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wohl er dieses Heraufdämmern einer Schlacht schon öfter erlebt hatte. Diesmal fühlte ... Dicke, schwere Wolken hingen über diesem Tag, düster, fast schwarz ...
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Eric Lucas

Licht und Dunkel Roman

© 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 Umschlaggestaltung: Eric Lucas Coverbild: iStockphoto: 17943309, silhouette man portrait backside sad despair lonely Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0485-6 AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt .

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‚An sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu‘ William Shakespeare

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Vorwort Dieses Werk ist ein Experiment. Es begründet ein Genre, das ich ‚Philosophic Fantasy‘ nenne. Drei Ebenen kann der Leser hier finden. Die eine ist die Handlung, teilweise stilisiert, um die Kontraste noch stärker zu zeichnen. Die zweite ist die des Schachs. Es wird in diesem Buch niemals explizit erwähnt, auch muss der Leser keinerlei Kenntnisse über dieses Spiel besitzen, wenn auch der Kenner einige markante Züge herausfiltern wird. Die direkte Konfrontation von Schwarz und Weiß war jedoch auch der Grundgedanke, das Fundament, auf die dieses Werk aufbaut. Die dritte ist eine philosophische, eine, die ich nur im Hinterkopf hatte, als ich zu schreiben begann. Doch sie nahm im kreativen Schaffungsprozess einen extrem wichtigen Teil ein. Somit 4

mischte ich der Handlung eine tiefere Ebene der Gedanken bei. Einen Weg, wie sich der Leser plötzlich in jeder der handelnden Personen wiederfinden kann. Einen Weg, durch den der Leser sieht, wie wichtig es oft ist, mithilfe der Phantasie unserer Welt zu entfliehen, in eine andere einzutauchen und mit diesen anderen Blickwinkeln eine neue Betrachtungsweise zu erlangen. Jeder Mensch kann in diesem Buch finden, wenn er nur will. Denn Themen und Wahrheiten dieser Welt haben immer ihre Berechtigung, egal in welcher Form sie auftreten.

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Morgengrauen Es war dunkel, dennoch angenehm. Er verengte die Augen zu einem Schlitz, und alles wurde in ruhiges, finsteres Grau getaucht. Die Luft, die seine Lungen füllte, war frisch, feucht von dem Regen, der in der Nacht gefallen war, und kühl aufgrund des Nordens. Auf unbestimmbare Weise erfüllte ihn diese Kälte, als er sich den weißen Umhang fester um den Leib schwang; Sie ließ ihn sein Leben spüren, das Pulsieren seines Herzens, das sanfte Prickeln auf seiner Haut. Ja, lebendig fühlte er sich, mehr als je zuvor, obwohl er dieses Heraufdämmern einer Schlacht schon öfter erlebt hatte. Diesmal fühlte sich das Sein stärker an. Er wusste nicht, ob es eine dunkle Vorahnung war, ein Omen, eine Warnung. Aber das zählte auch nicht. Was kam, das musste kommen, unausweichlich, unabwendbar. Eine Zukunft, geschmiedet aus dem, was er zu ihr beitrug und dem, was das Schicksal bereit hielt.

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Deswegen ließ er den Blick über den Morgen schweifen. Dicke, schwere Wolken hingen über diesem Tag, düster, fast schwarz und unheilvoll, aber irgendwie auch friedenverkündend, als würden sie über den Tag wachen. Sein linkes Auge blinzelte, als ein Strahl der silberweißen Sonne, die soeben den entfernten Gebirgen im Osten entstieg, sein Gesicht berührte. Ein trostvoller Moment. Dieses erste, gleißende Licht des Tages ließ die Herzen der Soldaten höher schlagen. Es schien ein Zeichen zu sein. Ein heller Strahl inmitten von Dunkelheit, auf die sie zumarschierten. Der Tag war mit ihnen. So wollte es das Schicksal. Er atmete tief und langsam, als sein Blick über die Armee schweifte. Weißsilberner Stahl funkelte wie ein Meer aus Helligkeit über der dunklen Ebene, in die sie hinabstiegen. Weiße Umhänge flatterten in dem leichten Wind. Ein Morgen voller Andacht, voller Hoffnung. Und nichts, nichts mochte die Zuversicht schmälern: Nicht das schwarze Land vor ihnen, nicht die dunklen Berge im fernen Norden, noch die

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daher hervor strömenden düsteren Massen des feindlichen Heeres. So wie das Volk des Lichts die Sonne als sein Wahrzeichen trug, diese strahlende Helligkeit in ihren Herzen, so war dem Volk der Schwärze die Dunkelheit zueigen, eine scheinbar eigene Macht, die sich im Zentrum ihres Heeres ballte, verdichtete und alles andere verschlang, was ihr zu nahe kam. Cyon schickte ein Gebet an den Himmel, doch waren es weniger Worte, als ein Gefühl, das er sandte. Eine Dankbarkeit über diesen Morgen, jeden einzelnen Atemzug des Lebens, jedes Licht im Herzen. Der feine Schotter, schroff und grau an den Bruchkanten, schwarz und fein dort, wo er schon zu Sand zermahlen war, knirschte unter den Stiefeln Tausender, die hinab in die Ebene marschierten. Cyon drehte sich um, blickte zurück gen Süden, wo der Tag weiß heraufdämmerte, wo das Licht stark war, wo die Städte hell waren. Er ließ los. Warum, wusste er nicht zu sagen. Es war ein eigenartiger Abschied, als er sich wieder der 8

Dunkelheit zuwandte. Sie war durchdringend und hing schwer über der Ebene, wie die Last aberhunderter Schultern, die gekommen waren, um sie zu vertreiben. Die Frage, ob er an diesem Tag sterben würde, beschäftigte ihn an diesem Morgen weniger, als an anderen Anfängen einer Schlacht. Als er zur Seite blickte, sah er, dass noch andere Soldaten, vereinzelte, auf diesem Kamm stehen geblieben waren, so wie er. Es hieß, der Atem des Lichts wehe in ihre Herzen und ließe sie Dinge vernehmen, die für sie von großer Wichtigkeit waren. Ob solche Männer eher starben als jene, die einfach drauflos marschierten, konnte er nicht sagen. Auch sprach niemand davon, wenn er den Ruf des Lichts für kurze Momente vernommen hatte. Cyon hörte in sich hinein. Er hörte weder eine Stimme, die ihm den Tod und dennoch Hoffnung verhieß, noch wurde seine Entschlossenheit stärker oder das Feuer in seinem Herzen heißer. Doch etwas hatte ihn berührt. An einer Stelle seiner Seele, die er nicht kannte, die er nicht begreifen oder erklären konnte. Und den9

noch war sie da. Diese Berührung war kaum mehr als der Hauch eines Gefühls, nur ein erahnter Windzug. Doch war sie auch keine Einbildung, und ihre Bedeutung, auch wenn er sie noch nicht wusste, war von großem Gewicht; das war ihm in diesem Augenblick klar, in diesem Moment der Dankbarkeit. Und dann war dieser Zeitpunkt verflogen, wie vom Wind davongetragen. Er sah in Gesichter ringsum, die seinen Blick nicht erwiderten. Welche von ihnen würden an diesem Tag vergehen? Um welche Augen sich der milchige Glast des Todes legen, welcher Atem versiegen, welche Träume und Hoffnungen zu Grabe getragen werden? Ein Speerblatt traf ihn leicht mit der Breitseite am Kopf. Einer der Reiter drängte ihn dazu, weiterzugehen. Die Flüche und Befehle vernahmen seine Ohren gar nicht mehr. Es war ihm nicht wichtig. Sicherlich war er kein besonders guter Soldat, er dachte zu viel nach, folgte Regeln bevorzugt immer erst dann, wenn er ihren Sinn verstanden hatte. Aber es lag seinem Wesen zugrunde zu fragen, zu denken – zu fühlen. 10

Doch hier auf dem Schlachtfeld stand ihm das nicht zu. Er war nur einer von tausenden anderen Infanteristen, die eine schlichte Zahl ausmachten, die gegen die Heeresstärke des Feindes gerechnet wurde. Was zählte sein Schwertarm? Natürlich, er war ein Glied der Kette, aber das hatte ihm noch nie viel bedeutet. Es fiel weder ins Gewicht, noch war es entscheidend. Langsam bewegte er sich den Abhang hinab, spürte jeden seiner Schritte. Jedes Aufsetzen seiner Ferse, das leichte Einsinken in den Boden. Er bewegte sich schräg fort von dem Ritter. Er konnte diese nicht ausstehen. Sie waren Befehlshaber, Strategen, Schlachtenschläger. Und sie bildeten sich allesamt etwas darauf ein. Aber sie waren es schließlich, die entschieden, die agierten, die wahrlich Kämpfe wenden konnten. Dennoch hasste er ihre Überheblichkeit. Das Leben war viel zu kurz, um sich an derartigen Dingen aufzuhängen. Abermals verharrte er einen kurzen Augenblick, zog den Riemen, an dem sein Schild über den Rücken hing, etwas nach

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vorne und ließ den weißen Speerschaft in der Hand rollen. Was zählte diese Schlacht? Eine von hunderten seiner Generation, eine von tausenden der Generation seiner Väter und Väters Vätern. Leben um Leben wurde beendet. Für die Ideale, die Meinungen, die Erkenntnisse von Schwarz oder Weiß? Kopfschüttelnd schloss er die Augen, als er die nächsten paar Schritte vorwärtsging. Er würde es nie verstehen, aber wie konnte er auch? Er kannte nur seine Seite. Woher sollte er wissen, was die andere antrieb, ihnen Kraft gab, einen Sinn, eine Hoffnung? In der Dunkelheit hinter seinen Lidern, versuchte er Ruhe zu finden. Dies war sein Ort des Friedens, wohin er sich zurückziehen konnte. Je stärker die äußeren Einflüsse waren, desto schwerer fiel es ihm, seine Gedanken loszulassen, zu vergessen, wo er war und warum er hier einherschritt. Abermals spielten seine Finger mit dem Schaft des Speeres, und er konzentrierte sich nur auf die Reize, die seine Fingerkuppen 12

ihm sandten. Es war so schwer, einfach nichts zu denken. Als er die Lider wieder hob, sah er noch kurz die feindlichen Massen, die auf der anderen Seite der Ebene ausschwärmten. Es waren so viele. Die Schlacht würde entweder ganz kurz, oder tagelang dauern. Letzteres war wahrscheinlicher. Als er mit den Reihen der Infanteristen verschmolz und sein Blick nichts als weiße Umhänge und silberne Rüstungen einzufangen vermochte, fragte er sich, ob er Angst hatte. Es war nicht der Tod, den er fürchtete. Er war beinah ein Gast, den er herbeisehnte. Vielmehr war es das Sterben selbst, das Leid, der Schmerz. Vielleicht auch die Anstrengung einer derartigen Schlacht. Den Willen, einfach aufgeben zu wollen, hinzufallen und zu schlafen. Davor hatte er Furcht. Zu versagen, das Licht unterliegen zu sehen, nicht tun zu können, was von ihm verlangt wurde. Wenn der Tod kam, so konnte er ihn ohnehin nicht abwenden, warum also davor in Angst versinken? Doch es war das Leben, das er so schätz-

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te und liebte, geliebt hatte, das ihn dennoch so ängstigte. Abermals schloss er die Augen und fiel durch das Vibrieren des Bodens, das Marschieren der abertausenden Stiefel in eine Trance, in der er dem Ort entfloh und an Gefilde kam, die ihm Frieden im Herzen gaben.

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Inmitten von Macht Die Druckwelle erfasste Cyon von hinten, schleuderte ihn durch die Luft. Dunkler Staub füllte seine Sicht. In seinen Ohren spürte er noch den Druck der Explosion. Ansonsten fühlte er gar nichts. Er flog einfach, unkontrolliert. Seine Beine drehten sich über seinen Körper, seine Arme versuchten, den Sturz irgendwie zu mildern. In diesem Moment verschwand das Tosen der Schlacht, das Klirren von Schwertern, das Schreien Sterbender. Und dann, als er den Magier sah, der Ursache dieser Eruption gewesen war, kehrte alles wieder zurück. Alle Sinne erfassen Cyon, als wäre er soeben erwacht. Er drehte sich nach vorne, beugte den Rücken durch und hob das Schwert im Flug. Der Zauberer stand inmitten eines Schirms von Kämpfenden, seine Hände glühten vor schwarzem Licht, sein Gesicht von einem bösen Grinsen erfasst, als er noch auf die Auswirkungen seiner

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