Gastbeitrag AIZ Spezialimmobilien 072016


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Spezialimmobilien

Fantasie und Know-how sind gefragt Bei der Vermarktung von Spezialimmobilien ist Fachwissen und Fantasie gefragt. Mehr noch als bei der Vermittlung von Wohnimmobilien oder Büros. Worauf es darüber hinaus ankommt und warum sich Immobilienberater dabei nicht sofort in die Vermarktung stürzen sollten. Von Uwe Mortag Ein auf Sonderimmobilien wie Hotels, Produktionshallen, Seniorenimmobilien oder Kliniken spezialisierter Immobilienmakler sollte über Expertenwissen der jeweiligen Nutzerbranchen verfügen. Zudem sollte er mit Fantasie ausgestattet sein. Seine Kreativität ist nämlich gefragt, wenn alternative Nutzungsarten den Ertrag von Vermieter beziehungsweise Verkäufer erhöhen und für den bisherigen Gebrauch der Spezialimmobilie ein Nachmieter nur schwer zu finden ist. Sind beispielsweise im Umfeld eines Privathotels zwischenzeitlich viele Wohngebäude entstanden, stellt sich die Frage, ob die betagte Herberge besser in nachgefragte Studentenapartments oder ein Boardinghaus für temporäres Wohnen umgebaut werden sollte. Oder es könnte alternativ in eine Seniorenimmobilie umgewidmet werden, von denen es vor Ort kaum Angebote gibt. Etwa weil im Gebäude bereits genügend Aufzugschächte vorhanden sind und in einem Anbau ebenerdig Versorgungseinrichtungen untergebracht werden könnten. Andererseits muss er Grundlagenwissen der jeweiligen Mietergruppe besitzen. Welche Anforderungen stellen sie an die Liegenschaft und notwendige Nebenflächen wie Küchen, Lager und Begegnungsräume? Obendrein muss der Immobilienprofi bei Beherbergungsbetrieben Kenntnisse von Pacht- und Managementverträgen mitbringen, beziehungsweise bei Senioreneinrichtungen über Betreiberverträge Bescheid wissen.

Gerade die Hotelbranche ist einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. LowBudget- und Boardinghouse-Konzepte kommen auf den Markt, Standortanforderungen werden ständig angepasst.

Gerade die Hotelbranche ist einem tiefgreifenden Wandel unterworfen.

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Low-Budget- und Boardinghouse-Konzepte kommen auf den Markt, Standortanforderungen werden ständig angepasst. Eröffnete etwa Motel-One seine erste Herberge in Köln noch in einem Gewerbegebiet am Stadtrand, so werden heute nur noch zentrale Standorte gewählt. Zudem wurde die Zahl der Zimmer pro Gebäude erhöht. Diese Veränderungen muss der Makler auf dem Schirm haben, will er bei seinen Kunden punkten und ihr Vertrauen gewinnen. Erhöht sich bei Nutzungsänderung der Ertrag? Drei Entwicklungen muss er dabei berücksichtigen. Erstens werden die Anforderungen immer individueller und die Nutzungszeiten kürzer. Büro- oder Hotelimmobilien müssen nach spätestens 20 Jahren saniert werden. Bei Logistikflächen sind die Nutzungszeiten in der Regel noch kürzer. Oder es muss eruiert werden, ob eine andere Nutzung gewinnbringender wäre. Zweitens stehen gerade in Ballungsregionen viele ehemalige Industrieareale vor einer Neuausrichtung zur Wohnbeziehungsweise Büronutzung. Um der Nachfrage nach Wohnraum Herr zu werden, forcieren viele Städte insbesondere wohnungswirtschaftliche Umnutzungen. Drittens gibt es immer mehr gemixt genutzte Immobilien: Moderne Baustoffe und die Möglichkeit durch Puffermaterialien Lärm und Erschütterungen zu dämmen, eröffnen neue Möglichkeiten, etwa an Bahndämmen zu bauen. Es entstehen vielerorts Hochhäuser, in denen überei-

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Ferienimmobilien

nandergeschichtet Einzelhandel, Büroflächen, Hotels und Eigentumswohnungen realisiert werden. Aktuell ist der Spezialimmobilien-Markt besonders gut für Seniorenimmobilien, Pflegeeinrichtungen und möblierte Mikroapartments für Studenten und Jobnomaden. Mehr noch als bei gängigeren Immobilienarten sind bei Spezialobjekten vor Vermarktungsbeginn umfassende Vorarbeiten nötig. Hierzu zählen Researchdaten zu den potenziellen Mietergruppen. Gibt es in der Stadt einen Bedarf für eine weitere Privatklinik oder zusätzliche Hotelbetten? Welche Miethöhen könnten aufgerufen werden, wie lange sind die durchschnittlichen Mietlaufzeiten und welche Anfangsinvestitionen beziehungsweise mietfreien Anfangszeiten (Incentives) erwarten die Nutzer vom Vermieter? Dabei ist auch das Invest-

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mentziel des Eigentümers zu berücksichtigen: Möchte er sein Objekt langfristig halten oder will er es nach einem Mieterwechsel möglichst lukrativ veräußern? Im Gegensatz zu Wohnimmobilien oder klassischen Büroobjekten ist die Zahl der Nutzer von Spezialimmobilien kleiner. Daher sollten Makler in diesem Segment eng zusammenarbeiten. Zudem sind die Player oft große Firmen mit spezialisierten Immobilien- oder Expansionsabteilungen wie Hotel- und Einzelhandelsketten oder nationale Klinik- und Logistikkonzerne. Entsprechend erwarten sie von ihren Immobilienberatern einen Austausch auf Augenhöhe. Häufige Fehler: zu schnell, ohne Konzept in die Vermarktung gehen Wichtig ist, bei Spezialimmobilien nicht

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zu schnell in die Vermarktung zu gehen. Zunächst muss geklärt werden, ob eine bisherige Nutzung mit einem neuen Mieter ratsam ist oder eine Umnutzung angeraten ist und welche Investitionssummen beim jeweiligen Fall der Eigentümer vornehmen müsste. Hierfür sollte eine kleine Ausschreibung unter Fachplanern, die sich in der Nutzerbranche auskennen, vorgenommen werden. Zusammen mit den Immobilienberatern erstellen sie ein Nutzungskonzept samt Maßnahmeund Kostenplan. Nichts ist für den Eigentümer und potenziellen Nutzer schlimmer als bei Investitionen unklare Angaben zu Zeiten und Kosten zu haben. Dabei gilt, dass in der aktuellen Niedrigzinsphase viele Eigentümer bereit sind, zu investieren. Die Kosten für dieses Konzept werden vom Eigentümer getragen. Der Makler wird in der Regel für seine extra Beratungs- und Koordinierungsleistungen mit

Foto: © Sean Pavone

einem Beratungshonorar vergütet. Für die anschließende Vermittlung der Immobilie erhält er die übliche erfolgsabhängige Provision. Selbstredend sorgt diese Planungsphase dafür, dass die Vermittlungszeiten länger sind als bei Wohnungen oder Büroflächen von der Stange. Zumeist werden neun bis vierzehn Monate angesetzt. Sind für ein betagtes Bürogebäude zwei Nutzungsarten denkbar, ist es ratsam, für beide je ein Exposé anzufertigen.

die Vermittlungszeit. Oft scheitert sogar die Vermittlung, weil Kauf- oder Mietpreise wegen mangelndem Wissen falsch festgelegt oder die Objekte an der Zielgruppe vorbei beworben wurden. Sie entwickeln sich zu Ladenhütern; ihr Immobilienwert sinkt.

Im Zweifel: Besser einen Experten befragen

Was noch selten passiert, aber durchaus Sinn macht, ist, dass Immobilienmakler bereits bei den Planungen von Neubau-Spezialimmobilien einbezogen werden. Sie wissen am besten, welche Flächen die Marktteilnehmer benötigen und welche Nachfolgenutzungen denkbar wären.

Makler, denen Spezialimmobilien zur Vermittlung angeboten werden, für die ihnen allerdings die Expertise fehlt, sollten mit einem spezialisierten Kollegen zusammenarbeiten. Tun sie dies nicht, verlängert sich zum Missmut des Eigentümers

Ein Entwickler ging in Münster bereits so vor. Er hat am Münsteraner Stadthafen vor wenigen Jahren ein Bürogebäude mit Balkonen errichtet. Das hat viele verunsichert. Aber er ist davon überzeugt, dass auf dem Areal des ehemaligen Industrie-

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hafens, das mittlerweile ein Büro- und Handelsstandort ist, in absehbarer Zukunft Wohnnutzung ermöglicht wird. Tritt dies ein, halten sich seine Umbaukosten in Grenzen.

Der Autor: Uwe Mortag ist Geschäftsführer der Larbig & Mortag Immobilien GmbH mit Sitz in Köln und Bonn. Das Unternehmen hat sich auf die Vermittlung von Büro- und Handelsflächen sowie auf Spezialimmobilien und Investments spezialisiert.

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