Herausforderungen für die Versorgungssicherheit

Die Erholung der internationalen Aktien- und Finanzmärkte wirkte sich positiv auf die ... Unter den heute geltenden Regeln und vor allem deren Auslegung sind ...
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Es gilt das gesprochene Wort

Herausforderungen für die Versorgungssicherheit

Referat von Kurt Rohrbach, Vorsitzender der Unternehmensleitung BKW FMB Energie AG, anlässlich der Generalversammlung vom 16. April 2010 in Bern

Sehr geehrte Damen und Herren

Einleitung Gerne erläutere ich Ihnen einige Punkte zu den Resultaten des Geschäftsjahres 2009. Anschliessend gestatte ich mir, auch einen Blick auf einige Aspekte der Versorgung zu werfen, welche uns im letzten Geschäftsjahr besonders beschäftigt haben und unsere Aufmerksamkeit zum grossen Teil wohl auch in Zukunft brauchen werden. Zuerst zu den Resultaten, und zwar zur Elektrizitätswirtschaft Ganz generell freue ich mich, dass wir Ihnen, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, trotz wirtschaftlich schwieriger Rahmenbedingungen ein positives Resultat vorstellen dürfen, und ich gebe gerne zu, dass ich dies nicht ganz ohne Stolz auf die Leistungen unserer Kader und unserer Mitarbeitenden tue.

Die BKW hat im Jahr 2009 über 10 Terawattstunden elektrische Energie produziert. Das sind rund 2.2% mehr als 2008. Im Wesentlichen kommt diese Zunahme aus dem neuen Gaskombikraftwerk im italienischen Livorno Ferraris. In der Schweiz realisierte das Kernraftwerk Mühleberg die höchste je erzielte Jahresstromproduktion seit seiner Inbetrie bnahme. Auch die Produktion der Schweizer Wasserkraftwerke hat 2009 um 1.0% zugenommen. Der Beitrag der neuen erneuerbaren Energien in der Schweiz betrug 21 GWh, was einer Abnahme von rund 12% entspricht. Die gesamte Erzeugung aus neuen erneuerbaren Energien, welche die BKW-Gruppe selbst bewirtschaftet, d.h. inklusive Anlagen im Aus-

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land, stieg jedoch auf 39 GWh. Nicht eingerechnet in diese Zahl ist die Produktion in den Anlagen, welche die BKW nicht direkt bewirtschaftet, also Minderheitsbeteiligungen sind, deren Menge mit 55 GWh das Vorjahr deutlich übertraf. Die Gesamtnachfrage im traditionellen Versorgungsgebiet der BKW hat 2009 um knapp 6% abgenommen. Dies mag angesichts eines gesamtschweizerischen Rückgangs in der Grössenordnung von 2% hoch erscheinen, er ist jedoch stark durch die Schliessung e ines Grossbetriebs im solothurnischen Versorgungsgebiet beeinflusst. Ohne diesen E ffekt bewegt sich der Rückgang im Rahmen der übrigen Schweiz Er ist natürlich eine Folge der angespannten wirtschaftlichen Situation. Ausserhalb des angestammten Versorgungsgebiets konnte die BKW Marktanteile gewinnen, so dass sie in Summe 1.2% mehr im Schweizer Markt absetzte als im Vorjahr. Der konsequente Ausbau der Vertriebsaktivitäten trug also Früchte. Auf den internationalen Strommärkten wurden 2009 generell massive Nachfragerückgänge verzeichnet. In diesem schwierigen Umfeld konnte die BKW ihre direkte Absatzmenge in Deutschland und Italien trotzdem um 10.9% auf 5‘768 GWh steigern. Die Handelsabgabe konnte 2009 auf 12‘638 GWh resp. um 6.4% erhöht werden. Der damit erzielte Umsatz stieg um 7.9% auf 1‘457 Mio. CHF. Welches Ergebnis resultierte aus diesen Aktivitäten, meine Damen und Herren?

Die BKW-Gruppe erhöhte 2009 die konsolidierte Gesamtleistung auf 3‘592.6 Mio. CHF. Dies entspricht einer Zunahme um fast 3%. Die BKW misst ihre Leistung primär am Betriebsergebnis vor Abschreibungen und Wertminderungen, also am EBITDA. Dieser konnte im Vergleich zum letzten Jahr um 6.4% auf 501.6 Mio. CHF verbessert werden. Diese Verbesserung 2009 rührt im Wesentlichen aus dem starken Energiegeschäft aber auch aus einer Veränderung des Guthabens aus Vorsorgeplänen. Die Erholung der internationalen Aktien- und Finanzmärkte wirkte sich positiv auf die staatlichen Fonds für Stilllegung und Entsorgung aus, was letztlich zu einem erheb lich

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besseren Finanzergebnis als im Vorjahr führte. Der gute Geschäftsgang wurde somit – anders als im Vorjahr – nicht durch ein negatives Finanzergebnis belastet. Die BKW konnte den Reingewinn um 115.2% auf 298.5 Mio. CHF steigern.

Als Resultat der Geschäftstätigkeit im letzten Jahr ist die Bilanzsumme mit einem Total von 6’519.0 Mio. CHF im Jahr 2009 um 8.8% gewachsen. Der Cashflow aus betrieblicher Tätigkeit lag mit 602.7 Mio. CHF um 360.2 Mio. CHF über dem Vergleichswert des Vorjahres. Diese Zunahme ist hauptsächlich mit der Abnahme des Nettoumlaufvermögens und mit tieferen bezahlten Steuern zu erklären. Der Mittelabfluss aus Inv estitionstätigkeit stieg um 5.8% auf 596.1 Mio. CHF. Soviel zu den Zahlen, meine Damen und Herren. Auf Trab gehalten hat uns natürlich auch im Berichtsjahr die Strommarktöffnung, in deren Zusammenhang weniger der Markt und die Öffnung als die damit verbu ndene Regulierung das Thema war. Das ist nicht überraschend. Für einen Markt, der diesen Namen verdient, der die richtigen Preissignale setzt, der transparent und diskriminierungsfrei ist, sind klare Spielregeln eine Voraussetzung. Klare Spielregeln müssen aber auch den richtigen Rahmen setzen, damit die Versorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleistet werden kann.

Unter den heute geltenden Regeln und vor allem deren Auslegung sind Investitionsen tscheide meist nicht allein mit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen zu begründen, sondern auch mit einer Portion unerschütterlichen Zukunftsglaubens. Ich mache mir grösste Sorgen um die Substanzerhaltung im Netz, und ich hoffe nicht, dass wir in einigen Jahren vor der gleichen schmerzlichen Erkenntnis stehen, wie sie kürzlich im Zusammenhang mit dem Nachholbedarf bei der Bahn-Infrastruktur beklagt wurde. Wenn es gar darum geht, der steigenden Stromnachfrage gerecht zu werden, sind solche Rahmenbedingungen und Signale schlechte Voraussetzungen, meine Damen und Herren. Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung braucht es auch in Zukunft genügend inländische Produktions- und Netzkapazitäten. Weil wir nicht glauben, dass die zur Zeit angewandte Praxis des Regulators es erlaubt, die Substanz unserer Infrastruktur zu erhalten, und weil aus unserer Sicht einige En t-

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scheide im Bereich der Netze im Widerspruch zu den geltenden geset zlichen Rahmenbedingungen stehen, hat die BKW 2009 gegen diese Verfügungen den Rechtsweg b eschritten, in erster Linie, um eine rechtliche Klärung zu erwirken. Uns geht es darum, dass längerfristig die nötigen Mittel für Investitionen ins Netz vorhanden sind, und dass die Versorgungssicherheit nicht aufs Spiel gesetzt wird. Konsequenterweise wird die BKW auch weitere Verfügungen anfechten, welche aus unserer Sicht die Versorgungssicherheit gefährden. Investitionen in die zukünftige Versorgungssicherheit Die BKW setzt mit ihrer Strategie auf die Säulen Energieeffizienz, neue erneuerbare Energien im In- und Ausland sowie Grosskraftwerke. Damit verlässt sie sich auf einen breiten, möglichst krisenresistenten Produktionsmix. Langfristig streben wir eine CO2freie Produktion an. 

Grosskraftwerke

Ob wir dieses Ziel erreichen, hängt für die BKW in hohem Mass vom geplanten Ersatz Kernkraftwerk Mühleberg ab. Die gemeinsame Planungsgesellschaft der BKW und der Axpo, die Resun AG, kann sich nach der Überarbeitung der Rahmenbewilligungsgesuche nun der Vorbereitung des Baubewilligungsgesuches widmen. Die BKW sucht bei den Planungsarbeiten frühzeitig den Kontakt und die Zusammenarbeit mit de n Behörden und der Bevölkerung in Mühleberg und den umliegenden Gemeinden. So konnte beispielsweise gemeinsam eine für die meisten Parteien annehmbare Lösung zur Anbi ndung der geplanten Baustelle durch einen Tunnel gefunden werden, und eine konstruktive, lösungsorientierte Diskussion ist nach wie vor im Gang. 

Neue erneuerbare Energien

Die BKW will ihre führende Position als Anbieterin von Ökostrom in der Schweiz weiter halten und ausbauen. Sie hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, bis 2030 rund 1.5 TWh Strom aus neuen erneuerbaren Energiequellen zu produzieren. Der Verwaltungsratspräsident hat Ihnen vorhin zahlreiche Aktivitäten vorgestellt. Ich verhehle nicht, dass sich bei all den Projekten in der Schweiz mehr und mehr Wide rstand regt, und dass diese zunehmend auf unterschiedliche Bedürfnisse von Lan dschafts- und Heimatschutz, Fischerei- oder Umweltverbänden treffen. Die BKW ist bestrebt, Direktbetroffene und Interessensgruppen früh in ihre Pläne mit einzubeziehen. Das Dilemma einiger Organisationen, die sich zwar für die Förderung stark machen, auf

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der anderen Seite aber zu konkreten Projekten nicht ja sagen wollen, können wir allerdings nicht für sie lösen. In Deutschland ist die BKW daran, zusammen mit Partnern mehrere Windparks mit einer installierten Gesamtleistung von 200 MW zu realisieren. Gemeinsam mit Fortore Energia S.p.A. plant sie in Süditalien bis 2016 Windparks mit einer Gesamtleistung von rund 600 MW zu errichten und zu betreiben. Diese Aktivitäten dürften der BKW im Jahr 2010 einen Zuwachs von über 100 GWh Windenergie bringen. 

Energieeffizienz

Neben den neuen erneuerbaren Energien sowie den Grosskraftwerken abgabeseitig, gehört bedarfsseitig die Energieeffizienz zu den tragenden Säulen der BKW -Strategie. Im Energieeffizienz-Kompetenzzentrum der BKW arbeiten heute rund ein Dutzend Mitarbeitende. 2009 wurden im Privatkundenbereich über 600 Energieberatungen in den Bereichen Komfortwärme und Gebäudehülle, Haushaltgeräte, Beleuchtung sowie Mobilität durchgeführt. Im Geschäftskundensegment haben gegen 100 Unternehmen eine umfassende Energieberatung in Anspruch genommen. Insgesamt werden durch die Aktivitäten der BKW im Bereich der Energieeffizienz jährlich rund 7.4 Mio. kWh Strom eingespart. Dies entspricht beinahe der gesamten Jahrespr oduktion des Windparks auf dem Mont-Crosin.

Die BKW ist sich ihrer Geschichte und der Verdienste der Gründergeneration sehr bewusst. Nicht im Scheinwerferlicht, aber durchaus unter Beachtung einer interessierten Öffentlichkeit konnte die BKW zusammen mit der polnischen Botschaft am 27. November eine Büste von Gabriel Narutowicz feierlich enthüllen. Gabriel Narutowicz war der Visionär und oberste Bauleiter des Wasserkraftwerks Mühleberg. Visionäre waren überall bei solchen Anlagen am Werk. Das Spezielle an Gabriel Narutowicz ist, dass er sp äter Staatspräsident Polens war. Das ist doch eher aussergewöhnlich. Nach diesem Ausflug in die Geschichte, meine Damen und Herren, zurück zur Gegenwart bzw. der näheren Zukunft – mit dem Ausblick Die BKW-Gruppe rechnet für das laufende Geschäftsjahr mit einer stabilen En twicklung des Energiegeschäfts und einem Umsatz im Rahmen des Vorjahres. Allerdings dürften die weiterhin tiefen Energiepreise auf den internationalen Märkten, die unsichere Ko n-

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junkturentwicklung, die neuen regulatorischen Vorgaben sowie die Aufwendungen für strategische Projekte – insbesondere des Produktionsausbaus – das operative Ergebnis belasten. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren dürfte der EBITDA des vergang enen Geschäftsjahres, bereinigt um den Sondereffekt für die ergebniswirksamen Anpa ssungen des Guthabens aus Vorsorgeplänen, kaum mehr erreicht werden. Das Finanzergebnis ist abhängig von der Entwicklung der Finanzmärkte. Unter der Annahme, dass die Erholung abgeschlossen ist und sich die Finanzmärkte stabil verhalten, muss mit e inem tieferen Reingewinn als im Vorjahr gerechnet werden. Dank

Sie sehen, geschätzte Damen und Herren, die BKW ist weiterhin auf dem Weg, ihre Strategie für eine sichere, umweltschonende, aber auch wirtschaftliche Energieversorgung umzusetzen, auch wenn dieser Weg zahlreiche Herausforderungen in sich birgt. Die Fähigkeit unseres Unternehmens, auf diese Herausforderungen reagieren zu können, setzt von unseren Mitarbeitenden grosses Engagement und Flexibilität voraus. Es sind Mitarbeitende gefragt, deren Qualifikation über das reine Fachwissen hinaus u nternehmerisches Denken, Veränderungsbereitschaft und Lernwille umfasst.

Wir sind uns des grossen persönlichen Engagements unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst. Wir danken ihnen allen herzlich für Ihre Einsatz- und Leistungsbereitschaft im vergangenen Jahr. Bedanken möchte ich mich auch bei unseren Kundinnen und Kunden, sowie bei unseren Vertriebs- und Geschäftspartnern, für die gute Zusammenarbeit im letzten Geschäft sjahr. Und schliesslich gebührt Ihnen, verehrte Aktionärinnen und Aktionäre, ein grosser Dank für das Vertrauen, das sie auch im letzten Jahr in unsere Arbeit und in die BKW gesetzt haben. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, dass ich im Namen der Unternehmensle itung unserem Präsidenten auch an dieser Stelle für die sec hzehn Jahre sehr intensiver und vertrauensvoller Zusammenarbeit herzlich danke. Es ist mir ein Bedürfnis, diese Wertschätzung und Dankbarkeit auch vor Ihnen, geschätzte Aktionärinnen und Aktionäre auszudrücken.