Informationsfreiheit und Informationsrecht - Jahrbuch 2011

spanne von knapp sechs Jahren ist im Vergleich zu den 245 Jahren, seit ... vorsorge oder bei der Bewirtung von Präsidenten und Bankmanagern durch ... internationale Situation“, 54/2 CILIP 1996, 20; zur frühen Diskussion in Deutschland s.
427KB Größe 8 Downloads 344 Ansichten
Informationsfreiheit und Informationsrecht Jahrbuch 2011

Herausgegeben von Alexander Dix Gregor Franßen Michael Kloepfer Peter Schaar Friedrich Schoch und der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit

Informationsfreiheit und Informationsrecht Jahrbuch 2011

Informationsfreiheit und Informationsrecht Jahrbuch 2011

Herausgegeben von Alexander Dix Gregor Franßen Michael Kloepfer Peter Schaar Friedrich Schoch und der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben vorbehalten. Das Werk wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt, dennoch übernimmt der Verlag keine Haftung für inhaltliche und drucktechnisch bedingte Fehler. ISBN Print: 978-3-869 65-182-8 ISBN E-Book: 978-3-869 65-183-5

© 2012 Lexxion Verlagsgesellschaft mbH · Berlin www.lexxion.de Satz: typossatz GmbH Berlin Umschlag: Annika Langer Foto: Annika Langer

Vorwort

V

Vorwort “Information is the currency of democracy.” – Information ist die Währung der Demokratie. Dieser Ausspruch wird Thomas Jefferson (1743–1826), seines Zeichens dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und einer der wesentlichen Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, zugeschrieben. Damals wie heute gilt, dass Informationen der Stoff sind, aus dem demokratische Steuerungserfolge gemacht sind. Werden in einem Gemeinwesen Informationen verfälscht oder vorenthalten, können demokratische Strukturen bestenfalls suboptimale Steuerungsergebnisse zeitigen. Von daher ist der freie Informationsfluss als vitaler Nährboden für den demokratischen Diskurs schlechthin konstituierend für die Demokratie. Ein den Informationsfluss ermöglichender Informationszugangsanspruch für den Bürger wirkt mithin demokratievitalisierend. Gleichzeitig stellen Informationen vielfach auch eine Währung im wirtschaftlichen Sinne dar und können als staatliches Steuerungsinstrument verhaltenslenkende Wirkung entfalten (so z.B. staatliche Verbraucherinformationen). Die Preisgabe von Informationen beinhaltet aber auch das Risiko der Ausforschung, der Entblößung und der nicht gewollten Kenntlichmachung und kann somit Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen begrenzen bzw. diesen in seiner grundrechtlich verbürgten Freiheit beeinträchtigen. Ein rechtsstaatlich gewährter und geordneter Informationsfluss setzt deshalb Kommunikations- und Informationsfreiheiten einerseits sowie Informationsrestriktionen zum Rechtsgüterschutz andererseits voraus. Informationszugang und komplementäre Restriktion stehen mithin in einem Ergänzungsverhältnis, vielleicht auch in einem Spannungsverhältnis, nicht aber in einem unmittelbaren Gegensatz. Informationsrestriktionen dienen nämlich regelmäßig ebenfalls der Ermöglichung eines Gesamtflusses an Informationen, da nur so das notwendige Vertrauen in den staatlichen Datenschutz hergestellt und die Bereitschaft zur Informationshingabe an diesen gesichert werden kann. Der Gesetzgeber hat dieses wechselseitige Verhältnis auf Grundlage hinreichender Rationalitätsanforderungen sorgsam auszutarieren. In diesem Zusammenhang aktualisieren sich vor allem gesetzgeberische Beobachtungspflichten, die eine Korrektur bisher bestehender Regelungsmodelle durchaus nahelegen können. Aktuell ist die Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) zu erwarten, die u.a. zu einer Verbesserung der Informiertheit der Öffentlichkeit und einer besseren Handhabung des VIG durch die zuständigen Behörden führen soll. Die längst überfällige Evaluierung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes, die

VI

Vorwort

2012 abgeschlossen sein soll, dürfte ebenfalls Änderungsbedarf (so. z. B. beim Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) nahelegen. Eine Harmonisierung der zum Teil doch unterschiedlichen und zum Teil auch widersprüchlichen Regelungsmodelle im Informationsfreiheitsrecht (so z. B. im IFG, UIG und VIG) erscheint angezeigt, will man dem Gedanken der Informationsfreiheit auch tatsächlich zu einer stärkeren Durchsetzung verhelfen, die ihrerseits bürgerfreundlich ausgestaltet ist. Die Erträge rechtsstaatlicher Transparenz durch Einbindung der Bürger sind gerade im Hinblick auf eine stetig zu erneuernde Verankerung demokratischer Prinzipien im Bewusstsein der Bevölkerung von erheblicher Bedeutung. Das Jahrbuch greift auch in diesem Jahr wieder aus wissenschaftlicher und praktischer Perspektive zentrale und überaus aktuelle Fragestellungen der Informationsfreiheit und des Datenschutzes auf, die mittlerweile weite Teile der Rechtsordnung durchdrungen haben. Die Etablierung einer effektiven und rechtsstaatlich umhegten Informationszugangsfreiheit ist weiterhin verbunden mit einer Vielzahl rechtlicher Fragestellungen, denen hier im Rahmen eines Jahrbuchs nachgegangen wird. Prof. em. Dr. Michael Kloepfer

Inhalt

VII

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Peter Schaar und Jürgen Roth

Quo Vadis Informationsfreiheit? Bilanz und Perspektiven des Informationsfreiheitsgesetzes . . .

1

Chris Hoofnagle

Post Privacy’s Paternalism . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Friedrich Schoch

Der Zugang zu amtlichen Dokumenten nach Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Matthias Rossi und Marten Vogt

Transparenz von Vergabeverfahren – Zum Verhältnis zwischen Informationszugangsfreiheit und Vergaberecht . . . . . 61 Thomas Ruppel

Öffentliche Unternehmen als Verpflichtete nach den Informationsfreiheitsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Christoph Schnabel

Der Schutz öffentlicher Belange vor der Informationsfreiheit . . 153 Michael Kloepfer

Informationsfreiheitsgesetz und Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Michael Ronellenfitsch

Verkehrsmobilität und Datenschutz – Grundrechte im Wechselspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Kai von Lewinski

Brauchen wir einen Informationsbeauftragten? . . . . . . . . . . . . . 265

VIII

Inhalt

Volker Igstadt

Die Versagung des teilweisen Informationszugangs wegen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands nach § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Johannes Caspar

Informationsfreiheit als Verfassungsgrundrecht – Analyse und Argumente für ein Grundrecht auf staatliche Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Gernot Schiller und Robert Wolf

Rechtsprechungsübersicht zum UIG und IFG für die Jahre 2010 und 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

Quo Vadis Informationsfreiheit?

1

Peter Schaar und Jürgen Roth*

Quo Vadis Informationsfreiheit? Bilanz und Perspektiven des Informationsfreiheitsgesetzes Inhaltsübersicht I. 1. 2. II.

Das IFG des Bundes: Wir stehen noch immer am Anfang Mehr Transparenz als Voraussetzung für die Demokratie Nutzen die Bürgerinnen und Bürger das IFG? Kernproblem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

III. Open Data: Was der Staat weiß – macht den Bürger (hoffentlich) heiß IV. Änderung des Grundgesetzes und der Informationsfreiheitsgesetze 1. Rahmenbedingungen für eine Reform in Bund und Ländern

2.

3. V. 1. 2. 3.

Änderung des Grundgesetzes: angemessen und für die Praxis erforderlich Eckpunkte für Änderungen des einfachen Bundesrechts Eine neue Praxis braucht nicht nur ein neues Gesetz Neue Kultur der Transparenz in der Finanzverwaltung nötig Bessere Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten Open Data: noch immer ein Fremdwort in vielen Behörden

I. Das IFG des Bundes: Wir stehen noch immer am Anfang 1. Mehr Transparenz als Voraussetzung für die Demokratie Am 1.1.2006 trat das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes in Kraft.1 Die Zeitspanne von knapp sechs Jahren ist im Vergleich zu den 245 Jahren, seit denen

*

Peter Schaar ist Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Jürgen Roth ist Referent beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

1

Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5.9.2005 (BGBl. I. S. 2722).

2

Peter Schaar/Jürgen Roth

das schwedische Gesetz von 1766 in Kraft ist, noch recht kurz.2 Sie ist aber lang genug für eine erste Bilanz und für konkrete Überlegungen zur Optimierung des Gesetzes. Diese Bilanz muss zwei Elemente umfassen. Zum einen ist der „verwaltungspraktische“ und „rechtstechnische“ Umgang mit dem Informationsfreiheitsgesetz zu betrachten. Darüber hinaus ist – zum zweiten – eine Analyse der politischen Rahmenbedingungen geboten, unter denen das IFG Anwendung findet. Ein Transparenzgesetz entfaltet seine Wirkung nur dann, wenn es in Anspruch genommen wird. Diese Inanspruchnahme wiederum hängt auch davon ab, ob ein gesellschaftliches Bedürfnis nach mehr politischer Information besteht. Auf der gesellschaftspolitischen Ebene hat sich in den letzten sechs Jahren vieles verändert. Ob bei der Planung eines Bahnhofs oder der Festlegung von Flugrouten, bei den Verträgen zur Privatisierung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge oder bei der Bewirtung von Präsidenten und Bankmanagern durch die Bundeskanzlerin – das Thema Transparenz steht ganz oben auf der Agenda von Politik, Medien und Öffentlichkeit. Transparenz ist mehr als nur das gesetzliche Recht auf Informationszugang. Transparenz ist eine der Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Demokratie, also gewissermaßen der Treibstoff des demokratischen Prozesses. „Informationen sind der Stoff, aus dem demokratische Steuerungserfolge gemacht sind. Werden in einem Gemeinwesen Informationen verfälscht oder vorenthalten, können demokratische Strukturen bestenfalls suboptimale Steuerungsergebnisse zeitigen. Von daher ist der freie Informationsfluss schlechthin konstituierend für die Demokratie. Die Informationszugangsfreiheit ist Demokratie verstärkend und Demokratie aktivierend.“3 Lebendige Demokratie verlangt, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Aktivitäten des Staates rechtzeitig und umfassend informiert werden und diese Prozesse somit kritisch begleiten können. Das gilt für die Europäische Union genauso wie für den Stadtbezirk. Transparenz ist unverzichtbare Voraussetzung des politisch-rechtlichen Entscheidungsverfahrens und der im Idealfall vorgelagerten Meinungsbildung. Mit2 Redelfs spricht hier zu Recht von einem „wahren Methusalem“. Er verweist auch auf die 45 Jahre des „Freedom of Information Act“ in den USA; Symposium „Perspektiven der Informationsfreiheit“ des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit am 8.6.2011 in Berlin; s. auch: Schaar, „Das Recht auf freien Zugang zu Informationen öffentlicher Stellen. Ein Überblick über die internationale Situation“, 54/2 CILIP 1996, 20; zur frühen Diskussion in Deutschland s. Schaar/Diederichs, „Grundsätzliches zu Aktenauskunft und Akteneinsicht – Mehr Licht!“, 54/2 CILIP 1996, 6. 3

Kloepfer, bei der Vorstellung seines Gutachtens „Informationsfreiheitsgesetz und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ anlässlich des BfDI-Symposiums „Perspektiven der Informationsfreiheit“ am 9.6.2011 in Berlin.

Quo Vadis Informationsfreiheit?

3

unter verläuft der Prozess aber auch verzögert und deshalb schmerzhaft. Das führt dann zu einem in verschiedener Hinsicht kostenträchtigen „nachlaufenden“ Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. Gesellschaftliche Prozesse drängen ab einem bestimmten Punkt alle Beteiligten dazu, im Interesse des Gemeinwohls einen Konsens herbei zu führen und ihr bisheriges Verhalten zu ändern. Die Öffentlichkeit gibt sich längst nicht mehr mit einigen wenigen planungsrechtlichen Beteiligungsformen zufrieden. Teilhabe muss vielmehr schon und gerade bei Infrastrukturprojekten in der Konzeptionsphase beginnen und darf auch nicht weit im Vorfeld ihrer Realisierung enden. Das gilt für Großprojekte ebenso wie für lokale Angelegenheiten. Soll beispielsweise ein Park baulich verändert werden, dürfen Anwohner und Nutzer nicht erst dann davon erfahren, wenn Bagger anrücken und die Vegetation abgeholzt wird. Wichtig ist dabei, dass neben formellen Verfahren, wie sie etwa im Planungsrecht vorgeschrieben sind, die Interessierten (auch in informationeller Weise) eingebunden werden und ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, Vorschläge und Kritik vorzubringen. Verwaltungen und Politik können nicht auf Zustimmung hoffen, wenn sie derartige Maßnahmen ergreifen, ohne zuvor die Bürger angemessen beteiligt und informiert zu haben. In einem solchen Fall werden sie sogar dann Schiffbruch erleiden, wenn die Maßnahme eigentlich vernünftig ist. Die Diskussion über Beteiligung und Transparenz ist längst nicht mehr auf den staatlichen Bereich beschränkt. So diskutierte bereits die Internationale Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten 2004 in Kapstadt über die Erweiterung des allgemeinen Informationszugangsrechts auf private Unternehmen.4 Die Notwendigkeit, wirtschaftliches Handeln von Unternehmen öffentlicher Bewertung zugänglich zu machen, liegt auf der Hand und ist mittlerweile auch Gegenstand erster Konzepte für ein Transparenzmanagement in der Wirtschaft geworden.5 Gerade mittelständische Unternehmen, die nicht den Transparenzvorschriften beispielsweise von Aktiengesellschaften unterliegen, neigen dazu, Informationen über Gewinne und Verluste sowie über die weitere Entwicklung ihrer Unternehmen für sich zu behalten. Handelsunternehmen müssen aber bei Missachtung des öffentlichen Informationswunschs mit empfindlichen Umsatzeinbußen rechnen, wenn sie in der Öffentlichkeit das Bild intransparenter Geschäftsmethoden vermitteln. 4 Das südafrikanische Informationsfreiheitsrecht (des südafrikanischen Gesetzes („Promotion of Access to Information Act 2 of 2000“)) enthält einen entsprechenden Zugangsanspruch auch gegenüber privaten Stellen, vgl. Wessels in: LDA Brandenburg, Dokumente zu Datenschutz und Informationsfreiheit 2004, S. 96. 5

Meyer, Transparenzmanagement, Grundgedanken, Konzept und betriebliche Umsetzung, 2010.

4

Peter Schaar/Jürgen Roth

Die Notwendigkeit neuer und verbindlicher Transparenzregeln besteht besonders bei Unternehmen, deren internationale Stellung so mächtig ist, dass ihr Scheitern am Markt sogar Staaten und Währungen tiefgreifend erschüttern können („too big to fail“). Die seit Jahren schwelende Bankenkrise zeigt, wohin fehlende Transparenz führt. Was für die „systemrelevanten“ Banken gilt, lässt sich auch auf Konzerne wie Facebook, Google oder Microsoft übertragen. Unkontrollierte Macht verführt nicht allein Staaten zum Missbrauch, dem nur durch konsequente Kontrolle und umfassende Transparenz begegnet werden kann. Ein großes öffentliches Informationsbedürfnis besteht auch im Bereich der Lebensmittelkontrolle. Nach § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs soll die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen wie Verdacht auf Gesundheitsgefährdung oder bei ekelerregenden Lebensmitteln von sich aus Kontrollergebnisse öffentlich machen. Das Verbraucherinformationsgesetz eröffnet seit dem 1.5.2008 die Möglichkeit, die Ergebnisse der Kontrollen durch die Behörden abzufragen.6 Wie groß das öffentliche Interesse an derartigen Informationen ist, wird etwa durch die Tatsache belegt, dass das jüngst in Betrieb genommene Internet-Portal nach dessen Einführung durch die Bundesverbraucherschutzministerin und die Verbraucherzentralen dem Ansturm der Anfragen über Stunden nicht gewachsen war. Kurz nach der Freischaltung brach das System bereits zusammen. Der Server konnte den Ansturm von 20.000 Zugriffen pro Sekunde nicht bewältigen.7 Das Recht auf Informationszugang ist weder Selbstzweck, noch dient es dazu, Verwaltungen in ihrer Tätigkeit zu behindern. Es geht, wie Rossi es prägnant zusammengefasst hat, nicht allein um eine Kontroll- und Partizipationsfunktion. Vielmehr kann der Informationsanspruch auch dazu beitragen, die Verwaltungsinformationen besser zu nutzen sowie die Effektivität des Informationsmanagements der Administration zu steigern.8 Diese Einschätzung kann aus der Erfahrung der Informationsfreiheitsbeauftragten durchaus bestätigt werden. Informationsfreiheit bedeutet mehr als Kontrolle durch Herstellung von Öffentlichkeit. Informationsfreiheit bedeutet immer auch ein Stück Reform des Verwaltungshandelns selbst. Transparenz nach außen verringert Distanz und Misstrauen in die tägliche Arbeit der Behörden, weil Akten- und andere Informationsbestände systematisch geordnet und erschließbar 6

Das Verbraucherinformationsgesetz vom 5.11.2007 (BGBl. I S. 2558) ist am 10.11.2007 in Kraft getreten. Die §§ 1 bis 5 traten erst am 1.5.2008 in Kraft; die Novelle des VIG befindet sich gegenwärtig in den parlamentarischen Beratungen.

7 Abrufbar unter . 8

Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 325 These 2.

Quo Vadis Informationsfreiheit?

5

gemacht werden müssen. Eine Verwaltung, die sich nicht in die Karten schauen lässt, ist ohne Transparenz ihres Handelns schutzlos dem Vorwurf des Falschspiels ausgesetzt. Wo öffentliche Stellen hingegen nicht bereit sind, zu kommunizieren und die Menschen einzubinden, gedeihen Misstrauen und Zweifel an der Seriosität und der Kompetenz von Politik und Verwaltung. Das Anwachsen dieser Distanz bis hin zur offenen Verachtung kann sogar zu einer Gefährdung der Stabilität der demokratischen Verfassungsordnung werden.

2. Nutzen die Bürgerinnen und Bürger das IFG? Mit Blick auf den erheblich gewachsenen gesellschaftlichen Transparenz- und Teilhabeanspruch und die praktische Inanspruchnahme des Informationszugangs fällt ein eigenartiger Widerspruch auf: Während die Öffentlichkeit immer unzufriedener auf die Lücken bei der Herausgabe von Informationen und die zögerliche Bearbeitung der Anträge reagiert, werden zugleich die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten, in Deutschland Informationen von öffentlichen Stellen zu bekommen, eher zurückhaltend genutzt. Im Vergleich zu anderen Ländern wie Großbritannien oder den USA ist die Zahl der Anfragen in Deutschland noch immer überschaubar. Vom Inkrafttreten des IFG am 1.1.2006 bis Juni 2011 wurden lediglich rund 8600 IFG-Anträge gestellt.9 Dagegen wurden in den USA allein im Jahr 2005 nicht weniger als 2,6 Millionen Anträge gestellt.10 Selbst bei Abzug der 1,9 Millionen Informationsbegehren beim Veteran Affairs Office, die für die Berechnung bestimmter Rentenansprüche nötig sind (ein Informationszugang, der in Deutschland durch den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch abgedeckt wird), bleiben 700.000 echte Anträge auf Informationszugang in den USA übrig. Redelfs hat hier errechnet, dass die Bereitschaft, vom Informationsrecht Gebrauch zu machen, in den USA um den Faktor 84 höher ist als in Deutschland.11 Angesichts dieser Zahlenvergleiche hat sich die Besorgnis deutscher Behörden hinsichtlich einer Überflutung durch Informationsanträge als unbegründet herausgestellt.

9

Schaar, „Fünf Jahre IFG: Es bleibt noch viel zu tun!“, Vortrag beim Symposium „Perspektiven der Informationsfreiheit“ in Berlin am 8./9.6.2011, abrufbar unter .

10

Redelfs, „Transparenz nur für Hartnäckige?“, abrufbar unter .

11 Redelfs, ebd.

6

Peter Schaar/Jürgen Roth

Noch immer wissen viele Bürgerinnen und Bürger nicht, dass sie auch dann einen Anspruch auf Zugang zu Verwaltungsunterlagen haben, wenn ihre persönliche Betroffenheit nicht gegeben ist. Dieses Informationsdefizit führt dazu, dass sich die Zahl der Anträge nach einem anfänglichen, kurzen „Hoch“ im Jahre 2006 nur sehr langsam nach oben entwickelt hat. Nach einem Einbruch der Zahlen im Jahre 2007 mit 1265 Anträgen wurde dann 2010 mit 1557 Anträgen das zweithöchste Ergebnis nach 2006 erreicht. Die Entwicklung des Antragsaufkommens im laufenden Jahr 2011 deutet darauf hin, dass sich diese langsam steigende Tendenz fortsetzen wird. Immerhin zeigt nicht zuletzt der lebhafte Zuspruch der Plattform „fragdenstaat. de“, dass es auch in Deutschland ein lebhaftes Bedürfnis nach konkreter und valider Information gibt.

II. Kernproblem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Das größte Hindernis für mehr Transparenz von Behördeninformationen ist die Informationsverweigerung unter Berufung auf tatsächliche oder vermutete Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter. Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.12 Das Gericht bekräftigt dabei seine frühere Rechtsprechung, wonach alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge geschützt sind, die nicht offenkundig sind, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind. Der Rechtsträger muss darüber hinaus ein berechtigtes (Konkurrenzschutz-)Interesse an der Nichtverbreitung der Information haben.13 Vielfach unterstellen allerdings Behörden formelhaft ein vermeintliches Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis nach § 6 Satz 2 IFG. Jede Behauptung einer Nachteilswirkung im Wettbewerb wird gerne aufgegriffen, um einen unliebsamen Informationsantrag ablehnen zu können. In seinem für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit angefertigten Gutachten schlägt Prof. Dr. Kloepfer die Einfügung einer Abwägungsklausel in § 6 Satz 2 IFG vor. So könnte der im IFG de lege lata als absolut formulierte Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mit dem

12 BVerfG, 1 BvR 2087/03 vom 14.3.2006, Rn. 81. 13

BVerfG, ebd., Rn. 87.