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nämlich Ariovist für Stefan und Armin für mich. Während wir unschlüssig herumstanden und römische Sommerluft einzuatmen hofften, hörten wir's unverhofft ...
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Karl Plepelits

Geliebte Römerin Zwei Leute von heute bei den alten Römern … … und den jungen Römerinnen Roman

© 2012 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2012 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag, Berlin Coverbild: iStockphoto: 14247570 Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0457-3

AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt .

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Erster Tag: 14. September 1994 Lachen und Weinen zu jeglicher Stund 1 „Lachen und Weinen zu jeglicher Stund: Das ist neuerdings typisch für dich. Sagt deine Schwester. Und so viel reifer sollst du geworden sein.“ Ein verschworenes Häuflein von sechs jungen Freunden hat sich nach den großen Ferien versammelt und tauscht die Erlebnisse der vergangenen zwei Monate aus. Fünf von ihnen, nämlich Stefan, Markus, Peter, Paul und Alexander, besuchen das Klagenfurter Akademische Gymnasium und haben soeben die höheren Weihen der Abschlussklasse empfangen, sprich: den ersten Unterrichtstag hinter sich. Nur Wolfgang, von seinen Freunden meist liebevoll Amadeus genannt, besucht die Klagenfurter Handelsakademie. Der Ort ihrer Versammlung ist ein niedriger Bergrücken nahe dem durch seine Ausgrabungen berühmten Magdalensberg, nur wenige Ki3

lometer nordöstlich von Klagenfurt, und zwar eine kleine Mulde, die Markus ausgesucht hat. Er findet sie erst nach längerer Suche, und nun passiert Unerwartetes: Er errötet lieblich, beginnt zu kichern und bricht in einen sagenhaften Lachkrampf aus (falls es sich nicht um einen Weinkrampf handelt). Und da tut Paul jenen Ausspruch: „Lachen und Weinen zu jeglicher Stund: Das ist neuerdings typisch für dich. Sagt deine Schwester. Und so viel reifer sollst du geworden sein.“ Und Peter: „Ja, aber der Stefan auch.“ Und Amadeus: „Da müssen die zwei aber Aufregendes erlebt haben.“ Und Stefan, ebenfalls lieblich errötend: „Haben wir.“ Und Markus, inzwischen ruhiger geworden: „Ja, Stefan und ich, wir haben eine gemeinsame Ferienreise gemacht. Ihr wisst sicher noch, dass wir in früheren Ferien miteinander Sprachreisen nach England gemacht haben, um unsere Englischkenntnisse aufzumöbeln. Daraufhin fanden wir, dass wir so was Ähnliches eigentlich auch

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für Latein bitter nötig hätten. Nur, was tut man in so einem Fall?“ Und Amadeus, der selbst schon lange nicht mehr Latein lernt: „Zu den alten Römern fahren.“ Und Markus: „Du hast es erraten.“ Und nun bleibt den anderen die Sprache weg. „Hört zu. Die letzten Sommerferien verbrachten wir, wie gesagt, in England. Dort fand Stefan in einer Buchhandlung ein Buch, das zuerst ihn und dann auch mich total faszinierte: The Time Machine. Darin wird von einer aufregenden Erfindung aus der Zeit um 1900 berichtet: Ein englischer Physiker entdeckte damals, dass die Zeit in Wirklichkeit nur eine vierte Dimension des Raumes ist und es daher möglich sein müsste, in ihr Reisen zu unternehmen, ebenso wie es möglich ist, sich in den übrigen drei Dimensionen fortzubewegen. Tatsächlich konstruierte dieser Physiker eine solche Maschine, die für Reisen in der Zeit geeignet war und mit der er selber in die ferne Zukunft reiste.

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Das brachte uns auf die Idee, selber eine Zeitmaschine zu bauen und, jawohl, Amadeus, zu den alten Römern zu fahren. Nun aber sind mit einer Zeitreise, wie mit jeder Reise, Gefahren verbunden. Auf einige davon machte uns zum Glück das erwähnte Buch aufmerksam. So ist es beispielsweise keineswegs sicher, dass der Zeitreisende am Ziel seiner Reise dieselben topographischen Verhältnisse antrifft. Im Gegenteil, man weiß ja, dass sich das Bodenniveau seit der Römerzeit normalerweise gehoben hat. In einem solchen Fall wäre also ein unsanfter Absturz die Folge. Oder, noch schlimmer, der Zeitreisende würde inmitten einer Mauer stecken. Aber auch wenn nichts dergleichen passieren sollte, so lauern doch noch weitere Gefahren, zum Beispiel die, welcher der englische Zeitreisende zum Opfer gefallen ist: Seine Zeitmaschine ist ihm in seiner Abwesenheit versteckt worden. Schließlich kann und will man sie doch nicht überallhin mitnehmen. Er hat sie übrigens wieder gefunden, und zwar unbeschädigt. Aber was wäre gewesen, wenn er sie, sagen wir, stark beschädigt oder gar nicht mehr gefunden hätte? 6

Auch erwähnt der Bericht die Unannehmlichkeit, dass die rasante Aufeinanderfolge von Tag und Nacht während einer Zeitreise für die Augen extrem schmerzhaft ist. Für alle diese Gefahren und Unannehmlichkeiten haben wir eine gemeinsame Abhilfe gefunden: eine Höhle. Wir haben ja gelernt, dass die Formen, die man in Höhlen vorfindet, weit über 100.000 Jahre lang unverändert geblieben sein können, dass infolge der ewigen Dunkelheit, der kaum wechselnden Temperaturen und des fast totalen Fehlens von Leben in den Höhlen die Zeit stillzustehen scheint. Schauhöhlen, in denen Tag für Tag Massen von Besuchern durchgeschleust werden, wären für unser Unternehmen natürlich nicht geeignet gewesen, ganz abgesehen von der zusätzlichen Schwierigkeit, dass am Eingang Eintritt gezahlt werden muss, und so weiter. Aber gewöhnliche Höhlen ... Na, und da haben wir eben zum Glück ganz in der Nähe eine für unsere Zwecke geradezu ideale Höhle entdeckt. Ihr kennt doch sicher alle den Lamprechtskogel dort drüben.“ Markus zeigt in östliche Richtung. 7

„Stefan wusste, dass es in ihm eine ziemlich große Höhle gibt. Sie weist aber keine Besonderheiten auf, sodass sie kaum bekannt ist. Dazu kommt, dass es die Menschen der Umgebung von alters her aus abergläubischer Scheu vermieden haben, sie zu betreten. Sie glauben nämlich, dass übernatürliche weibliche Wesen in ihr leben. Aber das Beste kommt erst. In einer Art Seitennische entdeckten wir auf dem Boden die Überreste eines offensichtlich sehr alten menschlichen Skeletts und gleich daneben an einer besonders glatten Stelle der Felswand, ungefähr anderthalb Meter über dem Boden, eine lateinische Inschrift, die uns in ihrer Art sofort an die römischen Inschriften erinnerte, die uns aus dem Parkmuseum in Klagenfurt bekannt waren. Damit besaßen wir also einen schlagenden Beweis, dass sich die örtlichen Verhältnisse zumindest seit der Römerzeit nicht verändert hatten. Diese Seitennische in der Höhle im Lamprechtskogel haben wir als die Stätte unserer geplanten Zeitreise ausersehen. Das war zu Beginn des letzten Schuljahres. Und sobald wir uns darauf geeinigt hatten, machten wir uns mit Feuereifer ans 8

Werk. Dabei mussten wir natürlich noch zusätzlich darauf achten, dass unser Vorhaben geheim bleibt, und vor allem, dass unsere Eltern nichts merken. Im Juni war alles fertig, und nun wurde es Zeit für die organisatorischen Vorbereitungen. Für unsere Familien mussten wir uns eine plausible Erklärung unserer Abwesenheit ausdenken. Wir gaben vor, durch Italien und Südfrankreich radeln und bei Bedarf Gelegenheitsjobs annehmen zu wollen. Gottseidank fielen sie darauf herein, und danke, lieber Paul, und danke, lieber Peter, dass ihr unsere im Voraus besorgten und beschriebenen Postkarten aus Florenz und Nizza, ohne Fragen zu stellen, übernommen und am richtigen Ort aufgegeben habt. Dann brauchten wir nur noch eine Römertoga. Wir hatten nämlich keine Lust, so wie der englische Zeitreisende in der Tracht unserer Zeit auf die Zeitreise zu gehen und uns dann wie Wundertiere groß bestaunen zu lassen.“

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Morgen, Kinder, wird’s was geben, Morgen werden wir uns freun „8. Juli. Letzter Schultag. Zum Schein hatten wir am Vorabend unsere Rucksäcke und Fahrradgepäcktaschen gepackt, brachten nach der Zeugnisverteilung unsere zum Glück halbwegs positiven Zeugnisse nach Haus und radelten gemeinsam zum Lamprechtskogel. An dem im Wald versteckten Höhleneingang angekommen, machten wir sozusagen letzte Rast ‚in der Gegenwart’ und nutzten diese Gelegenheit auch gleich dazu, uns umzuziehen: Wir ersetzten unser sämtliches Gewand durch die eine Toga und unsere Schuhe und Socken durch Sandalen. Dann hängten wir uns die Taschenlampen an einer eigens dafür angebrachten Schnur um den Hals, stopften alles, auch unsere Uhren, in die Rucksäcke, packten unsere Räder und trugen sie in die Höhle und hinunter zur Seitennische, wo unsere Maschine auf uns wartete.

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Wir saßen auf, Stefan vorn, ich hinten. Das war längst ausgemacht. Der Computer war längst programmiert auf exakt 2000 Jahre minus. Stefan löschte seine Taschenlampe und legte sie auf den Boden. Während ich ihm mit meiner leuchtete, drückte er zuerst auf die Energietaste und dann auf die Starttaste. Darauf löschte ich meine Taschenlampe und warf sie auf den Boden. Totale Finsternis. Totale Stille. Ein unbeschreibliches Gefühl, etwa wie auf einer Rutschbahn, oder besser so, wie wenn man auf einem Schlitten über eine gut ausgefahrene, leicht eisige Schlittenbahn zu Tal rast, aber bei sehr guter Schneelage, das heißt, ohne das Poltern, das sich einstellt, wenn man über Steine saust, die aus dem Schnee ragen. Es war überhaupt nicht unangenehm, im Gegenteil. Ich glaube, euphorisch nennt man einen solchen Zustand, wie eben bei einer herrlichen Schlittenfahrt. Aber dann war diese Euphorie auf einmal wieder vorbei, und da wusste ich: Die Reise ist zu Ende, und dachte etwas enttäuscht: Was, schon aus? Genau wie bei einer Schlittenfahrt: Um den Schlitten zu ihrem Ausgangspunkt hinaufzuzie11

hen, braucht man Stunden, und die Abfahrt selber dauert dann vielleicht eine halbe, Dreiviertelstunde, aber den Schlittenfahrern kommt es am Ende vor, als hätte sie höchstens fünf Minuten gedauert. Also: Endstation! Wir waren am Ziel. Und wie sah das Ziel aus? Nun, das war eben die Frage. Es war natürlich nach wie vor stockfinster. Aber uns machte das nichts aus; wir kannten ja unsere Höhle wie die eigene Westentasche – das heißt, falls sich in der Zwischenzeit nichts Gravierendes verändert hatte. Unsere allererste Aktion war demnach, die Seitennische sorgfältig abzutasten. Und? Ja, also unsere Fahrräder waren verschwunden, unsere Rucksäcke waren verschwunden, vom Skelett keine Spur. Aber ansonsten schien alles unverändert. Ich wandte mich wieder unserer Maschine zu. Ich befingerte sie sorgfältig, ertastete die Batterie und hängte sie ab. Danach: Aufstieg zum Ausgang der Höhle. Dort angelangt, standen wir geblendet im Freien und atmeten tief die frische, warme Sommerluft ein – römische Sommerluft? Hatte sich etwas verän12

dert? Nun, das Gras schien tatsächlich kürzer zu sein als zuletzt, aber abgesehen davon waren keine Veränderungen festzustellen. Oder doch? Waren das dieselben Bäume wie zuletzt? Und das Gebimmel der Kuhglocken – war es dasselbe wie zuletzt? Waren wir nun im Jahre 1994 oder im Jahre 6 vor Christus? Wir wussten nicht, was wir glauben sollten, taten aber sehr sicher und redeten miteinander geradeso, als ob wir das alles schon Dutzende Male erlebt hätten. ‚Willkommen im Königreich Noricum!’, deklamierte Stefan feierlich. ‚Willkommen im imperium Romanum! Jetzt ist es ja schon einige Jahre her, dass Noricum von den Römern auf friedlichem Weg annektiert worden ist und der römische Kaiser Augustus sich zum Nachfolger des letzten norischen Königs erklärt hat.’ Wir wussten, dass wir in ein friedliches Land, in eine friedliche Zeit gekommen waren. Wir wussten auch, wohin wir gehen würden, nämlich in die nahegelegene Hauptstadt des Königreiches Noricum da oben.“ Markus zeigt auf die Gipfelkuppe des nahen Magdalensberges. 13

„Ihr erinnert euch garantiert an die vielen Werkstätten, die dort von den Ausgräbern aufgedeckt worden sind. Dort wollten wir uns eben um irgendeinen Job umschauen. Eines der Probleme bei unserer Art von Ferien besteht ja darin, dass wir nicht einfach zur nächsten Bank gehen können, um unsere Schillinge in Denare, Sesterzen und Asse umzuwechseln. Wir hatten beschlossen, uns als zwei germanische Jünglinge auszugeben, die unterwegs nach Rom seien, um die lateinische Sprache und die römische Kultur kennen zu lernen. Wir hatten uns sogar schon germanische Namen ausgedacht, und zwar die einzigen antiken germanischen Namen, von denen wir je gehört hatten, nämlich Ariovist für Stefan und Armin für mich. Während wir unschlüssig herumstanden und römische Sommerluft einzuatmen hofften, hörten wir’s unverhofft donnern und erschraken nicht schlecht über einen solchen Empfang. Also rafften wir uns auf und sausten den Berghang hinunter, so schnell es eben diese verdammten Sandalen erlaubten. Und dann kamen wir auf dem Talboden an und traten aus dem Hochwald 14

heraus und blieben wie angewurzelt stehen. Da, wo sich heute das Dörfchen Waisenberg befindet, stand jetzt nur ein einzelnes Gehöft. Und auch sonst schien uns die Landschaft in zahlreichen Einzelheiten verändert. Aber was uns besonders stutzig machte, das war die veränderte Jahreszeit. Zwar war es sommerlich warm, keine Frage. Aber an der Vegetation erkannten wir, dass wir mitten im Frühjahr gelandet waren. Hatte unser Computer versagt? Wir hatten ihn doch auf exakt 2000 Jahre minus programmiert. Wir hatten demnach erwartet, am 8. Juli des Jahres 6 vor Christus anzukommen. Ein ohrenbetäubender Donnerschlag riss uns aus unseren Überlegungen und veranlasste uns, zurückzublicken. Über dem Lamprechtskogel kamen drohend schwarze Gewitterwolken hervor. Was tun? Neue und zunehmend heftige Donnerschläge. Die schwarzen Wolken kamen rasch näher. Da hörten wir aufgeregte Stimmen, und als wir in die Richtung schauten, wo diese herkamen, sahen wir vor dem erwähnten Gehöft mehrere Menschen uns zuwinken und zurufen. Da nahmen wir die Beine unter die Arme und 15