Fabienne Becker-Stoll

soziale Kompetenzen als bei Kindern mit unsicherer. Elternbindung. • Sicher gebundene Kinder verfügen. • weiterhin in unterschiedlichen Altersstufen.
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Begegnungskompetenz Was macht Profis hilfreich? APF-Tagung 18.11.2016 in Köln

Bindung – Begegnung – Reflexion Von der Bindungserfahrung zur Beziehungskompetenz Fabienne Becker-Stoll Staatsinstitut für Frühpädagogik

© Fabienne Becker-Stoll 2016

Fotos: Jochen Fiebig, IFP, 2007 in Krippen der LHM

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1. Von der Bindungserfahrung

zur Beziehungskompetenz

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Grundzüge der Bindungstheorie Das, was bei Erikson das Urvertrauen ist, wurde von John Bowlby in seiner Bindungstheorie als sichere Bindung definiert und in der Bindungsforschung zunächst durch Mary Ainsworth empirisch überprüft (Bowlby, 1987/2003, Ainsworth et al. 1978).

Inzwischen gibt es eine Vielzahl an empirischen Untersuchungen, die die Auswirkungen früher Bindungs-erfahrungen auf die seelische Gesundheit überprüfen (Grossmann, Grossmann, Waters, 2005). © Fabienne Becker-Stoll 2016

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Grundzüge der Bindungstheorie • Der Mensch ist von Geburt an mit zwei grundlegenden Verhaltenssystemen ausgestattet, die sein Überleben und das seiner Art sichern – Bindungsverhaltenssystem

– Explorationsverhaltenssystem

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(Bowlby 1987/2003)

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Grundzüge der Bindungstheorie • Das Bindungsverhaltenssystem ermöglicht es dem Kind von Geburt an, Bindungsverhalten gegenüber einer oder einigen wenigen Personen zu zeigen. – Bindungsverhalten zielt darauf ab, die Nähe einer bevorzugten Person zu suchen, um dort Sicherheit zu finden. • Die meisten Kinder entwickeln in den ersten neun Lebensmonaten Bindungen gegenüber Personen, die sich dauerhaft um sie kümmern. – Dabei ist das Kind aktiv und hat die Initiative bei der Bildung von Bindung.

• Durch Fremdheit, Unwohlsein oder Angst wird das Bindungssystem aktiviert, und die Erregung wird durch Wahrnehmung der Bindungsperson – durch Nähe, liebevollen Körperkontakt und Interaktion mit ihr – beendet. © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Bowlby, 1951,1987/2003; Ainsworth 1964/2003)

Grundzüge der Bindungstheorie • Das Kind bindet sich nicht nur an die Bezugsperson, die es versorgt, – sondern auch an andere Personen, die mit ihm spielen und interagieren.

• Auch wenn das Kind zu mehreren Personen Bindungsbeziehungen entwickelt, sind diese eindeutig hierarchisch geordnet. – Das Kind bevorzugt eine Bindungsperson vor den anderen.

• Hat ein Kind eine Bindung zu einer bestimmten Person aufgebaut, kann diese nicht ausgetauscht werden. – Längere Trennungen oder gar der Verlust dieser Bindungsfigur führen zu schweren Trauerreaktionen und großem seelischen Leid. © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Bowlby, 1951,1987/2003; Ainsworth 1964/2003)

Grundzüge der Bindungstheorie • Komplementär zum Bindungsverhaltenssystem ist das Explorationsverhaltenssystem. • Das Explorationsverhaltenssystem bietet die Grundlage für die Erkundung der Umwelt. • Explorationsverhalten ist jede Form der Auseinandersetzung mit der Umwelt und damit die verhaltensbiologische Grundlage von Lernen. • Aber auch das Bindungsverhalten dient dem Lernen – Es hält das Kind in der Nähe und in der Interaktion zur Bindungsperson von und mit der es am meisten lernen kann. © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Bowlby, 1951,1987/2003; Ainsworth 1964/2003)

Grundzüge der Bindungstheorie • Ein Kind kann nur dann Explorationsverhalten zeigen wenn sein Bindungsverhaltenssystem beruhigt ist. – Hat das Baby zu einer Person eine Bindung aufgebaut, kann es von dieser aus seine Umwelt erkunden.

• Kommt das Kind dann bei seinen Erkundungsversuchen in eine Überforderungssituation wird sein Bindungsverhalten aktiviert und es wird zur „sicheren Basis“ der Bindungsperson zurückkehren. – Dort gewinnt das Kind meist über Körperkontakt seine emotionale Sicherheit wieder.

• Das Bindungsverhaltenssystem beruhigt sich und das Explorationsverhaltenssystem wird wieder aktiviert, sodass das Kind sich von seiner „sicheren Basis“ lösen und der Erkundung der Umwelt zuwenden kann. © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Bowlby, 1951,1987/2003; Ainsworth 1964/2003)

Kreis der Sicherheit Kreis der Sicherheit – wie Bindungspersonen auf die Bedürfnisse ihres Kindes achten Die Bindungsperson als sichere Basis und sicherer Hafen Die Bindungsperson soll das Kind beschützen, trösten, seine Gefühle ordnen und sich an ihm freuen.

Die Bindungsperson ist dabei immer grösser, stärker, klüger und liebenswürdig. Wenn möglich folgt sie den kindlichen Bedürfnissen, wenn nötig übernimmt sie die Leitung.

Das Kind braucht einen sicheren Hafen, zu dem es zurückkehren kann und der es willkommen heißt

Das Kind braucht eine sichere Basis um von da aus die Umwelt zu erkunden.

Die Bindungsperson soll das Kind bei der Exploration unterstützen, auf es aufpassen und sich mit ihm freuen.

Kreis der Sicherheit – angepasst nach Cooper, Marvin & Powell (2000) und ScheuererEnglisch, Suess, Pfeifer (2003, Wege zur Sicherheit, S. 27) © Fabienne Becker-Stoll 2016

Das Konzept der Feinfühligkeit •

Die Fähigkeit und Bereitwilligkeit der Betreuungsperson, die Mitteilungen und das Verhalten des Säuglings – wahrzunehmen und – richtig zu deuten, – und darauf prompt – und angemessen zu reagieren.

Die Feinfühligkeit der Eltern hängt mit ihren eigenen Bindungserfahrungen, der Fähigkeit diese zu reflektieren und der aktuellen Situation zusammen. Dem Kind kann es immer nur so gut gehen, wie es der Person geht, die es betreut. Um Feinfühligkeit gegenüber dem Kind zeigen zu können, brauchen Eltern selber viel Unterstützung und emotionale Zuwendung. Aber: Elterliche Feinfühligkeit ist veränderbar und erlernbar – sogar für Eltern mit Schrei-Babys (z.B. van den Boom, 1994) © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Ainsworth, 1977,1978/2003)

Väterliche Feinfühligkeit (Kindler & Grossmann, 2002)

• In westlichen Gesellschaften zeichnen sich die Vater-Kind-Beziehungen durch einen hohen Anteil spielerischer Interaktion aus, also durch größere Nähe zur Exploration. • Viele Väter neigen dazu, die Neugier und die Fähigkeiten des Kindes eher herauszufordern, als sein nach körperlicher Nähe strebende Verhalten zu unterstützen (Kindler, 2002). Forschungsergebnisse zeigen: Zusammenhänge zwischen der feinfühligen Ermutigung des Vaters zur Qualität der Exploration und dem weiteren Verlauf der Bindungs- und Sozialentwicklung sowie der emotionalen Sicherheit des Kindes in neuartigen Situationen (Grossmann, 2002). © Fabienne Becker-Stoll 2016

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2. Feinfühligkeit und die Befriedigung der physischen und psychischen Grundbedürfnisse

© Fabienne Becker-Stoll 2016

Frühfördertreffen München Johanneskirchen am 25.06.2015

Psychische Grundbedürfnisse (Edward Deci & Richard Ryan, 1992)

Bindung

Kompetenz

Autonomie

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enge zwischenmenschliche Beziehungen eingehen, sich sicher gebunden fühlen, sich selbst als liebesfähig und liebenswert erleben (Bowlby, 1969, 1973; Ainsworth, 1979)

Effektive Interaktion mit Umwelt, positive Ergebnisse erzielen, negative verhindern können (White, 1959) freie Bestimmung des eigenen Handelns, selbstbestimmte Interaktion mit der Umwelt (Deci & Ryan, 1985)

Frühfördertreffen München Johanneskirchen am 25.06.2015

Grundbedürfnisse, Selbstkompetenz, Begabung • Die Befriedigung der psychischen Grundbedürfnisse nach – Bindung – Kompetenzerleben – Autonomie • ist die Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung • nicht nur in der frühen Kindheit • aber hier ganz besonders, weil Kinder gänzlich von ihrer Umwelt abhängig sind, um ihre physischen und psychischen Grundbedürfnisse befriedigen zu können.

© Fabienne Becker-Stoll 2016

Frühfördertreffen München Johanneskirchen am 25.06.2015

Grundbedürfnisse im sozialen Kontext (Skinner & Wellborn, 1991) Kontext



Elterliches Engagement

Selbst



Verhalten 

Bindung

Struktur Unterstützung

Kompetenz

Autonomie Förderung

Autonomie

Ergebnis Beziehungsfähigkeit

Engagement vs. Rückzug

Fertigkeiten und Fähigkeiten SelbstRegulation

Auseinandersetzung mit der Umwelt und Bewältigung von Entwicklungsaufgaben © Fabienne Becker-Stoll 2016

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2. Auswirkung sicherer Bindungserfahrungen auf die weitere Entwicklung des Kindes

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Bindung und Kompetenzentwicklung Die Ergebnisse der längsschnittlichen Bindungsforschung wie z.B. in der Regensburger Längsschnittstudie zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen • Erfahrungen elterlicher Feinfühligkeit, • Aufbau von sicheren Bindungsbeziehungen • und Kompetenzentwicklung von Kindern von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter (Grossmann & Grossmann, z.B. 2012) © Fabienne Becker-Stoll 2016

Auswirkung sicherer Bindungserfahrungen auf die weitere Entwicklung des Kindes

• Bereits am Ende des ersten Lebensjahres zeichnen sich sicher gebundene Kinder durch subtilere und vielfältige Kommunikationsfähigkeiten aus (Ainsworth & Bell, 1974, vgl. Grossmann & Grossmann, 1991). • Im Alter von zwei Jahren sind diese Kinder in Problemlösesituationen eher in der Lage, auf soziale Ressourcen, z.B. die Unterstützung durch die Mutter, zurückzugreifen (Matas, Arendt & Sroufe., 1978; Schieche, 1996).

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Auswirkung sicherer Bindungserfahrungen auf die weitere Entwicklung des Kindes

• Im Kindergarten wurde bei sicher gebundenen Kindern weniger aggressives bzw. feindseliges Verhalten gegenüber anderen Kindern und weniger emotionale Isolation und Abhängigkeit von den Erzieherinnen beobachtet. • Sicher gebundene Kinder zeigten mehr Kompetenz im Umgang mit anderen Kindern und eine positivere Wahrnehmung von sozialen Konfliktsituationen und waren sehr viel konzentrierter beim Spiel (Sroufe, 1983; Suess, Grossmann, & Sroufe, 1992).

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Auswirkung sicherer Bindungserfahrungen auf die weitere Entwicklung des Kindes • Schon in der frühen Kindheit zeigen sich demnach bei Kindern mit sicherer Elternbindung höhere soziale Kompetenzen als bei Kindern mit unsicherer Elternbindung. • Sicher gebundene Kinder verfügen • weiterhin in unterschiedlichen Altersstufen • über eine höhere Ich-Flexibilität, • sie können Gefühle und Impulse • situationsangemessen regulieren.

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Auswirkungen elterlicher Feinfühligkeit und sicherer Bindung auf die weitere Entwicklung (Grossmann & Grossmann, 2004)

Im Schulalter - positive soziale Wahrnehmung, - hohe soziale Kompetenz, - bessere Freundschaftsbeziehungen - hohes Selbstwertgefühl und - großes Selbstvertrauen - höhere Ich-Flexibilität - sie sind eher in der Lage, die Kontrolle und Modulation von Impulsen, Bedürfnissen und Gefühlen dynamisch an situative Erfordernisse anzupassen (Sroufe, 1983; Scheuerer-Englisch, 1989 / Zimmermann, 1995 / Spangler & Zimmermann, 2004)

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Die Erfassung von Bindung im Jugend- und Erwachsenenalter - Kleine Kinder bauen bereits im ersten Lebensjahr internale Arbeitsmodelle von ihren Bindungsfiguren und von sich selbst auf (Bowlby, 1969; 2003, Main, Kaplan & Cassidy, 1985; Bretherton, 1990; 1999; Fremmer-Bombik, 1995).

- Ihre wichtigste Funktion ist es, das Verhalten eines Partners voraussehen zu können und das eigene Verhalten in einer Beziehung vorausschauend planen zu können (Bowlby, 1969, 2003). - Bei Erfahrung von feinfühliger Zuwendung entwickeln Kinder ein

Bild von sich als liebenswert und von den Bezugspersonen als liebevoll und hilfsbereit (Grossmann & Grossmann 2004).

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Bindung und Emotionsregulation Die Entwicklung der Inneren Arbeitsmodelle von Bindung erklärt den Übergang von der externalen Emotionsregulation zur internen Selbstregulation. Regulation negativer Emotionen

Bindungserfahrungen

Internale Arbeitsmodelle

Selbstwert Selbstbild Qualität der Bindungsbeziehungen

Umgang mit Belastungen (Coping)

Bowlby, 1980; Sroufe, 1989; Grossmann & Grossmann, 1995; Zimmermann, 2000 © Fabienne Becker-Stoll 2016

Transgenerationale Weitergabe Im Erwachsenenalter belegen Zusammenhänge zwischen - elterlicher Bindungsrepräsentation - mütterlicher Feinfühligkeit - väterlicher Spielfeinfühligkeit - Selbstreflexivität und kohärentem sprachlichen Diskurs und der damit zusammenhängenden Bindungsqualität des eigenen Kindes auch eine transgenerationale Weitergabe der Organisation von Bindung, Exploration und Autonomie (Grossmann, Grossmann & Waters, 2006). © Fabienne Becker-Stoll 2016

Bindungsbeziehungen bieten Schutz • In mehreren Längsschnittstudien erwies sich familiäre Unterstützung als ein wesentlicher Schutzfaktor für die weitere Entwicklung bis ins Erwachsenenalter – und hier insbesondere das Vorhandensein zumindest einer stabilen Betreuungsperson in der frühen Kindheit • auch und gerade für Kinder in mehrfach belasteten Lebenslagen © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Werner, 1989; Werner & Smith, 1992, 2001)

Entwicklungspfade statt Prägung

(Bowlby, 1991)

Alter

pathologischer Bereich © Fabienne Becker-Stoll 2016

Normbereich

pathologischer Bereich

Resilienzforschung von Emmi Werner Aus der 40-jährigen Resilienzforschung von Emmi Werner wissen wir, dass sich diese Anstrengungen langfristig auszahlen, denn

„die Lebensgeschichten der widerstandsfähigen Kinder lehren uns, dass sich Kompetenz, Vertrauen und Fürsorge auch unter sehr ungünstigen Lebensbedingungen entwickeln können, wenn diese Kinder auf Erwachsene treffen, die ihnen eine sichere Basis bieten, auf der sich Vertrauen, Autonomie und Initiative entwickeln können“ (vgl. Werner 1997, 202). Werner, E. (1997). Gefährdete Kindheit in der Moderne: Protektive Faktoren. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 66, S. 192 – 203

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3. Die Bedeutung der ErzieherinKind-Beziehung

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Eine feste Bezugsperson als sichere Basis in der Kita • Damit ein Kind die Bildungsangebote in der Kindertageseinrichtung nutzen kann, braucht es auch dort eine sichere emotionale Basis. • Kinder brauchen im Kontext der außerfamiliären Betreuung eine feste Bezugsperson, von der aus sie explorieren können. • Voraussetzung dafür ist eine behutsame Eingewöhnung, die gemeinsam mit den Eltern geplant und durchgeführt wird. • Kinder bauen im ersten Lebensjahr Bindungsbeziehungen auf, so dass hier eine lange außerfamiliäre Betreuungszeit nicht empfehlenswert ist. © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Ahnert 2006, Becker-Stoll, Niesel & Wertfein 2014)

Eingewöhnung als Qualitätsstandard • Ziel einer behutsamen Eingewöhnung ist es, dass das Kind ausgehend von der sicheren Basis seiner primären Bindungsfigur die zunächst fremde Umgebung der Krippe kennen lernen kann und zu seiner Bezugserzieherin Vertrauen fassen kann. • Die Eingewöhnung erfolgt über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen elternbegleitet, Bezugserzieherin-orientiert und abschiedsbewusst. • Ein deutliches Anzeichen von gelungener Eingewöhnung ist, wenn das Kind aktiv bei seiner Erzieherin Trost sucht und findet. © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Bensel, Haug-Schnabel, 2007)

Die Erzieherin-Kind-Beziehung • Selbst im Gruppengeschehen kann beobachtet werden, wie sich Kleinkinder in belastenden Situationen ihren Betreuungspersonen zuwenden, um sich trösten zu lassen und Sicherheit zu gewinnen. • Diese Beziehungen können als Erzieher-Kind-Bindungen gelten, wobei das Kind Bindungssicherheit seltener mit der Erzieherin als mit seiner Mutter ausbildet. • Erzieherin-Kind-Bindungen sind weder durch die Qualität der Mutter-Kind-Bindung festgelegt, noch können sie die Beziehung zur Mutter ersetzen. • Sie sind funktionell zunächst auf die Bertreuungssituationen in der Krippe beschränkt. (Ahnert, 2006, S.32) © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Ahnert, 2006, 2007, 2010, Ahnert & Pinquart 2006)

Die Erzieherin-Kind-Beziehung Die Qualität der Erzieherin-Kind-Beziehung scheint stärker durch eine gruppenbezogene als durch eine dyadische Feinfühligkeit geprägt zu sein. Sichere Erzieher-Kind-Bindungen entstehen in Kindergruppen, in denen die Gruppenatmosphäre - durch ein empathisches Erzieherverhalten bestimmt wird, - das gruppenbezogen ausgerichtet ist - die Dynamik in der Gruppensituation reguliert. Dieses Erzieherverhalten bildet sich insbesondere in kleinen und stabilen Gruppen aus (Ahnert, 2006 S. 35). Kindgerechte Bildungsprogramme sind auf der Grundlage sicherer Erzieher-Kind Bindungen am wirksamsten. © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Ahnert, 2006, 2007, 2010, Ahnert & Pinquart 2006)

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4. Erzieherin-KindBeziehung und kindliche Entwicklung

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Erzieherin-Kind-Beziehungen und kindliche Entwicklung Mayer, D., Beckh, K., Berkic, J. & Becker-Stoll, F. (2013). Erzieherin-Kind-Beziehungen und kindliche Entwicklung: Der Einfluss von Geschlecht und Migrationshintergrund. Zeitschrift für Pädagogik, 59(6) , 803–816.

• Zusammenhang zwischen einer guten Erzieherin-KindBeziehung im Kindergartenalter und der kognitiven und sprachlichen Entwicklung, sozial-emotionalen Kompetenzen und Problemverhalten (z.B. Ahnert, Milatz, Kappler, Schneiderwind & Fischer, 2013; Burchinal et al., 2008; Mashburn et al., 2008; O’Connor, Brian & Supplee, 2012)

• Elternunabhängiger Einfluss der Erzieherin-KindBeziehungen auf die Entwicklung und unter gewissen Umständen sogar kompensatorische Wirkung (z.B. O’Connor et al., 2012; Split, Hughes, Wu & Kwok, 2012; Watamura, Phillips, Morrissey, McCartney & Bub, 2011) © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Mayer et al. 2013)

Fragestellung Qualität der Erzieherin-KindBeziehung

Geschlecht

Sprachliche Entwicklung •Wortschatz •Kommunikationsfertigkeiten

Migrationshintergrund

Sozial-emot. Entwicklung

1. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Qualität der ErzieherinKind-Beziehung und der sprachlichen und sozial-emotionalen Entwicklung von vierjährigen Kindern? 2. Zeigen sich dabei vergleichbare Effekte der Qualität der Erzieherin-KindBeziehung in Abhängigkeit von Geschlecht und Migrationshintergrund?

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(Mayer et al. 2013)

Methode NUBBEK - Teilstichprobe der Vierjährigen (N=714) Alter: M=53.92 Monate, SD=3.72

Jungen Mädchen Gesamt

ohne Migrationshintergrund 250 251 501

mit Migrationshintergrund* Gesamt 98 348 115 366 213 714

*türkischer oder russischer Migrationshintergrund

• Keine Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich der Merkmale Alter des Kindes und Geschlechterverteilung • Unterschiede hinsichtlich Bildung der Mutter, sozioökonomischer Status der Familie und Qualität der Mutter-Kind-Beziehung: Familien ohne Migrationshintergrund höhere Werte © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Mayer et al. 2013)

Untersuchungsinstrumente α

Maß

Instrument

Erzieherin-KindBeziehung

Kurzform Student Teacher Relationship Scale (STRS; Pianta, 1992)

Rezeptiver Wortschatz in Deutsch

Peabody Picture Vocabulary Test (PPVT IV; Dunn & Dunn, 2007)

Kommunikationsfertigkeiten in Alltagssituationen

Subskala Vineland Adaptive Behavior Scale (VABS; Sparrow,

α >.81



über Triadic-Split Aufteilung der Stichprobe in drei gleich große Gruppen: • niedrige ( 4.54) Bsp.: „Wenn das Kind aufgebracht ist, sucht es bei mir Trost.“ (1=trifft überhaupt nicht zu; 5=trifft voll und ganz zu) α >.77

Bsp.: „schlafen“ α >.90

Cicchetti & Balla, 2005) • Gesamtwert aus Mutter- und Erzieherin-Einschätzung Bsp.: „Benutzt besitzanzeigende Wörter in Sätzen, z.B. „Das ist ihr Buch“; „Das ist Lisas Ball“ etc.“ (1=tut es nicht; 2=tut es teilweise; 3=tut es)

Sozial-emotionale Social Skills Improvement Rating System (SSIS; Gresham & Elliot, Entwicklung 2008) • Gesamtwert aus Mutter- und Erzieherin-Einschätzung Bsp.: „Versucht die Gefühle anderer zu verstehen“ (1=niemals; 4=fast immer) Kontrollvariablen: Alter des Kindes, sozio-ökonomischer Status der Familie (SES), Bildung der Mutter (ISCED-97), Mutter-Kind-Beziehung (CPRS) © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Mayer et al. 2013)

α >.90

Bedeutung der Erzieherin-Kind-Beziehung • Unter Kontrolle der Familienvariablen hatte die Qualität der ErzieherinKind-Beziehung auf jedes der Entwicklungsmaße einen signifikanten Effekt:

zusätzlicher Effekt einer guten Erzieherin-KindBeziehung auf die Entwicklung der Kinder über familiäre Einflussfaktoren hinaus. • Kinder mit einer hohen Erzieherin-Kind-Beziehungsqualität zeigten die höchsten Werte in den Entwicklungsmaßen – rezeptiver Wortschatz in Deutsch, – Kommunikationsfertigkeiten in Alltagssituationen – und sozial-emotionale Kompetenzen. • Das entspricht den Befunden in anderen Studien: Burchinal et al., 2000, 2008; Mashburn et al., 2008; O’Connor et al., 2012 © Fabienne Becker-Stoll 2016

(Mayer et al. 2013)

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5. (Interaktions)qualität in

Kitas verbessern

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Zeit-online Recherche - Mai 2016!

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© Staatsinstitut für Frühpädagogik

Modellprojekt „Pädagogische Qualitätsbegleitung“ 1. 2. 3.

4.

5. 6.

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Gemeinsames Qualitätsverständnis als Grundlage (vom Kind abgeleitet mit Fokus auf Interaktionsqualität Personal-Kind). Instrumente, mit denen Interaktionsqualität im pädagogischen Alltag sichtbar gemacht und erklärt werden kann. Vorgehen, das Ressourcen und Kompetenzen in den Kitas nachhaltig aktiviert (Selbst-Reflexion – Selbst-Evaluation) und sich für jede Kita eignet. Inhouse-Fortbildungen im Sinne einer langfristigen, systematischen Prozessbegleitung, mit Fokus Interaktionsqualität, die sich sowohl an den Bedarfen als auch an den Ressourcen der Kita orientiert. Ein Modularer Lehrgang für erfahrene Fortbildner/Fachberater, der ein gemeinsames Qualitäts- und Beratungsverständnis herstellt. Aufbau eines Qualitäts - Netzwerkes in Bayern (regionale und landesweit).

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Notwendige pädagogische Qualität Den Entwicklungsbedürfnissen von Kindern kann in Kindertageseinrichtungen nur bei hoher pädagogischer Qualität entsprochen werden:

1. Kleinkinder sind in ihrer Entwicklung sehr verletzbar und existentiell von der liebevollen, beständigen Pflege und Versorgung durch vertraute Bezugspersonen abhängig. 2. Pädagogische Qualität in der Kita wirkt sich auf die Entwicklung der Kinder aus. 3. Entscheidend ist die Interaktionsqualität zwischen Erzieherin und Kind.

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Kindertageseinrichtungen unterscheiden sich stark in ihrer pädagogischen Qualität •



Die pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen auch in Bayern zeigt eine zu große Varianz und muss insgesamt verbessert werden. Die strukturellen Rahmenbedingungen sind für die pädagogische Qualität notwendig–sie sind aber nicht hinreichend (alleine durch mehr Personal verbessert sich die Interaktionsqualität nicht)

• Es gibt nicht die eine Maßnahme zur Verbesserung der Qualität in Kindertageseinrichtungen.

Frage: Wie kann die pädagogische Qualität in Bayerischen Kitas nachhaltig weiterentwickelt und gesichert werden?

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Ein Modularer Lehrgang für erfahrene Fortbildner/Fachberater, der ein gemeinsames Qualitätsund Beratungsverständnis herstellt. Qualifizierung für eine neue Tätigkeit mit hohen Anforderungen an die Kompetenzen der PQB, z.B. –

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Wissen bzgl. pädagogischer Qualität, Veränderungsprozessen & Entwicklungspsychologie Fertigkeiten z.B. Beobachtungskompetenzen, Coachingkompetenzen soziale Kompetenzen: z.B. Empathie, Feinfühligkeit, Kommunikationsfähigkeiten Selbstkompetenz: z.B. reflexionsfähigkeit, Eigenverantwortlichkeit…

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Anforderungsstruktur Fachkompetenz Wissen Tiefe und Breite

Fertigkeiten Instrumentale und systemische Fertigkeiten, Beurteilungsfähigkei t

Personale Kompetenz Sozialkompetenz Teamfähigkeit Führungsfähigkeit Mitgestaltung Kommunikation

Selbstkompetenz Eigenständigkeit Verantwortung Reflexivität Lernkompetenz

Quelle: Wegweiser „Frühe Bildung – Bedeutung und Aufgaben der pädagogischen Fachkraft – Grundlagen für die kompetenzorientierte Weiterbildung“ (Leu/Schelle/Diller/Kalicki 2011; S. 75)

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Inhouse-Fortbildungen im Sinne einer langfristigen, systematischen Prozessbegleitung, mit Fokus Interaktionsqualität, die sich sowohl an den Bedarfen als auch an den Ressourcen der Kita orientiert.

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit

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