Erschließung zur Verwirklichung städtebaulicher Planung - Bookland

brüssel. Erschließung zur Verwirklichung städtebaulicher Planung. Herausgegeben von Willy Spannowsky und Andreas Hofmeister. Erschließung zur ...
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€ 38,– ISBN 978-3-86965-272-6

9 783869 652726

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Erschließung zur Verwirklichung städtebaulicher Planung

Die Erschließung ist eine Voraussetzung für die städtebauliche Zulässigkeit von Vorhaben. Sie gehört zu den kommunalen Auf­ gaben der Daseinsvorsorge, für deren ordnungsgemäße Wahr­ nehmung die Gemeinden verantwortlich sind (§ 123 Abs. 1 BauGB). Heutzutage bedienen sich Gemeinden in unterschiedlichem Umfang Privater zur Erfüllung ihrer Erschließungsaufgabe, sei es auf werkvertraglicher Basis, sei es auf der Basis von Erschließungs­ verträgen oder städtebaulichen Verträgen. Die Gemeinden können den Herstellungsaufwand für die erstmalige Erschließung entweder nach dem geregelten Abrechnungsmodell der §§ 127 ff. BauGB vornehmen oder andere Wege der Finanzierung nutzen. Es sind dabei jedoch – je nachdem, welcher Weg beschritten wird – differenzierte Anforderungen zu beachten, deren Nichtbeachtung weitreichende Kostenfolgen auslösen können. Scheitert die Abrechnung an Rechtsfehlern, stehen die Kommunen nicht selten auch vor dem finanziellen „Ruin“. Wegen der großen Praxisrelevanz dieser Problematik ­wur­den am 16. September 2014 an der Technischen Universi­tät Kaisers­ lautern unter der Schirmherrschaft des Bundes­ministe­riums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) die Anforderungen, welche mit der ordnungsgemäßen Wahr­ neh­mung der Erschließungsaufgabe verbunden sind, in der ­Diskussion mit fachkundigen Referenten ausgeleuchtet. Die schriftlich ausgearbeiteten Vorträge sind in dem vorliegenden Band zusammengefasst.

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Erschließung zur Verwirklichung ­städtebaulicher Planung Herausgegeben von Willy Spannowsky und Andreas Hofmeister

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Erschließung zur Verwirklichung städtebaulicher Planung

Erschließung zur Verwirklichung ­städtebaulicher Planung Herausgegeben von Willy Spannowsky und Andreas Hofmeister

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Vorwort Die Erschließung ist eine Voraussetzung für die städtebauliche Zulässigkeit von Vorhaben, unabhängig davon, ob die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit auf einem Bebauungsplan beruht oder ob sie auf gesetzlicher Basis bezüglich Vorhaben in den unbeplanten Innen- oder Außenbereichen der Gemeinden zu beurteilen ist. Sie gehört nach dem BauGB zu den kommunalen Aufgaben der Daseinsvorsorge, für deren ordnungsgemäße Wahrnehmung die Gemeinden verantwortlich sind (§ 123 Abs. 1 BauGB). Es handelt sich um eine Aufgabe, welche unmittelbar mit der städtebaulichen Planung verknüpft ist, die aber über die konzeptionelle Phase der Planung hinaus sowohl für die Vorhabenzulassung als auch für die Verwirklichung der Planung von Bedeutung ist. Den Gemeinden stehen zur Verwirklichung der Erschließungsaufgabe verschiedene Wege zur Verfügung. Heutzutage bedienen sich Gemeinden in unterschiedlichem Umfang Privater zur Erfüllung ihrer Erschließungsaufgabe, sei es auf werkvertraglicher Basis, sei es auf der Basis von Erschließungsverträgen oder städtebaulichen Verträgen. Die Gemeinden können den Herstellungsaufwand für die erstmalige Erschließung entweder nach dem geregelten Abrechnungsmodell der §§ 127 ff. BauGB vornehmen oder andere Wege der Finanzierung nutzen. Es sind dabei jedoch – je nachdem, welcher Weg beschritten wird – differenzierte Anforderungen zu beachten, deren Nichtbeachtung weitreichende Kostenfolgen für die Gemeinden, ggf. auch Amtshaftungs- bzw. Regressfolgen für die beteiligten privaten Verwaltungshelfer auslösen können. Scheitert die Abrechnung an Rechtsfehlern, stehen die Kommunen nicht selten auch vor dem finanziellen „Ruin“. Wegen der großen Praxisrelevanz dieser Problematik wurden am 16. September 2014 im Rahmen der wissenschaftlichen Fachtagung an der Technischen Universität Kaiserslautern unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) die Anforderungen, welche mit der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Erschließungsaufgabe verbunden sind, in der Diskussion mit fachkundigen Referenten ausgeleuchtet. Die schriftlich ausgearbeiteten Vorträge der Referenten sind in dem vorliegenden Band zusammengefasst. Willy Spannowsky Andreas Hofmeister

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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erschließungsrechtliche Aspekte im Städtebaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Willy Spannowsky

Wechselwirkung zwischen Erschließung und städtebaulichen Konzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Dipl.-Ing. Günther Ingenthron

Erschließung als bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung und Windkraftnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Dr. Henning Jaeger

Kommunale Erschließungsaufgabe und Erschließungsvertrag. . . . . . . . . . . 55 Prof. Dr. Gerd Schmidt-Eichstaedt

Aktuelle Rechtsprechung des BVerwG zum Erschließungsbeitragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Dr. Wolfgang Bier

Erschließungsumlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Prof. Dr. Theo Kötter

Erschließung und vorhabenbezogener Bebauungsplan. . . . . . . . . . . . . . . . 121 Prof. Dr. Hans-Jörg Birk

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Erschließungsrechtliche Aspekte im Städtebaurecht Prof. Dr. Willy Spannowsky*

I.

Die Erschließung und deren Bedeutung für die Stadtentwicklung

II.

Umfang der gemeindlichen Aufgabenverantwortung für die Erschließung und die staatliche Gewährleistung der Daseinsvorsorge

III.

Der Grundstückskaufvertrag – ein zivilrechtlicher Weg der Abrechnung beitragsfähiger Erschließungsanlagen?

IV.

Resümee

I. Die Erschließung und deren Bedeutung für die Stadtentwicklung 1. Unterschiedliche Bedeutungsgehalte des Begriffs der Erschließung im Städtebaurecht Die Erschließung war und ist ein zentraler Themengegenstand der Stadt- bzw. Gemeindeentwicklung. Für die Erschließung ist begrifflich ein Erschließungsumfang zugrunde gelegt, den der BGH1 auf der Basis des § 123 Abs. 1 BauGB wie folgt umschrieben hat: Zu den Anlagen i.S.v. § 123 BauGB gehörten nicht nur die Anlagen zur verkehrsmäßigen Erschließung und zum Schutz des Baugebiets vor Immissionen, sondern auch die Anlagen zur Versorgung der Grundstücke mit Elektrizität, Wärme und Gas, die Anlagen zur Be- und Entwässerung und die Anlagen zur Abfallentsorgung. Das BVerwG2 hat sich zum Erschließungsbegriff vor allem im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Erschließungsbegriffs in den §§ 123 Abs. 1 und § 127 BauGB geäußert und insofern betont, dass sich die erschließungsrechtlichen Begriffe der Erschließung gemäß § 123 Abs. 1

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TU Kaiserslautern, Richter am Oberlandesgericht.

1

Urteil vom 22.10.2004 – V ZR 7/04, NVwZ 2005, 238.

2

BVerwG, Beschluss vom 30.1.1986 – 8 B 146/85, Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 48 = juris Rn. 3.

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und Erschließungsanlagen gemäß § 123 Abs. 2 über die Erschließungsanlagen i.S.d. § 127 Abs. 2 BauGB hinaus auf alle Maßnahmen, die erforderlich seien, um die Baugrundstücke im gemeindlichen Bereich für diese Nutzung geeignet zu machen, also z.B. auch auf die Wasserversorgung und auf die Abwasserbeseitigung beziehe, auf öffentliche Erschließung schlechthin.3 Der Gesetzesbegriff des Erschließungsbeitrags beziehe sich indessen allein auf die in § 127 Abs. 2 BauGB aufgeführten Erschließungsanlagen, insbesondere auf die Anbaustraßen, nicht dagegen auf Anlagen zur Beseitigung von Abwasser. Hinter diesen begrifflichen Unterschieden verbergen sich für die Stadt- und Gemeindeentwicklung Rechtsfolgen von großer Tragweite, weil hinter den §§ 127 ff. BauGB eine andere Kompetenz und andere bundesrechtliche Kontrollmaßstäbe stehen als die, die mit der Aufgabenbeschreibung des § 123 Abs. 1 BauGB und den damit zusammenhängenden Folgevorschriften verbunden ist. Während die §§ 127 ff. BauGB die beitragsrechtliche Abrechnung bestimmter, beitragsfähiger Erschließungsanlagen regelt und diese Vorschriften noch auf eine Bundesgesetzgebungszuständigkeit gestützt sind, die es nicht mehr gibt,4 weil sie mit verfassungsändernder Mehrheit auf die Länder übertragen worden ist und das Erschließungsbeitragsrecht gemäß Art. 125a Abs. 1 GG nur noch als Bundesrecht fortgilt, bis es durch Landesgesetz ersetzt wird, finden die §§ 123 bis 126 BauGB ihre Kompetenzgrundlage wie das Städtebaurecht insgesamt im Bodenrecht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Der Klammerzusatz in diesem Kompetenztitel „ohne das Recht der Erschließungsbeiträge“ führt dazu, dass die ausgenommenen Materien seit der Föderalismusreform I Landesrecht sind. Dies hat zur Konsequenz, dass der Bundesgesetzgeber im Regelungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts wirksam keine Änderungen mehr vornehmen kann. Hieraus resultieren bislang ungeklärte Abgrenzungsfragen und Unsicherheiten für die Stadt- und Gemeindeentwicklung bezüglich der Grenzen städtebaulicher Verträge, wie die neuere Rechtsprechung des 9. Senats des BVerwG verdeutlicht.5 Eine Bereinigung mancher Rechtsprobleme könnte durch Änderungen oder Klarstellungen auf Landesebene erfolgen.

3

So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 23.8.1991 – 8 C 61/90, BVerwGE 89, 7 ff. = juris Rn. 9.

4

Siehe Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994 /(BGBl. I S. 3146)

5

Siehe dazu BVerwG, Urteil vom 12.12.2012 – 9 C 12/11, juris Rn. 9 sowie BVerwG, Urteile vom 30.5.2012 – 9 C 5/11 und 9 C 6/11, NVwZ 2013, 218 (222) und nachfolgend den Beitrag von Bier.

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2. Die Bedeutung der Erschließung für die Stadt- und Gemeindeentwicklung Die Erschließung ist im Bereich der Stadt- und Gemeindeentwicklung nicht nur ein Thema, das sich zwischen der Aufgabenstellung und deren Finanzierung über Erschließungsbeiträge bewegt, auch wenn dies die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt hat. Mit der Erschließung sind vielmehr noch weitere Schnittmengen angeschnitten. Die Erschließung ist Planungsgegenstand, vorhabenbezogene Zulässigkeitsvoraussetzung und ein Element der Planverwirklichung, das auf den sachgerechten Einsatz der verfügbaren Instrumente angewiesen ist. Im instrumentellen Rahmen wird an die Erschließung sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne angeknüpft. Neben der raumplanerischen Flächensicherung muss die Flächenverfügbarkeit durch die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse im Wege der Erschließungsumlegung gewährleistet werden. In der Planung und Umlegung ist die Erschließung auf die gemeindliche Aufgabenstellung bezogen. Demgegenüber kann bei vertraglichen Vereinbarungen die Erschließung im weiteren Sinne Regelungsgegenstand sein, weil bei der Durchführung der Maßnahmen mit den Versorgungsträgern und Erschließungsunternehmen sämtliche Aspekte der Erschließung von Bedeutung sein können; auch der Aspekt der Finanzierung in einem weiteren Regelungskontext als in den beitragsrechtlichen Regelungen der §§ 127 ff. BauGB. Mit dieser Differenziertheit und Funktionsvielfalt, den unterschiedlichen Regelungszusammenhängen sind jedoch mitunter Rechtsprobleme verbunden, deren weitere Beleuchtung wegen der damit verbundenen Rechtsfolgen teilweise von großer Praxisrelevanz ist. Trotz der zahlreichen und vielfältigen Fragestellungen, die mit der funktionalen Bandbreite der Erschließung zusammenhängen, verbringt die Thematik der Erschließung vergleichsweise neben der Thematik der städtebaulichen Planung ein literarisches Schattendasein. Die Thematik der Erschließung birgt für die Stadt- und Gemeindeentwicklung zahlreiche Facetten, die im Wesentlichen, aber nicht abschließend mit den nachfolgenden, gesondert abgehandelten Themen „Wechselwirkung zwischen Erschließung und städtebaulichen Konzepten, Erschließung als bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung, kommunale Erschließungsaufgabe und Erschließungsvertrag, aktuelle Rechtsprechung zum Erschließungsbeitragsrecht, Erschließungsumlegung und Erschließung und vorhabenbezogener Bebauungsplan“ umrissen worden sind. Folgende zusätzliche Aspekte werden in diesem Beitrag aufgegriffen: Wie weit reicht die gemeindliche Aufgabenverantwortung? Gibt es einen gesetz3

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lichen Mindesterschließungsstandard, auf den auch ein Anspruch besteht? In welchen Fällen kommt eine Amtshaftung wegen gemeindlicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Erschließungsaufgaben in Betracht? Welche Konsequenzen hat es, wenn der von der Gemeinde eingeschaltete Erschließungsträger wegen Insolvenz liquidiert worden ist? Gibt es einen privatrechtlichen Weg der Abrechnung von Erschließungskosten? Welche Konsequenzen hat die Unwirksamkeit einer in einen zivilrechtlichen Grundstückskaufvertrag integrierten Erschließungs- oder Ablösungsvereinbarung?

II. Umfang der gemeindlichen Aufgabenverantwortung für die Erschließung und die staatliche Gewährleistung der Daseinsvorsorge 1. Aufgabe der Daseinsvorsorge – Erschließungslast a. Reichweite der gemeindlichen Aufgabenverantwortung Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Erschließung als Daseinsvorsorge zu gewähren ist, ist nicht nur eine Kernfrage des Städtebaurechts, sondern darüber hinaus des Rechts der Stadtentwicklung überhaupt. Auby ist in seiner 2013 erschienenen rechtsvergleichenden Abhandlung „Droit de la ville“6 der Idee nachgegangen, dass die Rechtsgebiete, die auf die Stadt bezogen sind, in ihrer Gesamtheit im Rahmen einer speziellen Rechtsmaterie des Stadt- bzw. Gemeindeentwicklungsrechts zu betrachten seien. In diesem Zusammenhang hat er sich auch mit der aufgeworfenen Frage nach der Gewährleistung eines Mindestversorgungsstandards an öffentlicher Daseinsvorsorge befasst und sich neben dem „Droit de la ville“ auch mit dem „Droit à la Ville“ befasst. Die Idee eines „Rechts auf die Stadt“ beruht auf der Vorstellung, dass es eines Minimums an konkreten rechtlichen Gewährleistungen bedürfe, damit die Bürger dort angemessen leben könnten. Danach sei von der öffentlichen Hand ein Mindeststandard des Zugangs zu städtischen Dienstleistungen zu gewährleisten, um der Idee eines „Rechts auf die Stadt“ gerecht werden zu können. In ganz Lateinamerika gebe es für 8 % der Einwohner der Städte keinen Zugang zu fließendem Wasser, 16 % hätten keinen Zugang zur Kanalisation; in Sao Paulo verfügten 75 % der Woh-

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Auby, Droit de la ville: Du fonctionnement juridique des villes au droit à la Ville, 2013, Paris.

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nungen über keine Verbindung zum Kanalisationsnetz. Auby ist der Ansicht, zum Mindestumfang hinsichtlich des Zugangs zu städtischen Dienstleistungen sei erstens das Recht auf einen Wohnraum, zweitens das Recht auf Mobilität, insbesondere der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen, drittens der Mindestschutz vor Sicherheits- und Gesundheitsrisiken (vor natürlichen, industriellen und kriminellen Gefahren) und viertens der Zugang zur Wasserver- und entsorgung sowie zur Energieversorgung, also zu alledem, was eine Familie zum Leben braucht, zu rechnen. Diesbezüglich sei auch zu definieren, wo die Schwelle für die Mindeststandards dieser Daseinsangebote liege. Es sei eine Frage des Rechts, auf welcher Ebene der Rechtsordnung dieser Mindeststandard in Bezug auf die Stadtentwicklung verankert werde und ob und inwieweit damit eine subjektive Rechtsgewährleistung verbunden werde. Er stellte in diesem Zusammenhang fest, dass das Recht auf ein angemessenes Leben in der Stadt „le droit à la ville“ im französischen Recht durchaus, wenngleich in fragmentierter Weise, verankert sei. Es wirkten insofern verschiedene Steuerungsmechanismen zusammen. Die Frage nach dem Umfang der Verantwortung für die Erfüllung der Daseinsvorsorgeaufgabe der Erschließung, nach dem Mindeststandard und einem etwaigen Anspruch darauf, stellt sich auch nach deutschem Recht. Darauf sind Antworten in § 123 BauGB und der darauf gestützten Rechtsprechung zu finden. In den letzten Jahren hat sich insofern aber teilweise auch die Beurteilungsgrundlage etwas verändert. So ist umstritten, ob auch der Anschluss an die „digitale Infrastruktur“, also die Telekommunikation, das Breitband- oder Mobilfunknetz zur Erschließung im Sinne des Baurechts gehört7 (BayBO, 114. EL, 2013, BeckOK, § 123, 26. Ed., Rn. 10 und Reidt, in: B/K/L/Löhr, BauGB, Vorb zu § 123, 12. Aufl., 2014, Rn 2). Reidt hat sich für seine Auffassung, wonach zur Erschließung auch gehöre, dass das Grundstück mit einem Telefonanschluss versorgt sei, auf das Urteil des BVerwG vom 22.10.20048 gestützt; diesem ist jedoch ein Hinweis darauf, dass auch die Anbindung an die Telekommunikation zur Erschließung i.S.d. § 123 BauGB zu rechnen sei, nicht zu entnehmen. Das BVerwG hat in dieser Entscheidung zwar klargestellt, dass der Begriff der Erschließung i.S.d. § 123 BauGB nicht auf die beitragsfähigen Erschließungsan-

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Einerseits verneinend Wolf, in: Simon/Busse, Bauordnung, Art. 4 BayBO, 114. EL, 2013, andererseits bejahend Wilhelms, Zum Begriff der Erschließung von Grundstücken, DNotZ 2004, 33, wonach sich auch die Versorgung eines Grundstücks mit Telekommunikation als Teil der Erschließung betrachten lasse; Jaeger, in: Spannowsky/Uechtriz (Hrsg.).

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Az.:V ZR 7/04, NVwZ 2005, 238 f.

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