Mailand 2400

... den Auserwählten von UpperMailand. Kapitel VI. Macht und Gegenmacht. Kapitel VII. Die Revolte der Katzelmacher. Kapitel VIII. Ein erzwungener Aufenthalt ...
408KB Größe 7 Downloads 243 Ansichten
Hernán de la Mar

Mailand 2400 Roman

Übersetzung aus dem Italienischen

Carolina Teworte

2

© 2015 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2015 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Erina Alushi Printed in Germany

AAVAA print+design Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-8459-1649-1 ISBN 978-3-8459-1650-7 ISBN 978-3-8459-1651-4 ISBN 978-3-8459-1652-1 Mini-Buch ohne ISBN

AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses eBooks sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

3

Inhalt Kapitel I Vor der Reise Kapitel II Zwischen Wüstem Land und hektischer Megalopolis Kapitel III In der Verbotenen Stadt Kapitel IV Ausgehen in UpperMailand Kapitel V Zwischen den Auserwählten von UpperMailand Kapitel VI Macht und Gegenmacht Kapitel VII Die Revolte der Katzelmacher Kapitel VIII Ein erzwungener Aufenthalt

4

Kapitel IX Embargo! Kapitel X In der Peripherie Kapitel XI Der Fall der Giganten Kapitel XII Die traurige Rückkehr nach Pavia Kapitel XIII Auf Arbeitssuche Kapitel XIV Ziellos unterwegs Kapitel XV Abenteuer auf dem Großen Deich

5

Kapitel XVI Wieder unter den Auserwählten Kapitel XVII Bekenntnisse einer UpperMailänderin Kapitel XVIII Die Irrende Seele Kapitel XIX Zurück in Pavia

6

Kapitel I Vor der Reise Es war der 21. März des Jahres 2400. Der Frühling hatte vor kurzem begonnen. Am blauen und wolkenlosen Himmel schien die sengende Sonne. Eine leichte Brise wehte über die lombardische Ebene und trug dabei kleine Staubwolken mit sich fort. Die Stille über dieser endlosen Einöde war absolut, rau und geheimnisvoll. Diese grenzenlose Weite und die unendliche Einsamkeit waren die letzten stummen Zeugen einer längst verlorenen Zeit. Arianna schlief noch in ihrem Zimmer. Das Sonnenlicht fiel sachte auf ihr ebenmäßiges Gesicht. Die blonden Haare des Mädchens schimmerten wie glänzendes Gold. Die himmlische Harmonie ihrer Gesichtszüge spiegelte das Wesen der weiblichen Schönheit wider. Arianna schien nicht wie eine wirkli7

che Person, sondern ähnelte einer Lichtgestalt, wie aus einem Sonnenstrahl entsprungen. Unvermittelt öffnete sie langsam ihre tiefblauen Augen und schaute sich um, noch halb im Schlaf versunken. Der kleine Wecker auf dem Nachttisch zeigte neun Uhr morgens an. Das Mädchen zog es daher vor, sich noch einmal im Bett umzudrehen und sann darüber nach, ob es besser wäre, weiter zu schlafen oder in die Küche zu gehen um zu frühstücken. Dieses Ebenbild der Unbeschwertheit, Harmonie und der zeitlosen Schönheit wurde wenig später vom Gestank der Desinfektionsmittel, der von den nahegelegenen Feldern ins Zimmer drang, aus dem Halbschlaf gerissen. Arianna sah sich gezwungen, so rasch wie möglich aufzustehen und das Fenster zu verriegeln, bevor der beißende Gestank der Pestizide Einzug halten konnte. Leider hatte sie die gepanzerten Rollläden einen Augenblick zu spät gesenkt und ein starker Husten überfiel sie. 8

Aus dem Nebenzimmer rief eine weibliche Stimme mit unverhohlener Ungeduld: „Arianna, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du bei geschlossenem Fenster schlafen und die Klimaanlage einschalten sollst? Hast du immer noch nicht mitbekommen, dass im Frühjahr das Land desinfiziert wird?‚ Arianna verspürte ein scharfes Brennen in der Kehle. Also betätigte sie die Klimaanlage und setzte sich aufrecht hin. Ihr Atem ging schwer und keuchend. Sie versuchte tief und langsam einzuatmen, wie sie es in der Schule gelernt hatte. Dann senkte sie den Kopf, wie um hinter den langen blonden Haaren, die über ihr Gesicht fielen, Schutz zu suchen. Ihre blauen, tiefgründigen Augen fixierten die grauen Fußbodenkacheln. In ihrem Blick, der sanft und traurig zugleich war, lag eine stumme Ergebenheit gegenüber den Leiden dieser Welt. „Warum?‚ war das einzige Wort, das sie mit einem Hauch von Stimme vor sich hin sagte, während zwei Tränen ihre Wangen benetzten 9

und wenig später klanglos auf den kalten Boden tropften. Eine tiefsinnige Frage, die aus dem Innersten ihres Herzens rührte. Aber es war keine Zeit für weiteres Nachdenken. Ihre Mutter drängte sich ins Zimmer und brüllte hysterisch: „Bist du etwa dumm? Warum schließt du abends nicht das Fenster? Glaubst du, dass du noch im Jahr 2000 lebst?‚ Die Frau stellte sich für einige Augenblicke starr vor dem Mädchen auf und fügte dann im gebieterischen Ton hinzu: „Und zieh dir bitte etwas Ordentliches an und schmink dich, bevor Tiziano kommt! Du weißt, dass dieser Junge unsere einzige Hoffnung ist. Nur dank ihm könnten wir eines Tages in UpperMailand leben, im wahren und besseren Mailand. Wir müssen es schaffen, eine Wohnung jenseits der Großen Mauer zu erringen. Dort leben die Leute, die etwas zählen! Wir können nicht hier in Pavia bleiben. Hier gibt es nichts als Gifte, Insekten, Parasiten und Bauerntölpel.‚ 10

Arianna verharrte erstarrt, wie eine Statue aus Eis, an der jedoch Tränen herab rannen. Ungeduldig schrie ihre Mutter in einem noch härteren Ton: „Hörst du mir überhaupt zu? Oder bist du dumm geworden von all den Pestiziden, die du einatmest? Komm sofort runter zum Frühstücken und sitz nicht wie ein Trottel herum.‚ Das Mädchen antwortete betont kühl, um die tiefe innere Verletzung zu verbergen: „Ich ziehe mir jetzt etwas an. Geh bitte raus.‚ Als ihre Mutter aus dem Zimmer getreten war, brach Arianna in verzweifelte Tränen aus. Sie fühlte sich allein, furchtbar allein. Der glückliche Moment des Erwachens war sofort von der harten täglichen Wirklichkeit ruiniert worden. Aber sie verlor nicht viel Zeit damit, sich selbst zu bemitleiden. Um das Brennen in ihrer Kehle zu besänftigen, nahm sie einen Schluck Saft. Dann ging sie unter die Dusche, wie um Schutz an diesem intimen und sicheren Ort zu suchen. Das wenige verfügbare Wasser hielt Arianna allerdings dazu an, sich 11

sehr schnell zu waschen, ohne die Entspannung wirklich auskosten zu können. Die Angst, den Tagesvorrat an kostbarem Nass schon am Morgen aufzubrauchen, war ein ständiger Begleiter, der den Bewohnern der Ebene die Freude an einem erfrischenden und belebenden Bad gründlich verdarb. Das Mädchen sprang also eilig aus der Dusche und begann schleunigst damit, sich die Haare zu trocknen. Danach kehrte Arianna zurück aufs Zimmer und riss die Türen ihres kleinen Kleiderschranks auf. Sie hatte nicht viel zum Anziehen und mit Sicherheit war keines der Kleidungsstücke gut genug für Mailand oder genauer gesagt für den Kern Mailands, der sich jenseits der Großen Mauer befand. Sie griff zu einem weißen Rock und zu einer gleichfarbigen Bluse, die sie kurz zuvor in der Einkaufsfestung Nuovo Pechino erstanden hatte, einer gigantischen Shoppingmall, welche die Chinesen im Umland von Pavia eröffnet hatten. Auch wenn diese schlichte Kleidung eindeutig ihre be12

scheidene Herkunft verriet, so war Arianna doch in ihrer Schönheit und Anmut vielen wohlhabenden Mädchen aus UpperMailand überlegen. Arianna betrachtete sich im Spiegel. Sie fand sich sehr hübsch. Dies verleitete sie nicht dazu, sich hochmütig als etwas Besseres zu empfinden, sondern sie fühlte sich nur noch einsamer, da sie sich dessen bewusst war, anders als die Gleichaltrigen zu sein. Sie fühlte sich wie ein verkanntes Schmuckstück, das dazu gezwungen war, in einer finsteren und elenden Gesellschaft zu leben. Die Welt war nur von ihrem Äußeren fasziniert, ihr reiches und tiefsinniges Innenleben war den Leuten vollkommen egal. Kurz darauf verließ das Mädchen das Zimmer und lief die Treppe hinunter. „Ah, da bist du ja endlich!‚, rief ihre Mutter genervt aus, als Arianna die Küche betrat. Sie setzte sich, ohne ein Wort zu sagen und aß eilig ein paar trockene Kekse. Die Gegenwart der Mutter flößte ihr Unbehagen ein. Hin und 13

wieder tauschten die beiden Blicke aus. Es waren rasche, blitzartige Blicke, die der gegenseitigen Musterung zweier Raubtiere ähnelten, bevor sie übereinander herfielen. Während in der Küche absolute Stille herrschte, konnte man draußen die Traktoren vernehmen, die immer noch damit beschäftigt waren, Insektizide auf die Bäume rund um das Haus zu versprühen. Der dumpfe, monotone und wiederkehrende Motorenlärm wechselte sich mit dem ohrenbetäubenden Zischen der Pestizidladungen ab. Dieses unheimliche Konzert des chemischen Todes mussten sich die Bewohner von Pavia im Frühling jeden Morgen anhören. Mit einem Mal verebbte das Fauchen und die Traktoren entfernten sich nach und nach wie träge Stahlgiganten, die in die Endlosigkeit der Felder ausrückten. „Bald kann ich rausgehen und ein bisschen die Sonne genießen‚, sagte Arianna erleichtert. Ihre Mutter antwortete: „Du solltest dir besser über Tiziano als über die Sonne Ge14

danken machen! Bald wird Tiziano hier eintreffen, um mit dir einen Ausflug nach UpperMailand zu unternehmen. Du weißt, dass es für uns normalerweise so gut wie unmöglich ist, die Verbotene Stadt zu besichtigen