Ein Herz und eine Handvoll Asche - Sabine Kosmin-pdf AWS

geweide. Eine unausgesprochene Warnung, hoch oben über dem Schlachtfeld. Blut tropfte auf den. Boden. Tropf. Tropf. Tropf. Chloe wurde schlecht. Einen Moment brach sie auf die Knie, ließ ihr Schwert fallen. Sie wollte, dass es aufhörte. Wie viele mussten noch sterben, bis beide Seiten ihre Macht bewiesen hatten? Wie.
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Sabine Kosmin

Ein Herz und eine Handvoll Asche Romantic Fantasy

© 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag, Berlin Coverbild: iStockphoto: 3774835, fire time Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0569-3 AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstösst gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt .

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Für Katja. Ohne ihre aufmunternden Worte und ihre konstruktive Kritik wäre es vielleicht nie so weit gekommen.

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Prolog Für einen Moment war Chloe zwischen Raum und Zeit gefangen. Rauch biss sich in ihren Augen fest. Der Boden bebte unter ihren Füßen, sie strauchelte, sie fiel. Splitter schnitten sich in ihr Fleisch. Ihr Mund war aufgerissen und sie fühlte die Luft, die sich von ihren Lungen aus ihrem Mund heraus presste. Doch sie hörte ihre Schreie nicht. Ihre Gedanken standen still, bewegten sich an ihrem Geist vorbei, umrundeten ihn und ließen sich nicht greifen. Ganz langsam nahm sie wahr, wie ihre Füße in die Luft gerissen wurden, den Halt verloren und ihr Körper in die Waagerechte abglitt. Doch plötzlich trieb es ihr die Luft aus den Lungen. Sie spürte einen brennenden Schmerz in ihrem Rücken, der sich viel zu schnell ihre Wirbelsäule nach unten und nach oben schob, bis er in allen Gliedmaßen, in jedem Knochen und in jedem ihrer Haare angekommen war. Chloe war, als würde sie am ganzen Körper brennen.

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„Chloe, steh auf!“, hörte sie dumpf eine Stimme an ihrem Ohr, doch es war undeutlich, weit weg und daher nicht wert, wahrgenommen zu werden. Eine andere Stimme ertönte, schrie ihr etwas zu, doch die Nebelschwaden ihres Geistes waren noch nicht bereit, jenen zu verlassen. Da erschien ein verschwommenes Bild vor ihren geschlossenen Augen. Ein stechender Blick. Eine missbilligende Geste. Ein süffisantes Lächeln. Chloe hustete, schreckte auf und fand sich auf dem Schlachtfeld wieder. Das ohrenbetäubende Lärmen des Krieges, Kampfgeschrei, Schmerzensschreie - das alles konnte sie wieder ausmachen. Sogar das Poltern, wenn ein toter Körper zu Boden sackte. Chloe schloss für einen kurzen Moment nochmals die Augen und sammelte ihre Kräfte. Sie besann sich auf die wichtigen Dinge und sprang keine Sekunde später auf die Beine. Ihr Rücken schmerzte von dem harten Aufprall immer noch. Chloe konnte sich sicher sein, dass mehrere Rippen gebrochen waren, doch das hielt sie nicht auf. 5

Chloe rannte, wütete, tobte und schrie. Ihr Schwert fest in ihrer Hand wirbelte sie herum, schlug einem Soldaten den Kopf ab, einem anderen rammte sie ihren Ellbogen gegen die Nase, dass es knackte. Den nächsten schleuderte sie zu Boden und setzte mit einem gezielten Stoß seine Seele frei. Chloe wollte, dass es endete. Der Krieg zwischen den Magiern und Zauberern wütete bereits seit Jahren. Es musste ein Ende haben. An dem heutigen Tag. Jetzt. Sofort. Chloe biss seit Jahren die Zähne zusammen, nahm jeden Morgen, wenn sie sich aus einem der Zelte schälte, all ihre Kraft zusammen. Jeden Tag wurde sie weniger. Wie in jedem Krieg ging es auch in diesem einzig um Macht. Die Magier wollten den Thron, wollten die Zauberer unterwerfen, weil sie in ihren Augen minderwertig waren, da sie „nur“ Telekinese beherrschten. Die angeborenen Fähigkeiten der Magier hingegen beruhten auf dem Materialisieren von Dingen. So konnten sie Barrieren errichten und auch Bälle aus Feuer, Eis

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oder Energie als Waffen formen. Die besten Magier konnten sich sogar teleportieren. Ein Feuerball prallte an Chloes Schulter ab, ließ sie wieder eine Sekunde den Halt verlieren, doch ihre Mordlust war erst angestachelt. Schnell hatte sie den Übeltäter entdeckt, schnell hatte sie ihn gegen den nächsten verdorrten Baum geschlagen. Ein dicker Ast bohrte sich durch seine Eingeweide. Eine unausgesprochene Warnung, hoch oben über dem Schlachtfeld. Blut tropfte auf den Boden. Tropf. Tropf. Tropf. Chloe wurde schlecht. Einen Moment brach sie auf die Knie, ließ ihr Schwert fallen. Sie wollte, dass es aufhörte. Wie viele mussten noch sterben, bis beide Seiten ihre Macht bewiesen hatten? Wie lang würde es noch so weitergehen? „Hoch mit dir!“, schrie der Hauptmann Eglas, der Chloe seit dem ersten Tag nicht aus den Augen gelassen hatte. Ihre Freundin Rajin trat neben sie und zog sie auf die Beine. 7

„Ruh dich kurz aus, verbinde deine Wunden“, sagte Eglas. „So bist du nur leichte Beute.“ Chloe nickte. Unfähig zu sprechen taumelte sie weg. Sie musste weg. Weg vom Schlachtfeld, weg vom Krieg, von den Toten. Weg von allem, was seit Jahren ihr Leben beherrschte. Auf einem Hügel konnte sie eine Kirchenruine ausmachen. Mit letzter Kraft schleppte sie sich hoch, schmetterte die Holztür auf und errichtete mit letzter Kraft eine unsichtbare Barriere, die sie vor Feinden warnen würde. Tränen rannen ihre Wangen hinab. Das Schwert fiel klappernd zu Boden. Wie ein kleines Kind rutschte sie an der Steinwand zu Boden, vergrub den Kopf in ihren Armen und schluchzte. Sie hatte keine Kraft mehr. Sie konnte nicht mehr weiter machen. Es musste aufhören. Irgendwie. Doch natürlich tat es das nicht. Ein Rascheln. Chloe sprang etwas schwerfällig auf die Beine, ihre Hand schloss sich fest um den Griff des Schwertes. Ihre Muskeln waren zum Zerreißen 8

gespannt, ihre Augen suchten wie besessen die Schatten der Dämmerung ab. Hoch am Himmel sah sie den blutroten Mond, der bereits aufgegangen war. Wind pfiff durch die Risse der alten Mauern. Chloe konzentrierte sich auf ihre Barriere, doch sie schlug nicht an. Es konnte niemand hier sein. Niemand konnte ihre Barrieren umgehen. Wieder ein Rascheln. In Chloe kroch die Angst mit spinnen ähnlichen Beinen ihre Wirbelsäule hinauf und setzte sich in ihrem Hinterkopf fest. Da bewegte sich ein Schatten. Nur verschwommen konnte sie eine Silhouette ausmachen. Das Gesicht lag im Dunkeln, doch der Gang. Dieser Gang. Sie kannte ihn. Gut. Langsam bewegte sich die Gestalt auf sie zu, die Arme weit von sich gestreckt. Doch es war keine Geste der Entwarnung. Es war Hohn. Es war reiner Spott. Chloes Augen verengten sich zu Schlitzen. Prüfend wiegte sie das Schwert in ihrer Hand, ein kleiner Funke voll Sicherheit machte sich in ihrem Inneren breit. Doch dann 9

erkannte sie den flatternden Ledermantel. Ihre Barriere fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das Glühwürmchen der Sicherheit wurde von dem Spinnenmonster einfach verschluckt. Die Person trat ins Mondlicht. Ein süffisantes Grinsen, ein stechender Blick. „Miss Alaia“, sagte er Mann gedehnt. Sein Tonfall klang berechnend. Kein Zeichen der Freude, kein Zeichen der Hoffnung. Chloes Beine begannen zu zittern, ihre Stimme gehorchte ihr kaum noch. „Hazar.“

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Teil I: Durch die Schatten

Sechs Jahre zuvor, Oberschule für Zauberei und Magie: Klischees und Vorurteile systematisieren die Welt. Durch diese Systematisierung wird die komplexe Welt für den Menschen einfacher. Genervt schlug Chloe ihr Psychologiebuch zu. Seit einiger Zeit saß sie über dem langweiligen Stoff, nicht fähig, sich einen dieser ihr unverständlichen Sätze zu merken. Ihre Augen wanderten unruhig durch den Klassenraum. Das beklemmende Gefühl, etwas Wichtiges zu übersehen, beschäftigte Chloe seit sie heute morgen aufgestanden war. Doch Chloe erschien alles ganz normal. Nichts Ungewöhnliches, purer Alltag. Doch warum pulsierte das kleine, feuerrot blinkende Ausrufezeichen in ihrem Hinterkopf immer wilder und stärker? Es 11

war, als würde es sie warnen wollen, aber Chloe wusste nicht, wovor. Für Chloe war nichts anders. Alles wie immer: Die gleiche, spiessige Klasse, derselbe alte, zugige Klassenraum und derselbe mürrische Lehrer. Nichts Neues und vor allem nichts, was ihrer Aufmerksamkeit bedurfte. Ihr Blick fiel auf ihren Professor, der genauso gelangweilt vor seinem Pult saß. Professor Hazar glich für Chloe einem hungrigen Krokodil: Zuerst ruhig, abwartend und musternd, doch wenn du, das Opfer, es am allerwenigsten erwartest, schnappt das Krokodil mit bestialischer Kraft zu, reißt dich mit und zieht dich zu sich in die Höllentiefen des stinkenden Sees, bis du jämmerlich um dich schlagend ertrinkst. Ja, dachte Chloe, der Vergleich trifft wirklich zu. Hazar ist und bleibt ein Ekel. Die meisten von Chloes Mitschülern bedachten Hazar mit ehrfürchtigem Respekt, so auch Chloes beste Freundin Rajin. Chloe war kein Mädchen, das gerne provozierte. Sie war nicht vorlaut, nicht allzu frech und 12

eigentlich eine nette, umgängliche Person – so sah sie sich zumindest selbst. Doch in Hazars Gegenwart konnte sie sich nicht kontrollieren. Es war ihr, als würde Hazar alles Schlimme in Chloe freisetzen. Andersrum war es nicht so. Nicht im Geringsten. Hazar war in Chloes Gegenwart wie immer: Ein Ekel, mürrisch und gemein zu seinen Schülern. Einerseits fragte sich Chloe sehr wohl, warum seine bloß Anwesenheit sie selbst so in Rage versetzen konnte, andererseits war seine Person auch nicht interessant genug, um sich noch mehr Gedanken zu machen. Er war ein Lehrer. Und auch unter Lehrern gab es – wie allseits bekannt – schwarze Glühwürmchen, Launen der Natur, die ihren Beruf eindeutig verfehlt haben. Chloe zählte Hazar zu dieser Sorte von Lehrern. Der Klassenraum war stickig und eng. Die Schüler drängten sich auf den Bänken zusammen und brüteten über ihren Büchern. Hoch über ihnen schaukelte in der leichten Brise, die durch die undichten, alten Fenster in den Raum drang, ein Kronleuchter, an dem sich gerade eine Spinne abseilte. Chloe ließ ihren Blick über die Köpfe 13

der Schüler schweifen, da tippte sie jemand an der Schulter an. „Chloe!“, zischte ihre Freundin Rajin ihr von der Seite zu, ohne vom Buch aufzusehen. „Professor Hazar schaut schon die ganze Zeit in unsere Richtung. Tu wenigstens so, als würdest du ihm zuhören.“ Das Gesicht verziehend strich Chloe sich eine Strähne ihres braunen Haares hinter die Ohren. „Soll er doch meckern.“ In der übernächsten Stunde stand ihr eine Schulaufgabe in Psychologie bevor, die sie – auch wenn es ihr unangenehm war – vergessen hatte. „Der schüttet dich mit Strafaufgaben zu, bis du hier deinen Abschluss machst“, sagte Rajin leise. Chloe lächelte matt. „Mich kann er nicht verängstigen.“ Rajin schüttelte den Kopf. „Du bist unmöglich! Er kann dich von der Schule fliegen lassen, wenn er will. Und du weißt, dass er dazu keinen Grund braucht.“ Chloes lilafarbene Augen fixierten das über den Tisch gesenkte Haupt ihres Lehrers. „Mein Vater würde das nicht zulassen.“ In Chloes Augen 14

formte sich ein trauriger Ausdruck. Ihre Worte waren pure Ironie, die Rajin nicht zu bemerken schien. „Ich denke, dass du manchmal zu viel von deinem Stand hältst, Chloe. Unter uns bist selbst du nur eine von vielen.“ Schweigend senkte sie ihren Blick und wandte sich doch wieder dem Psychologiebuch zu, die Fragen ihrer Freundin ignorierend. Seit Chloe denken konnte, war sie die Tochter des Königs. Die spätere Thronerbin. Die Prinzessin. Chloe de Alaia. Doch niemals war sie nur das Mädchen Chloe. Sie schluckte schwer. Niemand sieht mich als das, was ich bin. Da schlug eine Hand neben ihrem Buch auf den Tisch. Erschrocken fuhr Chloe zurück und blickte in die zusammengekniffenen Augen ihres Lehrers. „Miss Alaia!“, sagte er streng. „Ist mein Unterricht Ihnen zu langweilig?“ Hastig schüttelte sie den Kopf. „Vielleicht zu eintönig?“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Vermutlich zu anspruchsvoll?“ 15