Mein Soldatenleben seit dem 17. November 1916

durch pfiff. Ja, wir mussten alles geduldig annehmen. Wir waren kaum drei Tage da, da mussten wir schon im Exerzieranzug antreten. Dort war die Ausbildung ...
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Inhalt der Notizhefte von Musketier Josef Kaiser (1897 – 1984)

Mein Soldatenleben seit dem 17. November 1916 (bis November 1918)

Als der Krieg schon über zwei Jahre gewütet hatte und unser Kaiser sah, dass derselbe noch kein Ende nehmen wollte, sah sich das Vaterland gezwungen, auch den Jahrgang 1897 zur Fahne zu rufen. Dabei war auch ich. Ich wurde also im September 1916 gemustert zu Kempen. Das Resultat war: „Kriegsverwendungsfähig“. Es vergingen einige Wochen, da erhielt ich dann plötzlich am 15. November einen Gestellungsbefehl, und am 17. desselben Monats musste ich dann von meinen Eltern Abschied nehmen. Ich kam zuerst nach dem Bezirkskommando Rheydt. Von dort aus wurde ich weiter transportiert nach Köln-Bayental zum Res. Inf. Regt. 68. Als ich dort einige Wochen verlebt hatte, kam das Weihnachtsfest heran. An diesen Tagen hatte ich dann das Glück, zum ersten Male in Kaisers Rock bei meinen Eltern zu erscheinen. Am dritten Tage meines Urlaubs bekam ich plötzlich ein Telegramm, auf welchem bemerkt war: „Sofort zurück.“ Ich musste natürlich meine Pflicht erfüllen und mit dem nächsten Zuge zurück fahren. Als ich wieder in Köln angelangt war und kaum den Bahnhof verlassen hatte, hörte ich schon von meinen Kameraden, welche mir in den Straßen begegneten, was sich in den letzten Tagen zugetragen hatte. Es hieß nämlich, der Jahrgang 1897 soll ins Feld rücken. Und wirklich war es auch der Fall. Ich wurde also auf dem schnellsten Wege in Feldgrau eingekleidet, und innerhalb drei Tage stand ich feldmarschmäßig bereit zum Abmarsch. Dann am 28. Dezember abends gegen 6 Uhr kam der Befehl zum Abmarsch. Noch am selben Abend wurden wir auf dem Bonner Bahnhof in Köln-Bayental verladen. Innerhalb einer Stunde war das Einladen geschehen. Gegen neun Uhr gab dann der Zug das Zeichen zum Abfahren. Ich fuhr zuerst durch die Eifel über Gerolstein, wo wir dann zum ersten Male verpflegt wurden. Von dort aus ging es weiter über Trier West nach Luxemburg. In Luxemburg wurden wir zum zweiten Male verpflegt. Aber diese Verpflegung vergesse ich niemals. Sie war nämlich sehr schlecht. Als wir 1½ Tage gefahren waren, kamen wir in Sedan an. Dort wurden wir dann zum dritten Male gespeist. Das Essen, welches wir da bekamen, war sehr gut. Da wir das Fahren auf der Bahn noch nicht so gewohnt waren, wurden wir langsam ungeduldig. Aber es half alles nichts, wir mussten drei Tage aushalten. Wir kamen also in der Neujahrsnacht 1917 um 12 Uhr auf unserem Landungsplatz an. Es war in Rylli (?). Dort mussten wir uns dann am Bahnhof aufstellen, und dann wurde abmarschiert.

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Aber den Marsch vergesse ich in meinem Leben nicht. Es war nämlich fast kein Ende an demselben. Endlich nach 4 Stunden kamen wir dann in dem Ort an, wo wir einquartiert werden sollten. Dieses war der Ort Le Chesne. Als wir den letzten Teil der Nacht auf einem eiskalten Speicher verbracht hatten, wurden wir in den Kompagnien des Feld-Rekruten-Depot der 52. HusarenDivision eingeteilt. Kaum war dieses geschehen, da bekamen wir unsere Quartiere angewiesen. Es waren alte Häuser, wo der Wind in allen Winkeln durch pfiff. Ja, wir mussten alles geduldig annehmen. Wir waren kaum drei Tage da, da mussten wir schon im Exerzieranzug antreten. Dort war die Ausbildung bedeutend besser und schärfer, als in Cöln. Wir blieben hier bereits 4 Wochen. Am 27. Januar, am Geburtstag unseres Kaisers, wurde das Rekr.-Depot verlegt, und zwar nach Haroucourt, nicht weit von Sedan entfernt. Acht Tage vorher waren wir schon mit 14 Mann dorthin gezogen als Quartiermacher. In den acht Tagen haben wir unsere Quartiere in Ordnung gesetzt. Diese waren etwas besser als in Le Chesne. Den Hunger, den ich in den acht Tagen gehabt habe, vergesse ich in meinem Leben nicht. In Haroucourt waren wir nun auch schnell eingelebt. Das Exerzieren war dort auch sehr streng. Jetzt waren wir am längsten im Feld-Rekr.-Depot gewesen. Am Ende des Monats Februar hatten wir Besichtigung vom Korpskommandeur des 26. Husaren-Korps. Dieser Kommandeur, seine Exzellenz General der Infanterie Von Hügel, sagte uns, dass wir in drei Wochen fertig sein mussten, damit wir die Kameraden vorn in der Front ablösen sollten. Am 13. Bis 15. März wurden dann verschiedene Transporte eingeteilt. Bei dem Transport am 15. war auch ich; es ging zum Res.-Inf.-Regt. 240. Am selben Tage haben wir noch unsere Sachen, wie eiserne Ration und Zwieback empfangen. An dem Tage wurden wir auch zur Front gefahren. Unsere Endstation war Monthois in der Champagne. Als wir dort ausgeladen waren, fing da schon der richtige Dreck an. Vom Bahnhof gingen wir zu Fuß nach dem Ruhelager der dort kämpfenden Truppen. Im Lager angekommen, wurden wir sofort an die Kompagnien verteilt. Ich kam zur ersten Kompagnie. Es war nachmittags gegen 6 Uhr. Als alles auf der Schreibstube fertig war, konnten wir uns auch wieder so langsam unseren Affen auf den Rücken nehmen, denn wir sollten noch am selben Abend in Stellung gehen. Vor diesem hatten wir nun allerhand Angst, denn ich hatte noch nie einen Kanonenschuss gehört. Aber, es half alles nichts, wir mussten. Gegen 9 Uhr packten wir uns dann auf und gingen zum ersten Male in dieses Elend hinein. Zuerst wurden wir noch gut mit Brot und Fleisch versorgt. Dieser Marsch wollte auch kein Ende nehmen. Da es der erste Marsch war, welchen ich mit vollem Gepäck machte, könnt Ihr Euch denken, wie schnell mich der Affe gedrückt hatte. Es war ein 4-stündiger, sehr schrecklicher Marsch.

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Wir waren 2 ½ Stunden gegangen, da hörten wir schon die Kanonen und sahen die Leuchtkugeln hochgehen. Mir war es schon ganz gruselig. Als wir durch die Artilleriestellungen marschierten, da schlugen schon die Granaten links und rechts neben uns ein. Es half alles nichts, wir mussten mit dem schweren Tornister weiter. Ich dachte: Unter dem Schutz der hl. Maria wird noch alles gut gehen. Und es hat alles gut gegangen: Wir sind glücklich mit Gottes Hilfe dorthin gekommen, wo wir hin wollten. In der letzten Marschstunde haben wir noch allerlei Hindernisse gehabt. Wir mussten nämlich durch Sumpf und Wasser und durch Granatlöcher und Drahtverhau. Ganz müde und vollständig machtlos kamen wir dann vorne in dem halb voll Wasser stehenden Schützengraben an. Dort wurde uns dann unsere Höhle angewiesen, wo wir einige Tage drin wohnten. Wir bekamen einen kleinen Begriff vom Schützengrabenleben. Als wir in unsere Höhle hineingekrochen waren, legten wir uns sofort vor lauter Müdigkeit in dem Dreck hin. Als wir ausgeschlafen hatten, gingen wir einmal an das Tageslicht, um uns einmal den Zirkus zu besehen. Ich habe mich nicht wenig gewundert, als ich dieses zum ersten Male sah. An Waschen war natürlich nicht zu denken. In dieser Höhle haben wir dann 4 Tage zugebracht. In der Nacht vom 20. – 21. März wurden wir dann abgelöst und kamen wieder zum Ruhelager, TeschnerLager genannt. Hier blieben wir wieder 6 Tag in Ruhe. Am Abend des sechsten Tages mussten wir uns wieder fertig machen, um in Stellung zu gehen. Da gingen wir gegen 10 Uhr mit der ganzen Kompagnie nach vorne in Stellung und zum ersten Male im vordersten Graben. In der Nacht um drei Uhr kamen wir dann glücklich an. Es war eine sehr unruhige Stellung auf der Höhe 185 in der Champagne bei dem Dorf Ripont. Als wir zwei Tage dort waren, machte das Rgt. 235, welches direkt links von uns lag, einen Sturm. Da habe ich dann das erste Trommelfeuer erlebt. Aber Ihr könnt Euch denken, wie mir zu Mute war. Ich habe ohne Unterlass um Gottes Hilfe gebetet, und es hat auch alles gut gegangen. Zum Glück wurde am nächsten Tage unser Rgt. vom Rgt. 140 abgelöst, und in der Nacht darauf Machten die Franzosen einen Gegenangriff. Dabei hatte das Rgt. 140, welches in unserer Stellung lag, auch schwere Verluste. Unser Rgt. wurde weiter nach rechts verlegt bei dem Dorf Tahure. Dort war eine sehr schön ruhige Stellung. Wir blieben dort 7 Tage und kamen dann wieder in Ruhe. In Ruhe hatten wir immer die schönsten Tage. Wir machten unsere Brocken sauber, welche in Stellung immer sehr dreckig wurden. An den anderen Tagen wurde etwas exerziert. Als die 7 Tage vorbei waren, gingen wir wieder in dieselbe Stellung und blieben dort wieder 7 Tage. Jetzt war die Hälfte des Monats April auch verflogen. Gegen Mitte dieses Monats hieß es dann auf einmal, unsere 52. Res. Division wird abgelöst, und wirklich war es auch.

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Wir wurden herausgezogen, entlaust und nach einigen Tagen verladen. Es ging mit voller Regimentsmusik nach Montois zum Bahnhof. Als alles fertig war, gab der Zug das Zeichen zur Abfahrt. Keiner Wusste, wohin uns der Zug fuhr. Als wir einige Stunden gefahren waren, kam der Befehl zum aussteigen. Wir stiegen in der Markt Rethel aus und marschierten von dort aus weiter auf die neue Front zu. Da wurde uns so langsam klar, wo wir hin sollten. Es ging nämlich in die Offensive bei Reims. Wir marschierten also auf Chateau Porcien zu und blieben dort in der Nacht bis zum anderen Tage. Da der Weg von Rethel bis Chateau Porcien sehr weit ist, hatte fast kein Mann in der ganzen Kompagnie noch ganze Füße. Alle hatten die Füße durchgelaufen. Deshalb konnte am anderen Tag sehr schlecht vormarschiert werden. Aber wir mussten. Wir kamen dann bis Vieux les Asfeld. Dort waren wir weit genug. In Vieux les Asfeld blieben wir noch einige Wochen und haben dort sehr stramm exerziert. In dem Dorf konnten wir sehr gut hören und auch sehen, was vorne in der Front los war. Es kamen nämlich fortwährend Verwundete und Gefangene, und jede Nacht war ein so starkes Trommelfeuer, dass das ganze Dorf wackelte. Den Fliegerangriff, welcher dort in einer Nacht stattgefunden hat, vergesse ich auch in meinem Leben nicht. Diese Wochen waren auch schnell vergangen. Da kam auf einmal der Befehl: Unsere Division wird eingesetzt. Und richtig, es dauerte nicht lange, da ging das Vorkommando schon nach vorne, um die Stellung zu übernehmen. Bevor wir in Stellung gingen, hielt unser hochw. Herr Divisionspfarrer noch eine sehr schöne ergreifende Ansprache. Am folgenden Tag sollten wir nun in das gewaltige Ringen hinein. Es war der 4. Mai. Es ist mir fast nicht möglich, die Tage, welche ich dort verlebt habe, hinzuschreiben. Also am 4. Mai abends gegen 7 Uhr ging es los. Unsere Tornister wurden mit Lastautos bis bald in Stellung gefahren. Es dauerte nicht lange, so kamen wir auch dort an, wo die Tornister wieder abgeladen waren. Kaum hatten wir unsere Tornister umgehängt, da ging es wieder weiter. Nach 5 Minuten langem Marsch schlugen schon die Granaten ganz nahe links und rechts neben uns ein. Ich begreife es heute noch nicht, wie ich da so glücklich durchgekommen bin. Als wir dadurch waren, kamen wir so langsam in unsere Stellung. Wir wunderten uns nicht wenig, als wir in der Stellung ankamen. Es war am AisneKanal bei dem Dorf Berry au Bac. Für jeden einzelnen Mann war am Kanaldamm ein Loch gegraben. Dieses sollte uns als Wohnung dienen. Ihr könnt Euch denken, wie wir beim Regen drin schlafen konnten. Auch hier mussten wir aushalten. Es war dieses noch nicht die vorderste Stellung. Der vorderste Graben war etwa zehn Minuten weiter auf einer Höhe, welche die Nummer 108 hatte. Von unserer Kanalstellung aus konnten wir alles genau beobachten, was dort alles vor sich ging.

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Dort hatten unsere Kameraden noch mehr auszuhalten als wir. Nämlich jeden Morgen, wenn es hell wurde, und abends, wenn es dunkel wurde, griff der Franzmann an. Als wir aber einige Tage in der Kanalstellung gelegen hatten, kamen wir auf einen sehr schweren Posten. Vorne in der Höhe war nämlich ein sehr großer Tunnel mit elf Ausgängen von unseren Pionieren erbaut. In demselben konnte eine ganze Division Soldaten Unterkunft bekommen. Da die Soldaten, welche vorne lagen, auch sehr viel Verpflegung und Munition nötig hatten, mussten wir, die wir in Reserve lagen, dieses Zeug nach vorne schaffen, und das war eine sehr schwierige Sache. Der Eingang, in welchen wir mit dem Zeug jede Nacht hinein mussten, wurde ständig von 4 französischen Batterien unter Feuer gehalten. Es half uns alles nichts, wir mussten durch das Feuer, sonst bekamen unsere Kameraden nichts zu essen. Das Stück, welches unter Feuer gehalten wurde, war etwa 400 Meter lang, aber ganz mit Leichen besät. Dieses Nach-vornTragen von Lebensmitteln und Munition habe ich zehn Tage mitgemacht, und dabei ist mir nichts passiert. Jedes Mal, wenn ich nach vorne gewesen war, so habe ich als Dank einen Rosenkranz gebetet zum Dank, dass ich immer glücklich zurück gekommen war. Ich verstehe es selbst nicht, wie wunderbar ich da beschützt war. Als dieses dann vorüber war, gingen wir mit der ganzen Kompagnie nach vorne zur Verstärkung. Die Tage, welche ich da vorne verlebt habe, waren auch sehr schrecklich. Wir waren schon drei Wochen in der Stellung, ohne zu waschen oder etwas Neues anzuziehen, und immer wurden wir noch nicht abgelöst, trotzdem dass unsere Kompagnie schon erhebliche Verluste hatte. Da auf einmal hieß es, bevor wir abgelöst würden, sollten wir noch zuerst stürmen, denn der Franzmann hatte die Höhe 108 noch zum Teil besetzt, und von dort aus konnte er alles gut einsehen. Da ging es dann am 31. Mai los. Am Abend vorher wurde ich dem Sturmtrupp zugeteilt, und in der Nacht sind wir noch richtig mit Sturmportionen wie Brot, Fleisch, Schnaps u. v. m. versehen worden. Gegen Morgen um 5 Uhr begann das Trommelfeuer, und 1 Minute vor halb sechs gingen 11 schwere Sprengungen los. Im selben Moment mussten wir zum Sturm vor. Aber welch ein Anblick; er war geradezu entsetzlich. Dabei haben wir dann die ganze Höhe genommen und etwa 90 Mann gefangen. Der Franzmann hatte aber keine Lust mehr, einen Gegenangriff zu machen, denn er hatte Angst vor den Sprengungen. Dieser Akt war nun auch mit Gottes Hilfe glücklich verlaufen. Zwei Tage nach dem Sturm wurden wir abgelöst und waren ununterbrochen 4 Wochen in Stellung gewesen. Wir kamen zuerst nochmal 7 Tage in Reserve, und dann kamen wir 7 Tage in Ruhe zu dem Dorf Villers. Dort wurden wir vor allen Dingen entlaust, denn die Läuse hätten uns bald aufgefressen. Jeden Tag hatte ich in Stellung durchschnittlich 50 – 60 Läuse gefangen.

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In den sieben Tagen, wo wir in Ruhe waren, haben wir einmal wieder gut gelebt. Da gab es Schokolade, Keks, Honig und noch andere schöne Sachen. Doch die schönen sieben Tage waren auch wieder schnell verflossen. Am Nachmittag des 6. Tages konnten wir wieder unsere Sachen packen und am Abend in Stellung gehen. Wir kamen in der Nacht gegen 2 Uhr wieder in unserer alten Stellung an. Aber sie war bedeutend ruhiger geworden. Als wir dort wieder 7 Tage 50 Meter vor dem Franzmann zugebracht hatten, kamen wir wieder zurück in Reserve. In Reserve habe ich nun Tage verlebt, so schön habe ich sie in einer Reservestellung noch nicht gehabt. Jetzt waren wir lange genug bei Reims gewesen. Nach etwa acht bis zehn Tagen wurde unsere Division herausgezogen, und wir kamen von dort aus in Heeresreserve in einem Waldlager. Jetzt fing eine recht schöne Zeit für uns an. Im Waldlager hatten wir ein sehr schönes Leben. Bei Tage haben wir ein wenig exerziert, und bei Nacht hatten wir unsere Ruhe. Das Waldlager lag zwischen den Dörfern Proviseux und Prouvais. Nach einigen Wochen kamen wir auch hier weg. Es war Anfang Juli, da marschierten wir vom Waldlager nach Rozoy in der Nähe von Laon. Es war auch ein endloser Marsch, wobei wir uns die Füße vollständig durchgelaufen haben. In Rozoy wurden wir dann verladen und fuhren mit dem Zuge bis eine Station hinter Cambrai. Hier wurden wir wieder ausgeladen und marschierten eine Stunde weit bis zum Dorfe Fechain, nicht weit von Arras. In Fechain führten wir dasselbe Leben wie im Waldlager. Hier haben wir die ersten neuen Kartoffeln gekocht, welche uns sehr gut geschmeckt haben. Zuerst dachten wir, die Division würde hier eingesetzt. Aber es war nicht der Fall. Nach 14 Tagen wurden wir wieder verladen und kamen mit dem Zuge bis Lille. Von Lille aus marschierten wir etwa eine halbe Stunde weit bis zum Dorf Verlingheim. Auch hier wurden wir als Heeresreserve verwendet. Es war gerade in der Birnenzeit. Da haben wir uns auch die Birnen gut schmecken lassen. Das Ende des Monats Juli war gekommen, und unsere schöne Zeit war vorbei. Der Engländer wollte nämlich in Flandern eine Offensive ergreifen. Da mussten wir natürlich wieder mithelfen. Da wurden wir dann am 31. Juli gegen Mittag in Lastautos verladen und am selben Abend im Wytschaete-Bogen an der Straße Ypern – Menen eingesetzt. Zuerst wurden wir noch richtig mit Lebensmitteln versorgt, und gegen 9 Uhr ging der Marsch nach vorne los. Zunächst mussten wir durch ein schreckliches Feuer, und dabei lief uns das Wasser oben in die Stiefel. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit heiler Haut nach vorne gekommen wäre. Aber Gott hat mir wieder geholfen. Jetzt waren wir glücklich vorne angelangt. Der einzige Unterstand, welcher unserer Kompagnie zur Verfügung stand, war halb voll Wasser. Es blieb uns nichts anderes übrig, als bei dem regenreichen Wetter draußen zu bleiben.

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Das starke Feuer wollte nicht erschlaffen, im Gegenteil, es wurde noch immer stärker. Wir waren nachts gegen drei Uhr angekommen, und am Morgen um halb 5 Uhr begann der Engländer seine Offensive. Jetzt kam ein heißer Kampftag. Unser Leutnant brüllte andauernd: „Der Stoßtrupp mit Handgranaten vor!“ Es blieb uns nichts anderes übrig, als uns mit Handgranaten auszuschmücken, und dann zum vordersten Graben. Hier sah es nun ganz schrecklich aus. Die Engländer kamen schon in Scharen heran, und die Tanks hinterher. Den ersten Graben hatten wir schon preisgegeben. Da unsere Artillerie andauernd zu kurz schoss, mussten wir auch unseren zweiten Graben in Feindeshand fallen lassen. Den ganzen Tag bis mittags gegen 5 Uhr war ich vorne im Graben und hatte fast meine ganze Munition verschossen. Nur meine Kompagnons hatte ich die ganze Zeit nicht gesehen. Als ich zurück ging, um etwas zu essen, da kam ich auch wieder zu meiner Kompagnie. Dieselbe hatte schon schwere Verluste gehabt. Als ich etwas gegessen hatte, ging es wieder los. Die Engländer kamen immer näher heran. Da haben wir mit zwei Mann die Engländer mit Handgranaten vertrieben. Einer von denen warf seine sämtlichen Sachen fort. Es befanden sich dabei noch Weißbrot, Zwieback und Zigaretten. Der Regen wurde immer stärker, und dem Engländer wurde es schwerer, an Gelände zu gewinnen. Da kam dann durch den Regen eine Pause in den Kampf. Dieses war für uns ein Glück. Wir hatten nämlich fast keine Leute und fast keine Munition mehr. Während der ersten Kämpfe waren die 5. Und 6. Kompagnie von unserem Bataillon gefangen genommen worden. Deshalb mussten wir etwas nach rechts gehen zur Verstärkung. Dort hatten wir auch keine Unterkunft, und der Regen hielt noch an. Wir mussten uns hinter einer Hecke ein Loch machen und dort Zelttuch darüber spannen. Kaum hatten wir das Loch fertig, so stand es schon wieder halb voll Wasser. Also konnten wir dort auch nicht länger wohnen. Da kam der Befehl, dass wir uns etwas zurückziehen sollten in ein kleines Gartenhäuschen, welches auch schon durchlöchert war, aber doch noch ein Dach hatte, welches uns noch etwas Schutz vor dem Regen bot. Hier sammelte sich dann der Rest der Kompagnie. Es waren noch 25 Mann. Dieses war am zweiten Tag in Flandern. Jetzt hatten unsere Lebensmittel auch schon allerlei verspielt. In der Nacht vom 2. zum 3. Tag sollte ein Lebensmitteltrupp kommen. Da derselbe nicht den Weg nach vorne wusste, musste er abgeholt werden. Unser Feldwebel fragte, wer denselben abholen wollte, aber kein Mensch hatte Lust dazu. Da gingen dann mein Kamerad und ich los, um den Trägertrupp durch das schlimme Feuer abzuholen. Wir waren einige Stunden auf dem Weg und kehrten nachher mit dem Trägertrupp glücklich mit Gottes Hilfe wieder zurück.

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Die zwei Tage in Flandern waren mit Gottes Hilfe gut verlaufen. Nun kam der dritte Tag. Der sollte der Tag meines Unglücks, aber auch meines Glücks sein. Die Kämpfe hatten etwas nachgelassen und es war bedeutend ruhiger geworden. Wir waren noch immer in dem Gartenhäuschen untergebracht. Der Morgen des dritten Tages war vorüber. Am Nachmittag nahm das Feuer zu. Gegen 5 Uhr hörte ich plötzlich, wie ein Kamerad von mir das Wort „Sanitäter“ rief. Es war mein bester Freund Fennekels, welcher auch aus Hüls ist. Er hatte einen Prellschuss am Unterleib. Derselbe kam in das Häuschen, wo ich ihn noch mit verbunden habe. Kaum hatten wir ihn verbunden, da bekam auch ich einen Schuss auf ganz wunderbarer Weise. Es kam nämlich ein Splitter durch ein Loch in der Mauer und sauste mir durch die linke Hand. Ich wusste zuerst nicht, was los war. Als ich das Blut sah, merkte ich, dass ich verwundet war. Ich ließ mich schnell von meinen Kameraden verbinden und sagte ihnen „Auf Wiedersehen“. Von dem Häuschen aus ging ich dann zum Unterstand des Komp.-Führers. Hier wurde ich nochmal frisch verbunden, und nach einer halben Stunde ging ich mit meinem Freund Fennekels los zur Verwundeten-Sammelstelle. Auch hier wurde ich nochmal verbunden, und die Wunde wurde vom Arzt nachgesehen. Der Arzt schrieb einen Zettel, welcher uns ins Knopfloch gehängt wurde. Mit diesem Billet kamen wir dann mit dem Sanitätswagen weiter zu einer Sammelstelle im nächsten Dorf. Von Schmerzen spürte ich nichts, nur Freude, dass ich aus dem Elend heraus war. Auf dieser Sammelstelle wurden wir so einigermaßen verteilt, was leicht und etwas schwerer verwundet war. Da kam ich von meinem Freund Fennekels ab und wurde mit dem Auto nach der großen Verwundeten-Sammelstelle Kortrijk gebracht. In Kortrijk blieben wir über Nacht bis zum frühen Morgen des dritten August. Der Tag, an dem ich verwundet wurde, war der zweite August. Am Morgen des dritten August gegen 5 Uhr wurden wir in Kortrijk in den Lazarettzug verladen. Aber welch eine Freude, als wir in dem Zug saßen und keine Kanonenschüsse mehr hörten. Alle waren froh, dass sie aus dem Elend heraus waren. Später hörte ich, dass der Rest der Kompanie noch bis zum 12. August hatte aushalten müssen. Jetzt fuhren wir mit dem Lazarettzug über Gent, Brüssel und Lüttich und kamen gegen Morgen des 4. August in Aachen an. In Aachen wurden wir nochmals gut verpflegt und in einen anderen Lazarettzug verladen, welcher auf Mainz zu fuhr. Die Freude könnt Ihr Euch denken, als wir durch Deutschland fuhren. Ich hatte nämlich seit dem 1. Januar 1917 nichts mehr von Deutschland gesehen. Von Aachen ging es weiter über Düren, Euskirchen und Bonn nach Koblenz. In Koblenz wurde längere Zeit gehalten und auch welche ausgeladen.

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Gegen Mittag ging es dann wieder weiter nach Bingerbrück und dann durch das Nahetal nach Kreuznach. In Kreuznach wurde dann die Hälfte ausgeladen. Eine halbe Stunde weiter wurde der Rest ausgeladen. Dieses war in Münster am Stein. Hier wurde auch ich ausgeladen und kam in das Hotel Langmack. Den Schützengrabendreck hatten wir noch in ZentimeterDicke an unserem Anzug hängen. Vor lauter Nässe konnte ich die Stiefel nicht ausziehen. Dieselben sind mir von den Füßen geschnitten worden. Als wir dann ausgezogen, gebadet und reine Wäsche angezogen hatten, waren wir überglücklich. Wir dachten, den Himmel auf Erden zu haben. Danach ging es zum Essen. Es war mir etwas ganz Neues, einmal wieder von einem Teller zu essen. Nach dem Essen konnten wir uns zur Ruhe legen. Wir haben uns auch hier nicht wenig gewundert, als wir unsere Schlafzimmer betraten mit den schönen Federbetten. Als wir einmal wieder recht gut geschlafen hatten, standen wir am Morgen gegen acht Uhr auf. Wir nahmen unser Frühstück, und danach konnten wir machen, was wir wollten. Ich habe natürlich meinen Angehörigen die glückliche Fahrt mitgeteilt. Der vierte August war ein Samstag. Am Montag, dem 6. August wurde ich von einem heftigen Fieber betroffen und musste auf Befehl des Arztes im Bett bleiben. So habe ich die ersten acht Tage im Bett verbringen müssen. Die acht Tage waren auch schnell vorüber. Im Laufe der acht Tage hatten wir andere Anzüge bekommen, um in der freien Zeit ausgehen zu können. Da hatte ich dann das Glück, am Sonntag, dem 12. August ausgehen zu dürfen. Besonders hatte ich mich auf den Sonntag gefreut, weil mich an dem Tage meine lieben Eltern besuchen wollten, welche ich schon seit Weihnachten 1916 nicht mehr gesehen hatte. Da uns die Zeit im Lazarett nach und nach sehr langweilig wurde, bot mir der stellvertretende Polizeiunteroffizier eine schöne Arbeit an. Ich sollte nämlich auf der Handwerksstube des Lazaretts arbeiten, welches ich mit Freuden annahm. Am Freitag, dem 17. August begann ich dann meine Arbeit, und es freute mich, dass ich so meine Langeweile vertreiben konnte. Der August war vergangen, und jetzt kam der Monat September. Der vierte Tag in demselben sollte für mich wieder ein Glückstag sein. Während meiner Arbeit wurde ich plötzlich zum Geschäftszimmer des Lazaretts gerufen. Dort wurde mir dann für die tapferen Kämpfe in Flandern das Eiserne Kreuz überreicht. Da ich der einzige Schneider im ganzen Lazarett war, hatte ich die Gelegenheit, noch recht lange dort zu bleiben. So blieb ich dann 12 Wochen in dem Lazarett, also bis zum 26. Oktober. Am Freitag, dem 26. Oktober wurde ich entlassen zu meinem Ersatz-Truppenteil nach Eschweiler bei Aachen, Landwehr-Infanterieregiment 24. Hier kam ich dann am 29. Oktober morgens gegen 6 Uhr an, musste sofort zur Schreibstube der Genesenen-Kompagnie. Dort habe ich mich angemeldet, und innerhalb 4 Tage konnte ich meinen 14tägigen Erholungsurlaub antreten. Darauf hatte ich mich am meisten gefreut.

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So bin ich am Tage vor dem Fest Allerheiligen nach meiner Heimat Hüls bei Krefeld gefahren, wo ich ungefähr ein Jahr nicht mehr gewesen war. Leider waren die 14 Tage auch sehr schnell herum. Am 14. November musste ich wieder zurück. Einige Tage nach meiner Rückkehr in Eschweiler wurde ich wieder gründlich untersucht und wieder „Kriegsverwendungsfähig“ geschrieben. Es dauerte nicht lange, da wurden sehr viele aus der Genesenen-Kompagnie in eine feldeinsatzfähige Kompagnie versetzt. Dabei war auch ich. Hier lernten wir wieder so allmählich das Griffe-Kloppen und Exerzieren. Ich war kaum einige Tage in der Kompagnie, da hatte ich ein kleines Unglück. Schon über acht Tage war ein Transport fertiggestellt für die Front. Und kurz vor dem Ausrücken ist einer von denen entflohen, und dafür musste ich dann eintreten. Ich musste sofort zum Kammer-Unteroffizier zum Einkleiden und wurde in einer Minute eingekleidet, und dann musste ich mich bereit halten. Wenn der Ausreißer nun wiedergekommen wäre, dann wäre ich nochmals zurück geblieben. Aber er blieb aus. Dieses Unglück hatte ich am 20. November. Am Abend dieses Tages ging ich noch schnell zu einem Pfarrer und habe gebeichtet und am anderen Morgen kommuniziert. Wenn ich einen Tag später gegangen wäre, dann wäre es zu spät gewesen, denn am Abend des 1. Dezember ging es los. Es kam plötzlich der Befehl zum Ausrücken. Gegen 8 ½ Uhr stellten wir uns auf und zogen mit Musik durch die Stadt Eschweiler zum Bahnhof. Auf dem Bahnhof haben wir uns noch etwa eine Stunde aufgehalten. Diese war auch bald vorüber. Da gab der Zug auf einmal das Zeichen zum Abfahren. Zuerst fuhren wir über Köln nach Opladen zur Verpflegungsstation. Hier wurden wir verpflegt, und nach derselben ging die Fahrt wieder zurück über Köln, Eschweiler nach Aachen und von da aus durch Belgien über Lüttich, Namur und Maubeuge auf Cambrai zu. Eine solche bummelige Fahrt habe ich noch nie erlebt. 5 Tage haben wir auf der Bahn herumgelegen. Endlich waren wir an unserer Endstation angelangt in Catennires. Hier wurden wir nachts gegen 2 Uhr ausgeladen und in Baracken geführt, worin wir dann in der Nacht geschlafen haben. Am nächsten Tage wurden wir verpflegt, und gegen 3 Uhr nachmittags wurde abmarschiert. Alle dachten, es ging direkt an die Front. Aber es war nicht so. Wir kamen nach dem Dorf (Neuville-) St. Vaast zum Feldrekruten-Depot der 16. Reserve-Division. Abends, als es dunkel wurde, kamen wir dort an. Aber unsere Sachen durften wir nicht auspacken, denn am nächsten Tage sollte es wieder weiter gehen. Das Rekruten-Regt. wurde verlegt nach Cagnoncles, 1 Stunde von Cambrai entfernt. Als wir hier unsere Quartiere bezogen hatten, fing für uns ein schönes Leben an. Ich wurde schon am ersten Tag Bursche beim Offz.-Stellv. Und brauchte fast keinen Dienst mitzumachen.

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Am 5. Dezember waren wir im Depot angekommen. Kurz vor Weihnachten habe ich dort etwas erlebt, was ich noch nie erlebt habe. Es gab nämlich so wenig Brot, dass wir unmöglich damit auskommen konnten. Da wir diesen Hunger nicht länger ertragen wollten, mussten wir sehen, wo etwas zu holen war. Da, eines guten Sonntags gingen zwei Mann von unserer Korporalschaft auf die Hundejagt. Eine halbe Stunde nachher kamen sie wieder zurück und hatten ein schönes Hündchen mitgebracht. Dieses wurde sofort ermordet und zerlegt. Am Nachmittag wurde er gekocht. Er hat uns so vorzüglich geschmeckt, dass wir am Dienstag danach Nr. 2 und am Freitag in derselben Woche den dritten geschlachtet haben. Das war eine Woche, wo wir genug Fleisch gegessen haben. In der Woche darauf kam das Weihnachtsfest. An den Tagen durften wir auch nicht hungern. Am Tage vor Weihnachten fand ich zufällig in einem Haus einen halben Sandsack mit Weizen. Dieser wurde mitgenommen und durch eine Kaffeemühle gemahlen. Am Weihnachtsfest wurden Waffeln davon gebacken, welche ebenfalls gut geschmeckt haben. Das Weihnachtsfest haben wir im Depot auch schön gefeiert. Morgens war eine recht schöne kirchliche Feier, und nachmittags war Bescherung. Da bekam jeder ein Geschenk, welches bei mir in einer Taschenlampe ausgefallen ist. Außerdem haben wir noch jeder ein Weißbrot, Zigarren und Zigaretten bekommen. Am Abend gab es Freibier. Acht Tage darauf, am Neujahrstage, gab es wieder ein Weißbrot mit Honig, Schokolade, Keks, Zigarren und Zigaretten. Auch wurde an dem Tage Bier verabreicht. Der Monat Januar war auch vorüber. Am 27. dieses Monats feierten wir den Geburtstag unseres Kaisers. Morgens war eine kirchliche Feier verbunden mit Parade. Nachmittags gab es Brot und allerlei schöne Sachen. Den Monat Februar sollten wir nicht mehr im Feldrekruten-Depot verleben. Gleich zu Anfang desselben sollten wir wieder zur Front. Schon am 2. Tage wurde bekannt gegeben, dass sämtliche Leute, welche vollständig ausgebildet waren, am 4ten ausrücken sollten. Am Samstag, dem 3. Februar hatten wir mit unserer ganzen Ausrüstung Apell, und am 4ten schon am frühen Morgen mussten wir antreten. Gegen 7 ½ Uhr wurde abmarschiert. Wir marschierten auf das Dorf Niergnies zu, links von Cambrai. Gegen 11 Uhr morgens kamen wir dort an. Als wir einige Stunden dort gewartet hatten, wurden wir in den Kompagnien des Res.Inf.-Rgt. 29 verteile. Ich kam in die 11. Kompagnie. Jetzt hatten wir nicht mehr viel Zeit, denn am Abend sollten wir noch in Stellung gehen. Wir mussten sofort unser Sturmgepäck fertig machen, welches nach wenigen Minuten geschehen war. Dann ging es gegen 6 Uhr nachmittags in Stellung. Als ich wieder die Kanonen hörte, hätte ich gerne wieder davonlaufen mögen. Aber es ging leider nicht. Gott hatte es anders gewollt.

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In der ersten Zeit meines neuen Schützengrabenlebens gefiel es mir nicht so recht, denn ich hatte es vorher zu schön gehabt. Na, wir mussten aushalten und uns wieder mit den Höhlen begnügen. Die sieben Tage, an denen wir vorne waren, gingen glücklich vorüber. Die Stellung war zwar nicht ruhig, aber es war auszuhalten. Nach den 7 Tagen kamen wir wieder in dem Dorf Niergnies in Ruhe. Hier wurden wir dann ganz anders in den Kompagnien, und ich hatte wieder das Glück, in den Sturmtrupp zu kommen. Als wie die sieben Tage gut gelebt hatten, gingen wir wieder in Stellung. In Stellung hatte der Sturmtrupp ein schönes Treiben. Wir brauchten nachts nur auf Patrouille zu gehen und am Tage etwas arbeiten, während die anderen der Kompagnie alle zwei oder vier Stunden auf Posten ziehen mussten. So vergingen 7 Tage in Stellung, 7 Tage in Reserve und wieder 7 Tage in Ruhe. Der Monat Februar war umgegangen. Da wir schon längere Zeit mit Russland den Frieden geschlossen hatten, wurden sehr viele Truppen an der Ostfront frei und konnten an der Westfront dadurch eine Offensive ergreifen. Im Monat März sollte der große Schlag gemacht werden. Überall in der Gegend von Cambrai konnte man sehen, dass sich alles zum großen Ringen und auch zum Vormarsch vorbereitete. Keiner wusste aber, wann es los gehen sollte. Ich dachte auch, ganz bestimmt an dem großen Ringen teilzunehmen. Es war aber nicht so. Wir gingen Anfang März in Stellung. Als wir einige Tage in Stellung waren, spürte ich in meiner linken Backe ein wenig Schmerzen, dachte aber weiter nicht darüber nach. Da die Backe immer dicker und die Schmerzen immer größer wurden, war ich gezwungen, mich krank zu melden. Am 13. März ging ich dann mit dem Sanitäter zum Arzt. Dieser gab mir zwei Tage Schonung. Am zweiten Tage ging ich wieder hin. Da sagte der Arzt, ich solle einmal zur Zahnstation gehen. Am 16. März wurde unsere Kompagnie abgelöst und kam nach Cambrai in Ruhe. Am Montag, dem 18. März ging ich in derselben Stadt zur Zahnstation. Meine Backe war in der Zeit schon ganz gefährlich und bedeutend dicker geworden. In der Zahnstation zog mir der Arzt zwei Backenzähne heraus, und zur gleichen Zeit schrieb er einen Zettel, dass ich dem Lazarett überwiesen werden sollte. Da war ich glücklich, ging wieder zur Kompagnie, packte meine Sachen und ging mit noch einem Kameraden ins Lazarett, während die anderen ihre Sachen packten, um in Stellung zu gehen. Dies war am 18. März, und am 21. Sollte das gewaltige Ringen losgehen. Wir zwei Glücklichen gingen nach Cambrai zur Sanitätskompagnie und wurden von dort aus mit dem Auto weiter transportiert bis zur Kleinbahn, welche nach Iwuy fährt. In die Kleinbahn wurden wir eingeladen und nach der Krankensammelstelle Iwuy gefahren. In Iwuy blieben wir über Nacht. Am anderen Tage wurden wir mit der Staatsbahn weiter gefahren bis zur großen Sammelstelle Valenciennes, wo wir dann in die Lazarette verteilt wurden. Jetzt waren wir weit genug, denn wir konnten keine Kanonenschüsse mehr hören.

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In Valenciennes blieb ich acht Tage im Lazarett zur weiteren Behandlung. In den acht Tagen kamen aber schon so viele Verwundete von der neuen Offensive, dass die Lazarette alle geräumt werden mussten. Nun war uns die beste Gelegenheit geboten, nach Deutschland zu kommen, welches uns auch gelungen ist. Bis zum 25. März war ich im Lazarett in Valenciennes. Am Nachmittag des 24ten wurden wir dann vorgelesen und sollten am Abend die Reise nach Deutschland antreten. Wir wurden in einen Leichtkrankenzug verladen, und abends gegen 9 ½ Uhr gab der Zug das Zeichen zur Abfahrt. Es ging zwar etwas bummelig, aber das machte nichts. Die Hauptsache war, dass es nach Deutschland ging. Zuerst sind wir gefahren über Namur und Lüttich. Von dort aus ging es rechts ab nach Gerolstein. In Gerolstein wurden wir verpflegt und in einen Lazarettzug verladen, welcher nach Süddeutschland fuhr. Von Gerolstein ging es dann weiter über Koblenz, Bingerbrück, Mainz, Aschaffenburg, Würzburg und Nürnberg nach Regensburg. In Regensburg kamen wir nach 4 Tagen glücklich an. Von Regensburg ging es noch etwas weiter nach dem Dorf Regenstauf, etwa 10 km von Regensburg entfernt. In dem Dorf Regenstauf wurde ich dann am 30. März im Lazarett aufgenommen. Im Lazarett habe ich mich dann 10 Wochen aufgehalten. Es war eine sehr schöne Zeit. Die Leute in Regenstauf waren sehr freundlich und zuvorkommend. Leider waren diese 10 Wochen zu schnell vergangen. Da musste ich dann am Ende des Monats Juni das schöne Lazarett verlassen und kam dann zum Heeres-Batl. Res.-Inf.-Regt. 24 nach Wesseling bei Köln. Nach einigen Tagen konnte ich dann einmal wieder einen 14-tägigen Urlaub antreten. Auch diese schönen Tage waren schnell vergangen. Vom Urlaub kam ich wieder zurück und habe mich noch einige Tage in Wesseling aufgehalten. Am 23. Juli kam ich dann zum Heeres-Batl. in Rodenkirchen. Da ging das Exerzieren wieder los. Es war zuerst noch etwas ungewohnt, aber der Mensch gewöhnt sich an alles. Schon in den ersten Tagen ging es nach Elsenborn, wo wir uns einmal wieder richtig einarbeiten konnten. Nach 10 Tagen kamen wir von Elsenborn zurück nach Rodenkirchen. Aber hier waren wir auch bald übrig. Da kam plötzlich der Befehl, dass vom Feld aus neuer Ersatz verlangt wird. Es dauerte nicht lange, da wurden dann 40 Mann eingekleidet. Dabei war auch ich. Wir wurden also eingekleidet, und nach einigen Tagen kamen wir wieder nach Elsenborn zum Marsch-Batl. Im Marsch-Batl. dauerte es nicht lange. Am 27. 10. 1918 rückten wir dann wieder ins Feld, aber zuerst noch einmal ins Rekr.-Depot in Fresnes bei Valenciennes. In der Zeit gingen unsere Truppen schon immer mehr zurück, und infolgedessen mussten auch die Depots weiter zurück gelegt werden. Da kamen wir dann 60 km zurück nach Ecaussinnes in der Nähe von Brüssel. (Hier enden die handschriftlichen Aufzeichnungen.)

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