Junktoren zwischen Text und Bild

re linguistische Theorien wie Deixis und Sprechakttheorie, habe ich mögliche sprachliche, visuelle, typographische sowie kontextuelle Junktoren theoretisch.
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Marcus Wetzchewald, Jahrgang 1975. Lehramtsstudium mit der Fächerkombination Deutsch und Wirtschaftswissenschaften; Mitarbeit am BMBF-Projekt PortaLingua; Arbeiten für die kommentierte Linkdatenbank des Linguistik-Servers Essen (LinseLinks); Lehrbeauftragter im Fach Germanistische Linguistik an der Universität Duisburg-Essen; seit 1998 Lektor, unter anderem für den IT-Dienstleister Computacenter.

Essener Schriften zur Sprach-, Kultur- und Literaturwissenschaft

Wetzchewald · Junktoren zwischen Text und Bild

»Junktoren zwischen Text und Bild« geht der Frage nach, welche sprachlichen, visuellen, typographischen und kontextuellen Schnittstellen für die Verknüpfung zwischen den Zeichenmodalitäten Text und Bild direkt und indirekt verantwortlich sind. Nach einer umfassenden theoretischen Einführung zu den Themen Unternehmenskommunikation, Bildern, Texten, Text-Bild-Beziehungen sowie zum Junktionsbegriff stellt der Autor im empirischen Teil der Arbeit die einzelnen Junktoren systematisch anhand von Beispielen aus der Unternehmenskommunikation im Internet vor.

Marcus Wetzchewald

Junktoren zwischen Text und Bild – dargestellt anhand der Unternehmenskommunikation im Internet

ISBN 978-3-942158-38-1

9 783942 158381

6

6

UVRR Universitätsverlag Rhein-Ruhr

S S E

Essener Schriften zur Sprach-, Kultur- und Literaturwissenschaft Band 6 Herausgegeben von Heinz Eickmans, Werner Jung, Nine Miedema & Ulrich Schmitz

Marcus Wetzchewald

Junktoren zwischen Text und Bild – dargestellt anhand der Unternehmenskommunikation im Internet

Marcus Wetzchewald

Junktoren zwischen Text und Bild – dargestellt anhand der Unternehmenskommunikation im Internet ESS-KuLtur. Band 6

Universitätsverlag Rhein-Ruhr

Die vorliegende Studie wurde als Dissertation von Marcus Wetzchewald, geboren in Essen, zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) von der Fakultät für Geisteswissenschaften (Institut für Germanistik/Linguistik) an der Universität Duisburg-Essen angenommen. Die Disputation fand am 28.10.2011 statt. Gutachter waren Prof. Dr. Ulrich Schmitz und Priv.-Doz. Dr. Hermann Cölfen.



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Mike Luthardt

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ISBN

978-3-942158-39-8



Satz

UVRR



Druck und Bindung



Format Publishing, Jena Printed in Germany

Danksagung Bei der hier vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich Anfang April 2011 bei der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen eingereicht und Ende Oktober 2011 verteidigt habe. Für Ihre Betreuung und Unterstützung vor, während und in der Endphase meiner Promotion möchte ich folgenden Personen herzlich danken: • Prof. Dr. Ulrich Schmitz, der immer ein offenes Ohr bei Fragen und Problemen hatte, • Priv.-Doz. Dr. Hermann Cölfen für die Erstellung des Zweitgutachtens, • meinen Eltern für ihre Geduld und ihre gelegentliche finanzielle Unterstützung, • Saskia Heergeist, Ursula und Helmut Schmitz sowie meiner Schwester Melanie Wetzchewald für ihre Hilfe bei der Endkorrektur, • Dr. Sabine Walther vom UVRR für ihre Betreuung und Beratung während des Publikationsprozesses sowie • ganz besonders meiner Partnerin Julia Schmitz, ohne die ich diese Arbeit wohl niemals fertiggestellt hätte. Voerde (Niederrhein), im April 2012

Marcus Wetzchewald

Inhalt

1. Einleitung......................................................................................... 11 2.

Linguistische Untersuchungen zur Unternehmenskommunikation sowie zur Unternehmenskommunikation im Internet, insbesondere mit dem Schwerpunkt Text-Bild-Beziehungen.................................................................... 17

2.1.

Historische Vorläufer ........................................................................ 17 2.1.1. Die Wirtschaftslinguistik............................................................................ 18 2.1.2. Die Wirtschaftsgermanistik......................................................................... 19 2.1.3. Die strukturelle funktionale Wirtschaftslinguistik...................................... 20

2.2.

Sprachwissenschaftliche Arbeiten zur Unternehmenskommunikation nach 1945......................................... 21 2.2.1. Linguistische Untersuchung der Unternehmenskommunikation und Betriebslinguistik............................... 22 2.2.2. Fachsprache der Wirtschaft......................................................................... 23 2.2.3. Interkulturelle Wirtschaftskommunikation................................................. 24 2.2.4. Wirtschaftskommunikation und Gesprächsforschung................................ 25 2.2.5. Textlinguistische Untersuchungen von Wirtschafts- und Unternehmenstexten.................................................................................... 26 2.2.6. Corporate Identity, Image, Selbstdarstellung, Selbst- und Fremdbild.......... 27 2.2.7. Werbe(sprach)forschung.............................................................................. 29 2.2.8. Exkurs: Sprache und Bild in der Fernsehwerbung....................................... 33

2.3.

Untersuchungen zur Unternehmenskommunikation im Internet....... 34

3.

Bilder und Bildtheorien................................................................... 39

3.1.

Bemühungen um eine allgemeine Bildwissenschaft........................... 41

3.2.

Was ist ein Bild? – die wichtigsten Positionen und Theorien.............. 42 3.2.1. Bilder als Zeichen – semiotische Bildtheorie................................................ 42 3.2.2. Phänomenologie des Bildes.......................................................................... 46 3.2.3. Ähnlichkeitstheorie...................................................................................... 47 3.2.4 Kausale Bildtheorien.................................................................................... 51 3.2.5 Anthropologische Bildtheorie...................................................................... 52 3.2.6. Psychologische und kognitive Bildtheorien.................................................. 53

3.3.

Bildsyntax/-grammatik und die Bestandteile bildlicher Darstellungen.................................................................... 62 3.3.1. Nelson Goodmans Kriterium der syntaktischen Dichte............................. 62 3.3.2. Syntaktische Grundelemente von Bildern und die Rolle der Wahrnehmung....................................................................................... 66

3.4.

Denotation und Repräsentation – Semantik.............................................. 78

3.5.

Bildverwendung – Pragmatik.......................................................................... 82 3.5.1. Allgemeine Bildfunktionen ......................................................................... 84 3.5.2. Kontextabhängige Bildfunktionen............................................................... 87 3.5.3. Bildfunktionen in multimodalen Texten und Lehr-/Lernumgebungen....... 90 3.5.4. Bildakte........................................................................................................ 92

4. Texte ................................................................................................................... 107 4.1.

Zum Textbegriff................................................................................................ 107

4.2.

Eigenschaften von Texten...............................................................................114 4.2.1. Syntax.........................................................................................................114 4.2.2. Semantik.....................................................................................................115 4.2.3. Pragmatik...................................................................................................118

4.3.

Texte im Internet – hypermediale, elektronische und multimodale Texte................................................................................... 121 4.3.1. Eigenschaften hypermedialer und elektronischer Texte im Internet.......... 121 4.3.2. Eigenschaften multimodaler Texte............................................................ 124 4.3.3. Multimodale Texte im Internet.................................................................. 133

5. Text-Bild-Beziehungen................................................................................. 139 5.1.

Unterschiede zwischen Sprache/Text und Bild........................................ 139

5.2.

Gemeinsamkeiten von Texten und Bildern............................................... 146

5.3.

Bilder und Bild-Text-Verbindungen als Texte........................................... 149

5.4.

Warum und wie können Sprache und Bild überhaupt miteinander Verbindungen eingehen?.........................................................152

5.5.

Ansätze zur Klassifikation von Text-Bild-Beziehungen ........................ 160

5.6.

Beschreibungsmodelle und -ansätze zur Analyse von Text-Bild-Beziehungen............................................................................ 170

6.

Die systemisch-funktionale Semiotik (SFS) und die systemisch-funktionale multimodale Diskursanalyse (SF-MDA) ... 185

6.1.

Grundlagen der systemisch-funktionalen Linguistik (SFL) ................ 185 6.1.1. Sprache als Sozialsemiotik......................................................................... 186 6.1.2. Stratifikation, Ranks und Instantiierung................................................... 189 6.1.3. Die Metafunktionen der Sprache............................................................... 191

6.2.

Die systemisch-funktionale Semiotik (SFS).............................................. 199 6.2.1. Kress & van Leeuwen – Reading Images (1990/1996/2006)..................200 6.2.2. O’Toole – „The Language of Displayed Art“ (1994) und weitere Aufsätze ................................................................................. 206

6.3.

Von der Sozialsemiotik zur systemisch-funktionalen multimodalen Diskursanalyse (SF-MDA)................................................. 211 6.3.1. Theoretische Arbeiten zum Wesen der multimodalen Kommunikation........................................................................................ 212 6.3.2. Modelle zur Analyse der metafunktionalen Eigenschaften von Text-Bild-Relationen............................................................................215

7.

Zum Begriff der Junktion........................................................................... 233

8.

Sprachliche Junktoren.................................................................................. 239

8.1.

Metafunktionale Einordnung....................................................................... 239 8.1.1. 8.1.2. 8.1.3. 8.1.4.

8.2.

Experientielle Junktoren............................................................................ 239 Interpersonale Junktoren........................................................................... 271 Textuelle Junktoren................................................................................... 272 Logische/rhetorische Junktoren................................................................. 277

Weitere syntaktische bzw. (schul-)grammatische Einordnung............ 293 8.2.1. Substantive................................................................................................. 293 8.2.2. Verben........................................................................................................ 297 8.2.3. Adjektive.................................................................................................... 298 8.2.4. Adverbien................................................................................................... 299 8.2.5. Pronomen.................................................................................................. 301 8.2.6. Präpositionalphrasen.................................................................................. 303 8.2.7. Quantitative Verteilung der Wortarten nach Rentel................................304

8.3.

Pragmatische Einordnung.............................................................................. 305 8.3.1. Sprechakte................................................................................................. 305 8.3.2. Deixis und (Ana-)Phorik............................................................................ 312

9.

Visuelle Junktoren......................................................................................... 335

9.1.

Experientielle Junktoren................................................................................. 335 9.1.1. Direkte Junktoren...................................................................................... 335 9.1.2. Indirekte Junktoren................................................................................... 335

9.2.

Interpersonale und modale Junktoren........................................................ 361 9.2.1. Interpersonale Junktoren........................................................................... 361 9.2.2. Modale Junktoren......................................................................................364

9.3.

Textuelle Junktoren.......................................................................................... 367 9.3.1. Information Value in Kompositionen........................................................ 367 9.3.2. Vektoren.................................................................................................... 370

10.

Typographische/schriftbildliche Junktoren......................................... 373

10.1. Was ist Typographie?....................................................................................... 373 10.2. Typographie als Untersuchungsbereich der Linguistik.......................... 378 10.3. Typographische Zeichen in der multimodalen Kommunikation....... 383

10.4. Metafunktionale Einordnung....................................................................... 384 10.4.1. Experientielle Metafunktion...................................................................... 385 10.4.2. Interpersonelle Metafunktion....................................................................400 10.4.3. Textuelle Metafunktion............................................................................. 403

11.

Kontextuelle Junktoren............................................................................... 417

11.1. Field...................................................................................................................... 419 11.2. Tenor.................................................................................................................... 422 11.3. Mode/Kommunikationsart............................................................................ 424 12.

Zusammenfassung und Ausblick............................................................. 427

13. Literaturverzeichnis...................................................................................... 435 14.

Quellen der Beispiele aus der Unternehmenskommunikation..... 497

15. Abbildungsverzeichnis................................................................................. 505

1. Einleitung Während vor einigen Jahren noch häufig die Klage vorgebracht wurde, das Thema Text-Bild-Bezüge werde – vor allem seitens der Linguistik – nicht gebührend beachtet, hat sich seit einiger Zeit – auch in der (Angewandten) Linguistik – ein recht umfassender Diskurs zu diesem Thema herausgebildet. Inzwischen ist die multimodale Kommunikation zu einem populären Untersuchungsgebiet in verschiedenen Disziplinen wie Linguistik, Kommunikationswissenschaft und Psychologie avanciert. Die Popularität des Themas resultiert aus der aktuellen Bedeutung und inflationären Verwendung von Bildern in der Kommunikation (vgl. hierzu z. B. Cölfen/Schmitz 1997: 225). Generell kann man feststellen, dass die gesamte Medienkommunikation – nicht allein in gedruckten Medien, die Bucher im nachfolgenden Zitat im Blick hat – einen Wandel von einer sprachdominanten zu einer multimodalen Erscheinungsweise vollzogen hat. Ausdruck dieser Veränderung seien vor allem die Termini, mit denen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema über die Umbrüche in der Kommunikation debattiert wird: „Angesichts der beschriebenen Erscheinungsformen kann man für die Printmedien feststellen, dass sie sich von einem einkanaligen Textmedium zu einem dreikanaligen Medium aus Text, Bild und Grafik entwickelt haben […]. Die dabei erkennbaren Visualisierungstendenzen sind erklärbar als Teil eines grundlegenden und weitreichenden Kommunikationswandels: »Pictorial Turn«, »visuelle Wende«, »Visual Culture«, »grafische Revolution« [sic!] »Weltmarkt der Bilder«, »from narrative to display« oder – ganz modisch – »Multimedia sind Schlagworte«, mit denen dieser grundlegende Wandel der öffentlichen Kommunikation zu multimodalen Formen charakterisiert wird.“ (Bucher 2004: 35)

Obgleich die Bedeutung der visuellen und multimodalen Kommunikation in den letzten Jahren extrem zugenommen hat, steht diese in einem Missverhältnis zu den bisher gewonnenen Erkenntnissen und Theorien auf diesen Gebieten, und man kann feststellen, dass noch grundlegende Kenntnisse und Theorien zu Text-Bild-Bezügen, aber auch zu Bildern im Allgemeinen1 fehlen. So erklärt Ulrich Schmitz treffend: „Obwohl der semiotische Alltag unserer Augen heute von Text-Bild-Gefügen beherrscht wird – man betrachte nur die Gegenstände, die gerade auf dem Schreibtisch oder im Zimmer herumliegen, den Inhalt des Kühlschrankes, das Straßenbild in der Großstadt –, gibt es keine wissen1

Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Allgemeinen Bildwissenschaft in Kapitel 3.1.

12

Kapitel 1 schaftliche Tradition, Begrifflichkeit, Methode und Theorie, die deren Untersuchung leiten könnte. Wissenschaftliche Paradigmen verändern sich langsamer als die Wirklichkeit.“ (Schmitz 2005a: 190)

Einen Teil dieser Theorielücke versucht diese Dissertation zu schließen. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Junktion zwischen Text und Bild. Dieser bei Schmitz 2003b entlehnte Begriff (vgl. hierzu Kapitel 7) bezeichnet die sprachlichen, visuellen und sonstigen Mittel, mit denen ein Bezug zwischen der ‚protestantischen‘ Schlichtheit des Textes und der ‚katholischen‘ „Überfülle“ des Bildes (Schmitz 1996a) in der multimodalen Kommunikation hergestellt wird. Dabei handelt es sich um einen bisher in der Analyse von multimodaler Kommunikation vernachlässigten Aspekt, wie auch folgendes Zitat von Lemke zeigt, welches bereits einige Fragestellungen dieser Arbeit aus Genre-Perspektive2 vorwegnimmt: “Another direction in analyzing multimodal genres, which so far as I know has not yet been developed, is to ask such key questions as: • What syntagmatic units of the text are projected by the appearance and themes of the images or figures? That is, to what elements in the text are elements of the image or graphical figure specifically relevant, or relevant to some variable degree, and according to what meaning relations? We can imagine a unit of the text, whether continuous or not, to be defined, perhaps with fuzzy boundaries, by its relevance specifically to a particular image, or portion of an image. • What are the organizational and thematic units of the image or graphical figure which are projected by the text? For each connected stretch of text we can ask to what, if any, image or portion of the image, is our attention potentially directed? And with what implied meaning relation? And with what degree of relevance or salience? • What are the features within a text, or within an image, that enable us to make links of particular kinds to particular elements of images or text, with certain degrees of probability? This is a variant of the traditional strategy of intertextual analysis within a connected text, looking for the same kinds of meaning relations between elements within a text that we often see between texts and looking for the same kinds of textual pointers or cues that afford such connections. We can look cross-modally in the same way.” (Lemke 2005: 49)

Ausgangspunkt meiner Forschungsarbeit ist die Annahme von Schmitz, dass man anhand einer gewissen Menge Untersuchungsmaterials eine Aufstellung 2

Untersuchungsfokus ist dabei, inwiefern sich verschiedene Textsorten (Genres) im Hinblick auf die genannten Fragestellungen unterscheiden.

Einleitung 13

und eventuell sogar eine Grammatik der Junktoren zwischen Text und Bild aufbauen könnte (Schmitz 2003b: 264). Da bisher noch keine umfassende Aufstellung der Verknüpfungsmechanismen zwischen Text und Bild existiert, wird hierzu ein erster Vorschlag unterbreitet. Dabei bin ich einerseits deduktiv vorgegangen: Angelehnt an Vorarbeiten und Theorien zur Sozialsemiotik 3, welche bisher am konsistentesten linguistische Theorien und Terminologie auf die visuelle und multimodale Kommunikation übertragen hat, ergänzt um andere linguistische Theorien wie Deixis und Sprechakttheorie, habe ich mögliche sprachliche, visuelle, typographische sowie kontextuelle Junktoren theoretisch identifiziert. Anschließend habe ich anhand der Unternehmenskommunikation im Internet empirisch überprüft, welche Junktoren sich dort finden lassen. Andererseits habe ich mich jedoch nicht dem umgekehrten, ‚naiven‘ Zugang zum Material verschlossen, indem ich bei der Suche nach passenden Beispielen immer auch nach neuen Junktionen Ausschau gehalten habe, die ich bisher aufgrund meiner theoretischen Vorarbeit nicht im Blick hatte. In der Beschreibung der Junktoren in den Kapiteln 8-11 merkt man von diesem methodischen Zweischritt jedoch nichts, da ich in meiner Darstellung Theorie und Praxis miteinander verquicke und theoretische Grundlagen und praktische Beispiele gemeinsam darstelle. Als Untersuchungsgegenstand habe ich bewusst die Unternehmenskommunikation im Internet gewählt, da diese bisher nur spärlich untersucht wurde (vgl. hierzu auch den Literaturüberblick in Kapitel 2.3). Ferner kann man bei diesem Untersuchungsobjekt davon ausgehen kann, dass Webseiten von großen, gewinnorientierten Unternehmen professionell gestaltet und besonders stark ästhetisch durchkomponiert sind, da die Gestaltung von Webseiten in der Hand von spezialisierten Unternehmensabteilungen oder von Werbe-/Kommunikationsagenturen liegt. Diese Rahmenbedingungen der Kommunikation erachte ich als besonders vorteilhaft für die Untersuchung von Text-Bild-Beziehungen, da man annehmen kann, dass professionelle Internetredakteure und Webdesigner unter anderem besondere Aufmerksamkeit auf die gelungene

3

Die Sozialsemiotik ist eine Forschungsrichtung, die sich in Anlehnung an die systemischfunktionale Linguistik Michael HALLIDAYS mit der multimodalen Kommunikation auseinandersetzt. Kay O’HALLORAN fasst diese Forschungsrichtung treffend wie folgt zusammen: „The basic premise underlying this discussion is that Halliday’s systemic model of language may be extended to semiotic codes other than language […]. That is, all forms of semiosis are metafunctionally organised with specific systems for interpersonal, experiential, logical and textual meaning“ (O’HALLORAN 1999: 317). Ausführlich stelle ich diese Forschungsrichtung in Kapitel 6 dar.

14

Kapitel 1

Integration der Modalitäten4 Sprache und Bild richten und diese gezielt (sowie zum Teil auch unbewusst) aufeinander abstimmen. Die Unternehmenskommunikation im Internet bietet ferner den Vorteil, dass keine Zugangsrestriktionen bestehen. Da die Unternehmenswebsites für diverse Zielgruppen konzipiert sind, sind die meisten Teile der Internetangebote von Unternehmen frei verfügbar und können mit gängigen Internetzugangsprogrammen (Browsern) dargestellt werden. Diese Rahmenbedingungen sind für die Forschung ideal. Obwohl sich die Erscheinung vieler Internetseiten in den letzten Jahren zum Teil radikal gewandelt hat und inzwischen immer stärker bewegte Bilder wie Videos oder Flash-Animationen in das World Wide Web Einzug halten, habe ich mich in dieser Arbeit auf die Untersuchung von statischen Text-Bild-Beziehungen beschränkt, da zu Beginn meiner Auseinandersetzung mit dem Thema diese Entwicklung noch nicht im gleichen Maße wie heute vorangeschritten war. Man kann aber davon ausgehen, dass viele der hier dargestellten Junktoren auch in zeitgebundenen Medien zu finden sind. Zur Analyse von dynamischen Text-Bild-Beziehungen müsste man lediglich die Untersuchungsmethodik anpassen und Regeln definieren, nach denen man Untereinheiten wie Bildcluster in bewegten Bildern identifiziert und dokumentiert. Da es sich bei der hier durchgeführten Analyse um eine qualitative handelt, die dem Ziel diente, die theoretisch denkbaren Junktoren zwischen Text und Bild zu verifizieren und zu veranschaulichen, konnte ich kein starres Untersuchungskorpus aufbauen. Würde man anhand von starren Kriterien wie Repräsentativität (bei der zweifelhaft ist, ob diese bei der Grundgesamtheit der erreichbaren Internetseiten von Unternehmen überhaupt herstellbar ist) ein Korpus aufbauen, wäre nicht sichergestellt, dass alle theoretisch denkbaren Junktoren auch tatsächlich gefunden werden. Außerdem ist die vollständige Speicherung der riesigen Internetauftritte deutscher Großunternehmen rechtlich bedenklich und technisch beinahe unmöglich. Darum habe ich die Internetauftritte von Unternehmen verschiedener Größe und unterschiedlicher Branchen durchstreift und mir passende Beispiele aus verschiedenen Bereichen der Unternehmenskommunikation wie Öffentlichkeitsarbeit/PR und Internetwerbung zusammengesucht. So konnte ich zu fast allen theoretisch denkbaren Formen der Junktion zwischen Text und Bild Beispiele finden, die diese Arten der Verknüpfung von Text und Bild veranschaulichen. 4

In dieser Arbeit fungiert der Terminus Modalität als Bezeichnung für Zeichentypen. Dass sich der Begriff in der Literatur zur multimodalen Kommunikation weitgehend durchgesetzt hat, obwohl er in der Grammatik bereits anderweitig besetzt ist, ist wohl vornehmlich auf die Arbeiten der Sozialsemiotik zurückzuführen (vgl. STÖCKL 2011: 45).

Einleitung 15

1.1.

Aufbau der Arbeit

Den theoretischen Teil eröffnet im folgenden Kapitel eine Darstellung der wesentlichen linguistischen Forschungsrichtungen und -arbeiten, welche sich mit der Unternehmenskommunikation, der Unternehmenskommunikation im Internet sowie Text-Bild-Beziehungen in der Unternehmenskommunikation auseinandergesetzt haben. In den folgenden drei Kapiteln beleuchte ich Bilder (Kapitel 3), Texte (Kapitel 4) und Text-Bild-Kombinationen (Kapitel 5) aus theoretischer Perspektive. Dabei gehe ich unter anderem der Frage nach, was ein Bild ist, aus welchen Bestandteilen Texte bestehen und welche spezifischen Eigenschaften Texte im Internet aufweisen. Vorarbeiten zur multimodalen Kommunikation werden im fünften Kapitel ausführlich behandelt. Schwerpunkte der Analyse der Vorarbeiten auf diesem Gebiet sind beispielsweise die Unterschiede zwischen Text und Bild sowie Ansätze der Klassifikation von Text-Bild-Bezügen. Da die systemisch-funktionale Linguistik (SFL) bzw. die darauf basierende Sozialsemiotik/systemisch-funktionale Semiotik (SFS) großen Raum bei der Beschreibung der Junktion zwischen Text und Bild einnimmt, ist Kapitel 6 diesem Thema gewidmet. Neben einem kurzen Abriss zu den wichtigsten Grundlagen der SFL stelle ich in diesem Kapitel Vorarbeiten zur systemischfunktionalen Semiotik sowie zur Analyse von multimodaler Kommunikation umfassend dar. Besonderes Augenmerk liegt dabei einerseits auf den Arbeiten, welche die Grundlagen der systemisch-funktionalen Grammatik auf die Analyse anderer Modalitäten als Sprache übertragen haben (Kapitel 6.2). Andererseits sind die theoretischen Ansätze der Beschreibung von multimodaler Kommunikation ausführlicher dargestellt, welche Mechanismen der Intermodalität beschreiben (Royce 1997, 1998, 2007; O’Halloran 2005a, 2007, 2008b; Yu/O‘Halloran 2009) und damit direkte Vorarbeit für die Beschreibung von Junktoren anhand des Begriffsinventars der systemisch-funktionalen Linguistik/Semiotik leisten. Im Vergleich zu der hier vorliegenden Untersuchung nennen die Autoren5 die Mechanismen der Verknüpfung von Sprache und Bild innerhalb des theoretischen Rahmens der Sozialsemiotik. Dabei gehen sie aber nicht detailliert auf die Junktoren ein, welche für die intersemiotische Verbindung verantwortlich sind. Dennoch stehen diese Intersemiotic Relations in enger Verbindung zu den hier untersuchten Junktoren, da die Schnittstellen zwischen Text und Bild in diesen Beziehungen identifiziert 5

Um die Lesbarkeit des Textes zu verbessern, wurde darauf verzichtet, bei generalisierten Personenbezeichnungen sowohl die weibliche als auch die männliche Form anzugeben. Es sei explizit darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen die männliche Form sowohl weibliche als auch männliche Individuen einschließt.

16

Kapitel 1

werden können und die Mechanismen selbst zum Teil als Junktoren fungieren. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Text und Bild so untrennbar miteinander verwoben sind, dass man keine einzelnen Elemente innerhalb der beiden Modalitäten für die Junktion allein verantwortlich machen kann. Der empirische Teil beginnt mit einigen theoretischen Überlegungen zum Begriff der Junktion in Kapitel 7. Die darauf folgenden Kapitel 8-11 bilden den inhaltlichen Kern dieser Arbeit. Darin werden die sprachlichen (Kapitel 8), visuellen (Kapitel 9), typographischen (Kapitel 10) und kontextuellen (Kapitel 11) Junktoren, welche die Beziehung zwischen Text und Bild herstellen, theoretisch und anhand von Beispielen aus der Unternehmenskommunikation im Internet aufgeführt. Den Abschluss dieser Forschungsarbeit bilden eine Zusammenfassung der dargestellten Junktoren und ein kurzer Ausblick auf mögliche Forschungsperspektiven, die sich aus dieser Untersuchung ergeben.