leben Weiblicher Killerinstinkt
wenn frauen schauriger ruhm Das Guinness-Buch der Rekorde widmete Elisabeth Báthory 1988 einen Eintrag als »größte Serienmörderin aller Zeiten«. Selbst als eine schwere Erkrankung sie ans Bett fesselte, soll sie darauf bestanden haben, dass man ihr »Frischfleisch« zum Quälen vorführt.
morden
Die schauerlichsten Legenden schreibt das Leben: Giftmischerinnen, Todesengel und Schwarze Witwen verfügen durchaus über Killerinstinkt. Furchtbar feminin! von nadja luze, Illus veronique stohrer
E
s war einmal eine adelige Dame
Untaten moderne Vampirmythen mitge
War Dracula eine Frau?
königlichen Geblüts, die fürchtete
staltet. Eine schwerst gestörte Persönlich
Der Schöpfer des Mythos rund um den
das Alter und den Verlust ihrer Schön
keit, der heutzutage vielleicht die Zurech
Fürsten der Finsternis, der irische Autor
heit so sehr, dass sie zu einem grauenvol
nungsfähigkeit abgesprochen würde,
Bram Stoker, soll sich weniger an dem
lem Rezept griff: Das Bad im Blut von Jung
aber doch eine, die wirklich gelebt hat.
transsilvanischen Adeligen selbst als an
frauen sollte ihr ewige Jugend und die
Und zwar auch in unseren Breiten, wo sie
der Geschichte der »Blutgräfin« orientiert
immerwährende Liebe ihres jugendlichen
zahlreiche Ländereien und Immobilien
haben. Das behaupten jedenfalls einige
Galans bringen. Auch getrunken haben
besaß. Schaurige Legenden faszinieren
Fachleute, die sich mit den Wurzeln von
soll sie das vermeintliche Elixier, für das
und fesseln auch zu Zeiten, in denen das
Vampirgeschichten befasst haben. Blut
Hunderte von Mädchen ihr Leben lassen
Rationale die Oberhand gewonnen zu
als »Lebenssaft« zu betrachten mag schier
mussten … So oder so ähnlich lautet die
haben scheint. Vor allem, wenn in ihnen
unvorstellbaren Sadismus ansatzweise
Legende rund um die »Blutgräfin« Elisabeth
zumindest ein Körnchen Wahrheit verbor
erklären, ob es einem von beiden wirklich
Báthory. Der vielleicht abgrundtief böseste
gen liegt. Einige der Erzählungen rund um
jemals darum ging, bleibt unbekannt.
Mensch aller Zeiten war eine Frau – und
Vampire und Gespenster, die gerade zu
Gewisse Parallelen in der Vita und Denk
sie war nicht die einzige reale Serienkillerin
Halloween und bei düsterer Witterung kol
anstöße für Schauermärchen können je
der Geschichte.
portiert werden, gehen auf Ereignisse zu
denfalls beide aufweisen. Immerhin waren
rück, die sich die Erdenbürger einst nicht
sie nachweislich miteinander verwandt –
Ist das Böse weiblich?
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erklären konnten. Wenn grausamst ver
wenn auch weitläufig. Die Mordlust liegt in
In Gruselfilmen sind die Frauengestalten
stümmelte menschliche Überreste gefun
der Familie, meinen manche, während
meist die hilflosen Opfer, die herzzerreißend
den wurden, führte man das früher bei
andere eher auf Wahnsinn tippen. Gerade
schreiend ihre letzten Atemzüge machen.
spielsweise nicht selten auf das Wirken
im Adel war die Heirat naher Verwandter
Vampirzähne bohren sich hundertfach in
dunkler Mächte zurück. Die Furcht vor
üblich, sodass ererbte Geisteskrankheit als
zarte Mädchenhälse, die weiß und un
Vampiren, anderen Untoten und Blutsau
Erklärungsmuster naheliegt. Vielleicht
schuldig im Mondlicht schimmern. Und
gern wurzeln zum Teil in ganz realen Ver
macht man es sich damit aber doch zu
doch könnte der Ursprung dieser bis zu
brechen. Dass eine Frau dazu fähig sein
leicht. Jedenfalls beflügelt die Mär rund
einem gewissen Teil auf wahren Begeben
kann, will man selbst heute noch nicht
um die hochwohlgeborene Bestie bis
heiten beruhenden, düsteren Legenden in
glauben. Eine Dame der Gesellschaft
heute eine kaum überschaubare Künstler
den Untaten einer weiblichen historischen
quält aus purem Sadismus und reiner
schar, aber auch Wissenschaftler. Fakten
Persönlichkeit liegen. Auch das schöne
Mordlust Hunderte unschuldige Unterge
und Fiktion wurden immer mehr miteinan
Geschlecht mordet – wenn auch weit
bene langsam und grausamst zu Tode?
der verwoben. Viele Fragen bleiben offen,
seltener und anders. War der niederträch
Weniger nachvollziehbar, als die Taten
Tatsache ist aber eines: Selbst »lesbische
tigste Mensch der Geschichte eine Frau?
Satan persönlich, Hexen, Werwölfen oder
Vampirfilme« (ja, so etwas gibt’s) haben
Die ungarische »Blutgräfin« hat durch ihre
Vampiren zuzuschreiben.
das Leben der Bathory zum Inhalt.
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leben Weiblicher Killerinstinkt mordserie in wien »Munddusche« nannten die »Mordschwestern von Lainz« die tödliche letzte Behandlung euphe mistisch. Die vier Wiener Stationsgehilfinnen ermordeten mindestens 15 Patienten. Vor allem die kolportierte Rädelsführerin Waltraud Wagner erschien vielen Prozessbeobachtern eiskalt.
erste weibliche us-serienkillerin Aileen Wuornos: ein von Anfang an verpfuschtes Leben, an dessen Ende die Giftspritze stand. Für mindestens sechs Männer endete die Begegnung mit dem »Monster« tödlich. Die Prostituierte sah sich selbst als Opfer und rechtfertigte sich bis zuletzt mit Notwehr.
rischsten Folterwerkzeuge eingesetzt haben,
Situation wie durch einen Tunnel wahr und
das sich die Menschheit je ausgedacht hat:
können einen alternativen Ausweg ein
die Eiserne Jungfrau. Auch wenn es heute
fach nicht erkennen. Fragen wie »Warum
massiven Zweifel daran gibt, ob der körper
hat sie sich nicht einfach scheiden lassen?«
große Sarkophag mit nach innen gerichte
oder »Warum hat sie denn nicht verhütet?«
ten messerscharfen Spitzen jemals in die
stellen sich im Nachhinein bei Tötungs
ser Form existiert hat, hat die Überlieferung
delikten an Ehemännern und Kindern.
symbolischen Charakter. Regelrecht bei
Derartiges kam diesen Mörderinnen aber
lebendigem Leibe »ausgequetscht« habe
einfach nicht in den Sinn – oft haben sie
sie ihre Opfer – und im übertragenen Sinne
schon so lange in einer unerträglichen
könnte das der Wahrheit nahekommen.
Situation ausgeharrt, dass sie innerlich
Ein absoluter Einzelfall? Mitnichten. Wer sich
aufgegeben haben. Bis zum ultimativen
näher mit dem Phänomen befasst, stößt
Befreiungsschlag. Verallgemeinern lässt
auf die russische Adelige Darja Nikola
sich das aber nicht. Naheliegend sind die
jewna Saltykowa, deren Schandtaten de
Unterschiede, was die Vorgehensweisen
nen der Blutgräfin um nichts nachstehen.
von Männern und Frauen betrifft: Auch
Die im Jahr 1730 geborene Gutsherrin soll
wenn es nach Klischee klingt, Mörderin
139 Menschenleben auf dem Gewissen
nen bevorzugten schon in der Antike Gift
haben – zum allergrößten Teil Frauen und
bzw. heutzutage Medikamente. Aus die
Kinder. Viele Foltermethoden könnte sie
sem Faktum lässt sich ein weiterer Gegen
der Báthory abgeschaut haben; d arüber
satz ableiten: In diesen Fällen handelt es
hinaus riss sie den Geschundenen mit
sich meist um von langer Hand geplante
glühender Zange die Ohren aus und
Verbrechen und selten um Affektdelikte,
wurde des Kannibalismus verdächtigt.
was sich bei der Bemessung des Strafma ßes zu Ungunsten der Angeklagten aus
Die wahre Geschichte?
in diesem konkreten Fall vermutlich von
Frauen morden anders
wirkt, wie Michael Soyka in seinem Buch
»klassische« Täterprofil für Serienkiller »weiß,
lustig und hilfsbereit geltende »Schwarze
Aberglaube, Obrigkeitsdenken, mangeln
einer schweren Persönlichkeitsstörung
Die beiden erwähnten Beispiele sind
Wenn Frauen töten anhand von Fallbei
männlich, um die 30« nicht immer zutrifft.
Witwe« Elfriede Blauensteiner wiederum
des Wissen um psychologische Zusam
sprechen, die unter anderem auf ein
natürlich die Spitze des Eisberges und in
spielen vor Augen führt. Außerdem ist der
Der deutsche Kriminalist Stephan Harbort
brachte in den 1990er-Jahren mit Gift bzw.
menhänge und schlicht Todesangst
Trauma in der Kindheit zurückzuführen
vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Gewalt
Tod zwar nicht unbedingt weniger qualvoll
spricht von einem »Tabubruch«, wenn
Medikamenten mindestens drei Menschen
trugen dazu bei, dass die vermutlich größte
sein könnte. Die kleine Elisabeth soll hilflos
verbrechen sind grundsätzlich männliche
– teilweise ganz im Gegenteil – aber selten
Frauen morden. Anders als beim starken
um. Mit einem Fleischwolf soll die 1953
Serienmörderin aller Zeiten im 16. Jahr
mitangesehen haben, wie ihre Geschwis
Taten. Immer noch, auch wenn das weibli
wird so viel Blut vergossen wie bei anderen
Geschlecht gehe es nämlich selten um
verurteilte Adrienne Eckhardt, die »Mörderin
hundert völlig unbehelligt ihr Unwesen
ter und Kindermädchen von Aufständi
che Geschlecht aufholt. Statistisch gesehen
Taten. Und: Die Gesellschaft scheint am
Besitzansprüche. Viele Taten werden als
mit dem Engelsgesicht«, einen Geschäfts
treiben konnte. Auch wenn die Schreie
schen getötet wurden. Als die Übeltäter
kommt Frauen weitaus häufiger die Rolle
Ende doch eher Gnade walten zu lassen.
Befreiungsschläge gesehen; meist spielen
mann ins Jenseits befördert haben. Auch
der vielleicht mehr als 650 Malträtierten
gefasst wurden, soll sie sich an deren
des Opfers als jene der Täterin zu. Über die
So liegt beispielsweise das Verhältnis Män
Männer eine entscheidende Rolle. Der
der seltene Fall von extremem weiblichen
nicht zu überhören gewesen sein können
unglaublich brutaler Folterung und
Gründe wurde und wird viel spekuliert und
ner zu Frauen der in den USA seit 1976
Experte warnt aber nachdrücklich vor
Sadismus ereignete sich in der Alpenrepu
monokausalen Erklärungsmustern.
blik: Die Fabrikantengattin Josefine Luner
– niemand wagte es, sich gegen die
Hinrichtung regelrecht ergötzt haben.
philosophiert. Lange hieß es, Frauen wen
Hingerichteten bei etwa 100 zu 1, während
mächtige Herrin aufzulehnen. Die Adelige
Als Erwachsene regierte sie, nicht unüblich
den Gewalt an, um Gewalt zu beenden.
es bei den Festnahmen noch etwa 8:1 ist.
wütete in halb Europa, auch in Wien.
für die damalige Zeit, ihren Hofstaat mit
Meist handeln die Täterinnen jedenfalls
»Besonders rar sind weibliche Mehrfach-
Keine Insel der Seligen
Als ihr Tun endlich aufflog, wurden ihre
eiserner Hand – körperliche Züchtigungen
aus einer völligen Ausweg- und Perspektiv
und Massenmörder, auch wenn diese
In die internationale Kriminalgeschichte
davon starb. Zu Rattengift griff zwischen
Helfershelfer – von ihrem Gutdünken ab
des Personals waren allerorts an der Tages
losigkeit heraus. Dass es in der heutigen
durchaus existieren«, räumt Soyka ein.
gingen auch Todesengel aus Österreich
1932 und 1936 die »Giftmischerin« Martha
hängige Untergebene – gefoltert und hin
ordnung. Nun kommt vermutlich wieder
Zeit für viele Situationen realistische Hilfs
Als erste weibliche US-Serienkillerin wurde
ein. Die »Mordschwestern von Lainz« etwa:
Marek, um sich ihrer Verwandtschaft zu
gerichtet, sie jedoch fristete den Rest ihres
eine Legende ins Spiel: Als sie eine Diene
angebote und Lösungsmöglichkeiten gibt,
2002 Aileen Wuornos exekutiert, die als
2011 jährt sich die Verurteilung der heimi
entledigen, während Marianne Kopony
Daseins eingemauert in einem ihrer zahl
rin schlug, soll das fremde Blut auf sie ge
widerspricht dieser Auffassung keineswegs.
Prostituierte mindestens sechs Freier getö
schen Mehrfach-Killerinnen zum 20. Mal.
1920 mit Arsen versetzte Marzipan-Zuckerln
losen Wohnsitze. Kontakt zur Außenwelt
spritzt sein. Sofort habe sie eine Verjün
Der Psychiater und Gutachter Michael
tet hatte. Der Film Monster über ihr Leben
Die Pflegerinnen eines Wiener Kranken
verwendete. Die als »Würgerin« b ekannte
hatte die einst so mächtige Autoritätsfigur
gung dieser Hautpartie festgestellt und
Soyka meint dazu: »Täterinnen leiden oft
brachte der Südafrikanerin Charlize The
hauses rund um die »Anführerin« Waltraud
Leopoldine Kasparek tötete Anfang des
nur durch ein kleines Loch in der Mauer.
fortan aktiv Blut als Schönheitsmittel be
unter einer Einengung des psychischen
ron den Oscar als »beste Schauspielerin«
Wagner haben mindestens 15 Menschen
20. Jahrhunderts ältere begüterte Damen
Tatsächlich würde die moderne Forensik
nutzt. Dafür soll sie auch eines der barba
Erlebens.« Das bedeutet: Sie nehmen die
ein. Der Öffentlichkeit wurde klar, dass das
leben auf dem Gewissen. Die als lebens
und raubte sie aus.
96 maxima November 2011
marterte in der Zwischenkriegszeit zwei Dienstmädchen so brutal, dass eines
maxima 97
November 2011
Warum Frauen töten Grundsätzlich hat »das Böse« natürlich kein Geschlecht. Empirisch gesehen greifen Männer aber weit öfter zu Gewalt gegen andere. Nur zehn bis 15 Prozent dieser Straftaten werden von Frauen be gangen. Ob man das mit Genetik, Sozialisation, Erziehung oder schlicht körperlichen Voraussetzungen begründen kann, bleibt rätselhaft. Die meisten Taten werden jedenfalls im häuslichen Bereich verübt, und nur selten geht es um einen finanziellen oder sonstigen Vorteil; oft jedoch – jedenfalls aus Sicht der Täterin – um Selbstschutz, Selbstbehauptung und Selbstverwirklichung. Mord als allerletztes Mittel sozusagen. Laut dem Experten Harbort stammen Mörderinnen aus allen Gesellschaftschichten, sehr viele haben aber eines gemeinsam: Konfliktscheue. Sie töten, um einen Albtraum zu beenden, aus dem es ihrer Meinung nach keinen anderen Weg gibt, meint auch der Psychiater Soyka. Oft haben sie sich bis dahin überhaupt nicht gewehrt. Eine ganz entschei dende Rolle spielt meist das Umfeld, das die Betroffenen alleine lässt. Auch das kann objektiv schwer nachzuvollziehen sein, etwa in den in der Öffentlichkeit oft als besonders verwerflich einge
Inserat 1/2 hoch links
stuften Fällen von Kindstötungen oder auch dem Mord an hilflo sen Patienten. Völlig überfordert und in psychischen Ausnahmesi tuationen scheint vielen Fällen eines gemeinsam: Vor sich selbst rechtfertigen die Täterinnen ihre Handlungen zum Teil damit, dass sie ihre Opfer »erlösen« wollten. Und: So gut wie immer hatte sich eine Tragödie im Vorfeld durchaus abgezeichnet. Da es sich selten um einen Akt impulsiver Gewalttätigkeit handelt, sondern um eine geplante Tat, wird oft besondere Heimtücke vermutet. Soyka gibt zu bedenken: »Die meisten Frauen, die aus einem Akt der Verzweif lung gewalttätig wurden, würden ihr Verbrechen im Rückblick gern ungeschehen machen.« Die emotionslose Mörderin, die keinerlei Schuld empfindet, gibt es nur sehr selten. Aber: Wie es dazu kommen konnte, bleibt auch den Täterinnen selbst oft ein Rätsel. »Ich habe noch nie erlebt, dass eine dieser Angeklagten vor Gericht hätte sagen können, warum sie es getan hat«, heißt es in Soykas Buch. Wenn Frauen töten, bleibt die Gesellschaft oft ratlos zurück. Vielleicht auch deshalb, weil vom weiblichen Geschlecht erwartet wird, dass es Leben schenkt – und nicht nimmt.
Infos
Buchtipps Wenn Frauen töten Psychiatrische Annäherung an das Phänomen weiblicher Gewalt Michael Soyka, Schattauer 2005 Wenn Frauen morden Spektakuläre Kriminalfälle Stephan Harbort, Piper Verlag 2010 Die Geheimnisse der Blutgräfin Elisabeth Báthory. Ihr Leben mit Fotografien aus der Slowakei, Österreich und Ungarn Gerald Axelrod, Stürtz-Verlag 2011 Heroine des Grauens Michael Farin, P. Kirchheim Verlag 2008 Das Geheimnis der Báthory Andreas Varesi, Facility Management and Publishing 2005 Die Chronik der Unsterblichen 6. Die Blutgräfin Wolfgang Hohlbein, Ullstein 2005
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