Experteninterview AWS

Wirtschaft. Statista: Worauf führen Sie das zurück – welche Belege sehen Sie für das Entstehen von „Voice first“? Henze: Die Technologie der Spracherkennung und -synthese in Kombination mit AI (Anmerkung der Redaktion: Artificial Intelligence = Künstliche Intelligenz) hat in diesem Jahr ihren Tipping Point erreicht.
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Experteninterview SMART SPEAKER, VOICE FIRST: „DAS KLASSISCHE KÜCHENRADIO HAT AUSGEDIENT“

Amazon Echo oder Google Home und Alexa oder Siri verändern unsere Mediennutzung und unser Verhalten zu Hause. Unternehmen müssen ihre Angebote und ihre Kommunikation für die Sprachsteuerung fit machen, sagt Rainer Henze vom Bundesverband Digitale Wirtschaft. Das Zeitalter des „Audio Internet“ breche an.

Statista: Sie haben jüngst „Voice first“ als neue Kommunikationsstrategie ausgelobt – was genau steckt dahinter? Rainer Henze: Lange Zeit galt die Devise "Mobile First". Die rasante Verbreitung intelligenter Sprachassistenten erfordert aber ein neues Paradigma. Wenn ein Großteil der Interaktion mit digitalen Systemen künftig ohne Screen auskommt und stattdessen ganz natürlich über menschliche Sprache erfolgt, verändert das die Anforderung an Design und UX (Anmerkung der Redaktion: User Experience) dieser Prozesse fundamental. Das gilt nicht nur für Online-Audio-Angebote und Musikstreaming-Dienste, sondern für alle Bereiche der digitalen Wirtschaft.

Statista: Worauf führen Sie das zurück – welche Belege sehen Sie für das Entstehen von „Voice first“? Henze: Die Technologie der Spracherkennung und -synthese in Kombination mit AI (Anmerkung der Redaktion: Artificial Intelligence = Künstliche Intelligenz) hat in diesem Jahr ihren Tipping Point erreicht. Drei von vier Deutschen (75 Prozent) haben laut einer BVDW-Studie schon heute Erfahrungen mit digitalen Sprachassistenten gesammelt oder können sich vorstellen, diese zu nutzen. Der aktuelle Innovationsschub ist, wie so oft, hardwaregetrieben. Was vor 10 Jahren das erste Smartphone von Apple für das mobile Internet war, ist der Smart Speaker von Amazon für das Audio-Internet. Und die anderen Tech-Giganten ziehen ja bereits nach - ob Google, Microsoft, Apple oder die Deutsche Telekom – alle haben Smart Speaker im Angebot oder bereiten ihren Markteinstieg vor.

Statista: Was können Smart Speaker im Haushalt alles ersetzen? Welche Geräte werden möglicherweise künftig weniger in Haushalten anzutreffen sein? Henze: Das klassische Küchenradio, eine der letzten Bastionen analoger Medientechnologie, hat sicher ausgedient. Aber der Haupteffekt wird gar nicht mal über Verdrängung anderer Geräte erzielt werden, sondern über die Integration von Sprachsteuerung in bestehende Devices, ob Mobiltelefone, Kopfhörer, Fernseher oder sonstige vernetzte Geräte des ‚Internet of Things‘. So wird Voice Control allgegenwärtig. Zumal im kommenden Jahr auch nahezu alle großen Automobilhersteller Alexa & Co. in ihre Fahrzeuge integrieren wollen.

Statista: Was bedeutet die Entwicklung für Medien und Kommunikatoren? Henze: Audio-Kommunikation stellt völlig andere Anforderungen an Werbung und Marketing. Plakativ gesprochen: Auf interfacelosen Devices kann ich keine Banner schalten. Stattdessen muss ich mir Fragen stellen wie: Wie klingt eigentlich meine Marke? Audio-Branding wird extrem wichtig. Für Medien bieten sich ganz neue, non-lineare und bequem zu konsumierende Formate mit hohem Reichweitenpotenzial. Aber auch medienpolitische Themen der Plattformabhängigkeit kommen auf uns zu. Die Unternehmen der Fokusgruppe Audio im BVDW verfügen hier über hohe Kompetenz und agieren bereits heute an der Spitze der "Voice first"Revolution.

ZUR PERSON Rainer Henze ist Gründer und Vorstand der laut.ag, verantwortlich für das Internet-Musikmagazin laut.de und das User Generated Radio™ laut.fm. Sein Werdegang: geboren 1971, aufgewachsen in Wolfsburg, Studium in Konstanz, Hamburg und London, Abschluss als Diplom-Verwaltungswissenschaftler. Ab 1998 Gründungsgesellschafter der Konstanzer Internetagentur SEITENBAU GmbH, seit 2012 Vorsitzender der Fokusgruppe Audio im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), der zentralen Interessenvertretung für Unternehmen, die digitale Geschäftsmodelle betreiben oder deren Wertschöpfung auf dem Einsatz digitaler Technologien beruht. Im Livestream auf laut.fm/rnr spielt er seine Hits des Jahres.

(Bild: BVDW)