Europa

sagte Mitorganisator Bernhard. Karl. Bis zum 2. Juli zeigt das ... Wolfgang. Murnbergers Film „Kästner und der kleine Dienstag“ mit Florian. David Fitz. SN, dpa.
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KULTUR

D IENSTA G, 7. JUNI 20 16

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Künstler segeln in Richtung

Europa Auch in der Kultur gibt es Gegner und Befürworter eines Brexit. Aus der EU auszuscheiden wäre aber „katastrophal“. KATRIN PRIBYL

Wäre die Geschichte des „Slumdog Millionär“ erzählt worden ohne die Europäische Union? Jene Geschichte des ehemaligen Straßenjungen aus Mumbai, der durch eine Quizshow reich und durch die Liebe glücklich wurde? Und hätte man ohne die EU mehr erfahren vom stotternden König George VI., der die Vorlage bildete für „The King’s Speech“? Die erfolgreichen Filme profitierten in ihrer Entstehung allesamt von Geldern aus Brüssel, möglicherweise würden die Skripts ohne Zuschüsse vom Kontinent noch immer in der Schublade liegen. Es kommt daher wenig überraschend, dass sich der überragende Teil der Kulturszene im Vereinigten Königreich für den Verbleib in der EU ausspricht. Wenige Wochen vor dem Referendum am 23. Juni, bei dem die Briten über ihre Mitgliedschaft in der Gemeinschaft abstimmen dürfen, haben fast 300 Kulturschaffende einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie den Volksentscheid als „größte demokratische Entscheidung unserer Zeit“ bezeichnen. Die Liste ist nicht nur lang, sondern vor allem auch prominent be-

LONDON.

setzt: Schauspieler wie Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Jude Law, Bill Nighy, John Hurt, Kristin Scott Thomas oder Patrick Stewart sind genauso vertreten wie die Regisseure Steve McQueen, Mike Leigh und Danny Boyle. „Lasst uns nicht zu einem Außenseiter werden, der von den Kulissen aus herüberruft“, appellieren die Unterzeichner, zu denen auch Schriftsteller wie John le Carré und Ian McEwan, die Lyrikerin Carol Ann Duffy, Architekten wie David Chipperfield und John Pawson sowie die legendäre Modedesignerin Vivienne Westwood gehören.

In Großbritanniens DNA steckt eigenes Talent Aus der Kunstszene schlossen sich unter anderem Anish Kapoor und Jay Jopling an. „Von der kleinsten Galerie bis zum größten Blockbuster: Viele von uns haben an Projekten gearbeitet, die niemals in die Tat umgesetzt worden wären ohne EU-Förderung oder internationale Zusammenarbeit“, heißt es in dem Schreiben. Großbritannien sei nicht nur stärker in Europa, sondern fantasievoller und ideenreicher. „Vom Bard zu Bowie, britische

Brexit oder nicht? Die Schiffe nehmen auch in der Kultur Fahrt auf.

Kreativität inspiriert und beeinflusst den Rest der Welt“, damit verweisen die Vertreter aus der Film-, Kunst- und Musikszene auf Shakespeare und David Bowie. Der Erfolg würde erheblich geschwächt werden, „wenn wir weglaufen“. Doch das sehen nicht alle so. Lord Michael Dobbs, konservativer Politiker und Autor von „House of Cards“, findet: „Unsere Kreativindustrie boomt wegen des Talents, das in Großbritanniens DNA steckt.“ Und nicht wegen der EU. Im antiken Griechenland habe unsere Zivilisation ihren Ursprung, doch heute füllten „jene Straßen, in denen einst die weltgrößten Philosophen und Theaterautoren zu Hause waren, verzweifelte Bettler und Berge von verrottendem Müll“. Nach Meinung von Dobbs trägt die „entsetzliche Politik der EU“ daran Schuld. „Der Traum ist tot. Wir müssen weitergehen.“ Schauspielerveteran Michael Caine und The-Who-Sänger Roger Daltrey sehen das offen-

bar ähnlich. Sie stehen auf der Seite der Brexit-Befürworter und sind für einen Austritt aus der EU. Auch in den Medien kam der Brief nicht überall gut an. Im „Guardian“ schrieb der Kolumnist Simon Jenkins, die meisten britischen Schauspieler arbeiteten ohnehin in den USA, also außerhalb der EU-Grenzen. „Sie sind wohl kaum Außenseiter in Hollywood.“ Das Schreiben, das von der offiziellen Kampagne „Britain Stronger in Europe“ koordiniert wurde, zeige wieder einmal nur die finanziellen Interessen: „Die meisten Leute stimmen mit ihrem Geldbeutel ab.“ Derweilen unterstützt auch die regierungsunabhängige Creative Industries Federation, der nationale Branchenverband im künstlerischen Bereich, das „Remain“-Lager: 96 Prozent der Mitglieder gaben laut dessen Chef John Kampfner an, in der EU bleiben zu wollen. Er betonte, die Union habe das Startkapital für zahlreiche Filme wie eben auch den Welterfolg „Slumdog Mil-

Haft für kriminelle Festspielmanager erhöht Michael D. und Klaus K. müssen viereinhalb bzw. vier Jahre ins Gefängnis. Keine Fußfessel möglich. ANDREAS WIDMAYER

Michael D. und Klaus K. hatten durch jahrelanges kriminelles Handeln die Osterfestspiele und die Salzburger Festspiele als ihre einstigen Dienstgeber um insgesamt rund zwei Millionen Euro geschädigt. Am Montag kam es nun für die beiden Ex-Manager vonseiten der Strafjustiz ganz dick: Ein Berufungssenat des Oberlandesgerichts (OLG) Linz erhöhte in einer Verhandlung in Salzburg die erstinstanzlichen Haftstrafen für das Duo empfindlich: Michael D., ehemaliger Geschäftsführer der Osterfestspiele GmbH, und Klaus K., einst Technischer Direktor der Salzburger Festspiele, müssen nunmehr viereinhalb Jahre bzw. vier Jahre hinter Gitter. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Angeklagten hätten ein SALZBURG.

„hohes Maß an Schuld auf sich geladen“, betonte Andre Starlinger, der Vorsitzende des dreiköpfigen Berufungssenats. Beide hätten ihre besondere Vertrauensstellung, die ihnen ihre Dienstgeber übertragen hätten, massiv ausgenutzt. In erster Instanz war der nicht geständige Michael D. im Februar 2014 von einem Salzburger Schöffengericht wegen Untreue noch zu drei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Klaus K., nur minimal geständig, hatte damals wegen Untreue und Betrugs drei Jahre und zwei Monate erhalten. Rund um den Ende 2009 aufgeflogenen Osterfestspielskandal waren die Ex-Manager vom Erstgericht schuldig erkannt worden, jahrelang ungerechtfertigte Gehalts- und Honorarzahlungen kassiert zu haben. Laut der damals vorsitzenden Rich-

terin Daniela Meniuk-Prossinger hatte D. von 2002 bis 2009 „ohne Rechtsgrund“ 840.000 Euro von Konten der Osterfestspiele auf Konten von K. überwiesen, und zwar für angebliche „technische Beratungsund Planungsleistungen“ von Klaus K. für diverse Osterfestspielproduktionen. Laut Ersturteil wussten aber beide Angeklagten, „dass keine Zahlungspflicht der Osterfestspiele bezüglich der von Klaus K. gelegten Rechnungen“ bestanden habe. Die zwei Ex-Manager hatten die Schuldsprüche (mittels Nichtigkeitsbeschwerde) und das Strafmaß angefochten. Allerdings hatte auch der Staatsanwalt Strafberufung erhoben – ihm waren die Ersturteile bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Haft zu wenig streng. Nachdem der Oberste Gerichtshof im April die Nichtigkeitsbe-

schwerden verworfen hatte, war nun der Linzer OLG-Senat am Zug. Er folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und konnte den Argumenten der Verteidiger (Johann Eder, Leopold Hirsch) letztlich nichts abgewinnen: Hirsch, Verteidiger von K., hatte etwa betont, dass „die sehr lange Verfahrensdauer von sechseinhalb Jahren“ als strafmildernd zu gewichten sei. Michael D. und Klaus K. dürften in den nächsten Wochen eine Aufforderung zum Haftantritt bekommen. Die Gewährung einer Fußfessel ist ausgeschlossen, da die Strafen drei Jahre Haft übersteigen. Es stellt sich aber auch die Frage der Haftfähigkeit. Vor allem bei Klaus K.: Er war bei einem Sturz von einer Brücke schwer verletzt worden, litt unter schweren Depressionen und war lange verhandlungsunfähig.

BILD: SN/FOTOLIA/MIRIAM DÖRR

lionär“ bereitgestellt. Zudem erleichtere die Mitgliedschaft in der EU es britischen Künstlern, Arbeit in Europa zu finden – und umgekehrt. „Aus der EU auszuscheiden wäre katastrophal“, sagt John Summers, Chef des Hallé-Orchesters in Manchester, zum „Guardian“. Das Orchester zählt zu den ältesten in Großbritannien, viele seiner Musikerinnen und Musiker sind vom Kontinent. Laut Summers haben britische Orchester in den letzten zehn bis 20 Jahren einen großen Qualitätssprung erlebt durch die Spieler, die von außerhalb des Königreichs zu Auditions kamen. Ein Brexit könnte auf lange Sicht „künstlerische Isolation“ bedeuten. Musik sei eine internationale Sprache. Es gebe keine Grenzen, und wenn man diese Freizügigkeit verliere, könnte man wieder zu dem werden, was man doch nicht mehr sein wollte: das Land ohne Musik – ganz so, „wie Deutschland uns zu nennen pflegte“.

Filmfest richtet Fokus auf den Islam aus MÜNCHEN. Der Islam ist heuer ei-

ner der Schwerpunkte des Filmfests München. Bei den Filmbeiträgen aus islamisch geprägten Regionen komme es vor allem darauf an, den Menschen der Region ein Gesicht zu geben und den Zuschauern zu ermöglichen, sich in deren Lage zu versetzen, sagte Mitorganisator Bernhard Karl. Bis zum 2. Juli zeigt das Festival insgesamt mehr als 200 Filme aus aller Welt. Eröffnet wird das Festival am 23. Juni mit der schon in Cannes gefeierten, österreichisch koproduzierten Komödie „Toni Erdmann“ von Maren Ade. Ein weiterer Höhepunkt aus österreichischer Sicht ist die Weltpremiere von Wolfgang Murnbergers Film „Kästner und der kleine Dienstag“ mit Florian SN, dpa David Fitz.