Fachkräfte mit Migrationshintergrund in der Sozialen ... AWS

Schule besuchen, was an meinem Geburtsort nicht möglich gewesen wäre. Nach dem Abschluss eines Sprachstudiums an der Hochschule von Teresina ging ich .... Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 anerkannte Flüchtlinge (vgl. v. Schlippe/El. Hachimi/Jürgens 2003:38). Hamburger beschreibt den Begriff Migration ...
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Helena Cunha Krönner

Fachkräfte mit Migrationshintergrund in der Sozialen Arbeit Grenzen und Chancen von zugewanderten SozialarbeiterInnen in Deutschland

Diplomica Verlag

Helena Cunha Krönner Fachkräfte mit Migrationshintergrund in der Sozialen Arbeit Grenzen und Chancen von zugewanderten SozialarbeiterInnen in Deutschland ISBN: 978-3-8366-2536-4 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009

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Summary Bei der vorliegenden Studie geht es um die Auseinandersetzung mit der Rolle, die Fachkräfte mit Migrationshintergrund in der Sozialen Arbeit der BRD spielen. Nach einem Blick auf Definitionen und grundlegende Fragestellungen, beschäftigt sich die Arbeit mit globalen Migrationsbewegungen und ihren Auswirkungen auf die Zuwanderungssituation in Deutschland. Dabei werden die Lebensbedingungen von Migrant/innen sowie ihre beruflich-gesellschaftliche Integration untersucht. Wir stellen fest, dass die Facetten von Migrationshintergründen sehr vielfältig sind und es sehr unterschiedliche Lebensbedingungen für Migrant/innen in der BRD gibt. Diese Erkenntnisse werden anhand einer Milieustudie von Sinus-Sociovision gesichert dargestellt. Die Situation von Migrant/innen an Hochschulen und Fachhochschulen Sozialer Arbeit wird dahingehend betrachtet, welche Schwierigkeiten - aber auch welche Chancen sie birgt. Ausgehend von 5 Hypothesen werden die empirisch gewonnenen Erkenntnisse der Untersuchung, mit Hilfe von Experteninterviews, aufgezeigt und bewertet. Sie zeigen, dass die im sozialen Bereich tätigen Migrant/innen über ein großes Potential, wertvolle Erfahrungen und vielseitige Kompetenzen – manchmal auch über Grenzen verfügen. Dabei wird deutlich, dass sie u. U. anders handeln als ihre deutschen Kolleg/innen, aber auch auf ganz ähnliche Reflexionsformen und Lösungswege zurückgreifen wie diese. In der Zusammenarbeit von deutschen und nicht-deutschen Fachkräften ist eine wachsende Kollegialität festzustellen, nur bei der vollen Teilhabe von Migrant/innen an der Sozialen Arbeit scheinen noch weitergehende Entwicklungen nötig. Die Ergebnisse der Expertenmeinungen werden in Hinblick auf Konzepte, wie Fremdheitskompetenz, interkulturelle Kompetenz und ressourcenorientierter Sozialer Arbeit untersucht und bewertet. Dabei ist festzustellen, dass Fachkräfte mit Migrationshintergrund über ein sehr wertvolles Wissen für die Praxis Sozialer Arbeit verfügen, enorm wichtige interkulturelle Kompetenzen mitbringen und diese besonders gut entwickeln können, wenn ihnen Gesellschaft und Träger der Sozialen Arbeit eine Chance dafür geben. Migrant/innen dienen als kompetente »Wegweiser« und »Brückenbauer«, sie sind „Kulturdolmetscher/innen“ und nehmen dabei eine Vorreiter-Rolle ein – sowohl für ihre Community als auch für die Mehrheitsgesellschaft. Interkulturelle Kompetenz wird in unserer Zuwanderungsgesellschaft immer mehr zur sozialen Schlüsselqualifikation. Für die anstehenden Entwicklungen der Sozialen Arbeit in Hinblick auf Themen wie Bildung, Migration, 1

Älterwerden, Partizipation, Integration u. a. müssen zukünftig die Ressourcen aller Migrant/innen vermehrt aktiviert, gefördert und eingesetzt werden. Denn sie sind eminent wichtige Akteure in unserer Gesellschaft und in ihrer Rolle als erwiesene Experten für Querschnittsaufgaben in der Sozialen Arbeit sollten sie letztendlich ihren angemessenen Platz finden.

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Inhaltsverzeichnis

Seite

Vorwort

5

1

Die Rolle von Fachkräften mit Migrationshintergrund in der Sozialen Arbeit

7

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Begriffsdefinitionen

9

3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5

Migration im Zeitalter der Globalisierung Globale Migrationsbewegungen Menschheitsgeschichte ist Wanderungsgeschichte Migrationsverläufe in der Globalisierung Enträumlichung des Sozialen Migrationsleistungen Migrationsbewegungen von Frauen Ursachen und Formen weiblicher Migration Fluchtmigration Arbeits- und Heiratsmigration Zuwanderungsbewegungen in der BRD Gastarbeitergeneration bis Greencardregelung Defizitäre Sichtweise von Zuwanderern Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt Die Bedeutung von Zuwanderung für die Gesellschaft Zuwanderer als kreative Akteure der Zukunft Versäumnisse der Zuwanderungspolitik Berufliche Chancen für Zuwanderer Die Arbeitssituation von Migrant/innen Gesellschaftliche Veränderungen durch Zuwanderung Zuwanderungspolitik Einwanderungsland BRD Steuerung von Zuwanderung Erfolgreiche Integrationspolitik – Beispiel Kanada Paradigmenwechsel in der deutschen Zuwanderungspolitik Bestimmung von integrationspolitischen Zielsetzungen

13 13 13 14 14 15 16 16 17 18 19 20 20 20 21 21 23 23 23 24 25 25 26 28 28 28

4 4.1 4.2 4.3

30 30 30 32

4.4 4.5 4.6 4.7

Migrationshintergrund und Migrant/innen in der BRD Definition von Migrationshintergrund Facetten des Migrationshintergrunds Ergebnisse der Sinus-Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ Student/innen mit Migrationshintergrund an deutschen Hochschulen Situation von Migrant/innen an Fachhochschulen Situation von Migrant/innen an Fachhochschulen Sozialer Arbeit Weiterbildungsstudium „Interkulturelle Bildung und Beratung“

35 36 36 38

5 5.1 5.2 5.3 5.4

Soziale Arbeit und Migration Kompetenzen im Umgang mit dem/n Fremden in der Sozialen Arbeit Fremdheitskompetenz Interkulturelle Kompetenz Ethnospezifische Kompetenz

39 39 42 44 48

3

5.5 5.6

Transkulturelle Kompetenz Ressourcenorientierte Soziale Arbeit

49 49

6 6.1 6.2

Interkulturelle Ausrichtung von Institutionen Grundlagen der interkulturellen Ausrichtung von Institutionen Die Bedeutung interkultureller Beratung für die Integration

52 52 53

7 7.1 7.2 7.3

Methode der empirischen Arbeit: Experteninterviews Begriff des Experteninterviews Erhebungsverfahren der Daten Hypothesen zur Rolle von Migrant/innen als Fachkräfte in der Sozialen Arbeit Erstellung des Interview-Leitfadens Vorstellung des Interview-Leitfadens Auswahlverfahren der sechs Experten Vorstellung der Experten Durchführung der Experteninterviews

55 55 55 56

7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 8

57 57 58 59 60

8.4.3 8.4.4

Zusammenfassung der Ergebnisse – Experteninterviews 61 Besondere Potentiale von Fachkräften mit Migrationshintergrund Spezifische Kompetenzen von Fachkräften mit Migrationshintergrund Mögliche Schwierigkeiten oder Problematiken Diskussion der empirischen Ergebnisse in Hinblick auf methodische Ansätze und Konzepte in der Sozialen Arbeit Die Potentiale und Kompetenzen von Fachkräften mit Migrationshintergrund Interkulturelle Kompetenzen von Fachkräften mit Migrationshintergrund Mögliche Problematiken von Fachkräften mit Migrationshintergrund Berufliche Chancen von Fachkräften mit Migrationshintergrund

9

Fazit

76

Literaturverzeichnis

85

Anhang / Teil I

92

Anhang / Teil II

103

8.1 8.2 8.3 8.4 8.4.1 8.4.2

4

61 64 66 67 67 70 72 74

Vorwort Das Thema Migration bzw. Migrationshintergrund spielt nicht nur bei ca. 15 Mio. Menschen in Deutschland, sondern auch in meinem eigenen Lebenslauf eine wichtige Rolle. Brasilien, mein Herkunftsland, ist ein klassisches Einwanderungsland mit einer langen Zuwanderungsgeschichte und einer multi-ethnischen bzw. –kulturellen Bevölkerungsstruktur. Heute hat es gewaltige Probleme mit der Ungleichheit seiner Gesellschaft, dem Prozess einer wachsenden sozialen Desintegration und der Vergeudung von natürlichen Ressourcen und von Kapital, auch humanem. Brasilien weist eine intensive Binnenmigration auf, viele Bewohner/ innen aus armen, ländlichen Gebieten flüchten bis heute in die großen Städte. Durch die Entwicklung bestimmter ländlicher Regionen, die z. B. durch extensiven Sojaanbau wirtschaftlich und infrastrukturell wachsen, kehren aber inzwischen auch wieder Menschen in diese Gebiete zurück. Durch diese Migrationsbewegungen erhoffen sie sich stets eine Verbesserung ihrer Lebenssituation, versprechen sich davon, eine Arbeit zu finden bzw. Zugang zu Bildung und wirtschaftlicher Stabilität zu erhalten. Daneben gibt es auch schätzungsweise ca. 4 Mio. Brasilianer/innen, die im Ausland leben, wobei sie überwiegend in die USA bzw. in den europäischen Raum emigriert sind. Als achtjähriges Kind erlebte ich die Binnenmigration meiner Familie von einer Kleinstadt im brasilianischen Hinterland in die ca. 500 km entfernte Hauptstadt des Bundeslandes Piauí. Nur dort konnten meine Geschwister und ich eine höhere Schule besuchen, was an meinem Geburtsort nicht möglich gewesen wäre. Nach dem Abschluss eines Sprachstudiums an der Hochschule von Teresina ging ich nach Europa, zuerst als Au-Pair nach Belgien, später für vier Jahre nach England, um dort eine weitere Ausbildung abzuschließen. Im Jahr 2000 kam ich nach Deutschland, lernte die deutsche Sprache von Grund auf und studierte hier Soziale Arbeit. Eine glückliche Gelegenheit war für mich im Jahr 2001 die Möglichkeit, bei einer Beratungsstelle für Migrant/innen ein Vorpraktikum bei einer brasilianischen Mitarbeiterin absolvieren zu können. Dadurch konnte ich zum einen meine ersten praktischen Erfahrungen in Sozialer Arbeit mit Menschen, die ebenfalls Migrationshintergrund haben, sammeln; zum anderen lernte ich im direkten Austausch mit Migrant/innen und Fachkräften aus verschiedenen Ländern und Kulturen ihre Nöte, ihren Hintergrund, ihre Kompetenzen besser verstehen und konnte meine eigene Geschichte sowie meine Motivationen für ein Studium der Sozialen Arbeit besser erkennen. 5

Für die bereitwillige Unterstützung, die vielfältigen Anregungen und die wertvollen Erkenntnisse, die ich durch alle Interviewpartnerinnen bei der vorliegenden Arbeit erhalten habe, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken! *

Hinweis: Wenn im Verlauf der vorliegenden Arbeit von »Fachkräften « die Rede ist, sind damit stets ausdrücklich »Fachkräfte Sozialer Arbeit mit Migrationshintergrund« gemeint.

„… Migranten sind die Fenster, durch die die Einheimischen die Welt sehen können“ entnommen aus: Flusser, Vilém 1994: Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den Nationalismus. Bensheim.

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1

Die Rolle von Fachkräften mit Migrationshintergrund in der Sozialen Arbeit

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Rolle von Fachkräften mit Migrationshintergrund in der Sozialen Arbeit. In Zeiten der Globalisierung rückt die Bedeutung von weltweiten Migrationsbewegungen, verbunden mit all ihren Auswirkungen, in immer komplexer werdende Zusammenhänge - auch in der BRD. Trotz einer kürzlich geschätzten Anzahl von ca. 15,3 Mio. Menschen mit unterschiedlichsten Migrationshintergründen ist die BRD für viele Einheimische und Politiker bestimmter Coleur anscheinend immer noch kein Einwanderungsland, obwohl es - de facto - längst eines geworden ist. Der Blick auf die hier lebenden Zuwanderer ist massiv geprägt von einer defizitär orientierten Sichtweise - auch oder gerade in der Sozialen Arbeit! Hier interessiert mich die Frage, ob es nicht nur gegenüber der Klientel mit Migrationshintergund, sondern auch gegenüber Fachkräften Sozialer Arbeit ähnlich gelagerte Vorurteile oder Vorbehalte gibt. In der gesichteten Fachliteratur scheinen zugewanderte Menschen häufig »Migrationsschicksale zu erleiden« (vgl. z. B. Vahsen 2000: 2) und ihnen werden multiple Akklimatisierungs-, Integrations-, Kultur-, Lern-, Sprach- oder sonstige Defizite zugeschrieben. Sie scheinen sich nicht so in die deutsche (oder abendländische) »Leitkultur« zu integrieren, wie sich die konservative Mehrheitsgesellschaft das so vorstellt. Zuwanderung, Ausländerfeindlichkeit, Integration, Qualifizierung, Beschäftigung und die damit verbundenen Perspektiven sind Themen von großer gesellschaftlicher und sozial-politischer Sprengkraft - aber auch von beträchtlichen Chancen für Migrant/innen und die Aufnahmegesellschaft. Karl Lauterbach (2007) aber findet keine Schuld bei den Migrant/innen, sondern hat die Defizite in unserem Bildungssystem ausgemacht. Er stellte fest, dass Kinder aus Akademikerfamilien sechsmal so häufig wie Arbeiterkinder zum Gymnasium geschickt werden, bei gleicher Begabung. Bei Beamtenkindern besuchen fast 85 Prozent das Gymnasium, ihre Begabung spielt dabei (fast) keine Rolle. Nie würden Akademikereltern ihre Kinder auf eine Hauptschule schicken, die ihre Absolventen lebenslang stigmatisiert. Solange es Hauptschulen gibt, werden sie also mit den Kindern der Migrant/innen und Arbeiter/innen gefüllt werden. Der Staat sorgt durch das dreigliedrige Schulsystem dafür, dass jeder nach seiner sozialen Herkunft seinen Platz in dieser Gesellschaft zugewiesen bekommt (Lauterbach 2007:1). 7

Einwanderer genießen in der BRD immer noch nicht die vollen Bürgerrechte, sie sind in vielen, z. B. politischen Gremien, unterrepräsentiert und ihr Anteil an der Bevölkerung spiegelt sich noch nicht in ihrer Teilhabe an Bildung und Arbeit – auch in sozialen Diensten - wider. In dem durchaus kontrovers diskutierten Rahmen des Migrationshintergrunds findet sich meine Motivation für die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit und bewegt sich mein besonderes Interesse für die Frage, welche Rolle heute die Migrant/innen in der Sozialen Arbeit bzw. in der deutschen Gesellschaft spielen (können). Angesichts der relativ hohen Ansprüche an Ausbildung, Bildung und der Handhabung von ethnischer und kultureller Vielfalt, sind meiner Meinung nach neue Denkansätze und zukunftsfähigere Lösungen für eine erfolgreiche, damit auch gelingende berufliche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland notwendig. Mir stellt sich die Frage, ob es unter den Menschen mit Migrationshintergrund in diesem Land so etwas wie eine »ignorierte Ressource« gibt? Autoren wie Schultejans (2007) sprechen sogar von einer »ignorierten Elite«. Anders gefragt: Kann es sich diese bundesrepublikanische Gesellschaft aus bildungsbezogener, ökonomischer bzw. sozialpolitischer Sicht weiterhin erlauben, das vorhandene Potential und die vielseitigen Kompetenzen seiner Zuwanderer so sehr zu vernachlässigen bzw. so ungenutzt zu lassen wie bisher? Auf der Grundlage der Ergebnisse von leitfadengestützten Experteninterviews mit Fachkräften, die über langjährige Erfahrungen in der Sozialen Arbeit mit Migrant/ innen verfügen, sollen aussagekräftige Erkenntnisse bezüglich der Lebenswirklichkeit von Fachkräften mit Migrationshintergrund - in Hinblick auf ihre berufliche Rolle in der Praxis Sozialer Arbeit gewonnen werden. Diese vielfältigen Impulse und Migrationsleistungen sowie die vorhandenen bzw. erworbenen interkulturellen Kompetenzen von Fachkräften der Sozialen Arbeit sollen in der vorliegenden Studie differenziert aufgezeigt, kritisch hinterfragt, empirisch untersucht und - anhand der aufgestellten Hypothesen - überprüft, bewertet und danach in Bezug zu Theorie und Praxis Sozialer Arbeit gesetzt werden.

8

2

Begriffsdefinitionen

In diesem Kapitel werden die wichtigsten Begrifflichkeiten definiert, mit denen sich die vorliegende Studie befasst und die einer grundlegenden und umfassenden Erklärung bzw. Definition bedürfen. Migration Migration (lateinisch u. englisch = Wanderung) bezeichnet als Oberbegriff den Wanderungsprozess von Einzelnen und Gruppen über Nationalitätsgrenzen hinweg (vgl. Fachlexikon der Sozialen Arbeit 2002:643). Migration hat vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung von Produktionsstrukturen ein Ausmaß erreicht, das sie zu einem prägenden Faktor der heutigen Welt macht. Bei den weltweit geschätzten ca. 200 Mio. Migrant/innen handelt es sich allerdings um sehr unterschiedliche Gruppen, die sich so verteilen lassen: Arbeitsmigrant/innen mit gesichertem Rechtsstatus, illegale Arbeitskräfte, Asylbewerber/innen und nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 anerkannte Flüchtlinge (vgl. v. Schlippe/El Hachimi/Jürgens 2003:38). Hamburger beschreibt den Begriff Migration als „eine allgemeine Sammelbezeichnung für den Umstand, dass Personen für einen längeren oder unbegrenzten Zeitraum einen früheren Wohnort verlassen haben und in der Gegenwart in einem anderen Land als ihrem Herkunftsland leben“ (Hamburger 2001:1211). Der soziologische Migrationsbegriff versteht unter Wanderung eine räumliche Bewegung, die einen Wechsel der Wohnsituation bedingt, also eine Veränderung der Position im physischen und sozialen Raum. Im Begriff der Migration sind also die Dimensionen Raum, Zeit und Sozialität in spezifischer Weise enthalten (vgl. ebenda:1212). Hamburger unterscheidet bei Migrationsursachen zuerst zwischen gewaltsam erzwungener Wanderung und freiwilliger Mobilität. Der Wanderungsgrund ist für ihn wichtig für das Verständnis des individuellen Sinnzusammenhangs, wie auch der sozialen Bedeutung der Migration (vgl. ebenda:1212). Der weitere Verlauf des Migrationsprozesses soll nach Hamburger auch davon abhängen, „ob das Handeln des Migranten auf die Erreichung bestimmter Migrationsziele ausgerichtet ist oder ob er sich nur an den Gelegenheiten, die sich ihm bieten, orientiert. Hat er feststehende Ziele im Herkunftsland im Auge, beispielsweise in der Sozialstruktur des Auswanderungslandes einen höheren Rang zu erreichen, wird er sich auch im Einwanderungsland ganz auf dieses Ziel konzentrieren und vor allem mit Personen Kontakt halten, 9