Europa im Nord-Süd-Konflikt

Ursache der Eurokrise waren die strukturellen. Unterschiede zwischen export-orientierten. Hartwährungs-Wirtschaften im Norden und binnenabsatz-orientierten ...
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Europa im Nord-Süd-Konflikt

Muss die Währungsunion erhalten werden?

Fritz W. Scharpf Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln

These 1 • Ursache der Eurokrise waren die strukturellen Unterschiede zwischen export-orientierten Hartwährungs-Wirtschaften im Norden und binnenabsatz-orientierten WeichwährungsWirtschaften im Süden. Beide konnten koexistieren, solange die unterschiedlichen Inflationsraten durch Wechselkurs-Änderungen kompensiert wurden. Mit der Währungsunion entfiel diese Möglichkeit. Danach eskalierten die Leistungsbilanz-Defizite im Süden und die Überschüsse im Norden. Das Ergebnis war die Eurokrise von 2010.

These 2 • Seit der Eurokrise geht es in der Währungsunion darum, die strukturelle Divergenz der MitgliedsÖkonomien zu überwinden. Und weil die Krise ja durch die Defizitländer ausgelöst worden war, soll das neue Euro-Regime dort das Wachstum der Binnen-Nachfrage und den Anstieg der Lohnstückkosten beschränken. Strukturelle Konvergenz soll also nach dem Modell der exportorientierten Hartwährungs-Wirtschaften erreicht werden.

These 3 • Ein politisches Risiko folgt aus der mangelnden demokratischen Legitimation der Euro-Politik in den betroffenen Ländern wie auf der europäischen Ebene. Beim Versuch einer Demokratisierung könnte der potenziell explosive Süd-Nord-Konflikt die Währungsunion sprengen.

These 4 • Auch außerhalb des Südens wachsen die Zweifel am schließlichen Erfolg der einseitig auf strukturelle Transformation des Südens gerichteten Konvergenz-Politik. Ein wesentlicher Grund dafür sind die weiter steigenden deutschen Export-Überschüsse.

Grafik 1 10

Leistungsbilanzsaldo, Deutschland und Eurozone-19, 1999-2016 (Quelle: OECD Balance of Payments (MEI) BPM6)

8

% BIP

6 4 2 0 -2 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Deutschland

EA-19

Grafik 2 Lohnstückkosten Deutschland und EZ-19, 1999-2015

(Quellen: OECD Productivity and ULC by main economic activity (ISIC Rev.4); eigene Berechnungen) 130 125

index 1999 = 100

120 115 110 105 100 95 90 85 80 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Deutschland

EA-19

Grafik 3 Reale effektive Wechselkurse, Deutschland und EZ-19, 1995-2015

(Quellen: Eurostat, eigene Berechnungen; VPI-preisbereinigt gegenüber 42 Handelspartnern) 105

index 1995 = 100

100 95 90 85 80 75

Deutschland

EA-19

These 5 • Die deutsche Wettbewerbsstärke beruht nicht auf aktuellen und leicht zu revidierenden Entscheidungen, sondern sie ist das Ergebnis eines quasi-evolutionären strukturellen Sonderweges, der durch politische Intervention nur schwer zu korrigieren (und anderswo auch nicht zu reproduzieren) wäre.

Grafik 4 Exportquote, Deutschland, Frankreich, Italien, 1970-2016 (Quelle: OECD National Accounts at a Glance)

50 45 40

% BIP

35 30 25 20 15 10 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Deutschland

Frankreich

Italien

Grafik 5 Import- und Exportquote, Deutschland, 1990-2015 (Quelle: OECD National Accounts at a Glance)

50 45

% BIP

40 35 30 25 20 15 19901991199219931994199519961997199819992000200120022003200420052006200720082009201020112012201320142015 Importe

Exporte

These 6 • Wegen seiner Größe und strukturellen Besonderheit erscheint das „Modell Deutschland“ in der internationalen Diskussion inzwischen weniger als Vorbild denn als problematischer Sonderfall, dessen negative externe Effekte entweder korrigiert oder kompensiert werden sollten.

These 7 • Die Eurozone steckt in einer Zwangslage, aus der bloße Modifikationen des gegenwärtigen Regimes keinen Ausweg bieten. Effektive Lösungen sollten deshalb auch außerhalb der bisherigen Struktur der Währungsunion gesucht werden. Angesichts ihres politischen und ökonomischen Gewichts läge es an der deutschen Politik, dafür die Initiative zu ergreifen.

Zitat • The time-out solution should be accompanied by supporting Greece as an EU member and the Greek people with growth enhancing, humanitarian and technical assistance over the next years. • BMF, Non paper 10/07/2015