Infos Valluga-Nord - St. Anton

des Könnens. Im Leben und im Alltag setzt man sich häufig Risiken aus, deren ... Turns ohne Risiko. Den Trittalp-Lift erreichen wir um. 16.29 Uhr, direkt hinter ...
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ssion: Valluga Ein mystischer Name, eine Steilabfahrt, bei der einem flau im Magen wird. Die Valluga Nord-Abfahrt bei St. Anton ist nichts für Angsthasen. Schwindelfrei sein ist dabei wichtiger als stylische Powder-Technik. Fotos und Text: C. Listmann

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eiligabend 2008 war ein Unglückstag. Gegen 13:50 Uhr setzte ein Skifahrer aus England den verhängnisvollen Schwung in den 40 Grad steilen Hang. Er traf einen der wenigen Hot Spots, ein Schneebrett riss auf 400 Meter Breite ab und wuchs auf einen Kilometer Länge an. Der Mann hatte keine Chance. Trotz LWS 2, trotz Anleitung durch Skiführer. Im Unfallbericht heißt es, rund 40 Leute hatten den Hang schon zuvor befahren. Soll man das Pech nennen oder eher Schicksal? Valluga Nord – ein legendärer Hang im Skigebiet von Sankt Anton am Arlberg. Die Variante ist auf dem offiziellen Pistenplan nicht erwähnt. Das spricht für sich, denn darin sind schließlich die meisten Backcountry-Möglichkeiten ausgewiesen. Und es gibt in diesem weitläufigen Revier keine Geheimtipps mehr. Die Valluga Nord-Abfahrt ist auch kein Geheimtipp, aber dennoch kann sie nicht jeder befahren. Mit dem Ziel Valluga Nord sind Michael, Thorsten, Dirk, Kai und ich nach St. Anton gereist und haben professionelle Unterstützung gebucht. Bergführer Markus Penz macht den Job seit über 25 Jahren und fast wöchentlich verlan-

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gen seine Kunden die Valluga-Variante. Ob er den Wunsch erfüllt, entscheidet er erst, wenn er sich vom Fahrkönnen der Kunden überzeugt hat. Auch mit uns fünf verbringt Markus Penz den Tag erst in Stuben an der Albonabahn, dann führt er uns runter ins Verwalltal zur Mittagspause. Bei der Brotzeit wollen wir wissen, was uns erwartet. Beim Skifahren definiert die Steilheit die Schwierigkeit. Ab 40 Grad wird es anspruchsvoll. „Die Valluga Nord hat zwar 40 Grad, ist aber nicht die schwerste Variante am Arlberg“, sagt Markus. Ihren Mythos besitzt die Abfahrt also eigentlich zu unrecht. „Der Hang wird quasi täglich befahren, Runterschummeln geht immer“. Allerdings seien die Bedingungen selten ideal. „Am Arlberg wechseln die Verhältnisse ständig, darin lauert die Gefahr“, erklärt Markus. „Was heute gut ging, kann morgen gefährlich sein. Bei zuviel Schnee drohen Lawinen, bei zuwenig Schnee kann man an einem Stein hängen bleiben. Wenn du einen Ski verlierst – was jedem passieren kann – schießt du runter“, warnt Markus. Welche Folgen das hat, wollen wir wissen. „Dann bist du weg, dann geht‘s über die Felswand.“ Ob es viele Unfälle gibt, wollen wir wissen. Der Bergführer überhört

In die Valluga II-Gondel darf nicht jeder.

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Text Text Text Text Der Blick von der Aussichtsplattform zeigt den Steilhang mit den Felsabbrüchen, die man nicht näher kennen lernen möchte.

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diese Frage, schweigt. Darüber redet man offensichtlich nicht. In Wirklichkeit fürchtet sich Markus Penz mehr vor dem Arlbergtunnel: „Wenn da auf der Gegenspur ein LKW-Fahrer einschläft – was dann passiert, das willst du dir auch nicht vorstellen.“

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achmittags wird es ernst. Die supermoderne Galzigbahn bringt uns von St. Anton hinauf zur Valluga I-Gondel. Seit 1955 ist die Vallugabahn in Betrieb, als eine von 79 Bergbahnen im ArlbergGebiet. Beim Eingang zur Valluga II klebt ein Schild: No Ski! Für diese letzten 161 Höhenmeter quetscht man sich in eine alte 5er Kabinenbahn, sofern der Bergführer für seine Gruppe unterschrieben hat. Der Guide ist die Eintrittskarte, nur mit ihm darf man überhaupt mit Ski auf den Gipfel schweben. Die Aussichtsplattform auf 2811 Metern öffnet sich sonst nur Touristen ohne Sportgerät. Oben verläuft die Grenze zwischen Tirol und Vorarlberg, ein mächtiges Wetterradar macht den Gipfel unverwechselbar. Der erste Blick nach unten verdeutlicht, was Markus mit „ein Sturz wäre fatal“ gemeint hat. Wo man bei anderen Steilhängen wenigstens Auslauf hat, lauern im oberen Abschnitt unterhalb des Val-

lugagrats hohe Felsabbrüche. Schnell noch ein Erinnerungsfoto auf der Aussichtsplattform. Markus ermahnt uns, die Sohlen der Schuhe vom Schnee zu befreien bevor wir in die Bindung klicken. Welche Rolle der Kopf spielt, zeigt sich schnell: Dirk und Kai kommen mit dem Blick in den Abgrund nicht klar, treten den Rückzug an. Eine starke Entscheidung. Auch die Gruppe hinter uns mit ihrem italienischen Skiführer kehrt wieder um.

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urz vor dem Drop-in wird es auch uns drei Verbliebenen mulmig. Die erste Querung ist keine 100 Meter lang. Jeder von uns weiß: die Passage ist mehr eine Sache der Nerven als eine des Könnens. Im Leben und im Alltag setzt man sich häufig Risiken aus, deren man sich aber mehr oder weniger bewusst ist. Ich suche Vergleiche: Mit 250 Sachen an einer LKW-Kolonne vorbei rasen. Mit 80 km/h auf schmalen Rennradreifen einen Alpenpass hinunter jagen, Bungee Springen – grundsätzlich kein Problem, aber wenn etwas schief geht, sieht es düster aus. Restrisiko steckt in dem, was wir tun. Ich starte als letzter. Plötzlich fühle ich mich völlig wackelig, obwohl der Hang

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keine ausgefeilte Skitechnik verlangt. Sicher drauf stehen, ja, das muss man. Die Valluga Nord hat bei diesen Schneebedingungen keinen Platz für Style. Mein Einstieg vom Grat fühlt sich an wie die letzten Sekunden vor dem Sprung vom 10-Meter-Brett. Der Blick in den Abgrund und das Wissen um die Folgen einer Unachtsamkeit machen schon das schlichte Queren zum Höhepunkt des Tages. Adrenalin schießt ein, ein leichtes Frösteln, beschleunigter Herzschlag. Die ersten Meter lassen keine Schwünge zu. Wegen des abgekratzten, harten Schnees darf man nur seitlich abrutschen. Meine breiten langen Ski erleichtern die Schrägfahrt nicht. Markus hatte gewarnt: „Bloß nicht überdrehen beim Rutschen! Wenn die Skispitzen im Hang fressen, dreht es dich auf und in Liegestützposition hältst du dich nicht mehr.“ Der Nervenkitzel hat aber auch seinen Reiz: Man ist völlig fokussiert auf die nächste Bewegung. Im ganzen Körper dreht es sich nur um den nächsten Schwung, um die Rückmeldung, dass die Stahlkanten greifen. Man spürt intensiv, dass man lebt. Ein Gefühl, das süchtig machen kann. ie knifflige Passage ist in wenigen Minuten gemeistert, eine Querung

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bringt uns aus der „No-Fall-Zone“. Von unten sehen die Felsabbrüche mächtig aus. Durchschnaufen, locker werden, rüber in den nächsten Abschnitt. Bei frischem Powder wäre der folgende Hang ein Traum. Doch wegen der ruppigen Schneeverhältnisse heißt es erneut: sicher drauf stehen, nichts riskieren. Über den nächsten Grat hinweg öffnet sich das gigantische Paziel-Tal. Erst jetzt belohnt uns die Mission Valluga mit weiten Turns ohne Risiko. en Trittalp-Lift erreichen wir um 16.29 Uhr, direkt hinter uns checkt die Pistenkontrolle ein. Wir haben es geschafft! Im Sessellift sinnieren wir über das Erlebte: Klar gibt es viele ähnliche Prüfungen. Die Alpspitze bei Garmisch hat Passagen, in denen man nicht stürzen darf, die Dolomiten-Rinnen ebenfalls – solche hochalpinen Beispiele gibt es zahlreiche. Die Valluga Nord-Abfahrt ist eindeutig nicht die gefährlichste, steilste oder anspruchsvollste Variante in den Alpen. Aber sie ist ein komplettes Erlebnis, eins, an das man in seinem Skifahrerleben einen Haken gemacht haben muss. Wir sind froh, dass wir diesen Haken machen können. Der Engländer vom 24. Dezember 2008 durfte es nicht mehr.

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Beim Einstieg in den Hang heißt es: Sicherheit statt Style. Ein Fehler und man ist weg. Im Hintergrund das Paziel-Tal, das Ziel der Reise.

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Infos Valluga-Nord:

Die Valluga-Nord-Variante führt von St. Anton ins Pazieltal hinunter nach Zürs. Nur in Begleitung eines Bergführers darf man mit Ski in die Valluga II-Gondel steigen. Alternativ klettert man die 160 Höhenmeter über den Grat hinauf zur Aussichtsplattform (anspruchsvoll!). Die Abfahrt geht von etwa 2800 auf 1900 hinab, dann kehrt man mit dem Trittalp-Sessellift ins Skigebiet zurück. Der obere Teil des Hanges ist die Schlüsselstelle bei der man sich keinen Fehler erlauben darf. Unten raus beinhaltet die Variante keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr. Mehr Infos? Google hilft: Youtube-Videos zeigen die Steilheit eindrucksvoll.

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Infos St. Anton:

St. Anton am Arlberg bietet alles: ausgelassenen Après-Ski, aber auch Helikopterservice und Skifahren mit Personenschutz. Prominente zieht es genauso dort hin wie partywütige Skandinavier. Vor über 90 Jahren wurde hier die erste Skischule eröffnet. 280 Kilometer markierte Abfahrten plus 180 Kilometer Varianten im freien Gelände rechtfertigen, dass es am Arlberg etwas teurer ist als anderswo. 1,2 Millionen Übernachtungen zählt das Gebiet pro Saison, sieben Meter Schneefall machen es so beliebt. Überaschend hübsch: die kleine Innenstadt mit jeder Menge moderner Gastronomie.

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Valluga Nord? Abgehakt! We did it!