Manuela Loritz

Sie löste das Problem, indem sie dem Kind einen weiblichen Namen gab.“ „Erzählst du ... Paten und die ganze Familie. „Weißt du wo sich dieser Rechtsanwalt ...
341KB Größe 7 Downloads 372 Ansichten
.

Manuela Loritz   

Bugs   

Level 7 ‐ 14  Videogame-Thriller © 2010 AAVAA e‐Book Verlag UG (haftungsbeschränkt)   Quickborner Str. 78 – 80,13439  Berlin   Telefon.: +49 (0)30 565 849 410  Email:  [email protected]  Alle Rechte vorbehalten  1. Auflage 2010  Lektorat: Sabine Lebek, Berlin    Covergestaltung:  Hans Lebek    Printed in Germany  ISBN 978‐3‐86254‐020‐4       

.

Todeslogistik

              Alle Personen und Namen sind frei erfunden.   Ähnlichkeiten mit lebenden Personen   sind zufällig und nicht beabsichtigt.   

       

Alle in diesem Buch verwendeten Titel von Computer‐  oder Konsolenspiele gibt es unter anderem Namen. Sollte  eine negative Wertung eines Charakters oder Spiels vor‐ genommen werden, so entspricht das nicht (zwingend) der  Wahrheit, sondern es handelt sich um eine Verfremdung,  ohne die es diese Geschichte nicht geben könnte.   

              4 

Todeslogistik

7. Level    Zuerst  musste  DJ  feststellen,  dass  der  Mann  mit  der  Kamera in  Wirklichkeit  eine Frau  mit  Kamera  war. Sie wich automatisch ein paar Schritte zurück,  ganz vorsichtig, kam aber nicht weit, denn Harvey  stoppte  die  Fotografin  von  hinten.  Im  Gegensatz  zu  seinen  Freunden  sah  er  nicht  zum  ersten  Mal  komische Sterne vor den Augen und dadurch blieb  er der Einzige, der den Durchblick und die Orien‐ tierung behielt. Sein Konsum von illegalen Stoffen  hatte  schon  mehrfach  zu  diesem  Phänomen  ge‐ führt  und  so  konnte  er  trotz  allem  schnell  reagie‐ ren. Amanda tat es ihm nach und trat auf die Frau  zu,  der  Blitz  hatte  sie  kaum  erwischt,  da  sie  die  ganze Zeit über etwas abseits von ihren Begleitern  stand. DJ sprach voller Zorn:   „Weißt du, was du gerade getan hast?“ Die Frau  schaute auf den Boden und erwiderte seinen Blick  nicht.   „Es  tut  mir  leid,  wenn  ich  eure  Transaktion  ver‐ hindert  habe.  Bitte  tut  mir  nichts,  ich  hab  noch  so  viel  vor  mir  und  will  nicht  sterben.  Es  war  doch  nur  ein  Foto,  das  kann  man  doch  wieder  löschen  und ich werde euch nicht verraten. Ich muss doch  auch mein Geld verdienen“ stammelte die Frau.   5

Todeslogistik

„Wer  bist  du?  Was  machst  du  hier?“  Amanda  wollte lieber Fakten, als inhaltslose Phrasen. Noch  bevor  die  Fremde  antworten  konnte  gesellte  sich  ein etwas groß‐ und dick geratenes Schwein zu ih‐ nen. In der realen Welt wäre ein Schwein in Hosen  und Schuhen, das zudem noch sprechen kann, eine  Attraktion, aber in der virtuellen Welt gab es zahl‐ reiche  davon,  auch  wenn  sie  sich  die  meiste  Zeit  versteckt hielten. Schlachtereien und das Bedürfnis  nach Fleisch gab es überall.   „Ihr solltet schnell verschwinden, ansonsten wer‐ de  ich  dafür  sorgen,  dass  ihr  in  der  nächsten  Zeit…“  preschte  es  wütend  auf  DJ  zu.  Die  Frau  hielt die Hand vor seine Brust:   „Ist  schon  gut,  sie  haben  ja  recht.  Ich  hab  mich  wieder  zu  sehr  in  Dinge  eingemischt,  die  mich  nichts angehen.“   „Aber  das  ist  dein  gutes  Recht,  du  bist  Reporte‐ rin, du musst dich einmischen.“   „Vielleicht sollten wir uns vorstellen. Mein Name  ist  Eda,  ich  arbeite  für  den  Virtuell  Chronicle,  im‐ mer auf der Suche nach Reportagen. Deswegen bin  ich hier, ich recherchiere für das Blatt in der Szene  der  Cheater.  Mein  treuer  Begleiter  heißt  Paige“   und im Flüsterton:   „Ich weiß, dass ist ein Mädchenname, aber haltet  6 

Todeslogistik

euch  mit  Kommentaren  zurück,  er  reagiert  sehr  empfindlich.  Paige  war  bei  seiner  Geburt  bereits  der  achtzehnte  Junge  in  der  Familie,  dabei  hatte  sich seine Mutter so sehr ein Mädchen gewünscht.  Sie  löste  das  Problem,  indem  sie  dem  Kind  einen  weiblichen Namen gab.“   „Erzählst  du  wieder  die  Geschichte  meines  Na‐ mens“ mischte sich Paige pampig ein.   „Nein, ich…“   „Lüg nicht, du weißt, dass ich das nicht mag!“   „Hast  du  einen  Presseausweis  dabei?  Kann  ja  je‐ der erzählen, dass er von der Zeitung ist“ Harveys  Stimme klang drohend.   „Eda sagt die Wahrheit.“   „Amanda, woher willst du das wissen?“   „Weil  ich  den  Virtuell  Chronicle  regelmäßig  lese  und Edas Name in mindestens jeder zweiten Aus‐ gabe erscheint.“   „Ach, du liest also Zeitung, du kennst die Defini‐ tion?  Bist  du  sicher,  dass  du  nicht  doch  Modema‐ gazine abonniert hast?“   „Ich  glaube  nicht,  dass  es  dir  aufgefallen  wäre,  selbst wenn ich die Zeitung in deinem Zimmer sta‐ peln  würde.  Harvey, du  bist  doch ständig  wegge‐ treten.“   DJ  mischte  sich  lieber  nicht  in  das  Thema  ein,  7

Todeslogistik

nahm stattdessen die Kamera von Eda und löschte  die  letzten  Bilder.  Die  waren  eindeutig  nicht  gut  geworden,  auf  jedem  der  Fotos  fehlte  irgendein  Körperteil,  mal  war  die  Stirn  abgeschnitten,  nur  eine  Hälfte  des  Oberkörpers  sichtbar  oder  sie  wa‐ ren so verschwommen, dass man gar nichts darauf  erkennen konnte. Doch er tat noch mehr, er schau‐ te sich die anderen Fotos an, die auf der Speicher‐ karte waren und tatsächlich, sie zeigten die Händ‐ ler  und  Stände  des  Marktes.  Die  meisten  der  Per‐ sonen  waren  gut  getroffen  und  zeigten  sie  bei  Handlungen,  die  eine  illegale  Tätigkeit  vermuten  ließen.   Da war ja Samson, was hatte der hier zu suchen?  Und  auch  die  Geisterjäger  waren  zu  sehen  –  ach  und  Richard,  bevor  er  im  Kanister  landete.  Der  Mann  von  der  Mafia  hinter  seinem  Schreibtisch,  wie  sich  scheinbar  aufgeregt  mit  einem  Händler  unterhielt,  der  mit  dem  Rücken  zum  Auslöser  stand. Er zeigte Eda das Bild:   „Der Mann hier, dessen Rücken man sieht, kennst  du  ihn,  ist  er  irgendwo  auf  dem  Markt?“  Eda  schaute lange auf das Kameradisplay.   „Nein,  mir  ist  er  nicht  aufgefallen.  Warum?“  DJ  fasste ihre Lage kurz zusammen und vor allem er‐ klärte er ihr seine wütende Reaktion auf die Fotos.  8 

Todeslogistik

Kaum  ausgesprochen  bereute  er  es,  wie konnte  er  einer Reporterin ihre Geschichte liefern, auch noch  zum  Nulltarif.  Er  konnte  sich  die  Auswirkungen  auf ihre Mission kaum vorstellen, wenn das zu ei‐ ner  Reportage  oder  Artikel  führte.  Eda  hörte  auf‐ merksam zu.   „Ich  kennen  einen  Teil  der  Geschichte  bereits.“  Die Freunde schauten sich erstaunt an.   „Woher?“ fragte DJ.   „Einer meiner Kollegen ist auf die Story angesetzt  worden,  also  auf  den  Bug‐Virus  und  durch  einen  Informanten kam er auf die Mafia.“   „Ein Informant? Der Mafia?“  „Ihr  könnt  es  euch  doch  denken,  VIA  natürlich,  die erzählen für Geld jede Kleinigkeit, glaubt mir.“   „Was hat der Informant noch berichtet?“   „Viel  mehr  weiß  ich  auch  nicht,  schließlich  ist  mein  Auftrag  der  Cheatermarkt.  Aber  ich  hab  na‐ türlich gelauscht.“   „Natürlich“  funkte  Paige  dazwischen.  Eda  ver‐ stummte,  überlegte,  ob  es  richtig  war  jetzt  den  Namen zu nennen. Sie hatte schon zu viel erzählt.  Allerdings  schienen die  drei  ihr  zu  vertrauen  und  hatten auch ihre Seite der Geschichte berichtet.   „Robin  Wayne“  sagte  sie  plötzlich,  „genau,  so  lautete  der  Name  dieses  Rechtsanwalts.  Der  wird  9

Todeslogistik

vom  VIA  schon  seit  längerer  Zeit  gesucht.  Ihm  werden Kontakte zur Mafia nachgesagt und er hat  sich  abgesetzt.  Dabei  konnte  dem  Typen  noch  nie  etwas nachgewiesen werden. Das mit der Mafia ist  nur  ʹne  inoffizielle  Vermutung,  sein  Boss  ist  ein  ganz Reicher, der mit Aktiengeschäften und geerb‐ tem  Geld  illegale  Dinge  plant  und  unternimmt.“  Das  war  der  entscheidende  Hinweis  für  die  drei  Freunde.  Endlich  mal  ein  Name.  Dann  auch  noch  gleich der des Rechtsanwalts, jemandem, der rich‐ tig  in  die  Geschäfte  eingeweiht  ist.  Robin  Wayne  wusste  sicherlich  viel,  wenn  nicht  alles  über  den  Paten und die ganze Familie.   „Weißt  du  wo  sich  dieser  Rechtsanwalt  aufhält“,  DJ platzte fast vor Aufregung.   „Ich  weiß  nicht…immerhin  hat  er  sich  ja  abge‐ setzt und  das  VIA findet  ihn  auch  nicht  …  wartet  …  doch,  mein  Kollege  hat  da  einen  Tipp  bekom‐ men:  Der  Nahe  Osten,  Persien.  Ja,  genau  Persien,  dort  wollte Wayne bleiben  bis  sich die Lage beru‐ higt hat. Ihr scheint einen bleibenden Eindruck bei  der  Mafia  hinterlassen  zu  haben,  Wayne  ahnt  was.“   „Willst  du  ihnen  nicht  auch  erzählen,  wer  Robin  Wayne  bei  sich  aufgenommen  hat?“  Eda  blickte  Paige  böse  an,  nein,  das  wollte  sie  eigentlich  ver‐ 10 

Todeslogistik

meiden  und  verheimlichen,  jetzt  war  es  dafür  na‐ türlich zu spät.   „Du weißt wo er sich versteckt hält?“   „Der Prinz von Persien, Wayne lebt in dessen Pa‐ last.  Als  Anwalt  gewann  Wayne  einige  wichtige  Prozesse  für  ihn  und  zum  Dank  bekommt  er  kos‐ tenlose  Logis  und  Urlaub  in  den  Gemächern.  Selbst wenn er nicht auf der Flucht ist, verbringt er  mindestens einmal im Jahr seinen Urlaub dort.“   „Du  weißt  gar  nicht,  wie  sehr  du  uns  geholfen  hast,  vielen  Dank!“  DJ  revidierte  seinen  ersten  Eindruck von Eda und fand die junge Dame lang‐ sam sympathisch.   „Falls ihr erfolgreich seid, kann ich die Exklusiv‐ story haben?“   „Keine  Sorge,  die  bekommst  du“  versprach  ihr  Amanda  während  Eda  um  den  Hals  fiel.  DJ  und  Harvey  fanden  die  Idee  alles  andere  als  gut,  aber  für Widerworte war es eindeutig zu spät. Mit die‐ sen  neugewonnenen  Informationen  mussten  die  drei Freunde sofort den Markt verlassen. Ihre Rei‐ se nach Persien würde mit dem Flugzeug mehrere  Stunden dauern, zudem benötigten die drei vorher  noch  ihre  Reisepässe,  Geld  und  die  Tickets.  Die  Verabschiedung  von  Eda  und  Paige  fiel  aufgrund  dessen zwar kurz aus, aber herzlich.   11

Todeslogistik

Während bei den drei Freunden berechtige Hoff‐ nung aufkeimte, schwand alle Hoffnung beim klei‐ nen Pilz. Traurig, enttäuscht und auf sein baldiges  Ende wartend, stand er auf dem kalten Boden und  ließ  den  Kopf  hängen.  Bisher  hatte  einzig  der  Ge‐ danke,  dass  seine  Freunde  kommen  und  ihm  hel‐ fen  würden,  ihn  über  die  langen  einsamen  Tage  gerettet.  Jetzt  verwarf  er  diesen  komplett.  Sie  fan‐ den  ihn  nicht,  vielleicht  wussten  sie  noch  gar  nichts  von  seiner  Entführung  oder  schlimmsten‐ falls konnten die drei es nicht erfahren, weil sie ih‐ ren Kampf bereits verloren hatten, wie er.   „Das  war  es  also,  so  endet  mein  glanzvolles  Le‐ ben, das viel mehr zu bieten hatte. Gefunden in ei‐ nem  Kellergewölbe  und  keine  Meldung  im  Fern‐ sehen  wert,  gestoben  bei  Wasser  und  Brot.  Ach,  hier  gibt  es  ja  nicht  einmal  Brot,  als  ob  wir  Pilze  uns alleine von der Luft ernähren könnten. Dieser  Irrglaube der Menschen!“   Könnte  er  doch  aus  diesem  Loch  verschwinden  und ein Buch über diese Irrtümer schreiben, über‐ leben und etwas für das Verständnis innerhalb der  Kulturen  tun.  Ein  Ziel  bleibt  unerfüllt.  Er  versank  in Selbstmitleid – berechtigterweise.   „So viele Pläne, zunichte gemacht in wenigen Ta‐ gen  oder  Wochen,  vielleicht  auch  nur  Stunden       12 

Todeslogistik

oder  Minuten.“  Seine  Depression  schlug  in  Wut  um:   „Wenn  ich  schon  gehen  muss,  dann  nehme  ich  meine  Entführer  mit.  Ihr  Verderben  wird  mein  letzter  Sieg  sein!“  Heroisch  und  übertrieben,  das  wusste  er  natürlich,  aber  er  musste  sich  an  etwas  klammern. So einfach würde er es ihnen nicht ma‐ chen. Nein!   „Ich  brauche  einen  Plan,  einen  guten  Plan,  einen  funktionierenden  Plan.“  Der  Pilz  dachte  lange  nach, aber ihm wollte keine Lösung einfallen.   Erneut  begann  er  das  Gewölbe  abzusuchen,  es  musste eine Fluchtmöglichkeit geben.     Die  Turbinen  starteten.  Die  Freunde  konnten  es  immer  noch  nicht  glauben,  nachdem  sie  ihre  Sa‐ chen  aus  der  Wohnung  geholt  hatten,  fuhren  sie  einfach  zum  Flughafen  und  erhielten  ohne  Um‐ schweife  die  Tickets.  Zwar  fiel  es  allen  dreien  schwer,  sich  von  Clarence  das  benötigte  Geld  zu  leihen,  aber  im  Moment  ging  es  einfach  nicht  an‐ ders.  Allerdings  bekamen  die  Freude  von  der  Fluggesellschaft  einen  saftigen  Rabatt  auf  die  Ti‐ ckets, Plätze in der Ersten Klasse und neben einer  Mütze  des  Reisebüros,  spendierte  der  Pilot  sogar  noch eine Flasche Champagner und leckeres Essen.  13

Todeslogistik

Beinahe  die  komplette  Besatzung  kümmerte  sich  nur um sie.   Der  Bug‐Virus  und  die  Angst  vor  ihm,  sorgten  dafür, dass Persien als Urlaubsland für die virtuel‐ len Charaktere nicht mehr in Frage kam. Eigentlich  galt das für alle Länder, niemand dachte in dieser  Zeit an einen Flug, einen Urlaub, geschweige denn  überhaupt  an  einen  kurzen  Ausflug.  Hinzu  kam,  dass  das  VIA  mehrere  Urlaubsreisewarnungen  ausgesprochen hatte und 90 Prozent der Charakte‐ re hielten sich daran. Der Virus konnte überall zu‐ schlagen, ein zu hohes Risiko für alle Bewohner.   Der  Verzicht  auf  die  Reisen  fiel  den  virtuellen  Charakteren  zudem  sehr  leicht,  schließlich  gab  es  Diashows  die  einen  guten  Ersatz  boten.  Virtuelle  Charaktere lieben Diashows, ausnahmslos alle Or‐ te  die  für  sie  eine  Bedeutung  haben,  werden  als  Screenshots  gespeichert,  geordnet  und  bei  jeder  sich  bietenden  Gelegenheit  gesichtet,  allein  oder  im Freundeskreis.   Zusammen  mit  den  Freunden  waren  nur  noch  acht weitere Gäste an Bord: Eine vierköpfige Fami‐ lie,  die  alleine  in  der  Economy‐Class  saß  und  sich  auf  den  Weg  in  das  einzige,  überhaupt  noch  für  Touristen  geöffnete  Hotel  in  Persien  befand.  Für  Familien  war  der  Virus  ja  eine  gute  Sache,  wann  14 

Todeslogistik

sonst  bekam  man  schon  so  günstig  einen  Urlaub.  Zwei  Geschäftsmänner  saßen  in  der  Nähe  der  Freunde.  Ihnen  blieb  nichts  anderes  übrig,  das  Treffen  mit  den  ausländischen  Investoren  musste  stattfinden.  Eine  alte  Dame,  die  lautstark  –  weil  schwerhörig – den Stewardessen von ihrem Reich‐ tum  berichtete,  der  verprasst  werden  musste,  be‐ vor  die  Kinder  und  Enkelkinder  sich  daran  berei‐ cherten.  Vier  Reihen  vor  den  Freunden  saß  still  und bedächtig ein Priester ohne genaues Ziel.   DJ, Amanda und Harvey nutzten die Gelegenheit  um sich  auszuruhen.  Harvey döste,  Amanda  blät‐ terte  geistesabwesend  in  Zeitschriften  und  DJ  fiel  sofort  in  einen  Tiefschlaf.  Amanda  dachte  an  den  kleinen Power‐Up‐Pilz, wie es ihm wohl geht und  was gerade mit ihm passiert. Er war nicht sehr zäh  und  auch  nicht  voller  Ideen  ‐  keine  gute  Aus‐ gangsposition  bei  einer  Entführung.  Sie  seufzte  mehrmals. Harvey nervte ihr Seufzen so sehr, dass  er  beschloss  das  Bordfernsehen  anzuschalten.  Der  Sender  berichtete  gerade  von  der  geglückten  Ge‐ fangennahme  eines  kleinen  verrückten  Mädchens  namens Almuth. Ein Interview mit Max Pay folgte,  in knappen Worten fasste er seinen Erfolg zusam‐ men. Berichtete davon,  wie  es der Polizei  in  guter  Zusammenarbeit  mit  dem  VIA  gelang,  Almuth  in  15

Todeslogistik

eine  Falle  zu  locken  und  sofort  in  die  Psychiatrie  zurück  zu  transportieren.  Leider  blieb  ihre  Leis‐ tung  nicht  ohne  Nebenwirkungen:  Einige  der  be‐ teiligten  Beamten  mussten  mit  ihr  in  die  Anstalt  fahren, nicht als Bewachung, sondern als neue Pa‐ tienten.  Aufgrund  des  Zusammentreffens  mit  Al‐ muth verfielen sie in Angstzustände, blieben nerv‐ liche Wracks. Max bedauerte dies zutiefst, glaubte  aber  an  deren  baldige  Genesung  und  ihre  Rück‐ kehr  in  den  Polizeidienst.  Lediglich  ein  paar  Gut‐ achten  der  hiesigen  Psychiater  musste  man  noch  abwarten.  Jedes  Mal,  wenn  Amanda  und  Harvey  von  Almuth  hörten,  wurde  ihnen  klar,  wie  viel  Glück sie im Supermarkt gehabt hatten.   „Meinst  du  eine  Vermisstenmeldung  könnte  bei  der  Suche  nach  dem  kleinen  Pilz  helfen?  Dann  könnten  sich  die  Spezialisten  vom  VIA  um  ihn  kümmern.“  Harvey  stieß  bei  Amandas  Frage  so  stark an DJ, dass der sofort aufwachte. Warum hat‐ te  daran  nicht  schon  früher  jemand  gedacht?  DJ  nahm  sofort  den  Hörer  des  Bordtelefons  und  ließ  sich  mit  dem  Büro von  Max  verbinden. Es  läutete  eine Ewigkeit, bis Max endlich den Hörer abnahm.  Ein  lautes  Gähnen  war  zu  hören,  bevor  er  sich  meldete:   „VIA Sondereinheit, Leiter Pay am Apparat.“   16 

Todeslogistik

„Hallo, hier ist DJ.“ Die Leitung blieb stumm.   „Wir  sind  gerade  in  einem  Flugzeug,  haben  also  nicht viel  Zeit.  Wie möchten eine  Person  –  eigent‐ lich  eine  Lebensform  –  als  vermisst  melden.“  Er  erklärte dem immer noch gähnenden Max die Ge‐ schichte und von ihren Entdeckungen in der Woh‐ nung.   „Okay“,  begann  Max  als  er  alles  gehört  hatte,  „ein  paar  mehr  Informationen  brauch  ich  schon.  Wie sieht er denn aus?“   „So  zirka  30  Zentimeter  groß  mit  einem  grünen  Fliegenpilzhut,  großen  Augen  und  vorlautes  Mundwerk.“   „Sein Name?“   „Den  wüsste  ich  auch  gerne“,  mischte  sich  Har‐ vey an einem anderen Hörer in das Gespräch ein.   „Wenn du den auch noch rausfindest, leg ich eine  Belohnung  dazu.  Es  nervt  nämlich  langsam,  dass  der kleine Kerl sich weigert ihn preiszugeben.“   „Ist  das  jetzt  ein  ernster  Anruf  oder  nicht.  Wenn  ich ihn finden soll brauche ich seinen Namen, das  ist nicht lustig.“   „Mir ist auch nicht nach Lachen zu Mute!“   „Nein,  es  stimmt  schon,  wir  kennen  seinen  Na‐ men nicht. Er wohnt gegenüber von uns, vielleicht  sollten sie alles genauer untersuchen.“ DJ bemerk‐ 17