JUGENDCUP KINDERSPIELE

Alpenländer Italien, Frankreich, Schweiz, Österreich und Deutschland sollen jeweils ... Fahrer, Kameramann und half überall dort mit, wo Not am Mann war.
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Oskar Fischer

Anatswald 3 87561 Oberstdorf im März 2014

Jugendcup der Internationalen Skizentren (bis 1970 „Kinderspiele“) Liebe Skifreunde, mit dem 49. Jugendcup im kommenden April wird ein weiteres Kapitel einer besonderen Erfolgsgeschichte aus dem alpinen Skisport geschrieben. Als einer der noch wenigen „Zeitzeugen“ wurde ich wiederholt darauf angesprochen, wie es eigentlich zu diesem „Jugendcup“ kam, zu dieser über die Jahre so erfolgreichen Wettkampfserie, die sogar Olympiasieger, Weltmeister und eine ganze Reihe von Weltcupsiegern zu Beginn ihrer großen Karrieren durchlaufen hatten. So will ich versuchen, chronistisch das Wichtigste aus der durchaus bewegten Entstehungsgeschichte des „Jugendcups“ aufzuschreiben. – Auch hier, wie so oft im Leben, gab es einige Geburtswehen zu überstehen…………… Im Herbst 1965 sprachen zwei Herren beim damaligen SCO-Vorsitzenden Peter Weiß in dessen Goldschmiedewerkstatt droben im „Trettachhäusle“ vor. Der eine war Gian Mauro Nova, ein Architekt aus Mailand mit einer fantastischen, anfänglich vielleicht auch verrückt anmutenden Vision: Eine „Kinder-Olympiade“ für Buben und Mädchen etwa im Alter zwischen 8 und 15 Jahren, vorerst beschränkt auf die alpinen Disziplinen Slalom und Riesentorlauf. Dabei solle eine Mannschaftswertung im Vordergrund stehen. Die fünf klassischen Alpenländer Italien, Frankreich, Schweiz, Österreich und Deutschland sollen jeweils durch eine namhafte alpine Skistation repräsentiert sein und diese sog. „Kinderolympiade“ solle jährlich von den jeweiligen Orten turnusmäßig organisiert werden. Als solche waren vorgesehen Madesimo, Courchevel, St. Moritz oder Crans Montana, Schruns und Oberstdorf. Madesimo würde gerne zum Winterende 1965/66 erstmals einladen und auch die Kosten für Hotelunterkunft und Skipass für eine bestimmte Mannschaftsstärke übernehmen. Soweit also die fürs Erste doch etwas fantastisch anmutende Idee des Herrn Nova! Sein damaliger Begleiter war Robert Gamper, ein Montafoner, der in Madesimo als Eislauflehrer tätig war. R. Gamper übernahm zum einen Dolmetscheraufgaben, zum anderen war er aber auch ein strategischer Berater, denn G. M. Nova hatte keine Kontakte und kaum Insiderwissen bezüglich der Situation speziell in Österreich und Deutschland. Wie ich später andeutungsweise hörte, war das ursprüngliche Interesse von G.M. Nova eher auf Kitzbühel und Garmisch-Partenk. gerichtet; angeblich jedoch konnte R. Gamper als Montafoner die Weichenstellung in Richtung Schruns und Oberstdorf beeinflussen.

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Weiter muss man wissen, dass G. M. Nova vier Söhne im entsprechenden Alter hatte, die begeisterte und talentierte Alpinskifahrer waren und ihr skisportliches Handwerk in Madesimo erlernten. Wer von uns hatte bis dahin je etwas von Madesimo gehört, diesem wunderschönen Hochtal südlich des Splügenpasses mit einem großartigen Skigebiet? Ein bisschen erinnerte dieses Madesimo an Sestriere, nur war es nicht so groß, so bekannt und mondän. Was den Turinern ihr Sestriere, war der gehobenen Mailänder Skiszene eben ihr Madesimo. Nachdem Peter Weiß die Pläne und Argumente der beiden Besucher mit großer Aufgeschlossenheit zur Kenntnis genommen hatte, besprach er sie umgehend mit SCO-Alpintrainer Leo Schraudolf und mir als dem damaligen Jugendwart im Allgäuer Skiverband. Nachdem wir beide das positiv sahen, wurde bei einem der folgenden Clubabende im „Binz“ endgültig beschlossen, das Experiment zu wagen. So startete in den Osterferien 1966 eine Oberstdorfer Mannschaft mit dem Kleinbus von Sepp Schweiger erstmals ins Abenteuer der sog. „Kinder-Olympiade“. Es war mit etwa acht Buben (darunter Peter Fischer, Franz Berktold, Joachim Schraudolf, René Scharf, Dieter Rupprecht, Wolfgang Scheuerl, …………, aber keine Mädchen) zahlenmäßig eine recht bescheidene Mannschaft, eben nur entsprechend der angebotenen Kostenübernahme. Mehr wollten wir zu diesem Zeitpunkt nicht riskieren und investieren. Betreut wurde das Team von Leo und mir; Sepp Schweiger war Fahrer, Kameramann und half überall dort mit, wo Not am Mann war. Nach kurzweiliger Fahrt über Chur, Julierpass, Maloja und das Bergell erreichten wir schließlich Madesimo und staunten nicht schlecht über das, was uns dort erwartete: Unterbringung in einem „richtigen“ Hotel, Eröffnungsfeier mit Einmarsch der Mannschaften, mit Flaggen, Hymnen und „olympischem Feuer“ sowie eine herzliche und großzügige Gastfreundschaft. Während die vier anderen Mannschaften optisch und zahlenmäßig schon bei der Eröffnung beeindruckten, kam unser kleines Häuflein, jeder in seinem persönlichen „Skihäs“, doch ein bisschen bescheiden daher. Die Rennen selbst waren auf idealen Strecken bestens organisiert, jedoch wurden wir trotz guter Einzelergebnisse in der Mannschaftswertung abgeschlagen Letzter, weil wir das Kontingent für die Teamwertung bei Weitem nicht ausgeschöpft hatten. Auch hatten wir bald realisiert, dass wir uns nicht mit reinen Clubmannschaften zu messen hatten sondern eher mit regionalen Auswahlteams. So war beispielsweise die überlegene und auch siegreiche Mannschaft des Gastgebers Madesimo eine Nachwuchsauswahl der Lombardei. Uns war schnell klar, dass wir die Sache ähnlich professionell angehen müssten, wollten wir weiter in dieser „Liga“ mitspielen. Nach drei erlebnisreichen Tagen und der Vereinbarung, dass die Franzosen die nächsten Organisatoren sein würden, ging’s vollgepackt mit großartigen Eindrücken - aber auch ein bisschen enttäuscht über das sportliche Ergebnis - wieder nach Hause. Nachdem wir in der Folgezeit monatelang nichts mehr in Sachen „Kinder-Olympiade“ hörten, befürchteten wir schon, dass das Strohfeuer der anfänglichen Begeisterung erloschen sei. Da erreichte uns im Herbst 1966 eine Einladung zu einer überaus 2

kurzfristig angesetzten dringenden Organisationssitzung in Lausanne, von deren Ergebnis eine Fortführung des Projekts maßgeblich abhängig sein würde. Leo und ich wurden von der SCO-Führung gebeten, diesen Termin wahrzunehmen, wobei wir auch mit den nötigen Verhandlungsvollmachten ausgestattet wurden. Ganz so einfach war das aber auch für uns beide nicht mitten unter der Woche. Leo stand voll im Beruf und ich hatte als noch fortbildungspflichtiger Junglehrer keinerlei Chance auf Dienstbefreiung. So darf ich heute gestehen, dass ich wegen dieses Termins das einzige Mal während meiner fast 40-jährigen Dienstzeit die Schule „schwänzte“ – das allerdings für einen guten Zweck, wie wir heute wissen. Da von der Terminierung der Sitzung her eine Hin- und Rückfahrt mit der Bahn am gleichen Tag nicht möglich war, fuhren wir bis Zürich mit dem Auto und von dort bis Lausanne und zurück mit der SBB. Die Sitzung fand in einem hypermodernen Bürotempel im Stadtzentrum von Lausanne statt und mit gebührendem Respekt betraten wir die noblen Hallen. Im Wesentlichen ging es um folgende Themen: • Die Bezeichnung als „Olympiade“ sei sportrechtlich unzulässig und müsse geändert werden. • Der Schweizer Vertreter Crans Montana soll ersetzt werden durch Saas Fee • Eine Präzisierung der Regularien und - besonders wichtig aus unserer Sicht – eine feste Zusage von Seiten Oberstdorfs auf Einhaltung der gefassten Beschlüsse und Verpflichtungen. Offensichtlich hatte unser bescheidener erster Auftritt doch einige Zweifel bei unseren Partnern aufkommen lassen. Oberstdorf war damals als „alpine Adresse“ noch wenig bekannt und wie wir später erfuhren, hatte man wohl auch schon über einen etwaigen anderen deutschen Repräsentanten nachgedacht. Nun, Leo und ich konnten guten Gewissens alle Zusagen geben, die sich, wie wir heute wissen, schließlich auch bestätigten. Schon zu den zweiten „Kinderspielen“ (das war jetzt der Titel) fuhren wir mit einer ausreichend großen Mannschaft, die wir durch einige Buben und Mädchen aus dem Oberallgäu verstärkt hatten. Als damaliger ASV-Jugendwart hatte ich ja den nötigen Überblick und gute Kontakte zu den Nachbarvereinen. Auch wurden einheitliche Anoraks angeschafft, die allerdings nur für diesen Einsatz ausgegeben und danach wieder eingesammelt wurden. So waren wir vom sportlichen und optischen Auftritt her bald auf Augenhöhe mit unseren vier Partnern und die perfekte Organisation der vierten Kinderspiele 1969 in Oberstdorf überzeugte schließlich endgültig all unsere Freunde und Partner dahingehend, dass die „Kinderspiele“ auch in Oberstdorf gut aufgehoben sind. Während der ersten Serie bereitete ein sportrechtliches Problem zunehmend Sorge. Nach den Statuten der FIS nämlich waren und sind internationale Vereins- oder Regionalwettkämpfe für Kinder und Jugendliche nicht zulässig. (Ausnahme: Wettkämpfe zwischen geografisch unmittelbar aneinandergrenzenden Regionen). Diese Regel macht durchaus Sinn und gerade in jener Zeit schossen von Sponsoren oder superreichen Privatpersonen initiierte Kinderolympiaden, Jugendkriterien u. ä. wie Pilze aus dem Boden. Da waren viele Details beispielsweise von den Wettkampfregeln bis hin zu Haftungsfragen ungeklärt und so bestand die FIS in Abstimmung mit den jeweiligen nationalen Skiverbänden aus guten Gründen auf strikte Einhaltung dieses Verbots. Selbstverständlich galt diese Einschränkung auch für unsere „Kinderspiele“ und eine Missstimmung oder gar ein Zerwürfnis mit der FIS oder dem nationalen Verband konnten sich vor allem Schruns und Oberstdorf als 3

Weltcuporte (Alpines Damen-FIS-A Tourneespringen) keinesfalls leisten.

Rennen

/

Weltcup

Montafon

und

Ein Ausweg aus diesem Dilemma fand sich dahingehend, dass man die Zuständigkeit für Organisation und Durchführung von den Skiclubs auf die jeweiligen Gemeinden bzw. Tourismusbehörden übertrug. Zwar behielten sinnvoller Weise die Skiclubs die sportfachliche Kompetenz, die sport- und haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Veranstalters ging jedoch auf die politischen Gemeinden über. Und Gemeinde- oder Tourismusverwaltungen unterstehen nun mal nicht der Aufsicht und dem Regelwerk der FIS oder ihrer nationalen Skiverbände. Erster Repräsentant oder Ansprechpartner war damit nicht mehr der jeweilige Skiclubpräsident, sondern zwangsläufig der Bürgermeister. Daher rührt bis heute die traditionelle Gepflogenheit, dass beim Jugendcup in der Regel auch die Bürgermeister oder ihre Vertreter anwesend sind und somit die Partnerschaft zwischen den fünf Orten und Regionen immer wieder aufs Neue gefestigt wird. Ich erinnere mich noch genau daran, dass in unserem Fall die Zuständigkeit an die Kurverwaltung übertragen war. Der offizielle Schriftverkehr wurde auf den Briefbögen der Kurverwaltung abgewickelt und beispielsweise zur Vorbesprechung der dritten Auflage 1968 reiste ich mit unserem damaligen Kurdirektor Walter Besler als dem offiziellen Vertreter Oberstdorfs nach Saas Fee. Aus dieser komplizierten Situation heraus entstand schließlich 1970 auch der etwas sperrige Begriff „Jugendcup der internationalen Ski-Zentren“. Mit dieser Umschreibung, die auch eine enge Partnerschaft zwischen den fünf namhaften Wintersportorten dokumentieren soll, konnte man die beteiligten Skiclubs aus der Schusslinie nehmen. Zudem wird unter diesem „Arbeitstitel“ auch toleriert, dass die Mannschaften sich aus der jeweiligen Region rekrutieren dürfen und nicht nur auf jeweils einen Verein oder Ort beschränkt sind. Das „internationale Ski-Zentrum Oberstdorf“ ist ja beispielsweise nicht begrenzt an der Breitachbrücke oder am Hirschsprung! Selbstverständlich weckten die sog. „Kinderspiele“ und das attraktive Drumherum auch anderenorts Begehrlichkeiten. Auch in Zeiten vor Internet und Facebook sprach es sich schnell herum, welch tolle Möglichkeit zum internationalen Kräftemessen unserem alpinen Skinachwuchs da geboten wird. Und die begeisterten Berichte der Kinder und Eltern taten ein Übriges, um das Thema am „skipolitischen Köcheln“ zu halten. Da kam der weiteren Entwicklung zugute, dass ich 1968 zum Alpinen Jugendsportwart des Deutschen Skiverbandes berufen wurde. Damit war ich auch von Verbandsseite her zuständig für Angelegenheiten dieser Art. In dieser neuen Funktion ergaben sich zwangsläufig auch sofort internationale Kontakte, besonders intensiv zum Jugendwart des ÖSV Hubert Pirchner, der gleichzeitig und über Jahrzehnte auch Vorsitzender des „FIS-Komitees für Kinderund Juniorenfragen“ war. Aus dieser Kooperation entwickelte sich schnell eine sehr persönliche und bleibende Freundschaft und auf dieser Basis konnte ich mit Hubert Pirchner auch offen und ohne jedes Risiko das Thema „Kinderspiele“ ansprechen. Er wusste bereits andeutungsweise von diesem Projekt und hatte anfänglich wohl auch eine eher kritische Meinung dazu. In dieser Phase war es dann ein geschickter Schachzug, dass ich mit unseren Freunden aus Schruns vereinbaren konnte, Hubert Pirchner als Ehrengast zu den 4

Kinderspielen 1970 ins Montafon einzuladen. Die Schrunser inszenierten ein tolles Skifest für die Jugend – auch mit einem österreichischen Sieg, wenn ich mich recht erinnere“! - der ÖSV- und FIS-Vertreter sah’s mit Wohlwollen und von da an waren die eigentlichen Geburtswehen ausgestanden Für mich persönlich hatten dann ab etwa 1970 zwangsläufig die Verbandsarbeit und mein Engagement im professionellen Skilehrwesen Vorrang. Aus dieser Distanz hat mich dennoch beeindruckt, wie aus dem anfangs zarten Pflänzchen der „Kinderspiele“ sich ein überaus seriöser Sportanlass mit Tradition und sportlichem Gehalt weiterentwickelte, der unserem Skinachwuchs immer wieder und bis heute großartige Motivation und erste internationale Kontakte vermittelt. Immerhin hat eine ganze Reihe namhafter alpiner Spitzenathleten/innen, darunter Olympiasieger, Weltmeister und Weltcupsieger, ihre ersten „internationalen“ Erfolge in unserem Jugendcup gefeiert. Mit Interesse und Freude habe ich über die Jahre beobachtet, wie gerade auch bei uns in Oberstdorf als einem traditionell eher nordisch geprägten Skiort der alpine „Jugendcup“ einen unglaublich hohen Stellewert inne hat – und das seit fast 50 Jahren! Schlüsselfiguren in dieser Erfolgsgeschichte – um nur einige zu nennen - waren unser unvergessener SCO-Vorstand Pe Horle, unser so skibegeisterter Bürgermeister Edi Geyer, der langjährige SCO-Jugendwart Herbert Scherm, die gute Seele im Hintergrund, Heidi Kretschmer, die über alle Sprachklippen hinüberhelfen konnte und schließlich unser Jugendcup-Präsident Thomas Kretschmer, bei dem seit nunmehr gut 20 Jahren die Fäden zusammenlaufen. Diesen allen verdankt der Jugendcup sehr viel. Und dahinter standen über all die Jahre glücklicherweise immer kompetente und motivierende Trainer, aufgeschlossene Eltern, großzügige Gönner und Förderer sowie verständnisvolle Schulleiter und Lehrer. Von den „Machern der ersten Stunde“ sind leider nicht mehr viele unter uns. Besonders schmerzlich, dass wir im Jahr 2009 vom Gründer und Ideengeber Gian Mauro Nova und erst vor zwei Jahren für uns alle überraschend von unserem Ehrenpräsidenten und speziellen Oberstdorf-Freund Paul Bumann aus Saas Fee für immer Abschied nehmen mussten. Mit vergnüglichem Schmunzeln erinnere ich mich an einige Episoden aus den Anfängen der „Kinderspiele“ bzw. des „Jugendcups“. Deutsche Hymne in der Endlosschleife Bei der Auftaktveranstaltung 1966 in Madesimo hatten die italienischen Initiatoren um den Ideengeber Gian Mauro Nova noch die Vorstellung von einer sog. „KinderOlympiade“. Somit gab es zur Eröffnungsfeier auf dem Eissportplatz einen Einmarsch der Mannschaften mit Fahnenträger und dem Abspielen der jeweiligen Nationalhymne sowie das feierliche Entzünden des „Olympischen Feuers“. Wohl passend zu unserem sowohl von der Mannschaftsstärke als auch dem optischen Erscheinungsbild (G’strickter Kittel oder persönlicher Anorak) her bescheidenen Auftreten gab es eine Panne beim Abspielen der deutschen Hymne. Ich nehme an, dass sich die Wiedergabetechnik damals noch auf Plattenspieler und Schallplatte beschränkte und die Nadel in einer bestimmten Rille hängen blieb. 5

Nach wiederholtem „Einigkeit und Recht und Freiheit“ versuchte ich durch Handzeichen darauf aufmerksam zu machen, dass da etwas falsch läuft. Doch zur damaligen Zeit war die deutsche Hymne im abgelegenen Madesimo noch nicht so geläufig und die Höflichkeit gebot es offensichtlich unseren italienischen Gastgebern, dass man die deutsche Hymne nicht einfach abwürgen darf, auch wenn sie noch so lange dauern würde. So ging es schließlich eine ganze Weile, bis irgendjemand in der Technik ein Einsehen hatte und endlich die endlose deutsche Hymne abdrehte. Wachteln als besondere Delikatesse Am letzten Tag unseres ersten Madesimo-Aufenthalts wurden die Mannschaftsleitungen zu einem offiziellen Essen im Top-Restaurant des Turm-Hotels eingeladen. Dabei sollten auch die weiteren Schritte und Planungen für die Zukunft der Kinderspiele besprochen werden. Was Leo und mir ein wenig gegen den Strich ging, war der Umstand, dass wir für diesen Tag – und das war ein traumhaft schöner Wintertag! – das persönliche freie Skifahren abhaken konnten, denn ein klassisches italienisches Essen geht mit etlichen Gängen über Stunden! Die besondere Herausforderung für uns beide bestand allerdings in einer besonderen Spezialität in der Menüfolge: offensichtlich Geflügel, jedoch winzig klein! Keiner von uns beiden hatte je mit einer Delikatesse dieser Art zu tun und somit hatten wir keine Ahnung, wie wir diesem Viechle zu Leibe rücken sollten. Wir saßen einander gegenüber, schauten uns fragend an und beobachteten dann halt aus den Augenwinkeln, wie das die anderen machen. Nur tröstlich für uns, dass unsere Montafoner Kameraden offensichtlich die gleichen Problem mit dem ungewohnten „Mageträtzar“ hatten. Massiver Protest aus Kindermund Es mag beim ersten Mal in Courchevel, möglicherweise auch in Saas Fee gewesen sein. Jedenfalls war es noch zu der Zeit, als Leo und ich gemeinsam die Mannschaftsleitung hatten. Nach der Ankunft im Hotel hatten wir die Zimmer zugeteilt und waren gerade dabei, uns selbst wohnlich einzurichten. Da klopfte es und zwei unserer Buben stürmten recht entschlossen wirkend herein mit der kategorischen Feststellung: „Des Zimmer wemm mir it!“. Dieser Protest hat uns doch einigermaßen überrascht, denn der Komfort des Hauses erschien uns eher gehoben. Auf unsere Nachfrage nach dem Grund der Ablehnung kam die Entrüstung aus tiefstem Herzen: „ Bei ies isch’s Klo im Zimmer und des mieged mir it hong, wenn alle dur isar Zimm’r ufs Klo gänd!“ Das wäre selbstverständlich unzumutbar gewesen. Aber als wir den beiden erklärt hatten, dass das ihr ganz eigenes Klo ist und dass in dem Hotel jedes Zimmer ein eigenes Klo hat, zogen sie beruhigt von dannen, vielleicht sogar mit dem stolzen Gefühl, dass man ein ganz eigenes Klo nicht einmal daheim hat. Was der Bauer nicht kennt, ................................. Die erste Fahrt zu den Kinderspielen 1967 im fernen Courchevel war lange und beschwerlich. Vor allem der letzte Abschnitt ab Genf zog sich endlos hin, weil es damals noch keine Autobahnanbindung gab. Todmüde und hungrig kamen wir erst 6

spätabends mit unserer Rasselbande in unserer Unterkunft an, bezogen die Quartiere und wurden gebeten möglichst schnell zum Abendessen zu kommen. Zum Willkommen hatten sich die Wirtsleute offensichtlich etwas ganz besonderes einfallen lassen, was bei Kindern in Frankreich wohl beliebt und populär ist. Aus meiner Sicht war es so ähnlich wie Kalbsbries, herausgebacken oder gemischt mit Rührei. Geschmacklich empfand ich das Gericht zwar durchaus akzeptabel, vom Aussehen her aber doch eher exotisch mit der Folge, dass unsere Herrschaften das speziell für sie angerichtete Essen nicht anrührten. Selbstredend war das gleich zum Einstand eine recht peinliche Situation für Leo und mich. Über Courchevel nach Korsika Von Anfang an war es üblich und guter Brauch, mit allen Kindern zusammen ein Fest oder eine Party zu veranstalten. Eine gute Idee, denn neben dem ernsthaften sportlichen Wettkampf sollen die Spiele auch dem gegenseitigen Kennenlernen bei Spiel und Spaß sowie dem Sich –Öffnen für Neues und Unbekanntes dienen. Die Organisatoren in Courchevel ließen sich dabei 1967 etwas ganz Besonderes einfallen, denn das gemeinsame Kinderfest fand in einem relativ großen Schwimmbad statt. Nun, die Kinder hatten einen Riesenspaß und neben diversen Spielen wurden auch Schwimmwettkampfe durchgeführt. Mit einem Direktor der berühmten französischen Schiffsreederei „Transatlantique“ hatten die Courcheveller einen überaus großzügigen und begeisterten Sponsor an der Seite, der für die Sieger der verschiedenen Wettschwimmen attraktive Preise aussetzte. So konnte unser Peter Fischer als ein exzellenter Schwimmer eine Schiffspassage von Le Havre nach Dover gewinnen, wenn ich mich recht erinnere. Zum Abschluss des lustigen Treibens hieß es plötzlich, dass auch noch die Mannschaftsführer und Trainer gegeneinander schwimmen müssten, jeweils zwei Mann mit jeweils zwei Längen. Von den fünf Vertretungen stellten sich schließlich nur zwei dieser feuchten Herausforderung, nämlich Schruns und Oberstdorf. Naheliegend, dass Leo und ich besser Skifahren als Schwimmen können, aber wir wollten keine Spaßverderber sein. Und als wir hörten, dass einer der beiden Schrunser im Sommer als Bademeister tätig sei, rechneten wir uns ohnehin nichts mehr aus. Bei allem Spaß, wir kämpften bis fast zum Ersaufen und schlugen zu unserer größten Überraschung mit einer Handbreite Vorsprung an. Erst jetzt erfuhren wir, dass besagter Sponsor während unseres Überlebenskampfs im Wasser unter dem Höllenspektakel von etwa 150 tobenden Kids für das Siegerteam eine Schiffspassage Nizza-Korsika ausgesetzt hatte, und die auch noch „Premiere Classe“! Zuerst nahmen wir beide das nicht wirklich ernst. Doch zu unserer Überraschung erhielten wir beide einige Tage später direkt von der Transatlantique-Zentrale in Paris ein Glückwunschschreiben mit der Aufforderung, unsere gewünschten Reisedaten mitzuteilen. Und tatsächlich, im darauffolgenden August leisteten wir beide uns eine recht abenteuerliche und unvergessliche Campingwoche auf Korsika, wobei die Schiffspassage gratis war – und das auch noch 1. Klasse!

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