Für die Unnaer gab's kein Bier im Osten

Erinnerungen unseres Redakteurs Peter Gräber, der 1989 die Unnaer Delegation zur Besiegelung ... nach Döbeln: Peter Gräber. ... Mauer fallen und die Wende.
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Unna

Nr. 205 · RUN04

Donnerstag, 3. September 2009

KURZ NOTIERT

BLICKPUNKT:

Die Bahnstrecke Richtung Dortmund ist am Wochenende eine Baustelle. Aufgrund von Bauarbeiten wird die Bahnstrecke Dortmund Hauptbahnhof - Dortmund Signal-Iduna-Park für den Bahnverkehr komplett gesperrt. Alle Verbindungen auf dieser Linie werden an diesen Tagen entweder umgeleitet oder fahren nicht bis Dortmund Hauptbahnhof.

Alltag in der DDR: Vor einer Tankstelle wartet eine lange Schlange Trabbis. Ganz am Ende kommt der Mercedes meines Kollegen Konrad Harmelink ins Bild (leider nur der Kotflügel zu erkennen).

Schöne Dorfmitte. Billmerichs Mitte soll schöner werden. Speziell die Freifläche zwischen Ehrenmal/ Spielplatz und dem Neubaugebiet ist bisher eine einzige wilde Wiese. Die Interessengemeinschaft Billmericher Vereine beschloss am Dienstagabend, dass der Erlös des Gemeindefestes für die Neugestaltung ausgegeben werden soll. Stolze 7 243 Euro kamen bei dem Fest im Juni zusammen. Davon sollen unter anderem Obstbäume gepflanzt, eine Bruchsteinmauer zur Spielplatzseite hin gebaut und das Gelände soll begradigt werden. Außerdem werden auf der Kluse zwei neue Bänke jens/sza aufgebaut. Wolfgang

Janz

hat die schnellste Taube. Am Samstag wurden 2 715 Brieftauben der Reisevereinigung „Haarstrang” Unna zu ihrem dritten Preisflug für Jungtauben ab Neuhof-Flieden (180 Kilometer Entfernung) um 8.10 Uhr aufgelassen. Die schnellste Taube erreichte um 10.34 Uhr bei Wolfgang Janz ihren Heimatschlag. Die ersten 20 Preise teilten Wolfgang Janz mit den Plätzen 1 bis 6, 9., 17., 18. u. 20. und Renate Börsten mit den Plätzen 7, 8, 10 - 16 u. 19 unter sich auf. Der nächste Flug soll am Samstag in Bad Kissingen (225 km) gestartet werden.

LÜSA-Sommerfest. Das Projekt LÜSA zur Langzeitunterstützung von Drogenabhängigen veranstaltet am Samstag, 19. September, ein kinderfreundliches Sommerfest von 11 bis 17 Uhr. Unter anderem wird es einen Trommelworkshop und einen Trödel geben. Freizeitkapitäne

gesucht.

Start frei für die neue Ausbildungssaison der Segler des Polizeisportvereins Unna. Los geht es mit dem SBS-Schein für den Sportbootführerschein See. Der Kurs beginnt am Mittwoch, 28. Oktober um 19 Uhr im Schulungsraum der Sporthalle des Ernst-BarlachGymnasium. Für alle Binnensegler (SBB) beginnt die Ausbildung am Montag, 11. Januar 2010, um 19 Uhr im Schulungsraum der Sporthalle des Ernst-Barlach-Gymnasiums. Der Kurs zur Erlangung des SKS-Scheins beginnt am Mittwoch, 13. Januar 2010, um 19 Uhr im Schulungsraum der Sporthalle des Ernst-BarlachGymnasiums. Die Segelabteilung lädt alle Interessenten am Montag, 21. September, ab 19 Uhr zu einem Informationsabend in die Gaststätte „Deutsches Haus” in der FriedrichEbert-Straße 71 ein. Nähere Informationen über alle Ausbildungsgänge gibt es auch unter der Nummer ꇴ 02303-65 98 44.

Die Villa Beo startet am kommenden Samstag, 5. September, eine neue Veranstaltungsreihe unter dem Motto „House im Wald”. Alle zwei Monate werden unter diesem Titel namhafte DJ’s aus der House-Szene in der Villa Beo, Bornekampstraße 70, aufspielen. Den Beginn am StadtfestWochenende macht Andry Nalin, der als Teil von „Nalin & Kane” mit „Beachball” einen Megahit landete. „House im Wald” startet am Samstag um 23 Uhr, der Eintritt beträgt sieben Euro.

20 JAHRE STÄDTEPARTNERSCHAFT UNNA/DÖBELN

Fotos[2]: Peter Gräber

Erinnerungen unseres Redakteurs Peter Gräber, der 1989 die Unnaer Delegation zur Besiegelung der Städtepartnerschaft nach Döbeln begleitete

Für die Unnaer gab’s kein Bier im Osten Begleitete die Unnaer Delegation nach Döbeln: Peter Gräber. Peter Gräber An meinen Besuch in der DDR vor 20 Jahren kann ich mich wie heute erinnern. Wir begleiteten die Delegation Stadtväter aus Unna zur Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde mit der Stadt Döbeln. Ebenso wie für meinen Kollegen Konrad Harmelink war es damals auch für mich der erste Besuch im anderen Teil Deutschlands. Dass die Partnerschaft zwischen Unna und Döbeln die letzte deutschdeutsche Partnerschaft überhaupt bleiben sollte, war uns natürlich damals nicht bewusst. Wir und auch wohl sonst niemand, den wir trafen, hatten damals nicht geahnt, dass wenige Monate später die Mauer fallen und die Wende kommen würde. Den Hauch der Weltgeschichte, der unsere Reise später umwehte, haben wir folglich nicht wahrgenommen. In Erinnerung geblieben sind mir von meiner damaligen Reise viele sehr persönli-

INFO

Samstag Festakt 쐽 Am Samstag, 5. September,

wird um 10 Uhr in der Bürgerhalle des Rathauses eine Ausstellung zur 20-jährigen Städtepartnerschaft eröffnet. 쐽 Im Anschluss an die Ausstel-

lungseröffnung findet im Ratssaal des Rathauses der offizielle Festakt statt, zu dem auch zahlreiche Vereine und Organisationen eingeladen sind.

che Eindrücke und zwischenmenschliche Begegnungen. An unserem ersten Abend nach Ankunft in Leipzig besuchten wir den berühmten Auerbachs Keller unter der Mäder-Passage, wo schon Goethe Stammgast war, und den er auch in seinem Faust erwähnte. Solche Gedanken gingen uns damals durch den Kopf, als wir eine der berühmtesten Wirtschaften der Welt besuchten. Was wir vorfanden, war ein düsterer, völlig menschenleerer Keller – bis auf einige Kellner, die arbeitslos an der Wand lehnten. Wir setzten uns natürlich unaufgefordert an einen der leeren Tische – eine Todsünde in der DDR, wie wir später erfuhren. Doch nicht der Anranzer, den wir dafür bekamen, und der schnöde Charme der Lokalität ließ uns

staunen – es war die Getränkeund Speisekarte mit kleinen Preisen wie vom anderen Stern: ein Bier 10 Pfennig Ost, die Bockwurst 30 Pfennig Ost, das teuerste Gericht kostete 2 Mark Ost – eine Schlachtplatte. Wir waren so fasziniert, dass wir prompt unseren ersten Bericht darüber verfassten und eine der Getränke- und Speisekarten als Beleg in die Redaktion nach Hause faxten. Die Karte wurde auch prompt am anderen Tag in der Unnaer Lokalausgabe auf Seite 1 veröffentlicht. Nie vergessen werde ich meine ständige Sorge und das ungute Gefühl, bei unseren armen Brüdern und Schwestern drüben aus Unkenntnis irgendwie anzuecken. Nicht nur, dass es uns plötzlich fürchterlich peinlich war, mit

meister stolz in allen Einzelheiten die Geschichte seiner Salami, wie fantastisch sie schmeckt und wie sie hergestellt wird. Als wir den alten Herrn baten, doch mal eine seiner Würste fürs Foto zu holen, guckte er uns völlig verständnislos an: „Wie Salami? Die gibt es doch schon lange nicht mehr bei uns.“

Schwer

dem uralten weißen Mercedes 280 E meines Kollegen Konrad Harmelink unterwegs zu sein. Als wir damit zum ersten Mal tanken mussten, rauschten wir voll ins nächste Fettnäpfchen: Zwar war uns aufgefallen, dass schon ungefähr 500 Meter vor der Tankstelle eine lange Schlange von Trabbis am rechten Straßenrand wartete – scheinbar grundlos. Denn bis auf eine waren ja alle anderen Zapfsäulen an der Tanke frei. Also rauschte mein Kollege Konrad Harmelink mit seinem dicken 280er an den Trabbis vorbei und steuerte die nächste freie Säule an. Unruhe kam auf. Als schließlich einer der Trabbifahrer die Scheibe quietschend herunter drehte und uns „arrogante West-Ärsche” anzischte, dämmerte uns endlich, dass wir uns wohl besser hinten anstellen sollten – schon weil es an den anderen Zapfsäulen auch überhaupt keinen Sprit gab.

Salamis mit Weltniveau: Metzgerei Gerstenberger in Döbeln.

Ein ähnlich schlechtes Gewissen beschlich mich noch einmal nach der offiziellen Vertragsunterzeichnung der Partnerschaftsurkunden in Döbeln durch die Vertreter beider Städte. Wir wurden danach in eine Gaststätte im alten Döbelner Rathaus geführt, wo die Parteifunktionäre unsere kleine Delegation mit Getränken und belegten Brötchen bewirtete. Nichts besonders, wie wir dachten. Doch die ansonsten aufgeschlossenen Döbelner Bürger, die am Tresen in der Gaststube hockten, warfen uns ziemlich verkniffene Blicke zu. Beim nächsten Austreten kam ich mit einem von ihnen vor den Urinal-Rinne ins Gespräch. Er erzählte mir, dass die normale

Döbelner Bevölkerung schon seit ein paar Tagen in weitem Umkreis kein Bier mehr wegen uns bekommen würde. Die Partei habe alle Biervorräte konzentriert, um unsere Delegation bewirten zu können. Wir hatten also nichtsahnend Döbelns komplette Biervorräte getrunken! Während unseres Aufenthaltes fragten wir einmal unseren ständigen Begleiter, der – wie wir später erfuhren – natürlich für die Stasi spitzelte, ob es nicht irgendein ganz typisches Produkt aus Döbeln

Geschichte(n) gebe, über das wir berichten könnten. Er führte uns zu Metzgermeister Max Gerstenberger, ein freundlicher älterer Herr, der „die berühmte weiße Döbelner Salami mit Weltniveau“ erfunden habe und produziere, wie es hieß. Sein Metzgerladen erinnerte mich allerdings eher an ein Fliesenfachgeschäft: weiß gekachelt, die wenigen Würste verloren sich im Laden völlig. Auf dem Hof erzählte uns der Metzger-

erschüttert

wurde unser journalistisches Selbstverständnis bei der Unterzeichnung der Partnerschaftsverträge im Rathaus von Döbeln. Natürlich berichteten wir darüber in Wort und Bild – deshalb waren wir ja schließlich mitgefahren. Während des Festaktes fiel mir auf, dass mein Kollege der Leipziger Volkszeitung aus Döbeln, keinen Finger rührte. Auf meine Frage, ob er denn nicht mitschreiben wolle, bekam ich die erstaunliche Antwort, dass er seinen Bericht über den Festakt schon seit drei Wochen fertig habe! Noch während der Feier erklärte uns der Leipziger Kollege, dass übliche Verfahren in der DDR: Seinen „Bericht“ über die Vertragsunterzeichnung und alle schwülstigen Funktionsärsreden musste er schon Wochen vorher verfassen und anschließend zur Genehmigung an die örtliche Parteileitung schicken, von dort ging sein Text an das übergeordnete SEDBüro, von wo aus er seinen Bericht schließlich mit Änderungswünschen zurück bekam. Mein Kollege und ich waren absolut fassungslos. Der Kollege der Leipziger Volkszeitung, der uns das so freimütig erzählte, machte übrigens nach der Wende Karriere beim Döbelner Anzeiger.

Vor 20 Jahren schlossen Unna und Döbeln die letzte deutsch-deutsche Städteverbindung – auf höchster Ebene von Erich Honecker eingestielt

Partnerschaft mit Döbeln: „Wenig besser als gar nichts” Peter Gräber Rainer Spindler Unna/Döbeln. „Wenig ist für den Anfang besser als nichts”, sagte Unnas Bürgermeister Wilhelm Dördelmann im September vor 20 Jahren. Und „wenig” war seinerzeit schon verdammt viel – eben eine zuvor gar nicht denkbare Partnerschaft zwischen Döbeln/ DDR und Unna/BRD. Allen realsozialistischen Unkenrufen zum Trotz beschloss die Stadtverordneten-Versammlung der Stadt Döbeln am 21. September 1989 im historischen Rathaus die Partnerschaft mit Unna – unterzeichnet von den Bürgermeistern Götz Schröder und Wilhelm Dördelmann. „Eine Option auf die Zukunft”, wie Dördelmann anmerkte, verbunden mit der Forderung seines Amtskolle-

Unnas Bürgermeister Wilhelm Dördelmann (r.) und sein Döbelner Amtskollege unterzeichnen die Partnerurkunde. Foto: Peter Gräber gen: „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR und Achtung der Souveränität.” Wohl wissend und damit den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker zitierend: „Sozialismus und Kapitalismus lassen sich ebenso wenig vereinigen wie Feuer und Wasser.” Gleichwohl sehe er in dem „Städtekontakt”, wie er ihn nannte, die Chance „zur

Erhaltung und Festigung des Friedens”. Kaum war der offizielle, von SED-Spitzeln und Funktionären begleitete Teil beendet, gab es auch schon die erste Kontroverse. Döbelns Bürgermeister Schröder habe der Bundesregierung „Menschenhandel” vorgeworfen, hieß es, Dördelmann habe diesen Vorwurf energisch zurück gewiesen

und gefordert, die große Politik aus dem Spiel zu lassen. Derweil sich die Hoffnungen der DDR-Bürger vom neuen, die deutsch-deutsche Grenze überschreitenden Kontakt doch arg in Grenzen hielten. Sie übten, wie unsere Zeitung damals exklusiv berichtete, „heftig Kritik am System, das immer schlechter werde”. Hoffnungen auf einen Besuch in Unna hatte niemand: „Die haben viel zu viel Angst, dass wir nicht zurück kommen.” Der erste Besuch eines Döbelner Vereins in Unna war auch erst für das Jahr 1991 vorgesehen. Die Städtepartnerschaft mit Döbeln geht im übrigen auf einen Beschluss des Rates aus dem Jahr 1987 zurück und wurde forciert durch den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden im Landtag NRW, Friedhelm Farthmann. Der si-

cherte sich dafür die Zusage Honeckers bei einem gemeinsamen Besuch auf der Leipziger Messe. Zeitgleich mit dem Beschluss einer Städtepartnerschaft mit Döbeln sprach sich der Rat Unna auch für Beziehungen zur ungarischen Stadt Ajka aus - „Städteverbindungen als Stück Friedenspolitik”, wie Bürgermeister Wilhelm Dördelmann sagte. Als einzige „Westzeitung” begleitete damals die Westfälische Rundschau/WAZ die Unterzeichnung in Döbeln, vor Ort der damalige Redaktionsleiter

Konrad Harmelink und Redakteur Peter Gräber. Beide waren als einzige Westjournalisten durch höchstministerielle Genehmigung ganz offiziell akkreditiert. Nach der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde am 21. September in Döbeln folgte der Gegenbesuch mit Unterzeichnung in Unna am 17. Oktober. Notiz am Rande: Die Döbelner Delegation nutzte für Besprechungen nicht den eigens reservierten Sitzungssaal oder das Hotel, sondern den Stadtgarten. Hier war man sicher, dass es keine Abhörgeräte gab. Übrigens: Die Freundschaft zwischen Unna und Palaiseau besteht in diesem Jahr schon 40 Jahre. Warum das 40-Jährige zum Stadtfest nicht gefeiert wird, weiß niemand schlüssig zu erklären. Es soll im nächsten Jahr gefeiert werden, heißt es im Rathaus.