Ressourcen Breite Ankündigung Sicherstellung von größtmöglicher Repräsentanz: Vermeidung von sozialer Selektivität bzw. Dominanz organisierter Interessen; aktive Mobilisierung schwer erreichbarer Gruppen Sicherstellung von Rückbindungsmethoden während des Verfahrens Freiwilligkeit Von Beginn an transparente Informationspolitik gegenüber Beteiligten in Bezug auf Intentionen, Verfahrensablauf, Verbindlichkeit der Ergebnisse, Rolle (Rechte & Pflichten) der einzelnen Akteure Konsensuale Vereinbarung von Verfahrensspielregeln bzw. Prinzipien der Kommunikation Ergebnisoffenheit (Würdigung des Dissens/der Ambivalenz von Bewertungen: Auch kein Ergebnis ist ein Ergebnis. Transparente Informationsflüsse während des Verfahrens Verständliche Sprache: „Übersetzung“ von Studien, Statistiken, Plänen Professionelle Prozesssteuerung, Überparteilichkeit, Entkopplung von fachlicher Ebene Lösungsorientiert arbeiten (statt Schuldfragen diskutieren): „aus Problemen Projekte machen“, Korrekturschleifen einbauen Vom Konflikt zum Konsens: Interessen & Bedürfnisse hinter Positionen herausarbeiten, nachvollziehbar argumentieren, auf Standpunkte der anderen eingehen Gegenseitige Wertschätzung signalisieren

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Gemeinsam akkordierte Regeln der Öffentlichkeitsarbeit Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse sicherstellen Feedback bei Implementierung: Sichtbar machen, dass/welche Vorschläge letztendlich berücksichtigt wurden Dokumentation und Evaluation des Verfahrens

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Anhang: Gesprächspartner der Hintergrundgespräche

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Andrea Binder-Zehetner Kemal Boztepe Wolfgang Gerlich Bernd Hala Fritz Hausjell



Arnold Klotz

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Robert Lechner Helmut Hofmann Andreas Käfer Alexander Neumann

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Günther Ogris Volkmar Pamer Thomas Prader Werner Rosinak Robert Schweighofer Kurt Smetana Joe Taucher Alfred Theuermann Herta Wessely

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Verein Lokale Agenda 21 in Wien Stadt Wien, MA 17 PlanSinn – Büro für Planung und Kommunikation hala.consult Universität Wien, Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft Leopold-Franzens Universität Innsbruck ehem. Planungsdirektor Wien Österreichisches Ökologie Institut Aktion 21 – Pro Bürgerbeteiligung Trafico Verkehrsplanung Universität für Bodenkultur, Institut für Verkehrswesen Mediator (mediative solutions) SORA Institute for Social Research and Analysis Stadt Wien, MA 21 B Rechtsanwalt und Mediator Rosinak & Partner, Mediator Stadt Wien, MA 21 A Gebietsbetreuung Ottakring Verein Lokale Agenda 21 in Wien Stadt Wien, MD-BD, Garagenkoordinator Aktion 21 – Pro Bürgerbeteiligung

Literaturliste (Auswahl) •

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Ida-Elisabeth Andersen, Birgit Jæger: Danish participatory models. Scenario workshops and consensus conferences: towards more democratic decision-making, in: Science and Public Policy, 26/5, 1999, S. 331–340 Eugen Antalovsky (Hg.): Die Bürger und ihre Stadt. Direkte Demokratie in der Kommunalpolitik; Wien 1991 Seyla Benhabib: Toward a Deliberative Model of Democratic Legitimacy, in: Seyla Benhabib (Hg.): Democracy and Difference. Contesting the Boundaries of the Political; Princeton 1996 Linda Boudry et al. (Hg.): The Century of the City. City Republics and Grid Cities; Brussels 2005 Karl Werner Brand et al: Bedingungen institutioneller Stabilisierung lokaler AGENDA 21Prozesse; Bremen 2001 Friedrich Graf-Götz / Renner Institut: Modelle der BürgerInnenbeteiligung in der Gemeinde, Wien 2003 Jürgen Habermas: Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates; Frankfurt am Main 1992 Michael Häupl, Kilian Franer (Hg.): BürgerInnenbeteiligung und politische Partizipation. Konzepte zur Entwicklung der Demokratie in der Stadt; Wien 2002 Institute for Public Policy Research IPPR (Hg.): Locality matters. Making participation count in local politics, London 2006 Interact (Hg.): Kooperative Stadtentwicklung. Das Interact Handbuch. Anders denken – anders handeln; 2005 Andreas Käfer: Bürgerbeteiligung im Zielgebiet: Stadtrand in der Stadt oder gemeinsamer Stadtraum, in: Raum 64/Dezember 2006, S. 15-17; Wien 2006 Jo Kelly, Tim Grosvenor, Peter Jonses (Hg.): Successful Transport Decision-Making. A Project Management and Stakeholder Engagement Handbook; Westminster 2004 Astrid Ley, Ludwig Weitz (Hg.): Praxis Bürgerbeteiligung. Ein Methodenhandbuch; Bonn 2003 Andreas Novy, Elisabeth Hammer: Radical Innovation in the Era of Liberal Governance. The Case of Vienna, in: European Urban and Regional Studies; 2007 OECD (Hg.): Citizens as Partners. Information, Consultation and Public Participation in Policy-Making; Paris 2001 Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik und Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Hg.): Handbuch Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Zukunft gemeinsam gestalten, Wien 2005 Partners + Pröpper. Bestuurskundig onderzoek en advies: Wanneer Werkt Participatie? Een onderzoek bij de gemeenten Dordrecht en Leiden naar de effectiviteit van burgerparticipatie en inspraak, Vught 2006

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Richard Schröder: Kinder reden mit! Beteiligung an Politik, Stadtplanung und Stadtgestaltung; Weinheim/Basel 1995 Stadt Wien, MA 18 (Hg.): Planung initiativ. Bürgerbeteiligung in Wien; Wien 1994 Stadt Wien, MA 18 (Hg.): Masterplan Verkehr Wien 2003; Werkstadtbericht Nr. 67; Wien 2004 Stadt Wien, MA 21A (Hg.): Aufwertung des Brunnenviertels; Werkstadtbericht Nr. 58; Wien 2004 Stadt Wien, MA 21A/Geschäftsstelle Zielgebiet Gürtel (Hg.): Zielgebiet Gürtel: Die ersten zwei Jahre – Der Bericht; Wien 2005 Stadt Wien, MA 21B (Hg.): Kabelwerk. Entwurfsprozess als Modell. Der Stand der Dinge; Wien 2004 Vernieuwingsimpuls Dualisme en Lokale Democratie: Intercatieve beleidsvorming voor een dualistische raad; Den Haag 2004 WissenschaftszentrumWien: Charakteristika und Spannungsfelder eines Lokalen Agenda 21Prozesses; Wien 2002

Web-Links (Auswahl) • • • • • • • •

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www.partizipation.at www.nachhaltigkeit.at www.wegweiser-buergergesellschaft.de www.la21wien.at www.aktion21.at www.mobil-in-wien.at www.zwnetz.de www.participatiewijzer.nl

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