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GmbH beschäftigt sich im Rahmen von. Logistic-Beratung mit ..... Die neuen Bewerbungen liegen in meiner. Tagesmappe. Anette hatte mich gebeten, heu-.
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Carola S. Ossig

36, attraktiv, sucht … Roman

LESEPROBE

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© 2016 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2016 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: fotolia: city woman Datei: #71014041 | Urheber: Cok Printed in Germany Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck

ISBN 978-3-8459-1828-0 ISBN 978-3-8459-1829-7 ISBN 978-3-8459-1830-3 ISBN 978-3-8459-1831-0 Mini-Buch ohne ISBN

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Prolog Endlich ist es so weit. Nach langer und reiflicher Überlegung habe ich mich entschieden, zu heiraten. Ich bin bereit. Der Heirat geht natürlich eine intensive Verlobungszeit voraus, auf die ich mich schon sehr freue, denn wie heißt es so schön „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Bess'res findet.“ Kleiner Scherz. Selbstverständlich bin ich mir mit der Wahl meines Mannes vorher schon sicher. Wo er doch so ein toller Typ ist! Der Verlobungszeit gehen das Sichkennenlernen und die Verliebtseinphase voraus. Herrlich! Diese Schmetterlinge im Bauch. Man könnte vor Glück die ganze Welt umarmen. Eine Zeit, um Hoffnungen Raum zu geben, aber auch dem Mann deiner Träume die Chance, dir jegliche Sterne vom Himmel zu holen. Ob sie dann zu Hause später herumliegen oder nicht, das tut zu dem Zeitpunkt nichts zur Sache. Diese Zeit, in der zwei Menschen vielleicht nicht immer einer Meinung sind, aber in die gleiche 4

Richtung schauen, Zukunftspläne schmieden, ein gemeinsames Nest bauen, Kinder nicht ausgeschlossen. Und wie ich mich auf die Hochzeit freue! Ich, ganz in Weiß vor dem Traualtar, mein Mann im dunklen Anzug, stark und markant, erhaben, neben mir. Er hält ruhig meine Hand. Es ist still in der Kirche, alle Anwesenden halten die Luft an und sind gespannt auf diesen einen Moment, wenn der Pfarrer fragt, ob dieser tolle Typ mich lieben und ehren will und mir für jetzt und alle Zeit die Treue hält, bis das der Tod uns scheidet. Und mein über alles geliebter Mann antwortet laut und deutlich mit Ja. Im Glückstaumel werde ich aus der Kirche schweben, Blumenkinder streuen Blütenblätter, die Verwandten werfen Reis - nur bitte nicht in Beuteln - die Sonne scheint, der Traum meines Lebens erfüllt sich auf wundervolle Weise. Ich bin rundum glücklich. Die Sache hat nur einen Haken: Es ist noch kein passender Mann in Aussicht. 5

Januar „Nele, Du musst unbedingt noch alle Unterlagen lesen, die ich Dir auf den Schreibtisch gelegt habe, ehe Du heute nach Hause gehst. Da ist ein dramatischer Brief von Pepe dabei, dem Freund Deiner Mutter. Du weißt ja, wie er ist. Irgendwas mit dem Auftrag, den er von Dir bekommen hat, geht schief. Am besten, Du kümmerst Dich heute noch darum. Dann wäre es gut, wenn Du Dir die aktuellen Bewerbungen ansiehst. Es sind ein paar interessante Leute dabei, wir brauchen einen guten Analytiker, der gleichzeitig großes Organisationstalent besitzt. Und Nele, Du sollst bitte noch Deine Schwester zurückrufen. Sie hat es schon zweimal bei Dir probiert und ist stinksauer, weil Du nie an Dein Handy gehst. Es wäre wirklich wichtig. Ansonsten habe ich Dir die Abrechnungen für Jens und Gabriele hingelegt, die für Dich in Singapur waren, Spesen und so, Du kennst das ja. Bitte schau noch mal drüber und lege es mir dann hin, ich mache 6

morgen alles für den Steuerberater fertig, damit die beiden nächsten Monat zu ihrem Geld kommen. Ansonsten schönen Feierabend, bis morgen Nele.“ Mit einem fröhlichen „Tschüss“ verabschiedet sich Anette Schaffner, der ruhende Pol in unserer Firma, und lässt mich mit dem Berg von Arbeit alleine. Die Tür klappt hinter ihr zu, alle anderen Angestellten sind bereits gegangen. Und ich sitze, wie so oft abends, alleine in meinem Büro. Nicht, dass mir das etwas ausmachen würde. Gerade früh morgens und abends, wenn ich alleine bin, habe ich Zeit, ungestört zu arbeiten, aber auch nachzudenken. Außerdem bin ich gerne hier, denn zu Hause erwartet mich sowieso niemand. Ich schaue gedankenverloren aus dem Fenster. Mein Büro ist ein Zufallstreffer, zwei Etagen, 10 Räume, direkt in der Nähe zum Frankfurter Flughafen in Kelsterbach. Es ist nüchtern eingerichtet. Ich liebe Übersichtlichkeit, die Moderne, klare Aussagen. Alles edel, kein Schnickschnack, im 7

Privaten wie im Beruf. Klare Farben, gerne Weiß-Grau als Grundlage, dazu Orchideen am Fenster. Auf meinem italienischen Schreibtisch mit einer hauchdünnen Marmorplatte stehen acht Ablagekörbe in Acryl, jeweils links und rechts vier übereinander. Ich habe sie mir von einem Designer aus London schicken lassen. Da soll mal einer sagen, Ablagekörbe wären langweilig. Durch die Transparenz der Körbe weiß ich immer ganz genau, welche Arbeit auf dem Tagesprogramm steht und was gegebenenfalls bis morgen warten kann. Und hier ruft so einiges laut und deutlich: „Nele, ich bin heute noch wichtig!“ Ich gehe zunächst in unsere Teeküche und schaue, ob noch etwas Essbares im Kühlschrank ist. Fehlanzeige. Ich schließe den Kühlschrank und koche mir einen starken Kaffee. Zumindest die H-Milch war noch brauchbar. Morgen muss ich unbedingt einkaufen gehen. Zu Hause sieht es im Kühlschrank ja auch nicht besser aus. Während der Kaffee durchläuft und der Duft bereits mein 8

Büro erreicht, setze ich mich und gehe in Gedanken durch, was meine Buchhalterin Anette zu mir gesagt hatte. Da war was mit einem Schreiben von Pepe, das ich unbedingt durchlesen sollte. Meine Mutter war schon seit langer Zeit Witwe, sie hatte endlich wieder einen Lebensgefährten, nämlich Pepe Rodriguez. Meine Schwester und ich haben uns mit ihr gefreut, dass sie nun wieder glücklich ist. Pepe hat Unternehmergeist im beruflichen wie im privaten Bereich. Mit ihm ist unsere Mutter wie umgewandelt, denn beide unternehmen viel miteinander. Pepe Rodriguez ist Inhaber einer mittelgroßen Spedition mit 17 großen 40-Tonnern für Auslandstouren und fünfundzwanzig 7,5-Tonnern und diversen kleineren Lkw für Kurzstreckenauslieferungen. Da es bei Pepe zeitweise auftragsmäßig nicht so flüssig lief, bat mich meine Mutter, ob ich ihm nicht einen guten Auftrag für die Zukunft vermitteln könne. Meine Firma LOG-CON GmbH beschäftigt sich im Rahmen von Logistic-Beratung mit Just-in-Time9

Lieferungen. Das ist mein Spezialgebiet. Und damit habe ich mir am Markt einen guten Ruf geschaffen. Ich bin dem Wunsch zwar nachgekommen, damit in der Familie Ruhe und Frieden herrscht, aber mit unguten Gefühlen. Denn über „Rodriguez Go-On“ war nicht viel herauszufinden. Jedenfalls nicht das, was ich normalerweise als Grundlage für eine gute Partnerspedition brauche, um mich dafür zu entscheiden. Der Kaffee blubbert in der Teeküche - ein Zeichen, dass er fast fertig ist. Ich hole mir einen großen weißen Kaffeepott aus dem Schrank, auf dem mittig ein Foto von drei lachenden jungen Frauen aufgedruckt ist. „Walpurgisnacht“ steht darüber. Es zeigt drei unzertrennliche Freundinnen: Mariette, genannt Jette, Elisabeth, das ist unsere Lisa und mich. Das Foto entstand in Rom 2003; da kam ich gerade von meinem Studium aus England zurück nach Deutschland und wir drei haben als Wiedersehensfeier einen Kurztrip nach Rom gegönnt. Es war eine heiße Zeit! Wir waren alle Mitte 20 und an diesem Wochenende 10

so gut wie in jeden jungen und gutaussehenden Italiener verliebt. Bella Italia! Auch heute noch, zehn Jahre später, sind wir drei fest miteinander befreundet. Lisa ist verheiratet und hat drei Kinder, ihr Jüngster heißt Felix, für den ich die Patenschaft übernommen habe. Jette ist Buchhändlerin und stets historisch interessiert. Wir haben uns immer viel zu erzählen, wenn wir zusammen sind. Und immer viel zu lachen! Mit meinem Kaffeepott der „Walpurgisnacht“ gehe ich in mein Office, um mich als Erstes den Gehaltsabrechnungen und Spesen von Jens und Gabi zu widmen. Da ich aber weiß, wie zuverlässig unsere Anette arbeitet, schaue ich nur halbherzig drüber. Soweit ich sehen kann, ist alles korrekt. Die Hotelkosten in Singapur sind horrend und ich frage mich, ob es nicht günstiger geht. Aber dieses Hotel kennen wir gut. Ich habe einen Nachlass ausgehandelt und meine Angestellten sind zufrieden mit der Unterbringung dort. Ich mache mein Kürzel darunter und lege den Vor11

gang zu den erledigten Dingen in die morgendliche Tagesmappe. Pepe und sein Schreiben können nichts Gutes beinhalten. Ich schiebe es noch ein wenig vor mich her, es zu lesen. Erst einmal der Rückruf bei meiner Schwester. „Margit Stiller, guten Abend“, meldet sie sich mit ihrer ruhigen Stimme am Telefon. „Hallo Margit, hier ist Nele.“ „Ah, Cornelia, dass Du Dich noch traust, mich anzurufen. Weißt Du eigentlich, dass ich ständig probiere, Dich auf Deinem Handy zu erreichen? Wahrscheinlich gehst du gar nicht erst dran, wenn Du meine Nummer siehst, oder?“ „Nein, so ist das nicht, entschuldige. Ich gelobe Besserung.“ „Das nehme ich jetzt mal so hin. Weißt Du eigentlich, dass es Mutter nicht gut geht? Sie ist total fertig, weil Pepe Probleme hat. Du weißt doch, wie impulsiv er ist, wenn er aufgeregt mit Händen und Füßen redet. Und das überträgt sich auf Mutter, die schon Herzrasen hat. Du musst unbedingt etwas unternehmen.“ Margits Stimme überschlägt sich 12

fast vor Aufregung, als sie den Namen Pepe in den Mund nimmt. „Margit, jetzt mal ganz langsam. Um was geht es denn? Warum regt sich Mama so auf?“ „Ja, hast Du noch nicht seinen Brief an Dich gelesen? Pepe ist kurz davor, Pleite zu gehen. Er hat sich bemüht, Dir seine Probleme zu schildern, damit Du ihm nicht böse bist. Höhere Gewalt nennt er das, was ihm passiert ist. Und er befürchtet, dass Du jetzt mit drin steckst. Zumindest, dass es Dich mit treffen könnte. Vielleicht übertreibt er ja auch. Jedenfalls hoffen wir, dass nur sein südländisches Temperament gerade mit ihm durchgeht und alles noch ein gutes Ende nimmt.“ „Margit, das kann ich gar nicht glauben. Natürlich lese ich jetzt gleich sein Schreiben. Und bitte grüße Mutter von mir. Sag ihr, wenn ich helfen kann, werde ich das natürlich tun. Viele Grüße auch an Michael. Ich melde mich wieder. Gute Nacht, bis bald.“ Meine Schwester Margit ist zwar nur drei Jahre vor mir geboren, aber in ihrer ganzen 13

Denkweise älter als meine Mutter. Seit der Schulzeit ist sie mit ihrem Mann Michael zusammen. Margit ist Grundschullehrerin und hofft, irgendwann zur Rektorin befördert zu werden. Michael arbeitet im öffentlichen Dienst beim Schulamt in Frankfurt. Zwischen Margit und mir gibt es immer wieder den gleichen Streitpunkt, daher sind unsere Telefonate in letzter Zeit recht kurz angebunden. Ich gebe ihr zum Teil Recht, aber ich kann es auch wirklich nicht mehr hören: Wann willst Du endlich ein anständiges Leben führen? Mit einem geregelten Job und geregelten Arbeitszeiten. Wo Du abends zu Hause bist und die Chance hast, jemanden kennenzulernen. Oder willst Du gar keinen abbekommen? Bist Du so eine von denen, die sich als Emanze profilieren? Armes Ding. Immer nur schaffen. Aber Du musst es ja wissen, Nele. Mein Leben ist ganz anders verlaufen als ihres. Ich wurde 1979 in Frankfurt geboren. Unser Elternhaus steht in Kronberg im Taunus, wo unsere Mutter immer noch wohnt. Mein 14

Sternzeichen ist Jungfrau, und mit 36 immer noch Jungfrau zu sein verleitet oft zu einem Schmunzeln. Ich heiße Cornelia Schröder und bin, wie man so schön sagt, ein Wildfang. Bäume zu erklettern war noch nie ein Problem für mich, je höher desto besser. Jede Herausforderung war für mich ein Abenteuer, das es zu bestehen galt. Und jedes Erlebnis eine Bestätigung für meinen Wagemut. Nach meinem Abitur habe ich drei Jahre Speditionskauffrau bei einem der größten Unternehmen Deutschlands gelernt, um danach für sechs Semester ein Betriebswirtschaftsstudium in England zu absolvieren und mit dem Abschluss „Master BA“ zurück nach Deutschland zu kommen. In meiner Zeit in London habe ich schnell gemerkt, dass mich der Bereich der Organisation fasziniert. Etwas perfekt durchzuplanen gab mir irgendetwas. Just-in-Time-Logistik wurde zur regelrechten Obsession für mich. Mir war schnell klar, dass ich meine eigene Firma gründen musste, um meine Persönlichkeit deutlich einbringen zu können. 16 Stunden 15

Arbeit am Tag war der Normalfall in der Aufbauphase. Ich war Produzent, Werbemanager, Buchhalter, Außendienstarbeiter, Consultant alles in einer Person. Und die Anfragen und Aufträge kamen immer schneller und wurden immer umfangreicher. Es war alleine nicht zu schaffen. So kamen mit der Zeit die einen oder anderen Mitarbeiter dazu. Anette war die Erste, die an meiner Seite war. Sie stellte sich damals bei dem Bewerbungsgespräch vor mit ANette, geschrieben mit einem „N“. „Bei meiner Zeugung hatten meine Eltern Urlaub in Bayern gemacht“, erzählte sie. „Und meine Eltern sagten, sollten wir jetzt ein Kind bekommen, wird es bestimmt eine Nette, also wurde ich auf Anette getauft.“ Anette Schaffner war mir auf Anhieb sympathisch. Sie ist jetzt schon 56 Jahre und Großmutter von einer dreijährigen Enkelin. Ihr Sohn Jens ist alleinerziehend und genauso alt wie ich. Er lebt getrennt und ist noch nicht geschieden. Ab und zu, wenn wir uns durch Zufall treffen, lädt er mich auf ein Glas Wein ein. Ich bin auch 16

schon einmal mit ihm abends ausgegangen. Aber er ist wirklich nicht mein Typ. Anette findet das schade. Ich glaube, sie hätte es ganz gerne gesehen, wenn wir zusammengekommen wären. Es ist auch nicht sein Kind, was mich stört, sondern irgendwie dachte ich bisher immer, ich sei noch nicht so weit. Ich brauche meine Unabhängigkeit, meine Freiheit und nicht das Gefühl, ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn ich mal wieder zu lange im Büro bin. Meine Schwester ist unglaublich bieder, und das meine ich in keinster Weise negativ. Margit und Michael haben sich schon in jungen Jahren ineinander verliebt und wussten voneinander genau: You are the one and only. Und dabei blieb es dann. Margit findet mein Leben anstrengend, ich nenne es ausgefüllt. Sie findet mich in meinem DesignerHosenanzug, vorzugsweise dunkelblau, mit meinen hohen, passenden blauen Lederschuhen aufgetakelt, ich fühle mich modern angezogen, eben Life-Style: immer präsentierfähig. 17

Margit trägt Bequemschuhe, ich würde so etwas noch nicht einmal im Urlaub anziehen. Ich bin mit mir rundum zufrieden, 1,74 m groß und 69 kg leicht. Manchmal denke ich, mein Busen könnte etwas größer sein, aber im Grunde bin ich ganz zufrieden. Wenn ich irgendwann in meinem Leben mehr Zeit habe, lasse ich mir meine Haare lang wachsen. Aber im Moment trage ich eine praktische Kurzhaarfrisur, die schnell gepflegt und stets attraktiv und gut aussieht. Ich bin oft unterwegs, da muss es nun mal schnell gehen. Ich schaue aus dem Fenster. Regentropfen laufen an der Scheibe entlang und hinterlassen lange Streifen. Im Hintergrund sind die Lichter des Frankfurter Flughafens zu sehen, der Regen spiegelt das Licht und erinnert mich an die vielen Abende, an denen ich schon hier saß und es ebenso geregnet hatte. Ich gehe bald auf die 40 zu. Wo ist die Zeit geblieben, Nele? Margit hat ja nicht ganz unrecht. Aber ich kann mir doch keinen Mann backen. Einer, der Verständnis dafür hat, dass 18

ich ein Arbeitstier bin und mich gerne profiliere, mich in der Männerwelt beweise und sogar besser bin! Männer wollen oft Frauen wie Margit, angepasst und brav. Das kann mit mir nichts werden. Aber ein gutes Gespräch mit einem intelligenten Mann, vielleicht sogar ein wenig Amore ... nein, das ist wahrscheinlich zu viel verlangt. Wer sollte sich denn in mich verlieben? Ich bin für jeden einfach zu stark. Ich verbreite wahrscheinlich schon so eine Aura von „Sirene frisst mutigen Mann“. Jeder, der es wagt, Nele näher zu kommen, zahlt mit seiner Seele. Ich bin kein Kind von Traurigkeit und weder prüde noch schüchtern. In meinen jungen Jahren hatte ich den einen oder anderen Urlaubsflirt oder auch schon mal einen Typen in der Disco abgeschleppt. Geblieben ist Stefan, mein Ex, von dem ich meine jetzige Wohnung übernommen habe, als er auszog. Wir waren sieben Jahre zusammen. Stefan hatte Psychologie studiert. Er war das wandelnde Lexikon, 19

was Analysebegriffe angeht. Stefan war humorvoll und intelligent – keine Frage. Aber ständig dokterte er an mir herum. Nie war ich gut genug für, ja, für was eigentlich? Bis ich auf diese Art von Doktorspiele keine Lust mehr hatte und die Sache klar regelte. Seit längerer Zeit bin ich nun solo. Und das ist für mich auch ganz in Ordnung. Bis auf die Vorwürfe, die ich mir von Margit anhören musste. Wie konntest Du nur so einen netten Mann gehen lassen. So einen findest Du nie mehr. Und so weiter. Das Übliche eben. Aber so nach und nach fehlt mir ein Partner wirklich. Nur wie soll ich in meinem eng bemessenen Zeitrahmen jemanden kennenlernen? Ich bin Unternehmerin, oft hier in Frankfurt Kelsterbach in meinem Büro vor Ort, reise aber auch in der Welt herum, um immer dort zu sein, wo ich gerade dringend benötigt werde. Die meisten Geschäftspartner, mit denen ich mich treffe, sind verheiratet. Andere, die für mich interessant wären, wohnen zu weit weg. Vielleicht sollte ich ein Partner20

Vermittler-Institut engagieren? Im Internet gibt es doch einige, auch im Fernsehen wird dafür Werbung gemacht. Was werden denn dort für Typen präsentiert? Ich glaube, man kreuzt Charaktereigenschaften an, um von sich selbst zu erzählen, aber auch, um einen passenden Partner vermittelt zu bekommen. Ich könnte ja mal meine Freundinnen Jette und Lisa fragen. Die fallen bestimmt aus allen Wolken, wenn ich ihnen sage, dass ich einen Mann suche. Einen Mann für Nele, den gibt es doch gar nicht. Ich höre sie schon lachen. Vielleicht sollte ich eine Zeitungsanzeige aufgeben: „36, attraktiv, sucht …“.

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Februar Ich nahm mir fest vor, von der ganzen Arbeit, die auf mich wartete, als nächstes Pepes Brief zu lesen. Probleme sollte man immer mit frischer Kraft angehen, und so schlimm kann es ja nicht sein. Pepe neigt gerne zu Übertreibungen. Aber es kommt doch schlimmer. Denn zeitgleich zeigt mir mein Bildschirm, dass zu dieser späten Stunde noch eine Mail eintrifft. Und zwar von Ewald Markgraf, dem Produktionsleiter der „Roller and more“ in Saarbrücken. Kurz und knapp setzte er mich in Kenntnis, dass er aus Gründen, die die Spedition zu verzeichnen hatte, die ich persönlich empfohlen hatte, in letzter Zeit Nachlässigkeiten entstanden waren, die nicht mehr zu tolerieren sind. Auch diverse Mahnungen haben dort zu keinem Ergebnis geführt. Als Produktionsleiter ist er zur Herstellung von 1.250 Rollern pro Tag für die Motorradindustrie verpflichtet und auf die pünktliche Zulieferung von Rahmen, Motor, Lenker mit Brem22

sen, Instrumenten und Verkabelung etc. angewiesen. Wenn diese Lieferung nicht Just-inTime funktioniert, so wie im Vertrag mit meiner Firma festgelegt, macht er mich haftbar. Er bittet aufgrund der Dringlichkeit um ein kurzfristiges Meeting morgen um 14 Uhr in Saarbrücken. Das sitzt. Roller and more in Saarbrücken ist ein großer Auftraggeber für meine Firma, zumindest was Deutschland angeht. Wenn ich ihn verliere, kann ich meine geplante Expansion auf Eis legen. Die neuen Bewerbungen liegen in meiner Tagesmappe. Anette hatte mich gebeten, heute Abend noch alles genau anzusehen und einen Trend zu geben, wer eingeladen werden soll. Aber nicht nur das. Es bedeutet auch, dass meine eigene finanzielle Sicherheit gerade in den Keller rutscht. Verantwortung zu tragen ist nicht immer leicht. Und als Chefin hat man selbstverständlich nie Probleme. Glauben jedenfalls die Angestellten. Warum auch? Die Chefin stellt sich als Sterntalermäd23

chen abends auf den Hof und hält die Hemdzipfel hoch, damit die Sterntaler von ganz alleine hineinfallen. Das ist ja auch der Grund, warum die Chefin immer so lange bis spät in die Nacht im Büro sitzt. Ich seufze. Wenn ich Ewald Markgraf nicht umstimmen kann, ist das keine gute Ausgangslage für das neue Jahr. Wie konnte das mit Pepe nur passieren? Er machte doch immer einen soliden Eindruck. Ich habe mich wahrscheinlich blenden lassen, weil ich meiner Mutter etwas Gutes tun wollte. Das passiert mir mit Sicherheit nicht mehr, dass ich meinen Kopf dafür hinhalte, wenn andere Bockmist bauen. Aber noch will ich Pepe eine Chance zu einer Erklärung geben und öffne seinen Brief. „Hallo Cornelia Maria, schon seit längerer Zeit liegen diverse Gründe an, die wichtig genug sind, um mit Dir ein Vier-AugenGespräch zu führen“, lese ich mit Erstaunen. „Wie Du weißt, habe ich das Unternehmen von meinem Vater übernommen. Mir lag es immer am Herzen, etwas Großes daraus zu 24

machen. Es war damals eine kleine, gut gehende Spedition mit gut funktionierendem Fuhrpark und festen Auftraggebern. Ich muss allerdings gestehen, dass ich bei der Vergrößerung insgesamt den Überblick verloren habe. Das passierte schleichend und mir war es nicht bewusst, denn es ging stetig bergauf. Dann kam es zu technischen Ausfällen und langen Krankheitszeiten bei den Fahrern. Also musste ich von anderen Speditionen Kapazitäten dazu kaufen, was mich insgesamt in die roten Zahlen brachte. Mein Disponent hatte Angst um seinen Arbeitsplatz und seit Längerem entsprechende Zahlen getürkt, um mich nicht zu beunruhigen. Einiges davon konnte geklärt werden. Der Großauftrag von Dir sollte mir wieder Regelmäßigkeit und gesicherte Zahlungseingänge ermöglichen. Es gibt bestehende Probleme, die dringend besprochen werden müssen. Den meisten Ärger habe ich mit Herrn Markgraf, der damit droht, alles überprüfen lassen zu wollen. 25

Denn es ist dummerweise durchgesickert, dass ich, um Kosten zu sparen, günstiges Personal bevorzugt habe. Sagen wir das Mal so. Du weißt, was ich meine. Er ist stinksauer, weil die Lieferungen nicht zeitgerecht kamen. Meine Aushilfsfahrer hatten den Weg nicht immer gleich gefunden. Dann kam Stau auf den Autobahnen dazu. Und meine Fahrer hatten, nun, nicht immer die deutsche Auffassung von Pünktlichkeit. Ich hoffe, Dir damit keine Unannehmlichkeiten bereitet zu haben. Ich bin bemüht, alles wieder auf die Reihe zu bekommen. Das braucht nur ein wenig Zeit, um die ich Dich bitte. Wir sind doch schließlich eine Familie, nicht wahr? Lass uns telefonieren. Adios, Pepe.“ Ich sitze da wie vom Donner gerührt. Mit anderen Worten: Schwarzarbeit.

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