Michael Möbius Frank Holthaus Mit dem Motorrad in die Sahara Der ...

19.03.2008 - Ich vermute jetzt einmal ganz frech, dass er Angst hatte durchzufallen .... 1150 GS zeigen – kurze Probefahrt – verliebt, verlobt, gekauft. Was für ...
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Michael Möbius Frank Holthaus

Mit dem Motorrad in die Sahara Der Versuch mit 3 Enduros die marokkanische Wüste zu erreichen

traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag Hamburg

¤ 2008 traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag Jens Freyler, Hamburg www.traveldiary.de ISBN 978-3-937274-51-5 Herstellung: Books on Demand GmbH Der Inhalt wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Bei Interesse an Zusatzinformationen, Lesungen o.ä. nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.

Vorwort Michael Wir alle haben Träume, die wir uns wünschen, eines Tages zu realisieren. An dem Tag, an dem diese Träume erfüllt werden, beginnen wir sie zu genießen. Wir Menschen streben danach, das Unerreichbare erreichbar zu machen, um das Gefühl der inneren Befriedigung zu erleben. Wer von uns möchte nicht – so wie Kolumbus – Neues und Nichterschlossenes entdecken, um davon Freunden und Bekannten zu erzählen und ein wenig den Ruhm des Rampenlichts genießen – wenn auch nur für einen kurzen Augenblick? Genau diese Abenteuerlust treibt uns an, eine außergewöhnliche Motorradreise durch Marokko in die Sahara unternehmen. Fernab von der befestigten Infrastruktur des Landes. Jeder von uns wird Erlebnisse und Erfahrungen auf seine Art und Weise mitnehmen. Wir werden die Geschehnisse aus verschiedenen Blickwinkeln sehen und bewerten. Die Erinnerung ist das, was uns keiner mehr nehmen kann. Dennoch können wir sie mit den Menschen teilen, die an diesem Abenteuer nicht direkt teilnehmen können. Frank Wer kennt sie nicht, die vielen Abhandlungen wie Jupiters Fahrt und Reise, Long Way Round und Down, Southbound, Vollgas oder Auszeit. Klangvolle Autoren. Noch bessere Routen. Erlebnis pur. Aber alle Voyageure haben etwas gemeinsam – sie inspirieren und motivieren – zumindest die Biker, die sich mit Enduroreisen identifizieren. Am 06.10.2006 habe ich den letzten aller zivil möglichen Führerscheine ausgehändigt bekommen und bin seit Februar 2007 ein euphorischer Besitzer einer BMW R 1150 GS. Die schwäbische Allgemeinheit artikuliert, dass „d´r Schwoab mit 40 g´scheidt“ wird. Und dann nichtsdestoweniger den Lappen – falsch heutzutage sind es ja Karten – für Motorräder erworben? Ungeachtet der Tatsache vieler Unfälle, des reichen Maßes an Unsicherheit und einem titanischen Verkehr. Frank, als Familienvater von 3 Kindern, kannst Du das mit Deinem Gewissen vereinbaren? Ja, ich werde. Warum willst Du? Ich denke, die Diskussionen sind so alt, wie Daimler und Benz die Motorisierung und deren Folgen auf den Weg gebracht haben. Manchmal muss auch ein bisschen Unvernunft dabei sein, allerdings gepaart mit dem erforderlichen Respekt, einem gewissen 7. Sinn – welcher sich hoffentlich noch entwickelt – und einer gehörigen Portion Sicherheit und natürlich Glück. Nun, die Sicherheit wirkt sich bei mir noch mit einer selbst verordneten Geschwindigkeit von maximal 100km/h aus. „Spinnt der“, fragen sich jetzt die Profis. Als Noch-Anfänger mit einer fünfstelligen Kilometerleistung beantwortet sich diese Indifferenz selbst.

Getreu meinem Motto, die Herausforderungen mit mehr Gelassenheit zu nehmen, den Augenblick zu genießen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, haben 2007 trotz meiner noch jungen Fahrkünste unser Reiseziel Marokko zementiert. Warum Marokko? Erstens gibt es da einen Artikel im Motorrad-Magazin über Anfängertouren „Wüste“. Zweitens wollte meine geplante Mountainbike AfrikaTour von Oase zu Oase nie stattfinden. Hingegen haben mich zwei ÄgyptenReisen in den 90er Jahren so in ihren Bann gezogen, dass jetzt, zwei Dekaden später, der Wunsch zur Verwirklichung freigegeben wurde. Mit dem Motorrad deshalb, da es einem eigentlich nur mit offenem Visier und direktem Kontakt gelingt, Land und Leute zu erfahren. Auch infolge einer signifikanten körperlichen Expansion von ein paar Kilogramm. Diese muss mit dem Mountainbike erst einmal in Bewegung gebracht werden. Auch wenn die 93kg Lebendgewicht auf 1,90m gut verteilt und akzeptiert sind. Der Schwerpunkt wird jedoch durch das Hüftgold gebildet. So kam es, dass wir seit Januar 2007 mit den Vorbereitungen beschäftigt sind. Die Abfahrt wurde ursprünglich für April 2008 anvisiert, im Dezember 2007 aber auf den 19. März vorverlegt. Schuld daran war der Iran…

Inhalt Ein Traum wird zur Idee

7

Der steinige Weg

13

Der unbekannte Mitfahrer

16

Das Ziel wird greifbar

20

19. März 2008

25

Afrika zum Greifen nah

31

Der schwarze Karfreitag

43

Die Entscheidung

66

Der Neuanfang

72

Das Abenteuer geht weiter…?

80

Ein Zuhause für Motorradfahrer

90

Eine Falle am Ende der Welt

105

Die Eroberung der Himmelstreppe

124

Die großen Dünen von Erg Chebbi

132

Fatima

147

Sturm in der Wüste

174

Der weite Weg nach Hause

181

Die Vergesslichkeit der Menschen

192

Autoren und Fahrer

195

Allgemeine Informationen

197

Danksagungen

201

Ein Traum wird zur Idee Michael Über ein Jahr arbeiteten wir schon in der gleichen Abteilung, saßen Tür an Tür. Frank arbeitete schon hier, als ich 2005 nach einem Auslandsaufenthalt in Vietnam nach Deutschland zurückkehrte. Er war mir von Anfang an sehr sympathisch, nicht nur infolge seines ähnlichen beruflichen Werdegangs, sondern vor allem wegen seiner pragmatischen und unkomplizierten Vorgehensweise. Wir beide leiteten jeweils ein Team und verstanden uns ganz gut. Projektarbeit, die oftmals durch Kompetenzgerangel oder Besserwisserei beeinträchtigt ist, lief uns leicht von der Hand. Schnell hat sich herausgestellt, dass ich mich auf Frank bei der Projektarbeit verlassen konnte ohne meine persönliche Zielerreichung zu gefährden. Aber kann ich mich auch privat oder in einer Notsituation auf Frank verlassen? Wird er mich dann hängen lassen? Hin und wieder haben Frank und ich gemeinsame Freizeitaktivitäten für die Abteilung geplant, um die Zusammengehörigkeit zu fördern und die Familien zu integrieren. Frank kümmerte sich mehr um die gemütlichen Ausflüge, während bei mir der sportliche faire Wettkampf mit einer gut dosierten Portion Spaß im Vordergrund stand. Ich selbst zähle mich eher zu den jungen Wilden obwohl Frank und mich gerade mal 7 Jahre Altersunterschied trennen. Wenn man im Büro arbeitet, ist man die meiste Zeit an den Schreibtischstuhl gefesselt, der Gang zum Kopierer oder Netzwerkdrucker um die Ecke ist nicht wirklich das, was man Bewegung am Arbeitsplatz nennen kann. Selbst der Gehweg zu einer der zahlreichen Besprechungen zeichnete sich mehr als kleiner gemütlicher Spaziergang aus, wenngleich in den Besprechungen Lösungen und Entscheidungen im Marathonstil getroffen werden. In Ergänzung wurde von Frank ein kurzer Verdauungsrundgang um den Block eingeführt, um die Gedanken für den Nachmittagsendspurt frei zu bekommen und den Denkapparat mit ausreichend Sauerstoff bis zum Feierabend zu versorgen. Eines Tages, bei einem unserer täglichen Spaziergänge in der Mittagspause, haben uns auch die privaten Interessen zusammengeführt und das Projekt Marokko war geboren. Am 9. Januar sind Frank und ich alleine unterwegs, wieder einmal ist es das Thema Motorrad, das uns beschäftigt. An dieser Stelle sei einmal gesagt, dass Frank uns Kollegen lange Zeit verschwiegen hat, dass er den Motorradführerschein gemacht hat. Ich vermute jetzt einmal ganz frech, dass er Angst hatte durchzufallen. Er hat den Führerschein auf Anhieb geschafft, wie er uns im Nachhinein erzählt. Aber ob es der Anhieb des ersten oder zweiten Versuchs war, hat er nicht raus gelassen – das könnte ein Gesprächsziel für einen Abend während der Reise werden. Meine Neugier lässt mich nicht los. Frank erzählt mir von der Idee, dass er früher einmal daran gedacht hatte, mit dem Mountain7

bike das Atlasgebirge in Marokko zu bereisen. Ich denke Urlaub, Fahrrad und Berge das passt nicht, es soll ja Urlaub sein und nicht Bergsteigen mit Fahrrad. Schnell erzähle ich von meinem Traum, dass ich als 20-jähriger mit einem Kumpel mit dem Motorrad nach Tunesien reisen wollte, um die Weite der Sahara zu erleben. Die Reise ist leider nie zustande gekommen, aber das Motorrad gibt es noch. Schnell sind wir uns einig, Fahrrad und Marokko kommt nicht in Frage, aber Motorrad und Marokko das ist doch etwas. Wie in unseren Projekten ziehen wir schnell und pragmatisch an einem Strang. Es gibt nur ein Problem – und das heißt „Familie“. Die Familie muss gefragt werden, wer kommt schon heim und sagt: „Ich fahr mal eben mit dem Kollegen und dem Motorrad nach Marokko ins Atlasgebirge und anschließend in die Sahara.“ Außerdem hat Frank noch nicht einmal ein Motorrad. Trotzdem gehen am Nachmittag dieses 9. Januars die Planungsgespräche weiter, keiner will so richtig zugeben, dass die Familien noch nicht eingeweiht sind. Ich überlege mir schon eine Strategie, wie ich es beim Abendessen meiner Frau verkaufen werde, während wir im Internet recherchieren und eine grobe Reiseroute festlegen. Das Feuer brennt in uns bereits und zwar lichterloh, es kann nur noch von unseren Familien gelöscht werden mit der Verweigerung der Urlaubsgenehmigung. Ich werde bei meiner Frau sehr behutsam an das Thema herangehen. Natürlich rechne ich mit einer Entschädigung für meine Frau, deshalb bin ich aufs Schlimmste eingestellt, um mir den Abenteuerurlaub notfalls zu erkaufen. Außerdem will ich nicht derjenige sein, der die Reise kippt weil seine Frau nicht das O.K. gegeben hat. Das würde bei Frank vielleicht den Eindruck hinterlassen, ich stünde unter dem Pantoffel wie viele Ehemänner. Meine Gesprächsstrategie wird wie so oft im Leben die halbe Miete sein. Aber ganz ohne Gegenleistung komme ich natürlich nicht aus der Sache heraus. Es wäre das erste Mal, dass eine Frau ihren Mann ganz bedingungslos mit seinen Kollegen losziehen lässt. Ich denke alles andere ist auch nicht normal. Dem Traum steht von meiner Seite nichts mehr im Wege, das dachte ich zumindest zu diesem Zeitpunkt. Am nächsten Morgen frage ich vorsichtig bei Frank nach: „Und was hat Ute zu unserer Idee gesagt?“ Da Frank und ich immer die ersten morgens im Büro sind, können wir uns für eine Zeit lang ganz ungestört unterhalten. Frank zögerte ein bisschen, was mich schon vermuten lässt, dass seine Frau nicht unbedingt von unserer Idee begeistert war. Aber er sagte dann ganz verhalten: „Ute meinte, es höre sich gut an, warum also nicht!“ In mir schießt der Gedanke hoch, welche Gegenleistung das wohl gekostet hat – schließlich hat Frank 3 Kinder und noch nicht einmal ein Motorrad. Aber anscheinend hat er das grüne Licht bekommen und das ist für mich in diesem Augenblick das Wichtigste. Sogleich holt Frank einen Stapel Motorradzeitungen aus der Tasche, die Motorradreiseberichte aus Marokko enthalten, jetzt ist mir klar, Frank hat es gerichtet. So kenne ich ihn, Entscheidung hervorrufen und dann pragmatisch die Planung beginnen. Es fehlt nur noch, dass er einen Projektplan mit Quality Gates hervor8

zaubert. Ab diesem Zeitpunkt bin ich mir sicher, jetzt geht es richtig los und meine Bedenken sind beseitigt. Auf welchen Kuhhandel sich Frank mit seiner Familie einlassen musste, ist mir nicht bekannt. Es bleibt vielleicht sein Geheimnis. Mittlerweile treffen auch die nächsten Kollegen im Büro ein, die bis dahin noch nichts von unserer verrückten Idee wissen. Lange können wir unserer Abenteuereuphorie allerdings nicht geheim halten und so erfahren die Kollegen und Mitarbeiter Schritt für Schritt von unserem Vorhaben. Anfangs habe ich das Gefühl, dass uns nicht wirklich jemand diese Reise zutraut, und es viele nur für eine fixe Idee halten. Frank und ich haben das Ziel klar definiert und jetzt muss an der Umsetzung gearbeitet werden. Da wir beide keine Erfahrung in der Planung derartiger Reisen haben, kommen immer wieder neue Überraschungen ans Tageslicht, die gemeistert werden müssen. Wie in der täglichen Arbeit sehe ich keine Probleme sondern nur Herausforderungen, die systematisch abgearbeitet werden müssen, um dem Ziel wie bei einem Puzzle Stück für Stück näher zu kommen. Das Puzzle bekommt für mich im Laufe der Vorbereitung mehr und mehr Teile, und teilweise denke ich es wird niemals bis zur Abfahrt fertig werden. Frank Michael und ich arbeiteten in derselben Abteilung, beide das „Q“ für Qualität auf der Stirn. Michael durch seinen beruflichen Einsatz in Vietnam, ich durch fast 3 Berufsjahre in Mannheim. Was für ein Gegensatz. Die Welt ist nun mal sehr klein. Und irgendwann saßen wir Tür an Tür mit Alice. Alice heißt im richtigen Leben Elke und ist unsere gute Seele, unsere damalige Abteilungssekretärin. Veranlasst durch einen Wechsel von Michael in den Iran und von mir ins Bayrische sehen wir Elke heutzutage fast gar nicht mehr. Wir waren damit beschäftigt ein gemeinsames Qualitätsprojekt auszuarbeiten, als uns mal wieder das Fernweh schikanierte. Ausschlaggebend war diese Reportage über Marokko, welche wir als Frühstückslektüre fraßen, vernichteten, hereinsaugten. Als stolzer Besitzer eines 4 Monate alten Motorradführerscheins und einer imaginären GS wollten wir diese gemeinsame Tour wagen. Michaels Motorradkünste lagen auf Eis, meine…. welche? Naja, immerhin kann ich Stopp and Go, Vollbremsung mit Ausweichen, Autobahn – und andere diverse Fahrten und Übungen vorweisen. Dieses Fahrschulrepertoire gibt es für schlappe 1.400 Euro. Mir war ganz schlecht, hatte ich doch 1984 für meinen alten Klasse 3 – Lappen die Hälfte in DM berappt. Und dazu noch auf einer grünen Ninja auf der ich mit 1,90m Größe wie der berühmte Affe auf dem Schleifstein saß. Im Laufe der Zeit führte ich viele Benzin-Gespräche, hatte einige Probefahrten und kam immer wieder zu einem übereinstimmenden Ergebnis. Ein Exponat der Lebensphilosophie GS muss es sein. Für meine Größe fand ich die Sitzposition phänomenal. Gar nicht so schwer zu drücken wie vielfach behauptet wird. Gut, 250kg müssen beherrscht werden, aber um zukünftige Länder – Menschen – 9

Abenteuer zu erfahren genau das richtige Moped für mich. Es dauerte auch nicht lange, da ist mir von einem Kollegen eine Top-Adresse für BMWs zu Ohren gekommen. Einem kurzen Anruf folgte eine Terminierung zur Probefahrt. Eigentlich wollte ich die GS 1150 Adventure fahren; zwischen Senior und Junior gab es aber Kommunikationsprobleme, sodass ich die 250km Anreise fast umsonst absolviert hätte. 2 Tage vorher verkauft. Aber der Senior schaffte es, eine fulminante Alternative aus dem Ärmel zu zaubern. Er konnte mir eine prächtige 1150 GS zeigen – kurze Probefahrt – verliebt, verlobt, gekauft. Was für ein Priapismus. Wie schnell so was geht und vor allen Dingen, wie sag ich es meiner Frau? Angekündigt war ein kleines Schnuppern mit Probefahrt. Auf die Frage, wie es war, konnte ich gar nichts sagen sondern zeigte ihr den Kaufvertrag. Es lief eigentlich ganz gut. Nach einer Woche sprach sie wieder mit mir. Ein paar Wochen vorher hatte ich schon einen opulenten Betrag an Zaster in die BMW Rallye 2-Jacke und Hose, Stiefel und Helm investiert. Eigentlich war´s gar nicht so viel Geld, denn als Anfänger bekommt die Allgemeinheit bei BMW einen ordentlichen Rabatt bei Vorlage eines Fahrschulbelegs. Somit war die Grundausstattung unter 1.000 Euro gesichert. Und jetzt hatte ich zur Kluft auch noch das richtige Motorrad. Jetzt darf sie kommen, die Faszination Freiheit. Seit der Festlegung auf Marokko waren die Wochenenden und die Abende mit solch einer Intensität versehen, dass wir nur noch so vor Ideen sprudelten. Bücher wurden über Nacht gelesen, Checklisten erstellt und abgestimmt; sogar eine Homepage wurde von Michael eingerichtet, damit wir dort alle Aktivitäten dokumentieren konnten. Ja, Ja, Michael der alte Technokrat. Manchmal verbeißt er sich in diverse Vorstellungen, soll alles technisch machbar und umsetzbar sein. Dann wird er wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, ihm ein bisschen Gelassenheit eingeimpft und schon ist er wieder der liebe nette Junge von nebenan mit dem man Pferde stehlen kann. Von unserem Motto angefangen über die Route, die Planungen, Checklisten, Ausrüstungen, Investitionen, GPS-Daten sowie Zeitpläne, Bilder und Videos haben wir dort alles archiviert. Natürlich diskutierten wir auch über die Idee eines Buches. Dass sich dies verwirklichen lässt, glaubte aber keine lebendige Seele so richtig. Sogar zu diversen Fernsehsendern hatten wir Kontakt aufgenommen. Was Ewan McGregor und Charley Boorman auf die Beine stellen, dazu sind wir schon lange imstande. Gut, die beiden sind mit ihren BMW Adventures im wahrsten Sinne in 4 Monaten einmal um die Welt geflogen, wir würden den ersten Schritt mit einer Marokko-Umrundung Marrakesch – Erg Chebbi in Angriff nehmen. Wo liegt der Unterschied? Eben. Es war nur das zeitliche und monetäre Delta, was unsere beiden Expeditionen unterschied. Wir hofften, unsere Logistik selbst zu beherrschen, also wollten wir kein Begleitfahrzeug mit Homo Sapiens an Bord, die uns abends dann eventuell noch das Essen vorkauen und etwas vorlesen. Aber vielleicht wäre eine Begleitung doch keine so schlechte Idee? Wir fühlten uns der überall gelobten marokkanischen 10

Infrastruktur gewachsen und waren stolz, die Organisation von A – Z alleine zu gestalten – ohne große finanzielle Unterstützung und mit einer gehörigen Portion an Improvisationstalent bei allen Gedankengängen. Somit können wir getrost sagen, dass die GS und die XT zwei verrückte Fahrer gemeinsam haben. Wen wundert’s – Mitte April 2007 war das Programm fertig – eigentlich wollten wir sofort los. Es folgten unzählige Diskussionen über die Anreisemöglichkeiten. Unsere letztendlich verfolgten drei Favoriten waren die Anreise per Anhänger, per Bahn und per Transporter. Nach einer betriebswirtschaftlichen Analyse liebäugelten wir mit dem Transporter. Mittlerweile war noch Bernd zu uns gestoßen, ein begeisterter Motorradfahrer, der alle erdenklichen Maschinen gefahren hat. Neben MZ und Hayabusa muss gerade eine KTM 660 seinen Fahrkünsten trotzen. Bernd ist übrigens ebenfalls im Beruf des „Qs“ beheimatet. Die Gruppe darf sich jetzt vollzählig nennen, da offiziell nicht mehr als 3 Personen in einem Transporter fahren sollten. Michael und ich besuchten lokale Messen und haben in München auf der IMOT 2007 die Firma Touratech mit ihren Exponaten aufgesucht. Top-Equipment vom Feinsten. So haben wir auch gleich einen Vororttermin vereinbart und haben meine GS zur Optimierung mitgenommen. Touratech ist wirklich ein bis ins Detail verliebter Ausrüster mit vielen Ideen. Leider muss man sich einem wahren Kaufrausch widersetzen. So viel Geld bekommt der Sohnemann von Frau oder Mutti gar nicht mit, wie es innerhalb von Minuten verplant und verhökert sein kann. Meine erste Einkaufstour erleichterte mein Budget um 2 Mille, dafür äußerst sinnvoll angelegt. Unmissverständlich habe ich jetzt eine aus meiner Sicht veredelte „Wüsten GS“. Mit einem Schutzpaket für die Zylinder, welches mir im Laufe der Reise noch sehr nützlich werden sollte, die Scheinwerfer und die Ölkühler. Das Koffersystem, ein neues Motorrad-Navi sowie ein für Anfänger nützlicher Lenker – Anschlagschutz modelliert jetzt die GS. Wir haben ein ganzes Paket zur Vorbereitung geschnürt. Unter der Rubrik „allgemeine Informationen“ werden wir alle interessanten Dinge über Marokko zusammentragen. Somit wissen wir jetzt genau, wo sich „Peters Bikershome“ niedergelassen hat. Anreise, Übernachtung, Essen, Hygiene und Notfälle sind uns jetzt ebenfalls als Excel-Checklisten dienlich, die gesamten GPS-Daten für Campingplätze und Kasbahs inklusive. Im Gegensatz zu den GPS-Geräten gehört auch die gute alte Michelin Marokko-Karte zu unseren Siebensachen. „Sischer is sischer.“ Unsere imaginäre Route haben wir schon mehrmals durchfahren. Besonders freuen wir uns auf die erste Nacht in Marrakesch. Da wir uns alle das erste Mal in Marokko tummeln, werden wir versuchen, diese Stadt auf jeden Fall zu lieben. Welche von unseren Erwartungen, Vorstellungen werden wir dort erleben und erfahren? Insgeheim hoffe ich, dieses afrikanisch-orientalische Flair zu genießen, das ich in Kairo erlebt habe. Unser Gusto für Marokko wird unersättlich, wir wissen es; denn wir wollen Marokko erfahren. 3 Männer, 3 Motorräder, 3 11

Vorstellungen. Wie der Schleier einer Bauchtänzerin umhüllt uns unsere Vorstellung. Stringente Eindrücke prägen das Bild in unseren Köpfen – diese Impressionen werden durch die gesamte Literatur vorgezeichnet. Dennoch werden sich zwischen Theorie und Praxis Unterschiede ergeben – wir werden sehen. Unsere Planung: Nach dem Übersetzen der Fähre von Spanien nach Marokko, gilt es möglichst zügig nach Marrakesch, dem eigentlichen Startpunkt des Abenteuers zu gelangen. Von dort aus wird der Weg über das Atlasgebirge bis in das Erg Chebbi führen. Die Weiterreise wird Offroad entlang der algerischen Grenze bis nach Zagora, dem Tor zur Sahara, Wirklichkeit werden. Über Ouarzazate geht es dann nordwärts nach Marrakesch. Von dort aus wird der Weg den Küstenstraßen über Casablanca und wieder nach Gibraltar heimwärts folgen. Schau mir in die Augen Kleines und Du siehst meine Vorfreude.

12

Der steinige Weg Michael Die folgenden Wochen sind geprägt durch das Erstellen von Listen, die Sachen enthalten, die wir mit auf die Reise nehmen wollen. In erster Linie steht die Sicherheit an oberster Stelle. Wer unbekanntes Terrain betritt, muss so gut wie möglich auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Es wäre fatal, wenn einem von uns etwas zustoßen würde und es nur daran liegt, dass wir zu leichtsinnig mit der Situation und der Vorbereitung umgegangen sind. Da wir beide keine Propheten sind, versuchen wir mit Erfahrungsberichten und Messebesuchen unser Wissen sinnvoll anzureichern. Da Frank derjenige von uns beiden ist, der gerne in Zeitschriften und Büchern stöbert, stürze ich mich auf das elektronische Medium Internet. Die Internetumgebung ist mir vertrauter und vor allem schneller zu erreichen. Meine Ungeduld, erst warten zu müssen, bis die Zeit es zulässt, in einen Zeitschriftenladen oder eine Buchhandlung zu gehen, würde mich zum Kochen bringen. Ich bin so heiß auf die Reise und so von der Abenteuereuphorie gepackt, dass ich sicherlich nicht warten kann, bis ein Zeitschriftenladen öffnet. Das Internet ist meine virtuelle Buchhandlung und Zeitschriftenladen zugleich, und zwar 24 Stunden an 7 Tagen geöffnet. Das ist genau das Richtige, um meinen Tatendrang ein wenig zu befriedigen. Meine größte Befürchtung ist, dass Frank vielleicht von mir denkt, ich bin zu überambitioniert, was diese Reise angeht. Er geht die Sachen eher pragmatisch und strukturiert an und hält gerne den Ball flach. Mich kann nichts mehr halten und ich habe nur noch diese Reise im Kopf. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch mehr als ein Jahr bis zur Abreise, wie kann ich diese Wartezeit nur verkürzen damit es einigermaßen erträglich für mich wird? Je mehr ich in die Planung einsteige, je mehr Herausforderungen müssen gelöst werden, damit die Reise stattfinden kann. Da ist zu einem das Motorrad, das die letzten 15 Jahre mehr in der Garage stand, als auf der Straße unterwegs gewesen zu sein, zum anderen, was nehme ich sinnvollerweise mit auf die Reise? Ich weiß noch nicht, wo ich anfangen und aufhören soll, und Frank hat noch nicht einmal ein Motorrad in der Garage stehen! Frank hat außer den Fahrschulstunden noch keine Fahrpraxis, er muss noch ganz andere Hürden bewältigen. Für Außenstehende macht es bestimmt den Eindruck, wir wären nicht ganz bei Trost mit unserer Idee. Frank nimmt sich für die kommenden Wochen den Kauf seines Wunschmotorrads und ein Enduro-Fahrertraining bei BMW vor. Es scheint alles seinen Weg bei ihm zu gehen, um die notwendige Fahrpraxis zu erlangen. Bei mir hingegen sind die Umbaupläne des Motorrads bereits gedanklich abgeschlossen, in der Umsetzung jedoch ist wieder einmal mehr zu sehen, dass der Unterschied zwischen Theorie und Praxis sehr groß sein kann. Als erstes werden verschiedene Internetportale und Auktionshäuser nach einem Tank mit mehr Fassungsvolumen abgesucht. Theoretisch kein Problem, etwas Passendes zu finden, aber das 13

Motorrad ist schon 15 Jahre alt und von jedem Fahrzeug gibt es verschiedene Modelle während des Produktlebenszyklus. Dies müsste ich eigentlich wissen, da ich ja aus der Automobilindustrie komme. Aber bekanntlich lernt man ja täglich hinzu. Mit einem 9-Liter-Serientank, der auf normalen Straßen eine maximale Reichweite von 150km verspricht, wird es Offroad in der Wüste nicht einmal bis zum nächsten Wasserloch reichen. Und wer läuft schon in der Wüste zur nächsten Tankstelle mit dem Ersatzkanister in der Hand? Nach langem Suchen ist ein passabler Kunststofftank mit 23 Liter Fassungsvermögen in einer Internetauktion gefunden und das auch noch zu einem erschwinglichen Preis. Voller Vorfreude wird in den darauf folgenden Tagen der Paketdienst mit der neuen Errungenschaft erwartet. Eifrig demontiere ich noch am selben Abend den Originaltank und schon bei der Demontage kommt der erste große Schock. Trotzdem wird der neue, größere Tank aus Kunststoff montiert und wenigstens ein kleiner Erfolg gefeiert, er passt sofort! Zugegeben, der Lack ist schon an vielen Stellen abgeblättert, aber die Funktion ist wichtig und nicht das Aussehen. Es geht ja nicht darum, wer in der Wüste das schönste Motorrad fährt. Ich denke mir, lieber ein hässliches Motorrad, aber dafür geht während der Reise nichts kaputt. Es würde für mich ein Schlag ins Gesicht sein, wenn ich liegen bleiben würde. Ein Ausfall in der Wüste könnte unter Umständen sogar tödlich sein. Als sich die Glückshormone nach der erfolgreichen Montage und Erprobung wieder auf einem normalen Level befinden, beginne ich den ersten großen Schock aufzuarbeiten. Bei der Demontage des Originaltanks habe ich festgestellt, dass dieser schon gewaltig in die Jahre gekommen und an einigen Stellen sehr verrostet ist. Eben diese erwähnten Roststellen sind an zwei Punkten an der Tankunterseite gebrochen und der Kraftstoff ausgelaufen. Wie ein Blitz hat mich diese Entdeckung getroffen. Wenn schon bei der einfachen Tankmontage Schwachstellen auftreten, die zu einem Liegenbleiber im Wüstensand führen können, was fällt noch auf, wenn man das Motorrad im Detail untersuchen wird? Die nachträgliche Analyse hat zusätzlich dazu beigetragen, mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Aber es kommt noch viel schlimmer und gefährlicher in meiner Vorbereitungsphase. Wenn es einmal anfängt, dann scheint man das Pech gepachtet zu haben. Außerdem noch die Peinlichkeit, gegenüber Frank zugeben zu müssen, dass mein Motorrad nach 15 Jahren nur noch ein Haufen Metallschrott mit einem gebrauchten Kunststofftank ist. Mehrfach hatte ich in unseren Planungsgesprächen nahezu geprahlt, mein Motorrad sei zwar schon 15 Jahre alt aber noch gut in Schuss. Mit diesem Modell sind manche schon die Paris-Dakar-Rallye gefahren. Glücklicherweise hat Frank nie gekontert: „Aber es hat sicherlich keiner mit einer 15 Jahre alten Klapperkiste versucht.“ Gedacht hat er es bestimmt, und mir wären die Argumente ausgegangen. Das Erlebnis mit dem verrosteten Tank hat mir die Augen geöffnet und mich veranlasst, mein Motorrad zu einem Fachhändler zu bringen und es mal richtig prüfen zu lassen und den anstehenden TÜV zu erneuern. Gesagt getan, mehr als 14