Gestrandet auf Mallorca - Buch.de

Hat Robert wieder was gemacht?“ „Hera, er ist es! Hera, jetzt weiß ich, dass es sowas gibt! Und dann noch auf Mallorca …! Es ist eh schon alles klar – ich fliege!
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Elli Boe

Gestrandet auf Mallorca Roman

„Sag mal, hast du irgendwas genommen? So’n Quatsch gibt’s doch nur im Fernsehen. Muss ich dich irgendwo abholen? Hat Robert wieder was gemacht?“ „Hera, er ist es! Hera, jetzt weiß ich, dass es sowas gibt! Und dann noch auf Mallorca …! Es ist eh schon alles klar – ich fliege!“ „Wann?“ „Jetzt!“ „Jetzt! Nach Mallooorca? Spinnst du? Sag mir wie der Vogel heißt?“ „Er ist es, Hera! Gerrit passt – mehr als hundert Prozent! Du kannst sowas nicht wissen …“ „Danke, ich lege jetzt auf!“ „Du liest doch immer nur im Schlafzimmer.“ „Tausend Dank. Du bist einfach die beste Freundin …“ „Ich komme nicht wieder. Du weißt wie sehr ich die Sonne liebe und ich gehe überall hin, wo er hin will!“ „Sag mal, spinnst du komplett? Ist der etwa in so ‘ner Sekte, oder was?“ „Nein, er ist Kapitän!“ „Kapitän? Dann komme ich nach und mach mit dem ‘ne ordentliche Kreuzfahrt!“ „Ach Hera, kennst du noch den Spruch, den du mir mal gesagt hast: Wenn man nur lange genug wartet, dann wird das schönste Wetter.“ „Meine Sprüche stimmen alle, aber der ist aus Japan …“

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© 2014 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 2. Auflage 2014 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Fotolia, 45775723 - Cute girl on tropical resort© Anna Omelchenko Printed in Germany Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-8459-0858-8 ISBN 978-3-8459-0859-5 ISBN 978-3-8459-0860-1 ISBN 978-3-8459-0861-8 Mini-Buch ohne ISBN

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Kapitel eins Am liebsten hätte ich hier Scheuklappen getragen. Der Balkon unter meinen Füßen sah lebensgefährlich aus. Risse umkreisten die Brüstung an der Hauswand. Drumherum bröckelte das Mauerwerk. Ein paar der eingesetzten Eisenstangen, die mal Verzierung gewesen waren, hingen abgerostet aufeinander und durch ein aufgebrochenes Loch im Boden konnte ich runter auf unsere Nachbarn gucken. Anstelle von Blumen spross hier nur verdorrtes Unkraut aus den Ritzen. Obwohl es mehr als tot aussah, wucherte das Zeug immer weiter und flatterte schon meterweise im Wind. Es gab sogar noch weiteres Leben hier: Eine Straße mit Ameisen zog wie aufgereiht hintereinander in einem haarscharfen Bogen um das Bodenloch herum. Und auf der anderen Seite unseres Balkons baumelte das Ende einer ausgefransten, grünen Wäschelei5

ne in einer modrigen Regenpfütze, aus der manchmal kleine Teilchen sprangen. Und es stank – innen und außen. Das heißt, unsere Wohnung sah nicht besser aus. Es konnte gerade erst kurz nach sechs sein, denn ich hörte die Müllabfuhr, die täglich pünktlich – wie sonst nichts hier – mit den Containerdeckeln schepperte. Ich zündete mir die erste Zigarette an, sah kurz auf den abgesplitterten Lack meiner Fingernägel, legte meinen Kopf in den Nacken und blies den Rauch aus meiner Lunge. Der Himmel war hingegen blau und blank. Nur ein paar Vögel ganz oben waren als kleine schwarze Sicheln zu erkennen. Sie zirpten und kreischten schon, schossen im Sturzflug auf sich zu und segelten dann wieder auseinander. Ich sog die frische Morgenluft, die ab und zu eine fiese Müllbrise mitbrachte, im Wechsel mit einem Zigarettenzug tief in mich hinein und war froh, dass alles vorbei war. Mein Körper bebte vor Ergriffenheit, ein bisschen 6

vor Kälte, aber wahrscheinlich, weil ich wieder auf nüchternen Magen rauchte. Ich inhalierte noch mal kräftig und während ich den Qualm genüsslich lang in meinen Lungen stocken ließ und nur ganz langsam ausatmete, lief wieder mein Kopfkino ab. Sechzehn Jahre – okay, ich war dem lieben Gott dankbar, dass meine Ehe nicht doppelt so lang dauern musste – sechzehn Jahre, bis ich ihr endlich begegnen konnte, meiner großen Liebe. Sozusagen meinem Retter, der jetzt noch so süß in seinem Bett lag und ganz fest schlief. Er hatte einen gesunden Schlaf, der sich je nachdem bis weit in den Vormittag zog. Von der Straße schallten die ersten Morgengeräusche herauf, wie früher im Urlaub. Ein ohrenbetäubend lautes Moped, das in den Morgen kreischte, aber nicht zu sehen war. Das Scheppern der großen Containerdeckel, das jetzt immer näher kam. Doch der hier ständig umherirrende Hund kläffte am lautesten und hatte mittlerweile alle in der Straße

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angesteckt. Mindestens vier Viecher bellten jetzt aus allen Richtungen. „Morgen knall ich alle ab.“ Gerrit schmiss die Balkontür von innen so fest zu, dass sie vibrierte und von selbst wieder aufsprang. Morgens war er schon mal etwas gereizt, aber eigentlich war er ein ganz Lieber. Kurz darauf stand er im Freien, nur in Pyjamahose – also die von Eintracht Frankfurt –, streckte sich und gähnte wie ein süßes Walross. Okay, er war keine ausgesprochene Schönheit. Kein Brad Pitt oder Banderas. So wie er da stand schon gar nicht. Eher ein normaler FußballGucker mit schütterem Haar und Bauchansatz. Aber egal, ich liebte ihn, so wie er jetzt da stand, sogar noch mehr als in der allerersten Sekunde, als seine blauen Augen mich innerlich niedergestreckt hatten. Außerdem hatte er das Gardemaß von einssechsundachtzig und sah in einer blauweißen Kapitänsuniform wirklich klasse aus. Ich schnippte blöderweise völlig umsonst die Zigarette vom Balkon, an der noch mindestens drei Züge gewesen wa8

ren, als Gerrit wieder in der Wohnung verschwand. „Brot ist alle!“, schallte es nach draußen und dann die Toilettenspülung. Männer! Einmal sollte er das Bad sauber machen und kam nach fünf Minuten wieder raus. „Alles fertig!“, meinte er und drückte mir eine leere Klopapierrolle in die Hand. Als er beim nächsten Versuch nach zwei Stunden noch nicht wieder draußen war, steckte besorgt ich den Kopf ins Bad und sah wie er eine Steckdose wieder anschraubte. „Die hatte es echt nötig“, meinte er und im Bad herrschte immer noch das heillose Chaos. Ich verließ den Balkon um mich anzuziehen, froh darüber, dass ich mich nicht in solche Teile wie Pullover, Stiefel oder Jacke zwängen musste. Auf Mallorca waren es schließlich schon über zwanzig Grad – im März! Ich hob das zerknitterte T-Shirt vom Vortag auf, suchte meine Shorts, fand sie auf Gerrits Seite unter dem Bett und schlüpfte im Flur nur mit den Vorderfüßen in die Turnschuhe. 9

„Hoool Brötchen …!“, trällerte ich und hörte den Wasserhahn aus der Küche. Er machte Kaffee. Nur mit den Fußspitzen in meinen Turnschuhen steckend warf ich im Vorbeischlurfen einen Kuss in die Küche und erhielt einen dicken echten zurück. Gerrits Körper war noch ganz warm und ich kuschelte mich kurz an ihn, was er zu einem beidhändigen festen Podrücken ausnutzte, womit er mich zum schnellen Aufbruch trieb. Erst unten vor der Haustür schnürte ich mir die Schuhe zu – was mir eines Tages sicherlich noch das Genick auf den Treppen brechen würde – und wollte gerade losjoggen – bis zum Bäcker würde ich es gerade noch schaffen, aber wer sollte das ahnen und joggend sah es einfach besser aus –, als plötzlich dieser kläffende Köter von vorhin an meinen Beinen klebte. Ich versuchte ihn zu ignorieren, aber irgendwie brachte mich das Vieh völlig aus dem Takt. Als er partout nicht von selbst verschwinden wollte, trat ich rückwärts nach ihm aus – er war auch wirklich ein hässliches Tier 10

– verfehlte ihn aber knapp und dann klebte er an meiner anderen Seite. „Zieh Leine, doofe Töle, ich hab nix!“, zischte ich nach unten. Vielleicht wollte er ja auch nur spielen, aber der hatte mit Sicherheit wer weiß was, und weiß Gott, was sonst noch. Ich hob einen Stein auf, ohne meinen Bewegungsfluss großartig zu unterbrechen, sah mich kurz um, um sicherzugehen, dass niemand guckte, tat so, als würde ich an dem Stein knabbern, um den Köter weiszumachen, es wäre ein Stück Wurst und schleuderte ihn in die kleine Nebenstraße. Doch die Steinwurst traf zuerst das genau vor mir stehende Stoppschild und dann das darunter stehende Auto auf dem Dach. Ich zog den Kopf ein, weil sich das Geräusch nicht gut anhörte, erhöhte mein Tempo sofort und als ich mich noch mal umsah, war auch der Hund weg. Die kleine Panaderia, die man glatt übersah, wenn man sie nicht gekannt hätte, war die 11

nächste Straße links. Nur ein paar grün verblichene Buchstaben standen auf einer aufgeklappten Fensterlade, was bedeutete, dass geöffnet war. Eine schmale Tür ohne Fenster, die man mit einer einfachen Klinke selber öffnen musste, führte in einen winzigen Raum, der erfüllt war von duftendem Brot und vor allem von der dicken Spanierin, die immer dieselbe Kittelschürze trug. Sie hielt ohne ein Wort des Grußes und ohne mich eines Blickes zu würdigen - aber so, als hätte sie schon längst auf mich gewartet und wolle, dass ich möglichst schnell wieder verschwinde - meine bocadillos in einem durchsichtigen Plastikbeutel am ausgestreckten Arm über die Theke. Es stimmte, vier Stück waren drin, obwohl ich nicht mehr als „buenos dias“ gesagt hatte. Wahrscheinlich wollte sie meinen schlanken Anblick nicht länger als nötig ertragen müssen. Ich kannte das: Dicke hassten mich. Hoffentlich zogen wir bald hier weg. Ich wollte meine Brötchen lieber woanders kaufen. Ich legte zwei Euro auf das abgegriffene 12

Holzbrett und wartete nicht aufs Wechselgeld, schnappte mir den Beutel aus ihrer Hand, wackelte beim Rausgehen extra mit dem Hintern und warf auch noch meine blonde Mähne nach hinten. Mir selbst waren Missgunst und Neid zuwider, aber sowas kommt dann eben bei raus. Wenigstens war keiner vor mir dran gewesen, denn das mallorquinische Palaver zog sich immer endlos hin. „Es ist ein Ha-aus, keine Wohnung“, erklärte Gerrit und für mich stand fest, dass ich nach dem Umzug das Frühstück lieber selber machen würde. Zwei Tassen ohne Unterteller standen lieblos auf dem blanken Tisch und der Kaffee in der Glaskanne dazwischen – er würde in fünf Minuten kalt sein. Es gab noch einen Rest Erdbeermarmelade in einem Plastikschälchen, die höchstens noch für zwei halbe Brötchen reichte und in der ein Stück Margarine schwamm – also noch nicht einmal

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echte Butter. Ich fischte den Klecks mit dem Messer so gut es ging heraus. Naja, Gerrit war halt schon ewig Junggeselle und jetzt seit einem Jahr auf der Insel. Bis vor Kurzem hatte er in einem winzigen Zimmerchen bei seinem Ex-Chef gewohnt, in dem das einzig warme Wasser – auch das für seine Körperpflege – aus der Kaffeemaschine kam. Der Arme! Ans Duschen war er jetzt wieder gewöhnt, das mit dem Frühstück mussten wir noch üben. Ich versuchte ein Brötchen aufzuschneiden, das sich durch das Messer aber eher gummiartig verzog, als sich von ihm aufschlitzen zu lassen. Spanische Profi-Brötchen halt aus einem Plastikbeutel. „Halb zehn ist der Makler da“, drängelte Gerrit und warf mir schon wieder diesen Brunftblick zu. „Wieso, ist doch erst acht?!“ „Wo ist denn dieser Zettel, wo draufsteht, wo das ist?“, fragte er und schob den Rest seines Schinkenbrötchens, das er vorher nur mit sei14

nen Fingern in zwei ungleiche Hälften geteilt hatte in den Mund, bevor er seine Taschen abfingerte. Ich überschlug inzwischen: Frühstück zwanzig Minuten inklusive heimlicher Zigarette auf dem Balkon, während Gerrit auf dem Klo saß. Duschen zwanzig Minuten mit Zähneputzen und Eincremen, Anziehen, Schminken fünfzehn Minuten. Aufräumen konnten wir später, halbe Stunde Autofahrt – mit Verfahren zehn Minuten länger, war genau halb zehn. Gerrit starrte mir ins Dekolleté. Ach so, das hatte ich vergessen. Ich kaute etwas schneller, denn bei knapp achtundvierzig Kilo musste ich ordentlich essen. Mein sowieso viel zu kleiner Busen guckte mich morgens auch schon schlapp aus dem Spiegel an und meine Hosen schlabberten alle bis auf eine. Und zwar die schon mal Weggeschmissene, wegen der Pinocchio-Stickerei hinten auf der Tasche. Gerrit streichelte schon die Innenseite meiner Oberschenkel, als ich mich gerade an die zweite Brötchenhälfte machen wollte. Dann 15