Gesundheit und soziale Schicht: Österreichs Gesundheitswesen als ...

da neben Fehlernährung, Bewegungsmangel bzw. einseitige Belastung des. Bewegungsapparates auch eine bewusste Schädigung der Gesundheit durch.
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Leonhard Heinzl

Gesundheit und soziale Schicht Österreichs Gesundheitswesen als Problemfall

disserta Verlag

Leonhard Heinzl Gesundheit und soziale Schicht: Österreichs Gesundheitswesen als Problemfall ISBN: 978-3-95425-019-6 Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015

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Executive Summary Menschen achten oftmals nicht nachhaltig und behutsam auf ihre Gesundheit, da neben Fehlernährung, Bewegungsmangel bzw. einseitige Belastung des Bewegungsapparates auch eine bewusste Schädigung der Gesundheit durch den Konsum von legalen bzw. illegalen Substanzen in Kauf genommen wird. Jedoch wird von jedem Individuum erwartet, dass im Anlassfall alle erdenklichen Maßnahmen für die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der eigenen Gesundheit unternommen werden, gleich wie viele Kosten dadurch entstehen. Auf der einen Seite sind wir in Österreich in der glücklichen Lage, dass jeder Mensch, unabhängig von Geschlecht, Religion, sozialem Status usw. im Akut fall die gleichen medizinischen Leistungen in Anspruch nehmen kann. Auf der anderen Seite wird von den PatientInnen in Österreich das Gesundheitssystem, glaubt man den Zahlen der OECD, übermäßig viel in Anspruch genommen. Hier ist vor allem auf die überproportional hohe Anzahl an diagnostischen Untersuchungen zu verweisen, welche, speziell in Oberösterreich, verglichen mit internationalen Daten, an der Spitze liegen. Genau hier beginnen die Kosten multiplikativ zu steigen, da der „Moral Hazard“ durch die PatientInnen aber auch durch die Ärztinnen und Ärzte bzw. Krankenhausträger zu tragen kommt, da die PatientInnen kein Interesse daran haben im Anlassfall an die verursachten Kosten zu denken und auch die Träger haben großes Interesse daran, dass die, für Diagnostik zur Verfügung gestellten Geräte und Instrumentarien eingesetzt werden, da mit einer höheren Anzahl an Untersuchungen die Skalenerträge des jeweiligen medizinischen Gerätes steigen, indem die durchschnittlichen Kosten pro Untersuchung sinken, jedoch die Vergütung pro Untersuchung immerwährend gleich bleibt. In diesem Buch wird eine der größten Studien weltweit vorgestellt, welche die PatientInnen im Anlassfall befragt, wodurch versucht wird, einen etwaigen Zusammenhang von sozialer Herkunft, mit der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und der Notwendigkeit eines Aufsuchens einer Akutambulanz in einem Krankenhaus aufzeigt und in Verbindung setzt. Schlussendlich sollen zwei Möglichkeiten aufgezeigt werden, die zu einer etwaigen Kostendämpfung bei gleichbleibend guter Gesundheitsversorgung beitragen könnten. Meiner

Meinung nach wird Selbstverantwortung das „Zauberwort“ sein, welches im Gesundheitswesen in den nächsten Jahren Einzug halten muss.

Executive Summary People often don´t pay sustainable and cautious attention to their health, because of harming their health not only through malnutrition, lack of exercise or rather partial impacts on the musculoskeletal system, also through a conscious harm of their health with consumption of legal or illegal substances. However in the incident of illness or trauma it is expected from every individual that every imaginable action is done for maintenance and rehabilitation of their health, no matter of financial aspects. On the one hand Austrian population is in the lucky situation, that every person, no matter what gender, religion, social status etc. is given the same medical treatment in case of an emergency. On the other hand the health care system is used by the Austrian patient’s excessively, if you believe the statistics of the OECD. We should spot the disproportionally high numbers of diagnostically examinations, especially in Upper Austria, where they gain the top compared to international datas. Here the costs rise multiplicative, because the "moral hazard" of the patients, but even of the physicians and the hospital operator has an effect. With any incident the patient has no interest of thinking about the caused costs and even the institution has a high interest, that provided facilities and instruments are being used, because with a higher number of examinations the returns to scale of the respective medical equipment rise, as the average costs per examination decline, though the financial compensation per medical examination remains constant. This worksheet presents the worldwide biggest study, which interviews patients in the incident of usage of the health care system. There is the attempt of spotting a correlation of social background and usage of health care benefits and the necessity to frequent an in-hospital Emergency department and to link that together. Finally two options are pointed out, which could reduce costs together with unchanging high quality of health care. In my opinion the personal responsibility will be the "magic word", which must find the way into the health care system throughout the next years.

Inhaltsverzeichnis 1

Ausgangssituation und Problemstellung ............................................. 13

2

Ziel dieser Studie .................................................................................... 17

3

Theorie ..................................................................................................... 23 3.1

Wohlfahrtsstaatliche Theorie – Expansion oder Rückbau ................... 24

3.2

Gesundheitsökonomische Theorie ...................................................... 26

3.2.1

Effizienz und gerechte Verteilung ................................................. 28

3.2.2

Gesundheitsgüter und allokatives Versagen ................................ 31

3.2.2.1

Externe Effekte und der Kollektivcharakter von Gesundheitsgütern ................................................................. 32

3.2.2.2

Optionalgut medizinische Leistung ......................................... 34

3.2.2.3

Konsumentensouveränität...................................................... 35

3.2.2.4

Asymmetrisches Gesundheitswissen ..................................... 35

3.2.2.5

Steigende Skalenerträge ........................................................ 37

3.2.3

4

3.2.3.1

Krankenversicherungsmarkt und asymmetrische Information 38

3.2.3.2

Trittbrettfahrer......................................................................... 40

Methodik .................................................................................................. 43 4.1

Der Fragebogen .................................................................................. 44

4.1.1

4.2 5

Allokatives Marktversagen im Krankenversicherungsmarkt.......... 38

Struktur des Fragebogens ............................................................ 45

4.1.1.1

Fragebogen Patient/Patientin ................................................. 45

4.1.1.2

Fragebogen Mediziner/Medizinerin ........................................ 46

Aufbau des Fragebogens .................................................................... 46

Sozial- und Wohlfahrtsstaat ................................................................... 59 5.1

Die Entwicklung des österreichischen Sozialsystems ......................... 61

5.2

Sozialstaat und Verfassung................................................................. 65

5.3

Herausforderungen der Sozialstaaten................................................. 67

5.3.1

Globalisierung und Wohlfahrtsstaat .............................................. 68

5.3.2

Modernisierung des Sozialstaats .................................................. 71

5.3.2.1

Vom Wohlfahrtsstaat zum Wettbewerbsstaat?....................... 72

5.3.2.2

Deregulierung und Wohlfahrtsstaatenwandel im Schatten der Hierarchie ............................................................................... 74

5.3.2.3 5.4

Kriterien für sozial- und wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen ............... 77

5.5

Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus ....................................... 81

5.5.1

Der konservative Sozialstaat ........................................................ 84

5.5.2

Der liberale Wohlfahrtsstaat ......................................................... 85

5.5.3

Der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat..................................... 87

5.6 6

7

8

9

Betrachtungsweisen des Neoliberalismus in Österreich......... 76

Kritik am Wohlfahrtsstaat: Soziologie vs. Ökonomie ........................... 88

Bedeutung von Arbeit............................................................................. 91 6.1

Arbeit und Gesundheit......................................................................... 92

6.2

Gegenwärtige Entwicklung der Arbeitswelt ......................................... 93

6.3

Demographische Entwicklung ............................................................. 94

Soziale Ungleichheit und Gesundheit ................................................... 97 7.1

Arbeitslosigkeit und Gesundheit ........................................................ 104

7.2

Präventionshypothese vs. Deprivationshypothese ............................ 109

Historischer Hintergrund der Sozialversicherung ............................. 111 8.1

Die Versicherten................................................................................ 115

8.2

Leistungs- und Aufgabenumfang der Sozialversicherung ................. 116

8.3

Organisation der Sozialversicherung................................................. 117

Struktur des Gesundheitswesens in Österreich ................................ 123 9.1

Länder und Gemeinden..................................................................... 124

9.2

Finanzierung ..................................................................................... 126

9.3

Sozialversicherung vs. Zusatzkrankenversicherung.......................... 127

9.3.1

Die Versicherungsprämie in der Zusatzkrankenversicherung..... 128

9.3.2

Das Risiko .................................................................................. 129

9.3.3

Steuerliche Absetzbarkeit ........................................................... 130

9.4

Zusatzkrankenversicherung in Österreich ......................................... 131

10 Inanspruchnahme der Gesundheitsleistungen .................................. 133 10.1

Inanspruchnahme der Gesundheitsleistung im extramuralen Bereich . ....................................................................................................... 135

10.2

Inanspruchnahme der Gesundheitsleistung im intramuralen Bereich .. ....................................................................................................... 140

10.3

Inanspruchnahme der Gesundheitsleistung und Alter ................... 144

10.4

Inanspruchnahme der Gesundheitsleistungen und Arbeitslosigkeit146

10.5

Gesundheitszustand und Migration................................................ 147

10.6

Lösungsansatz Gesundheitszentren.............................................. 148

11 Fazit und Ausblick ................................................................................ 153 12 Verzeichnisse ........................................................................................ 161 12.1

Literaturverzeichnis........................................................................ 161

12.2

Abkürzungsverzeichnis .................................................................. 169

12.3

Abbildungsverzeichnis ................................................................... 170

12.4

Tabellenverzeichnis ....................................................................... 171

1 Ausgangssituation und Problemstellung Gesundheit ist das größte Gut der Menschheit, denn ohne Gesundheit relativiert sich vieles. Österreich investiert viel Geld dafür, dass den Menschen in unserem Land eine bestmögliche Gesundheitsversorgung zukommt. Betrachtet man den Anstieg der Gesundheitsausgaben gemessen am BIP, zeigt sich, dass die Finanzierung einer Spitzenmedizin, welche für alle Österreicherinnen und Österreicher gleichermaßen zugänglich ist, in den nächsten Jahren in

Be-

drängnis kommen wird, sollte in die derzeitige Entwicklung nicht regulierend eingegriffen werden. Genau hier ist meine Motivation für diese Studie zu finden, da ich der Meinung bin, dass im Gesundheitswesen, welches sehr komplex und wo alle Akteurinnen sehr sensibel auf Veränderungen reagieren, keine einseitigen Änderungen vorgenommen werden sollen. Mit den in dieser Untersuchung vorgestellten Interventionsmöglichkeiten wird eine breite Veränderung im Gesundheitswesen angestrebt, welche vor allem bei einer Verhaltensänderung aller, im Gesundheitswesen Beteiligten ansetzt. Das Kernstück der Studie stellt eine quantitative Befragung von PatientInnen und ÄrztInnen dar, wodurch eine etwaige unterschiedliche Inanspruchnahme bzw. Nachfragen von medizinischen Gesundheitsleistungen aufgrund sozialer Herkunft erforscht werden soll. Dazu wird im Kapitel 10 noch genauer eingegangen. Betrachtet man die gestiegenen Gesundheitskosten, wird ersichtlich, dass es sich vorwiegend um einen Anstieg der angebotenen medizinischen Leistungen und nicht um einen gravierenden Anstieg der

Kosten pro Behandlungsfall

handelt, da, speziell in den vergangenen Jahren, Untersuchungsmethoden und Medikamente entwickelt wurden, welche hohe Kosten verursachen und sich schnell als so genannter „Standard“ entwickelten. Hier seien zum einen die Magnetresonanztomographie (MRI), die Positronen Emissions Tomography (PET) und die Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) Untersuchungen zu erwähnen, welche in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen sind. Vergleicht man z.B. die Anzahl an Magnetresonanztomographie (MRI) Untersuchungen, welche in Österreich durchgeführt werden, mit

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jenen im europäischen Schnitt, zeigt sich, dass in Österreich um über 30% mehr von diesen teuren Untersuchungen durchgeführt werden. Jedoch kommen ÄrztInnen auch immer mehr unter Druck, da die Erwartungshaltung der PatientInnen sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert hat. Nicht nur, dass sich PatientInnen Mehrfachgutachten einholen, welche hohe Kosten verursachen, werden Forderungen an ÄrztInnen bezüglich Untersuchungen herangetragen. Diese Mehrkosten aufgrund dieser Mehrfachgutachten sind den erhöhten Nutzen der betroffenen PatientInnen gegenüberzustellen. Eine Zweitmeinung bringt nicht nur mehr Sicherheit bzw. Vertrauen, sondern kann auch neue Aspekte der Behandlungsmöglichkeiten eröffnen. Ein weiteres Problem, welches unser Gesundheitssystem belastet, sind ungewollte Mehrfachuntersuchungen. Da es bis heute noch nicht möglich war – vor allem aufgrund unterschiedlicher Einwände von Datenschützern, aber auch von Seiten der Ärztekammer – eine zentrale Patientendatenbank zu installieren, werden vielfach Untersuchungen, welche nicht nur das Gesundheitsbudget, sondern unter Umständen auch die Gesundheit der betroffenen PatientInnen zusätzlich belasten, durchgeführt. Hier seien unter anderem die radiologischen, aber auch die laboratorischen Untersuchungen zu erwähnen. Bei einigen PatientInnen entsteht aufgrund dieser wiederholten Diagnostik ein Nutzen, da, wie oben bereits erwähnt, unter Umständen neue Behandlungsmöglichkeiten oder aufgrund der speziellen Erfahrung des/der einzelnen Mediziner/In Beschwerden bzw. Symptome überhaupt erst danach effizient und nachhaltig behandelt werden können. Jedoch kann es auch zu Unsicherheiten bei den PatientInnen führen, wenn diese mehrere Fachgutachten eingeholt haben und diese nicht deckungsgleich sind. Speziell in der Medizin ist es in sehr wenigen Fällen möglich, dass nach einem standardisierten Schema vorgegangen wird, da hier die individuelle Behandlung und Zuwendung im Vordergrund stehen. Das österreichische Gesundheitssystem wird aus zwei unterschiedlichen Töpfen finanziert. Zum einen die gesetzliche Sozialversicherung, welche nach dem Vorbild der Bismarckschen Sozialpolitik im Jahre 1887/1888 eingeführt wurde und als Fundament für das heutige Sozialsystem dient.1 Österreich verfügt somit über eine gesetzliche Pflichtversicherung. Diese gesetzliche 1

Vgl. Hofmacher, M., Rack, H. (2006), S.18

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Krankenversicherung finanziert den gesamten extramuralen Bereich, der neben der ärztlichen Behandlung im niedergelassenen Bereich auch Heilmittel und Heilbehelfe umfasst. Darüber hinaus leistet die Krankenversicherung, sollte eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen anfallen, auch Krankengeld, damit für den Versicherten über einen längeren Zeitraum keine bzw. nur niedrige finanzielle Einbußen aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls entstehen. Den zweiten Finanzierungstopf koordinieren die in den Ländern installierten Gesundheitsfonds (dieser ist zum größten Teil steuerfinanziert, in den Bund, Länder und Gemeinden ihren Beitrag einzuzahlen haben). Die Finanzströme werden in diesem Buch jedoch noch ausführlich erläutert. Diese finanzieren zum größten Teil den intramuralen Bereich. In Oberösterreich erreichte dieser im Jahre 2009 beinahe ein Gesamtvolumen von 1,7 Mrd. Euro2. Diese geteilte Finanzierung führt dazu, dass die gesetzlichen Sozialversicherungen bestrebt sind, möglichst viele Leistungen in den intramuralen Bereich, bzw. in die Krankenhausambulanzen zu verlagern, da dies für sie eine Kostenerleichterung bedeutet. Auf der „Gegenseite“ versuchen auch die Gesundheitsfonds die Krankenanstalten dahingehend anzuhalten, dass diese Patienten möglichst rasch in die Obsorge der niedergelassenen ÄrztInnen übergehen. Es gibt kaum Studien darüber, aus welchem Beweggrund PatientInnen im Bedarfsfall nicht ihren Hausarzt/Hausärztin, sondern eine Krankenhausambulanz aufsuchen. Genau hier soll diese Studie ansetzen, denn ein steuernder Eingriff ist nur dann möglich, wenn der Grund für das Aufsuchen einer Krankenhausambulanz erforscht ist.

2

Vgl. http://www.ooegesundheitsfonds.at/ dl 03.09.2010

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2 Ziel dieser Studie Diese Studie beschäftigt sich nicht nur mit dem Problem der Finanzierbarkeit, sondern zeigt drei Interventionsansätze auf, wie ein Gesundheitssystem auf hohem Niveau weiter bestehen bleiben kann, ohne dass spürbare Einschnitte oder eine unterschiedliche Versorgung der einzelnen Bevölkerungsgruppen eintreten. Dieser bereits oben genannte Grund für ein Aufsuchen einer Akutambulanz eines Krankenhauses soll mittels Fragebogen erhoben werden, bzw. ist bereits erhoben worden. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass eine gleichwertige Versorgung der PatientInnen im extramuralen Bereich kostengünstiger als im intramuralen Bereich ist. Mit Hilfe dieser Befragung kann eine Aussage darüber getroffen werden, welche PatientInnen (soziodemographische Herkunft), mit welchen Beschwerden (werden mittels Diagnosefallgruppe zugeteilt), aus welchem Beweggrund (von Arzt/Ärztin überwiesen, Hausarzt/Hausärztin nicht erreichbar, Wartezeiten in Akutambulanz kürzer, Vertrauen in Krankenhaus höher) eine Akutambulanz eines Krankenhauses aufsuchen. Der/die behandelnde ÄrztIn zeigt schlussendlich auf, ob der/die PatientIn ausschließlich in dieser Akutambulanz des jeweiligen Krankenhauses adäquat versorgt werden konnte, oder ob diese Versorgung bei einem/r niedergelassenen Arzt/Ärztin ebenfalls möglich gewesen wäre. Darüber hinaus wird noch abgefragt, ob eine Versorgung in einem Gesundheitszentrum möglich gewesen wäre, ähnlich den Plänen der Oberösterreichischen Ärztekammer in Perg. (Der Fragebogen befindet sich im Anhang der Studie). Diese Erhebung findet in allen Linzer Krankenhäusern, welche im wechselseitigen Aufnahmezyklus Dienst versehen (Allgemeines Krankenhaus der Stadt Linz AKH, Barmherzige Schwestern Linz BHS, Barmherzige Brüder Linz BHB und im Krankenhaus der Elisabethinen ELIS) an zwei nicht aufeinander folgenden Monate statt. Es wurden der August und der November dieses Jahres ausgewählt. Auf diese beiden Monate wurde nach Gesprächen mit Ärzten zurückgegriffen, da diese den Unterschied zwischen den Aufnahmegewohnheiten in einem Sommermonat und einem Spätherbst/Wintermonat gegenüberstellen und aufzeigen. Im November wird diese Befragung auch noch im Landes17

krankenhaus Vöcklabruck durchgeführt, wodurch noch die Möglichkeit entsteht, die Stadt Linz mit dem ländlichen Raum zu vergleichen. Damit kann ebenfalls untersucht werden, ob bei gleicher Diagnosefallgruppe im August, wo aufgrund unterschiedlicher Umstände eine höhere Anzahl an freien Krankenhausbetten zur Verfügung stehen, Patienten großzügiger in den intramuralen Bereich aufgenommen werden als im November. Darüber hinaus wird über eine Zeitspanne von vier Monaten diese Befragung im Kinderkrankenhaus durchgeführt. Dies soll einen etwaigen Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern aufzeigen. In diesen beiden Monaten sind 6911 Fragebögen aus den oben genannten Krankenhäusern und 5670 ausgefüllte Fragebögen von der Akutambulanz des Linzer Kinderkrankenhauses zurückgelaufen, wodurch eine hohe Repräsentativität für die Stadt Linz erreicht wird. Mit dieser Befragung soll zum einen erforscht werden, ob es einen Unterschied zur Grundgesamtheit jener PatientInnen (soziale Schicht, Milieu, Randgruppen usw.) gibt, die eine Akutambulanz eines Krankenhauses aufsuchen. Zum anderen soll untersucht werden, wie hoch jener Anteil von PatientInnen ist, welche nicht die Notwendigkeit gehabt hätte, eine Akutambulanz eines Krankenhauses aufzusuchen, sondern bei einem niedergelassenen praktischen Arzt oder in einem Gesundheitszentrum, welches einen Interventionsansatz darstellt, ebenso gut versorgt werden hätte können. Die Beschreibung, wie ein solches Gesundheitszentrum personell besetzt und welche diagnostischen Möglichkeiten dort gegeben sein sollen, wird in Kapitel 11 Fazit und Ausblick erläutert. Ein weiterer Interventionsansatz für eine etwaige Kostenreduktion im Gesundheitswesen setzt sich mit der Problematik einer Patientendatenbank auseinander. Die OÖ Ärztekammer hat dieses Problem bereits erkannt und gründete einen Arbeitskreis, welcher sich mit dem Nahtstellenmanagment zwischen Krankenhaus, niedergelassenem Bereich, mobiler Hilfe und Alten- bzw. Pflegeheime beschäftigt. Der praktische Arzt sollte als Begleiter für die PatientInnen zur Verfügung stehen. Begleiter dahingehend, dass dieser als „Gesundheitsmanager“ für die PatientInnen der erste Ansprechpartner bei einem gesundheitlichen Problem ist, alle gesundheitlichen Informationen seiner PatientInnen sammelt und diese auch für alle ÄrztInnen zur Verfügung stellt. Benötigt würde 18

dafür eine zentrale Datenbank, wo alle Vorerkrankungen, Medikamentenunverträglichkeiten und Allergien, aber auch alle bereits durchgeführten Untersuchungen und Befunde gespeichert werden. Die Verwaltung und Speicherung dieser hochsensiblen Daten sollten nicht auf der Ecard erfolgen, da ein externer, unberechtigter Zugriff sich auf dieser leichter gestaltet als auf einer zentralen Datenbank. Der Zugang zur Datenbank sollte mittels Ecard und Pincode erfolgen, wodurch speziell im Notfall eine schnellere und gezieltere Behandlung durch Notärzte und Krankenhausärzte erfolgen kann. Daher wird durch diese Interventionsmöglichkeit nicht nur der positive Effekt einer Kostenersparnis aufgrund möglicher Doppeluntersuchungen, sondern auch eine schnellere und effizientere Behandlung der PatientInnen im Notfall erreicht. Um den Effekt des „Moral Hazard“ zu minimieren, wird als weitere Interventionsmöglichkeit

ein

dreistufiges

Krankenversicherungsmodell

vorgestellt,

welches den Versicherten eine Wahlmöglichkeit eröffnet. Breyer, Zweifel und Kifmann beschreiben zwei Formen der Ausprägung des „Moral Hazard“ im Gesundheitswesen. x

„Das Individuum kann durch Krankheitsvorbeugung bzw. durch seinen allgemeinen Lebenswandel die Wahrscheinlichkeit zu erkranken beeinflussen;

x

selbst bei bereits eingetretener Erkrankung muss der damit verbundene finanzielle Verlust (Behandlungskosten) für den Versicherer nicht eindeutig ersichtlich sein, da er die genaue Schwere der Erkrankung nicht beobachten kann. Dadurch hat der Versicherte Freiraum, mehr Gesundheitsleistungen nachzufragen.“3

Hier sprechen die Autoren das Problem an, dass Menschen ihre Gewohnheiten bzw. Verhalten ändern, da sie wissen, dass sie, sollte ein gesundheitliches Problem auftreten, eine adäquate Versorgung bekommen, ohne dafür einen vermehrten finanziellen Einsatz leisten zu müssen (ausgenommen die Selbstbehalte bei manchen Versicherungsanstalten, wobei dieser nur im extramuralen und nicht im intramuralen Versorgungsbereich zu entrichten ist).

3

Breyer, F., Zweifel, P., Kifmann, M., (2005): S.222

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