Modellbasierte prädiktive Regelung in der industriellen Praxis - Siemens

R. Dittmar, B.-M. Pfeiffer: Modellbasierte prädiktive Regelung in der industriellen Praxis at 12/2006 ponenten von .... gleich dem letzten eingestellten Wert sind,.
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Modellbasierte prädiktive Regelung in der industriellen Praxis Industrial Application of Model Predictive Control Rainer Dittmar und Bernd-Markus Pfeiffer

Modellbasierte prädiktive Regelungen (MPC) haben sich in der Prozessindustrie zur StandardTechnologie für die Lösung anspruchsvoller Mehrgrößen-Regelungsaufgaben entwickelt. Der vorliegende Beitrag erläutert Grundlagen, Anwendungseigenschaften und Ursachen für den industriellen Erfolg von MPC, gibt eine Übersicht über Aufbau und Funktionen kommerziell verfügbarer MPC-Programmsysteme und zeigt aktuelle Entwicklungstrends auf. Model Predictive Control (MPC) is widely used in the process industries to solve challenging multivariable constrained control problems. The paper explains reasons for the industrial success of MPC and describes the structure and functionalities of commercially available MPC packages. Finally, current trends of the industrial application of MPC are discussed. Schlagwörter: Prädiktive Regelung, gehobene Methoden der Prozessführung, Mehrgrößenregelung Keywords: Model predictive control, advanced process control, multivariable control

1 Einführung Mit dem Begriff ,,modellbasierte prädiktive Regelungen“1 (Model Predictive Control, kurz MPC) wird eine ganze Klasse von Regelalgorithmen bezeichnet, die sich dadurch auszeichnen, dass ein Modell für das dynamische Verhalten des Prozesses nicht nur in der Entwurfsphase, sondern explizit auch im laufenden Betrieb der Regelung benutzt wird. In der Praxis werden überwiegend lineare Prozessmodelle verwendet, die durch aktive Anlagentests und anschließende Systemidentifikation gewonnen werden. MPC-Regler mit linearen Prozessmodellen werden auch mit dem Kürzel LMPC bezeichnet. Für MPC-Regler mit nichtlinearen Modellen wird die Bezeichnung NMPC verwendet. Von frühen Vorläufern abgesehen, wurden MPC-Regelungen zuerst Mitte der 70er Jahre im Raffineriesektor und in der Petrochemie im großindustriellen Maßstab eingesetzt. Hervorzuheben sind die Entwicklungen des IDCOM(Identification/Commande)-Algorithmus durch die Fa. Adersa in Frankreich [1] und des DMC-(Dynamic Matrix Control)-Algorithmus bei Shell in den USA [2]. Diese Entwicklungen wurden in den ersten Jahren vor allem durch 1

In der deutschen Fachliteratur wird oft auf den Zusatz ,,modellbasiert“ verzichtet und einfach von ,,prädiktiven Regelungen“ gesprochen.

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in der Industrie tätige Regelungs- und Verfahrenstechniker vorangetrieben, bevor sie auch größere Aufmerksamkeit im akademischen Bereich erregten. Inzwischen hat sich die Situation gewandelt: die Zahl der Veröffentlichungen zu MPC ist stark angestiegen, und für LMPC gibt es eine ausgereifte Theorie (siehe z. B. [3] bis [5]). In deutscher Sprache liegt eine einführende Darstellung vor, die sich in erster Linie an Anwender in der Praxis wendet [6]. Zur industriellen Anwendung von MPC sind zwei ausführliche Übersichten [7] und [8] verfügbar, aus denen auch Einzelheiten zu einigen marktgängigen MPC-Programmsystemen entnommen werden können. Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der Gesamtzahl der industriellen MPC-Anwendungen in der Prozessindustrie und deren Verteilung auf unterschiedliche Branchen. Die Zahlen wurden durch Befragung der Anbieter von MPCProgrammsystemen ermittelt. In Wirklichkeit ist die Zahl der Anwendungen noch deutlich höher, weil In-HouseEntwicklungen mancher Firmen (u. a. Statoil, Borealis, RWE npower) ebenso wenig erfasst worden sind wie Speziallösungen (z. B. Profilregelungen bei Papiermaschinen oder Walzprozessen). Nicht berücksichtigt wurden auch eingebettete Lösungen, d. h. MPC-Algorithmen, die in speicherprogrammierbare Steuerungen oder prozessnahe Kom-

at – Automatisierungstechnik 54 (2006) 12 / DOI 10.1524/auto.2006.54.12.590 © Oldenbourg Wissenschaftsverlag

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ponenten von Prozessleitsystemen integriert wurden. Aus der Tabelle ist zweierlei ersichtlich: erstens beschleunigt sich das Wachstumstempo der Anwendung, zweitens werden zunehmend nicht-traditionelle Anwendungsfelder erschlossen. So ist die Zahl der Anwendungen im Bereich Raffinerie/Petrochemie von 80% im Jahr 1995 auf 59% heute gefallen. Allerdings ist auch in diesem Sektor die absolute Zahl der Anwendungen deutlich gestiegen. Der Umsatz an Software und Dienstleistungen auf dem Gebiet Tabelle 1: Zahl der MPC-Anwendungen (LMPC und NMPC) und Verteilung nach Branchen (die Zahlen für 1995 und 1999 wurden [7] bzw. [8] entnommen, die Zahlen für 2005 durch eigene Erhebung ermittelt).

Raffinerien Petrochemie Chemie Papier und Zellstoff Polymer Luft und Gas Utilities Nahrungsgüter Bergbau und Metallurgie Kraftwerke Industrieöfen Zement Andere Gesamtzahl der Anwendungen

1995 [7]

1999 [8]

2005

67,2% 13,0% 8,5% 2,0% k. A. k. A. 0,5% 0,7% k. A. 1,9% k. A. 4,2%

55,7% 15,3% 4,6% 1,9% 1,1% 1,6% 1,5% 1,0% k. A. 1,1% k. A. 16,1%

49,2% 9,9% 15,6% 3,8% 6,3% 5,9% 3,5 1,5 0,2 k.A. 1,3 2,7

2233

4635

9456

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Advanced Process Control betrug im Jahr 2005 weltweit ca. 320 Mio. Dollar, die jährliche Wachstumsrate liegt bei ungefähr 10 Prozent [9]. Daran haben MPC-Anwendungen den größten Anteil. Insgesamt kann man behaupten, dass kein anderes gehobenes Regelungsverfahren eine solche industrielle Erfolgsgeschichte aufzuweisen hat. MPC ist heute das wichtigste ,,Arbeitspferd“ für die Lösung anspruchsvoller Regelungsaufgaben in der Prozessindustrie, überwiegend bei kontinuierlich betriebenen Anlagen. Im Raffinerie- und Petrochemiebereich gehört die Anwendung von MPC inzwischen zum Stand der Technik. Im vorliegenden Aufsatz wird das Grundkonzept von MPCRegelungen zunächst kurz erläutert und in die Hierarchie der Automatisierungsfunktionen eingeordnet. Danach werden Ursachen für den industriellen Erfolg der MPCTechnologie diskutiert und der Aufbau kommerziell verfügbarer MPC-Programmsysteme beschrieben. Abschließend werden gegenwärtige Entwicklungstrends aufgezeigt. Die Darstellung konzentriert sich auf LMPC-Regler und auf den Bereich der Prozessindustrie.

2 LMPC-Grundlagen und Einordnung in der Hierarchie der Automatisierungsfunktionen LMPC-Regelalgorithmen haben folgende konstituierende Elemente gemeinsam, die hier am Beispiel eines Eingrößensystems (Bild 1) erläutert werden. Eine ausführliche

Bild 1: Zur Arbeitsweise prädiktiver Regelungen.

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gleichungsmäßige Darstellung für Mehrgrößensysteme liegt z. B. in [10] vor. Die hier verwendete Nomenklatur macht auf den ersten Blick deutlich, um welche Art von Vektoren es sich jeweils handelt: der normale Überstrich kennzeichnet den Mehrgrößenfall, während Pfeile für solche Vektoren verwendet werden, die eigentlich Zeitreihen darstellen: der Pfeil nach rechts bezeichnet in die Zukunft gerichtete zeitliche Folgen, der Pfeil nach links in die Vergangenheit gerichtete Folgen. Großbuchstaben werden für Matrizen reserviert.

A Prädiktion Vorhersage der freien Bewegung der Regelgröße   yf (k + 1 : k + n P |k) = yˆ f (k + 1|k) . . . yˆ f (k + n P |k) und der zukünftigen Regeldifferenzen e = w  − y über einen in der Regel endlichen Prädiktionshorizont n P auf der Grundlage • der gespeicherten historischen Verläufe der Steuergrö← ßen u(k) = [u(k − 1) . . . u(k − j) . . .], der Regelgrößen ← y(k) = [y(k) . . . y(k − j) . . .] und messbaren Störgrößen ← z (k) = [z(k − 1) . . . z(k − j) . . .], • eines gegebenen zukünftigen Sollwertverlaufs w(k  + 1|k) = [w(k + 1|k) . . . w(k + n P |k)], • einer angenommenen Folge zukünftig konstanter Werte der Steuergrößen u(k + j) = u(k − 1) j ≥ 0, die alle gleich dem letzten eingestellten Wert sind, • eines Schätzwerts für nicht messbare Störgrößen und – im Fall der Verwendung eines Zustandsmodells – der Schätzwerte für die nicht messbaren Zustandsgrößen x(k) und ˆ • eines dynamischen Prozessmodells. Das dynamische Prozessmodell kann dabei im Prinzip jede beliebige Form annehmen. Während früher die Verwendung nichtparametrischer Modelle (FIR, FSR) im Vordergrund stand, verwenden moderne LMPC-Algorithmen auch parametrische Übertragungsfunktions- und in jüngster Zeit Zustandsraummodelle.

Die Vorhersage über den gesamten Prädiktionshorizont wird also mit einer einzigen Matrixmultiplikation berechnet. Die kompakte Darstellung verdeutlicht, dass der Rechenaufwand für die Prädiktion gering ist.

B Dynamische Optimierung Ermittlung einer Folge zukünftiger Steuergrößenänderungen ∆u(k)  = [∆u(k) . . . ∆u(k + n C − 1)] über einen Steuerhorizont n C durch Lösung eines Optimierungsproblems im Echtzeitbetrieb. Die Zielfunktion dieser Optimierung bewertet in der Regel zwei Aspekte der Regelgüte: die zukünftigen Regeldifferenzen und die Stellaktivität. Der Kompromiss zwischen beiden kann über Gewichtsmatrizen Q und R beeinflusst werden:

min J = eˆ(k + 1|k)T Q eˆ(k + 1|k) + ∆u(k)  T R ∆u(k)  ∆u(k)  (3) Es ist möglich, Ungleichungs-Nebenbedingungen (NB) für die Steuergrößen u min (k) ≤ u(k + j) ≤ u max (k)

j = 0, 1, . . . n C − 1

∆u min (k) ≤ ∆u(k + j) ≤ ∆u max (k)

j = 0, 1, . . . n C − 1 (4)

und für die Regelgrößen ymin (k) ≤ y(k + j) ≤ ymax (k)

j = 1, 2, . . . n P

(5)

bei der Optimierung explizit zu berücksichtigen. Die Steuergrößen dürfen also nur in bestimmten Grenzen und mit einer bestimmten Verstellgeschwindigkeit verändert werden. Andererseits ist es möglich, für die Regelgrößen sowohl Sollwerte (ymin (k) = ymax (k)) als auch Sollbereiche bzw. obere/untere Grenzwerte vorzugeben. Werden Zustandsmodelle verwendet, können darüber hinaus Nebenbedingungen für die Zustandsgrößen x min (k) ≤ x(k + j) ≤ x max (k)

j = 1, 2, . . . n P

(6)

berücksichtigt werden. Für den klassischen DMC-Algorithmus, der auf einem FSR-Modell basiert, lautet die Prädiktionsgleichung y(k  + 1 : k + n p |k) = G ∆u(k  : k + n c − 1) + yf (k + 1 : k + n p)

(1) ←

mit der freien Bewegung yf (y(k), G, ∆ u), und der (n p xn c )-,,Dynamik-Matrix“ G aus Sprungantwort-Koeffizienten des FSR-Modells: ⎡ ⎤ h(1) 0 ··· 0 .. ⎥ ⎢ .. ⎥ ⎢ h(2) . h(1) . ⎢ ⎥ ⎢ .. ⎥ .. . . ⎢ . ⎥ . . 0 ⎥ G=⎢ (2) ⎢ ⎥ .. .. ⎢ h(n c ) ⎥ . . h(1) ⎢ ⎥ ⎢ . ⎥ .. .. .. ⎣ .. ⎦ . . . h(n p ) h(n p − 1) · · · h(n p − n c + 1)

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Bei einem linearen Prozessmodell resultiert dann ein Optimierungsproblem mit quadratischer Zielfunktion und linearen Nebenbedingungen (Q P-Problem), das in jedem Abtastintervall zu lösen ist. Hierfür gibt es sicher und schnell konvergierende Suchverfahren. Der sich aufgrund von ∆u(k)  = [∆u(k) . . . ∆u(k + n C − 1)] ergebende Verlauf der Regelgrößen heißt ,,erzwungene Bewegung“ des Systems. Falls bei der Optimierung die Nebenbedingungen nicht berücksichtigt werden, lässt sich das Optimierungsproblem analytisch lösen. Man erhält einen so genannten ,,schlanken LMPC-Regler“, bei dem im Online-Betrieb keine Optimierungsrechnung mehr erforderlich ist. Der Rechenaufwand ist dann um Größenordnungen niedriger. Für das vereinfachte Gütekriterium !

J(∆u)  = eT e + λ∆uT ∆u = min

(7)

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!

∂J = ¯ erhält man aus den notwendigen Bedingungen ∂∆ 0 das u DMC Reglergesetz als geschlossene Formel: −1 T ∆u = C w mit C = G T G + λI G (8)  − yf

Falls w  = yf , d. h. die freie Bewegung ohnehin auf der Solltrajektorie verläuft, sind keine weiteren Änderungen der Stellgröße erforderlich, also ∆u = 0. Ansonsten ergeben sich Änderungen der Stellgröße proportional zur zukünftigen Regeldifferenz (nicht zur vergangenen, wie beim PI-Regler!). Die rechenaufwändige Matrix-Inversion verarbeitet das Prozessmodell und lässt sich daher vorab offline durchführen, um die zeitinvariante Reglermatrix C zu erhalten.

C Prinzip des gleitenden Horizonts Obwohl im vorhergehenden Schritt eine Folge von Steuergrößenänderungen berechnet wurde, wird nur das erste Element dieser Folge an den Prozess ausgegeben. Im nächsten Abtastintervall erfolgt eine Neuberechnung nach Verschiebung aller Datenvektoren um einen Abtastschritt. Diese Vorgehensweise bezeichnet man als Prinzip des gleitenden Horizonts. Seine Anwendung ermöglicht eine schnelle Reaktion auf Störgrößenänderungen.

D Schätzung nicht messbarer Störgrößen und Vorhersagekorrektur Die Prädiktion des zukünftigen Verhaltens der Regelgrößen ist aus zwei Gründen unsicher: erstens wegen der Unsicherheit des Prozessmodells, zweitens aufgrund nicht messbarer Störgrößen. Die Vorhersagegenauigkeit kann verbessert werden, wenn aktuelle Werte der gemessenen Regelgrößen in den Algorithmus einbezogen werden. Die einfachste und noch heute verbreitete Möglichkeit besteht darin, die Differenz zwischen der aktuell gemessenen und der ein Abtastintervall vorher prädizierten Regelgröße zu bilden und damit die gesamte Vorhersage zu korrigieren:

  y(k j = 1 . . . nP ˜ + j|k) = y(k ˆ + j|k) + y(k) − y(k|k − 1) (9) Implizit wird so angenommen, dass eine zukünftig konstante Störgröße auf die Regelgröße wirkt, und dass sich  diese nicht messbare Störgröße durch d(k + j) = y(k) − y(k|k − 1) schätzen lässt. Für stabile Prozesse lässt sich zeigen, dass dieses Vorgehen dem LMPC-Regler integrales Verhalten verleiht und bleibende Regeldifferenzen für sprungförmige Eingangssignale beseitigt werden können [3]. In der theoretischen LMPC-Literatur hat es sich heute durchgesetzt, Zustandsraummodelle zur Beschreibung des Systemverhaltens zu verwenden und darin ein Modell der nicht messbaren Störgrößen zu integrieren, z. B.        x(k x(k) ¯ + 1) ¯ A 0 B = + u(k) ¯ ¯ + 1) ¯ 0 I 0 d(k d(k)     x¯ y(k) = C I + ν(k) (10) ¯ d¯

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Das erlaubt eine kompakte Beschreibung von Mehrgrößensystemen und erleichtert die Analyse des LMPCRegelungssystems. Die Entwicklung moderner Methoden der Systemidentifikation ermöglicht es zudem einfacher als früher, Zustandsmodelle aus experimentell gewonnenen Messdaten zu schätzen. Als neue Aufgabe ergibt sich die gemeinsame Schätzung der nicht messbaren Zustands- und Störgrößen mit Hilfe von Beobachtern oder Kalman-Filtern, vgl. dazu die Diskussion in [3] und [5]. Diese jüngeren Entwicklungen der LMPC-Theorie wurden weitgehend im ,,State Space Controller“ der Fa. Aspen Technology berücksichtigt, dessen Entwicklung in [11] beschrieben wird. In der regelungstechnischen Literatur wird oft übersehen, dass industriell eingesetzte LMPC-Regler im Mehrgrößenfall über eine integrierte Funktion der statischen Arbeitspunktoptimierung verfügen, die dann aktiviert werden kann, wenn genügend Freiheitsgrade vorhanden sind bzw. wenn ein Überschuss an manipulierbaren Variablen besteht, der aktuell nicht für die Erfüllung der Regelungsziele benötigt wird. In diesem Fall wird vor den anderen beschriebenen Schritten oder simultan ein statisches Optimierungsproblem gelöst, in dem optimale stationäre Werte der Steuer- und Regelgrößen u¯ ss und y¯ss ermittelt werden. Die in LMPC integrierte Arbeitspunktoptimierung wird auch als ,,lokale“ Optimierung bezeichnet, weil einerseits ein lokal gültiges, lineares Prozessmodell verwendet wird, und weil andererseits nur der Anlagenteil einbezogen wird, der durch die im LMPC-Regler konfigurierten Steuer- und Regelgrößen erfasst wird. Als Zielfunktion dieser Optimierung können z. B. die lineare Funktion  min  J = c¯ u u¯ ss + c¯ y y¯ss u¯ ss , y¯ss

(11)

oder die quadratische Funktion min  J = ( y¯ss − y¯ziel )T Q ss ( y¯ss − y¯ziel ) u¯ ss , y¯ss  +(u¯ ss − u¯ ziel )T Rss (u¯ ss − u¯ ziel )

(12)

verwendet werden. Die NB sind dieselben wie im dynamischen Optimierungsproblem, das Prozessmodell besteht aus den Streckenverstärkungen, die dem dynamischen Modell entnommen werden können. Im ersten Fall handelt es sich um eine betriebswirtschaftliche Zielfunktion, wobei die Vektoren c¯ u und c¯ y aus Preis- oder Kosteninformationen bestimmt werden. Im zweiten Fall wird versucht, solche stationären Werte zu finden, die möglichst dicht an Zielwerten u¯ ziel und y¯ziel liegen, welche ihrerseits durch den Anwender vorgegeben oder durch eine weitere übergeordnete, anlagenweite Optimierung gefunden werden. Die Einbettung von MPC-Regelungen in die Hierarchie der Funktionen der Prozessautomatisierung ist in Bild 2 dargestellt. Daraus geht zunächst hervor, dass MPC-Regelungen auf eine Schicht von PID-Basisregelungen aufsetzen. Ausgangsgrößen von MPC-Reglern wirken daher meist auf

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Bild 2: Einbettung von MPC in die Automatisierungshierarchie.

die Sollwerte dieser unterlagerten Regelkreise (Kaskadenstruktur), nur in seltenen Fällen direkt auf Stelleinrichtungen. MPC-Anwendungen sind häufig das Herzstück von Advanced-Control-(AC)-Projekten, in denen aber auch andere AC-Funktionen entworfen und realisiert werden, z. B. Softsensoren zur Berechnung schwer messbarer Prozessgrößen. Wie oben beschrieben, verfügen MPC-Regler über eine integrierte Funktion der lokalen statischen Arbeitspunktoptimierung. Unabhängig davon können in größeren Anlagen übergeordnete Funktionen zur Koordinierung von MPC-Regelungen einzelner Anlagenabschnitte vorhanden sein. Eine weitere Option besteht in der Nutzung einer globalen, anlagenweiten Funktion zur statischen Arbeitspunktoptimierung unter Nutzung rigoroser Prozessmodelle (RealTime Optimization, RTO). Schließlich besteht häufig eine Verbindung zu MES-(Manufacturing Execution Systems)und ERP-(Enterprise Resource Planning)-Systemen, die betriebswirtschaftliche Funktionen abdecken. Insofern nehmen MPC-Regelungen häufig einen zentralen Platz in der Automatisierungshierarchie von Prozessanlagen ein.

3 Erfolgsursachen der industriellen Anwendung von MPC-Regelungen MPC-Technologien weisen Anwendungseigenschaften auf, die einer Reihe von Anforderungen an die Regelung komplexer verfahrenstechnischer Anlagen in besonderer Weise gerecht werden und ihren Erfolg in der Industrie begründen. Die wichtigsten werden im Folgenden kurz charakterisiert. Viele verfahrenstechnische Prozesse besitzen einen ausgeprägten Mehrgrößencharakter. Das betrifft sowohl einzelne Prozesseinheiten wie Rektifikationskolonnen oder Reaktoren, gilt aber erst recht für ganze Anlagenabschnitte. MPC-

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Regelalgorithmen lassen sich ihrereseits besonders einfach vom Eingrößen- auf den Mehrgrößenfall erweitern: bei MPC-Programmsystemen ist die Zahl der Steuer- und Regelgrößen sowie der messbaren Störgrößen frei konfigurierbar. MPC-Regler mittlerer ,,Größe“ haben im Raffineriebereich zwischen 10 und 20 Ausgangsgrößen (Steuergrößen) und 20 bis 40 Eingangsgrößen (Regelgrößen und messbare Störgrößen). Es sind aber auch wesentlich ,,größere“ Anwendungen mit jeweils mehr als 100 Ein- und Ausgangsgrößen bekannt geworden [8]. In verfahrenstechnischen Prozessen treten Beschränkungen (Ungleichungs-NB) für die Steuer- und Regelgrößen auf. Die Steuergrößen dürfen in der Regel nur in bestimmten Bereichen und mit einer bestimmten Geschwindigkeit manipuliert werden. Für Regelgrößen sind oftmals nicht Sollwerte (Gleichheits-NB), sondern Sollbereiche oder Grenzwerte einzuhalten bzw. deren Verletzung zu verhindern. Der optimale Arbeitspunkt solcher Anlagen liegt häufig am Schnittpunkt mehrerer Anlagen-Nebenbedingungen. Je nach Betriebszustand der Anlage kann der ,,Flaschenhals“ an verschiedenen Stellen auftreten, d. h. die eine oder andere Nebenbedingung (NB) den aktuell am meisten begrenzenden Faktor darstellen. MPC-Algorithmen berücksichtigen solche Nebenbedingungen in expliziter und systematischer Art und Weise durch die Lösung eines beschränkten Optimierungsproblems in Echtzeit. Anti-Windup-Methoden sind ein natürlicher Bestandteil von MPC-Reglern, da bei der Prädiktion die begrenzten Stellgrößen berücksichtigt werden. Unter Produktionsbedingungen sind Ausfälle von Messund Stelleinrichtungen nicht völlig zu vermeiden. Größere Störungen können intensive Bedienereingriffe und Handfahrweisen erfordern. Dadurch können Situationen entstehen, in denen ursprünglich für eine MPC-Regelung vor-

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gesehene Steuer- und/oder Regelgrößen zeitweilig nicht zur Verfügung stehen. Regelgößen mit Ungleichungs-NB brauchen überdies solange nicht in der Regelung berücksichtigt zu werden, solange diese NB nicht verletzt sind oder eine Verletzung vorhergesagt wird. Die Zahl der Steuer- und Regelgrößen kann daher nicht nur unterschiedlich groß sein (nicht-quadratische Mehrgrößensysteme), sondern sich auch in der Betriebsphase ändern. MPC-Regelungsalgorithmen sind in der Lage, die aktuelle Struktur des Mehrgrößensystems (Zahl der verfügbaren Steuergrößen und der zu berücksichtigenden Regelgrößen) automatisch zu erkennen und die in der jeweiligen Situation beste Steuerstrategie zu ermitteln. Da MPC-Regler über ein internes Prozessmodell verfügen, sind sie in der Lage, vorausschauend zu arbeiten und bereits zu einem frühen Zeitpunkt auf sich anbahnende Grenzwertverletzungen der Regelgrößen zu reagieren. Sie sind daher auch besonders für die Regelung von Strecken mit komplizierter Dynamik (große Totzeiten, Allpassverhalten) geeignet. Der optimale Betriebspunkt einer Anlage ist nicht unveränderlich, sondern er variiert mit den technischen und ökonomischen Bedingungen, unter denen sie betrieben wird. Zu diesen Bedingungen gehören sich ändernde Rohstoffzusammensetzungen, schwankende Rohstoff- und Energiepreise, veränderliche Marktsituationen usw. Gerade in der Prozessindustrie ist es daher betriebswirtschaftlich geboten, den optimalen Arbeitspunkt einer Anlage fortlaufend zu ermitteln und anzufahren. MPC-Regelungen verfügen über eine integrierte Funktion der statischen Arbeitspunktoptimierung, die es ermöglicht, die optimalen stationären Werte der Steuer- und Regelgrößen zumindest für den Anlagenteil zu ermitteln, der von den im MPC-Regler konfigurierten Steuer- und Regelgrößen ,,umfasst“ wird. Das Grundkonzept einer MPC-Regelung ist für alle Anwender, also auch für Anlagenfahrer intuitiv verständlich, ohne den mathematischen Hintergrund aufzurollen. Der für Einsatzvorbereitung und Betriebsbetreuung erforderliche Aufwand ist überschaubar, die dazu notwendigen Kenntnisse lassen sich in relativ kurzer Zeit erwerben. Die Weiterentwicklung von MPC-Technologien hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Projektkosten (relativ zu den sonstigen Kosten der Automatisierung) bei steigender Qualität der Anwendungen gesunken sind. Dazu haben z. B. solche Entwicklungen wie die Verwendung standardisierter Datenschnittstellen (OPC-Technologie), die Entwicklung browserbasierter Visualisierungswerkzeuge, die Verkürzung der Anlagentests u. a. beigetragen. Auch dies hat nicht unwesentlich zur Beschleunigung der Verbreitung von MPC-Reglern und zur Erschließung weiterer Einsatzgebiete beigetragen. Advanced-Control-Projekte unter Einsatz der MPC-Technologie amortisieren sich im Raffineriebereich durchschnittlich erfahrungsgemäß in einem Zeitraum von weniger als einem Jahr. In anderen Bereiche der Prozessindustrie liegt die durchschnittliche Amortisationsdauer bei ca. zwei Jahren. Sie werden deshalb

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zunehmend als eine attraktive Möglichkeit gesehen, Prozessanlagen kostengünstiger zu betreiben. Beispielsweise wird in [12] die Amortisierung eines AC-Projekts in einer Hydrocracker-Anlage in nur zwei Monaten dokumentiert. Informationen über die Amortisationsdauer von ca. 30 ACProjekten bei der BASF Ludwigshafen finden sich in [13]. Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass der erfolgreiche Einsatz von MPC an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Dazu gehören insbesondere ein ausreichend hohes Niveau der Basisautomatisierung einschließlich der Instrumentierung mit einem Prozessleitsystem. Auch bei Vergabe eines AC-Projekts an einen externen Dienstleister ist die Entwicklung einer hinreichenden Kompetenz und der Aufbau einer personellen Mindestkapazität beim Anwender erfahrungsgemäß unabdingbar.

4 MPC-Projektabwicklung und Programmsysteme Bei der Abwicklung von Advanced-Control-Projekten unter Nutzung der MPC-Technologie hat sich ein Vorgehen in folgenden Schritten bewährt [6]: • Herausarbeitung der ökonomischen Ziele des ACProjektes und Sammlung von Daten zur Beschreibung des Ist-Zustandes der Anlagenfahrweise, • Erarbeitung einer Kosten-Nutzen-Analyse und Konzipierung der AC-Funktionen, • Überprüfung der Basisautomatisierung, insbesondere der in das MPC-Konzept einzubeziehenden PID-Basisregelungen und Lösung anlagentechnischer Probleme, • Vorbereitung und Durchführung von aktiven Versuchen an der Prozessanlage mit dem Ziel der Modellbildung, • Entwicklung von Prozessmodellen für das dynamische Verhalten in allen Steuer- und Störkanälen der Mehrgrößen-Regelstrecke unter Verwendung von Programmpaketen zur Prozessidentifikation, • Konfiguration des MPC-Reglers, Offline-Simulation des geschlossenen Regelungssystems, Grobeinstellung der Reglerparameter, • Portierung des MPC-Reglers auf die Zielhardware, Inbetriebnahme und Feineinstellung der Reglerparameter, • Gestaltung einer nutzerfreundlichen Bedienoberfläche für die Anlagenfahrer, • Training und Dokumentation, • Evaluierung der Ergebnisse des AC-Projekts, • Wartung, Pflege und Anpassung des MPC-Regelungssystems im laufenden Anlagenbetrieb. Noch vor ca. 15 Jahren bestanden MPC-Programmsysteme lediglich aus dem Programmcode des eigentlichen Regelalgorithmus, der im Online-Betrieb auf einem übergordneten Prozessrechner lief und über dezidiert entwickelte Schnittstellen mit dem Prozessleitsystem kommunizierte, und einem Offline-Werkzeug für Reglerkonfiguration und Simulation des geschlossenen Regelungssystems. Projektspezifische Anpassungen wurden durch Modifikationen des Sourcecodes realisiert. Um die Bedienung des MPC-Reglers

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durch den Anlagenfahrer vom Prozessleitsystem aus zu ermöglichen, war die aufwändige Entwicklung von Bedienbildern und Kommunikationsfunktionen zwischen PLS und Prozessrechner erforderlich. Prozessmodelle wurden noch überwiegend durch manuelle Auswertung von Sprungantworten gewonnen. Dieses Bild hat sich in der Zwischenzeit völlig gewandelt: Die Komponenten von MPC-Programmsystemen unterstützen heute wesentlich mehr Phasen eines Advanced-ControlProjekts und stellen überdies neuartige Funktionen bereit: • Bewertung (Control Performance Monitoring) und Optimierung unterlagerter PID-Regelkreise, • Testsignalgenerierung, inzwischen auch für die simultane Anregung mehrerer Eingangssignale, • Systemidentifikation. Neben den bekannten Identifikationsverfahren werden inzwischen auch moderne Subspace-Methoden zur Identifikation linearer Zustandsmodelle und Methoden zur Identifikation im geschlossenen Regelkreis eingesetzt, • Konfiguration des MPC-Reglers und der Simulation des geschlossenen Regelungssystems im Offline-Betrieb, • Kommunikation zwischen Prozessleitsystem und MPCRegler über eine standardisierte Schnittstelle – MPCProgramme verfügen heute über einen OPC-Client, der sich mit dem OPC-Server des PLS verbindet, • Bedienung und Beobachtung des MPC-Reglers durch den Anlagenfahrer. Es kommen zunehmend browserba-



• •



sierte Oberflächen zum Einsatz, und die projektspezifische Entwicklung von Bedieninterfaces entfällt, Dynamische Koordination von mehreren MPC-Reglern in großen Anlagen (z. B. Ethylenproduktion): Aktionen von MPC-Reglern vorgeschalteter Anlagenteile werden durch MPC-Regler nachgeschalteter Anlagenteile berücksichtigt, Kopplung zu Programmen, die eine übergeordnete, anlagenweite Arbeitspunktoptimierung (RTO) realisieren, Kopplung zu anderen Programmen, die ein rigoroses nichtlineares Prozessmodell der Anlage bereitstellen und für Entwurf und Simulation des statischen und dynamischen Anlagenverhaltens eingesetzt werden (Fließschema-Simulatoren, Dynamik-Simulatoren, Operator-Trainingssysteme), Control Performance Monitoring für den MPC-Regler selbst.

In Tabelle 2 sind am Beispiel der Firmen Aspen Technology und Honeywell Komponenten von MPC-Programmsystemen im weiteren Sinn aufgelistet. Andere Anbieter haben diese Teilfunktionen in einem Paket integriert (z. B. Pavilion Technologies in Pavilion8). Tabelle 3 zeigt eine Übersicht der wichtigsten kommerziell verfügbaren MPC-Regler und deren Anbieter. Bei den meisten Produkten handelt es sich um LPMC-Regler, NPMC-Produkte sind durch einen Stern gekennzeichnet.

Tabelle 2: Bestandteile von MPC-Programmsystemen im weiteren Sinn am Beispiel von Aspen Technology (A) und Honeywell (H). Funktion

Produkte

Control Performance Monitoring für unterlagerte PID-Regelkreise (Bewertung, Diagnose)

A: Aspen Watch H: Loop Scout

Softsensoren auf der Grundlage empirischer Prozessmodelle

A: Aspen IQ, Aspen IQ Powertools H: Profit SensorPro

Softsensoren auf der Grundlage theoretischer Prozessmodelle für ausgewählte Raffinerieprozesse

H: Profit Toolkit

Planung von Anlagentests, Generierung univariater und multivariater Testsignale

A: Aspen SmartStep H: Profit Stepper

Identifikation des dynamischen Verhaltens der Mehrgrößen-Regelstrecke

A: DMCplus Model H: APC Identifier

LMPC-Regler

H: Profit Controller (früher: RMPCT) A: DMCplus, State-Space Controller

NMPC-Regler (für Polymerisationsanlagen)

A: Aspen Apollo H: Profit NLC (in Kooperation mit PAS Inc., USA)

Koordinierung von LMPC-Regelungen in großen Prozessanlagen

A: DMCplus Composite H: Profit Optimizer

Control Performance Monitoring für LMPCRegler (DMCplus bzw. Profit Controller)

A: Aspen Watch H: Profit Expert (APC Scout)

Dynamik-Simulatoren auf der Grundlage rigoroser Prozessmodelle

A: Aspen Dynamics H: UniSim

Bedienung und Visualisierung der LMPC-Regler

A: Production Control Web Center H: Profit Viewer, Profit Assistant

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Tabelle 3: MPC-Programmsysteme – Anbieter und Produkte. Anbieter

MPCProgrammsystem

Web-Adresse

Anbieter

Aspen Technology (USA)

DMCplus, State Space Controller Aspen Apollo *

www.aspentech.com

Sherpa Engi- IDCOM/HIECON www.sherpa-eng.com neering (F) PFC fr¨uher Adersa

Honeywell (USA)

Proft Controller Profit Loop Profit NLC *

www.honeywell.com/sites/acs Axens MVAC (Frankreich)

www.axens.net

Pavilion Pavilion8 * Technologies (Process Perfecter) (USA)

www.pavtech.com

Perceptive ControlMV * Engineering (GB)

www.perceptive-engineering.co.uk

Shell Global SMOC Solutions (NL)

www.shell.com

Neste Jacobs Oy (Finnland)

NAPCON

www.nesteengineering.com

SimsciEsscor (USA)

Connoisseur

www.simsci-esscor.com

ControlSoft (USA)

MMC

www.controlsoftinc.com

IPCOS (NL/B)

INCA

www.ipcos.be

Adaptive Resources (USA)

QuickStudy

www.adaptiveresources.com

ABB (Italien)

Predict & Control

www.abb.com

IDEAS Brainwave Simulation and Control (Canada)

www.brainwave.com

Intelligent GMAX, GMAX-I Optimization (USA)

www.intellopt.com

ParOS (GB) ParOS Controller

www.parostech.com

PAS (USA) STAR Controller NOVA NLC * Galaxy

www.pas.com

Optima Powerware (USA)

AutoPilot

www.pseoptima.com

Maverick MVC/O * Technologies (USA)

www.mavtechglobal.com

Prediktor (N)

APIS MPC

www.prediktor.no

Matrikon (Canada)

ProcessACT

www.matrikon.com

Cybernetica EMPC (N) CENIT *

Capstone Technology (USA)

MACS

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MFA

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MATLAB MPC Toolbox

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Emerson DeltaV Predict/ Process DeltaV PredictPro Management (USA)

Die MATLAB MPC-Toolbox ist für Zwecke der Aus- und Weiterbildung sehr gut geeignet, aber in der verfügbaren Form noch nicht für industrielle Anwendungen im Umfeld der Prozessführung einsetzbar. In Tabelle 3 nicht erfasst sind In-House-Entwicklungen wie z. B. SEPTIC (Statoil, Norwegen), RapidMVC (RWE npower, Großbritannien) oder OnSpot (Borealis, Schweden). Insgesamt steht also heute ein breites Spektrum von MPC-Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung.

The Mathworks Inc. (USA)

MPCWeb-Adresse Programmsystem

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5 Aktuelle Entwicklungstrends 5.1 Verkürzung der Zeit für Anlagentests und Modellbildung Die in LMPC-Reglern verwendeten Prozessmodelle für das dynamische Verhalten werden auf der Grundlage von Messreihen identifiziert, die durch aktive Anlagentests gewonnen werden. Die traditionelle Vorgehensweise besteht darin, die Steuergrößen (und wenn möglich auch die messbaren Stör-

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größen) nacheinander manuell mehrfach sprungförmig in verschiedener Richtung und mit unterschiedlichen Amplituden zu verstellen und die Sprungantworten der Regelgrößen aufzuzeichnen. Bei einer größeren Zahl von Steuergrößen und träger Systemdynamik führt das zu sehr langen Versuchszeiträumen (mehrere Wochen sind nicht unüblich) und hohen Projektkosten. Ein Drittel bis die Hälfte der Projektkosten sind erfahrungsgemäß bei dieser Vorgehensweise der Phase Anlagentest/Modellbildung zuzuordnen. Daher sind in den letzten Jahren verstärkt Anstrengungen unternommen worden, die Anlagentests zu verkürzen und so die Projektkosten deutlich zu reduzieren, siehe z. B. [14]. Inzwischen bieten verschiedene MPC-Programmsysteme die Option, multivariate Testsignale zu generieren. Diese werden dann automatisch und simultan an den Prozess bzw. als Sollwertverstellungen an die unterlagerten PIDRegelkreise ausgegeben. Je nach den konkreten Randbedingungen werden heute bereits fünf bis zehn Eingangsgrößen simultan angeregt, bei guten Vorkenntnissen (keine Erstidentifikation) auch wesentlich mehr. Die in Tabelle 2 genannten Werkzeuge SmartStep (Aspen Technology) und ProfitStepper (Honeywell) sind Beispiele für die Anwendung dieser Vorgehensweise. Gleichzeitig werden neue Entwicklungen der Theorie der Systemidentifikation aufgegriffen und in die Modellbildungswerkzeuge der LMPC-Pakete integriert [15]. Hervorzuheben sind insbesondere • der Einsatz von Subspace-Identifikationsmethoden zur Schätzung von linearen Zustandsmodellen, • Verfahren zur Identifikation von Mehrgrößensystemen im geschlossenen Regelkreis und • die Bereitstellung von Informationen über die erreichte Modellgüte in dem für die LMPC-Regelung interessanten Frequenzbereich. LMPC-Pakete verfügen in der Regel über integrierte Modellbildungswerkzeuge. Darüber hinaus sind auch weitere Identifikationsprogramme vorhanden , die die Modellbildung für LMPC zum Ziel haben, z. B. TaiJi ID (TaiJi Control, NL, und Matrikon, Kanada).

5.2 Anwendung auf nichtlineare und zeitvariante Systeme Die erfolgreiche Anwendung von LMPC-Verfahren ist an die Voraussetzung gebunden, dass die Prozesse in einer mehr oder weniger engen Umgebung eines festen Arbeitspunktes betrieben werden, und dass sich das statische und dynamische Verhalten während der Betriebsdauer nicht wesentlich ändert. Das ist bei vielen kontinuierlich betriebenen Raffinerie- und Petrochemieanlagen der Fall, was neben anderen Faktoren den hohen Anteil dieser Branchen an der Zahl der MPC-Anwendungen erklärt. Für eine große Zahl potentieller Einsatzfälle in der Prozessindustrie sind die Voraussetzungen der Linearität und Zeitinvarianz jedoch nicht erfüllt (Mehrprodukt-Polymerisationsanlagen, Batch-Prozesse, Kraftwerksanlagen mit vielen Lastwechseln u. v. m.).

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Daher werden seit Jahren in Forschung und Praxis verschiedene Ansätze verfolgt, MPC-Regelungen auf solche Prozesse zu übertragen. Diese Ansätze lassen sich wie folgt klassifizieren: • • • •

LMPC-Erweiterungen, Adaptive LMPC-Regelungen, Robuste LMPC-Regelungen, MPC-Regelungen mit nichtlinearem Prozessmodell (NMPC).

LMPC-Erweiterungen: Bereits seit Jahren werden durch eine Reihe von LMPC-Programmsystemen folgende Optionen unterstützt und auch regelmäßig praktisch eingesetzt: • die Änderung von Parametern der in LMPC-Reglern verwendeten linearen Prozessmodelle (z. B. Streckenverstärkungen, Totzeiten) im Online-Betrieb, • die Anwendung nichtlinearer Transformationsbeziehungen auf Regel- und/oder Steuergrößen mit dem Ziel der Linearisierung der Zusammenhänge zwischen diesen Größen, • die Verwendung einer ,,Bank“ linearer Prozessmodelle, zwischen denen in Abhängigkeit vom Arbeitspunkt stoßfrei umgeschaltet wird, • die Linearisierung von Prozessmodellen entlang vorab optimierter Trajektorien, wobei das nichtlineare Modell zur Offline-Berechnung der Trajektorien verwendet wird, und im Online-Betrieb der LMPC-Regler nur noch kleinere Abweichungen von der Trajektorie ausregeln muss. Was adaptive prädiktive Regelungen mit fortlaufender Identifikation des Prozessmodells angeht, so reicht die Geschichte hier zwar weit zurück: eine ganze Klasse prädiktiver Regelungsalgorithmen wurde im Zusammenhang mit der Theorie der adaptiven Regelung entwickelt und unter der Bezeichnung ,,Generalized Predictive Control (GPC)“ verallgemeinert [16]. Allerdings gibt es nur wenige, überdies meist nicht-adaptive Eingrößen-GPC-Anwendungen in der internationalen Prozessindustrie. Das liegt in erster Linie daran, dass das Mehrgrößen-GPC-Verfahren bisher nur in ein MPC-Produkt integriert wurde (RapidMVC der Fa. RWE npower). Generell ist über industrielle Anwendungen von adaptiven prädiktiven Regelungen mit fortlaufender Identifikation des Prozessmodells bisher kaum berichtet worden. Unter den in Tabelle 3 aufgelisteten MPCProdukten weist allein der ,,STAR Controller“ der Firma PAS (USA, füher DOT Products Inc.) die Fähigkeit zur Online-Adaption des Prozessmodells auf. Robuste LMPC-Regelungen berücksichtigen die Unsicherheit des Prozessmodells beim Reglerentwurf bzw. im Regelungsalgorithmus. Die Suche nach effizienten Verfahren für robuste LMPC-Regelungen und nach Methoden der Robustheitsanalyse ist eine aktuelle Forschungsrichtung (siehe [17] und die darin zitierte Literatur). Robustheitsaspekte werden in den marktgängigen LPMCProgrammsystemen derzeit nur ansatzweise berücksichtigt. Große Fortschritte wurden in den letzten Jahren bei der Entwicklung und Anwendung von modellprädiktiven Re-

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gelungen mit nichtlinearen Prozessmodellen (NMPC) erreicht [18]. Charakteristisch für NMPC-Regelungen ist, dass das Grundkonzept und wichtige Merkmale von MPC erhalten bleiben. Es wird ,,nur“ das lineare durch ein nichtlineares dynamisches Prozessmodell ersetzt. Damit verbunden ist jedoch ein im Allgemeinen wesentlich größerer Aufwand für die theoretische, empirische oder hybride Modellbildung, für die Lösung der dann nichtlinearen Optimierungsprobleme im Echtzeitbetrieb und die Schätzung des aktuellen Systemzustands durch erweiterte Kalman-Filter oder Filter mit gleitendem Horizont [19]. Es wundert daher nicht, dass NMPC-Lösungen immer noch einen geringen Anteil an der Gesamtzahl der MPCAnwendungen aufweisen, und dass es auch deutlich weniger konkurrierende NMPC-Werkzeuge gibt. Beispiele für NMPC-Regler, die auf empirischen Prozessmodellen basieren, sind Pavilion8 (früherer Name ProcessPerfecter) der Fa. Pavilion [20] und Aspen Apollo der Fa. Aspen Technology [21]. Während Aspen Apollo ausdrücklich für den Polymerbereich konzipiert ist, sind für Pavilion8 darüber hinaus u. a. auch Anwendungen im Bereich der Zementund der Nahrungsgüterindustrie bekannt geworden. Beide Programmsysteme erlauben nicht nur die Modellierung nichtlinearen statischen Prozessverhaltens, sondern auch der Abhängigkeit der Systemdynamik vom Arbeitspunkt. Polymers NLC (PAS Inc., USA) und ,,Dynamic Optimization“ (ABB) sind hingegen Beispiele für NMPC-Regler, die intern ein rigoroses Prozessmodell nutzen. Während der erstgenannte für den Einsatz in Polymerisationsanlagen konzipiert ist, wurde der zweite zuerst im Kraftwerksbereich eingesetzt [22].

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Die zu den Koppelbausteinen gelieferten Bedienbilder für die Operator Station ermöglichen den Anlagenfahrern die routinemäßige Bedienung und Beobachtung des Prädiktivreglers in der gewohnten Umgebung, als ob es sich um eine Gruppe von Einzelreglern handeln würde. Die gestiegene Leistungsfähigkeit der prozessnahen Komponenten (PNK) von PLS eröffnet heute aber die technische Möglichkeit, MPC-Regelalgorithmen direkt auf den PNK ablaufen zu lassen. Der Vorteil besteht in einer besseren Integration zwischen PLS und MPC-Paket hinsichtlich des Engineerings, der Kommunikation mit dem System der Basisregelungen und der Bedienung durch den Anlagenfahrer. Vorreiter dieser Entwicklung ist die Firma Emerson Process Management (früher Fisher-Rosemount), die seit einigen Jahren das Produkt DeltaV Predict (inzwischen auch DeltaV PredictPro) anbietet. Dieser LMPC-Regler ist auf PNK (Typ MD) des PLS DeltaV lauffähig. Während DeltaV Predict noch deutliche Beschränkungen hinsichtlich der Zahl der Steuer- und Regelgrößen aufwies, erlaubt DeltaV Predict Pro die Konfiguration von bis zu 40 Steuer- und bis zu 80 Regelgrößen, ist also auch für größere Anwendungen geeignet. Nach Angaben des Anbieters ist auch bei einer Maximalkonfiguration und einer Abtastzeit von 30 s der Prozessor nur zu 10% ausgelastet. Andere PLS-Hersteller haben inzwischen nachgezogen bzw. entsprechende Entwicklungen initiiert. So bietet Honeywell für das PLS Experion PKS den MPC-Eingrößenregler Profit Loop als für bestimmte Anwendungen geeignete Alternative zu PID-Reglern an.

Die überwiegende Mehrzahl der in Tabelle 3 aufgelisteten MPC-Werkzeuge sind Programmsysteme, die über eine OPC-Schnittstelle mit dem PLS kommunizieren. Das ermöglicht eine Entscheidung für ein bestimmtes MPCProdukt unabhängig von dem in der Anlage eingesetzten PLS. Der projektspezifische Engineering-Aufwand fällt jedoch geringer aus, wenn eine standardisierte Integration des MPC-Pakets in das PLS vorhanden ist. Das ist bei Profit Controller/Experion PKS (Honeywell), INCA/Simatic PCS 7 (IPCOS/Siemens), Predict& Control/Industrial IT 800xA (ABB) und anderen Kombinationen der Fall. Beispielsweise werden zur Integration von INCA (oder anderen externen MPC-Paketen) in Simatic PCS 7 folgende Funktionen innerhalb des Prozessleitsystems in Form einer Bibliothek von Koppelbausteinen angeboten:

Für Simatic PCS7 (Siemens) ist ein schlanker MehrgrößenMPC in Entwicklung. Er verarbeitet bis zu vier Stellund Regelgrößen sowie eine messbare Störgröße in einem Standard-Funktionsbaustein mit vorgefertigtem Bedienbild auf der Operator Station. Betriebsarten und Handhabung sind so weit wie möglich an den Standard-PID-Regler des Leitsystems angelehnt. Konfiguration und Inbetriebnahme können mit Hilfe eines dazu passenden Engineering-Tools ohne regelungstechnische Spezialkenntnisse durchgeführt werden: Vom Benutzer sind nur die Priorität der einzelnen Regelgrößen sowie der Preis für die Bewegungen einzelner Stellgrößen, d. h. die Gewichtungsfaktoren im quadratischen Gütekriterium vorzugeben. Über einen Führungsgrößenfilter kann die gewünschte Einschwingzeit für jede Regelgröße bei einem Sollwertsprung spezifiziert und online nachgetunt werden. Der schlanke Prädiktivregler wird Teil der ,,Advanced Process Library“, die darüber hinaus noch weitere Regelungsfunktionen enthält:

• Verwaltung von Statusinformationen und Betriebsarten sowie stoßfreie Umschaltung für jeden unterlagerten PID-Regler, • Aufbereitung von Messwerten einschließlich Filterung und Ausreißer-Behandlung, • zentrale Umschaltung auf externen MPC, Überwachung der Kommunikation sowie Rückfallstrategie auf vorprojektierte konventionelle Prozessführung.

• PID Gain Scheduling, • Butterworth Tiefpass-Filter, • Templates für dynamische Störgrößenaufschaltung (Lead-Lag feedforward), ablösende Regelung (Override control), Smith Prädiktor usw., • Control Performance Monitoring , • Verbesserter PID-Tuner (Optimierung) mit Zusatzfunktionen z. B. Modell-Verifikation, Regelkreis-Simulation.

5.3 Integration in Prozessleitsysteme

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Die ,,Advanced Process Library“ wird zukünftig als Nachfolger der bisherigen Standard-Bibliothek zum Serienumfang des Prozessleitsystems gehören.

5.4 MPC für schnelle Systeme MPC-Regler werden bisher in der Prozessindustrie für relativ träge Prozesse eingesetzt, die MPC-Reglerabtastzeiten liegen meist zwischen 10 s und 5 min. Trotz der schnellen Entwicklung der Rechnerleistung scheitert eine Anwendung des MPC-Konzepts auf sehr schnelle Prozesse (mit Zeitkonstanten im Bereich von Millisekunden) auch bei linearen Prozessmodellen daran, dass ein QP-Problem in Echtzeit gelöst werden muss. Daher gibt es bereits seit Jahren Bemühungen, durch Vereinfachung traditioneller MPCRegelalgorithmen und elegante numerische Verfahren zu verkürzten Rechenzeiten zu kommen. Ein einfacher Ansatz dazu ist die Vernachlässigung der Nebenbedingunen bei der Optimierung (vgl. schlanker Prädiktivregler). Ein solcher Regler begrenzt seine Stellgrößen korrekt, aber es kann nicht garantiert werden, dass immer die mathematisch optimale Lösung des beschränkten Problems gefunden wird. Der schlanke Algorithmus eignet sich daher primär für kleinere und quadratische Mehrgrößenprobleme. Ein Durchbruch in Richtung schnellere Berechnung ist die Formulierung des MPC-Problems als multiparametrisches Optimierungsproblem. Die Grundidee besteht darin, statt in jedem Abtastintervall online die optimale, vom aktuellen Systemzustand abhängige, Stellgrößenfolge ∆u(k)  = [∆u(k) . . . ∆u(k + n C − 1)] zu berechnen, offline die Gesamtheit aller Lösungen ∆u(k) zu finden und im  = F(x(k)) ¯ Online-Betrieb als sehr schnell auswertbare Zuordnungstabelle zu präsentieren. Der Rechenaufwand wird auf diese Weise in die Entwurfsphase verlagert. Er wächst überproportional mit der Zahl der Steuer- und Regelgrößen, da der Zustandsraum geeignet partitioniert werden muss. Außerdem muss ausreichend Speicherplatz für die Zuordnungstabelle vorhanden sein [23]. Bisher sind nur wenige industrielle Anwendungen parametrischer MPC-Regler für ,,kleine“ Mehrgrößensysteme bekannt geworden [24]. Inwieweit es gelingt, diesen Ansatz auch auf größere Probleme anzuwenden und einen den traditionellen MPCReglern vergleichbaren Komfort hinsichtlich Engineering, Reglereinstellung und Bedienung zu erreichen, bleibt abzuwarten. Um die Vermarktung dieser Technologie bemüht sich derzeit die Fa. ParOS, ein Spin-off des Imperial College London.

5.5 Control Performance Monitoring (CPM) In den letzten fünfzehn Jahren sind unter dem Begriff Control Performance Monitoring (CPM) Methoden und Werkzeuge für die systematische Überwachung. Bewertung und Diagnose von PID-Basisregelkreisen entwickelt worden [25]. Die Entwicklung von CPM-Methoden für MPC-Mehrgrößenregelungen sind zur Zeit Gegenstand der Forschung. Obwohl die Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten ist wie bei PID-Eingrößenregelungen, bie-

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ten inzwischen einige der in Tabelle 3 aufgelisteten Anbieter von MPC-Programmsystemen CPM-Tools für ihre MPC-Regler an. Dazu gehören z. B. Aspen Watch (Aspen Technology), APC Scout (Honeywell) oder MDPro (Shell Global Solutions). Bei Pavilion8 sind CPM-Metriken in die MPC-Software integriert. Diese Werkzeuge liefern z. B. Hinweise über die Genauigkeit der Vorhersage der Regelgrößen und damit über die Modellgüte, statistische Informationen über die aktiven Nebenbedingungen des MPCReglers, oder ermöglichen die Bewertung der Regelgüte durch Performance-Indizes. Es sind auch einige CPMWerkzeuge für MPC-Regelungen verfügbar, die nicht von den MPC-Anbietern selbst stammen, darunter ProcessDoc (Matrikon, Kanada) und Plant Triage (Expertune, USA).

6 Zusammenfassung Die industrielle Anwendung von MPC weist hohe Wachstumsraten auf. Sie beschränkt sich inzwischen nicht mehr auf Raffinerie- und Petrochemieanlagen, sondern dringt u. a. auch in die Bereiche Chemie, Papier und Zellstoff, Luft und Gas, Glas, Zement und Nahrungsgüter vor. Umfragen [26] zeigen eine überdurchschnittlich hohe Zufriedenheit der Anwender mit MPC-Lösungen (in Relation zu anderen gehobenen Regelungsverfahren). Neben großen Konti-Anlagen kommen zunehmend auch kleinere und mittlere Anlagen sowie Regelungen mit schnelleren Abtastzeiten in Betracht. Der Übergang von der individuellen Speziallösung zu serienmäßigen Produkten (zumindest für LMPC) geht einher mit steigendem Reifegrad der Software und sinkenden Kosten für Konfiguration und Inbetriebnahme. Für die nächsten Jahre sind weitere Entwicklungen in Richtung adaptiver und robuster LMPC-Verfahren, schneller LMPC-Regelungen und eine bessere softwaretechnische Unterstützung des gesamten Lebenszyklus von LMPC-Anwendungen zu erwarten. Die industrielle Anwendung von NMPC steht trotz unbestreitbarer Fortschritte nach wie vor am Anfang der Entwicklung, die Ausschöpfung des vorhandenen großen Potentials hängt hier wesentlich von der weiteren Entwicklung effektiver Methoden und Werkzeuge der Modellbildung ab. Literatur [1] Richalet, J. u. a.: Model predictive heuristic control: applications to industrial processes. Automatica 14(1978) S. 413– 428. [2] Cutler, C.R., Ramaker, B.L.: Dynamic Matrix Control – a computer control algorithm. AIChE National Meeting, Houston, TX 1979. [3] Maciejowski, J.: Predictive Control with Constraints. Prentice-Hall 2002. [4] Camacho, E.F., Bordons, C.: Model Predictive Control. 2nd edition, Springer 2003. [5] Rossiter, J.A.: Model-Based Predictive Control: A practical approach. CRC Press 2003. [6] Dittmar, R., Pfeiffer, B.-M.: Modellbasierte prädiktive Regelung – eine Einführung für Ingenieure. Oldenbourg Wissenschaftsverlag München 2004.

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Dr.-Ing. Bernd-Markus Pfeiffer ist bei der Siemens AG Projektleiter für die Themengruppen Asset Management und Advanced Process Control in der Vorfeldentwicklung (,,Advanced Technologies and Standards“) des Geschäftsbereichs Automation and Drives. Daneben ist er Lehrbeautragter an der Universität Karlsruhe. Adresse: Siemens AG, A&D ATS 32, 76181 Karlsruhe, Tel.: +49(721)595-5973, Fax: -6728, E-Mail: [email protected]

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