Ein gewöhnlicher Tag im Leben des John Edward Palmi

Großvater, Wayne Edgar Palmi, die legendäre. Palmi Seife in ovaler Form mit .... am Anfang seiner Fertigung zu den zuverlässigsten Autos seiner Klasse zählte.
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René Grigo

Jadekaiser Fantasy

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© 2014 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Fotolia, Dragon Doodle Sketch Tattoo Printed in Germany

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ISBN 978-3-8459-1131-1 ISBN 978-3-8459-1132-8 ISBN 978-3-8459-1133-5 ISBN 978-3-8459-1143-2 Mini-Buch ohne ISBN

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Ein gewöhnlicher Tag im Leben des John Edward Palmi

An jenem Morgen, es war an einem Dienstag im Mai, erwachte John Edward Palmi durch die störenden Geräusche seines digitalen Radioweckers. Orientierungslos klopfte John ins Leere, bevor seine Hand endlich den Ausschalter traf und das nervtötende Piepen verstummte. Gähnend schlug er die Bettdecke zurück, schlüpfte träge in seine dunkelbraunen Filzpantoffel und trottete mit hängenden Schultern zur Schlafzimmertür. Wie in Trance wandelte er durch den Flur und betrat verschlafen das Badezimmer. Dort angekommen betrachtete er sein Gesicht im Spiegel. Ein Ritual, das John seit Jahren pflegte. Langsam zeichneten sich die ersten Falten ab. Er zog eine gähnende Grimasse, drehte den Wasser4

hahn auf und wusch sich das Gesicht. Das erfrischende Nass wirkte zu dieser Tageszeit wahre Wunder. John prustete und betätigte den Seifenspender. Mit Palmi’s Cremeseife stand einem guten Tag nichts mehr im Weg. Schnaubend beseitigte er die letzten Schaumreste, tastete nach dem Handtuch und trocknete sich ab. Seife spielte in Johns Leben eine wesentliche Rolle. Seit Kindesbeinen war er umgeben von bekannten und exotischen Düften und wusste schon früh, welche Geruchsnoten zu welcher Person passten. Bevor John laufen konnte, hatte man ihn in die Geheimnisse der Seifenherstellung eingeweiht. Im Knabenalter verkaufte er sein erstes Stück Seife, genauso wie es sein Vater und dessen Vater vor ihm getan hatten. Vor über achtzig Jahren entwickelte Johns Großvater, Wayne Edgar Palmi, die legendäre Palmi Seife in ovaler Form mit dem traditionell eingestanzten P in der Mitte. Die hochwertigen Naturseifen waren ihr Geld wert 5

und damals in vielen Haushalten beliebt. So ging er bis an sein Lebensende dieser Beschäftigung nach. Am Morgen spazierte er von Haus zu Haus und pries sein Produkt an, während er nachmittags im Badezimmer an neuen Geruchsvariationen arbeitete. Als er im seligen Alter von sechsundneunzig Jahren starb, vererbte er Johns Vater das bestehende Seifengeschäft. Auf diesem Weg wurde John in den Berufszweig des Seifenverkäufers hineingeboren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand er mit der Zeit Gefallen an seinem Beruf. Heute konnte er sich schwer vorstellen, einer anderen Tätigkeit nachzugehen. Seife war zu einem wichtigen Bestandteil seines Lebens geworden. Gähnend griff John nach der elektrischen Zahnbürste und tastete nach der Zahnpastatube. Nachdem das geglückt war, schrubbte er munter drauf los. Es war kurz nach Sieben und John lag gut in der Zeit. Nach einem kurzen Frühstück und einem aromatischen Kaf6

fee würde er mit dem Auto nach Wellingborough fahren, um dort sein Produkt an den Mann oder die Frau zu bringen. Sein Großvater war zu Lebzeiten der Meinung, dass man dem Kunden ein gutes Produkt persönlich präsentieren musste. Auf diese Weise konnte man den potenziellen Käufer von der unnachahmlichen Qualität der angebotenen Ware überzeugen und alle Bedenken aus dem Weg räumen. John teilte mittlerweile diese Meinung. Er konnte die riesigen Discounter und gigantischen Einkaufszentren mit ihrer schier unermesslichen Vielfalt nicht ausstehen. Jeder Einkauf wurde durch das riesige Sortiment unnötig in die Länge gezogen und das Personal war selten eine nennenswerte Hilfe, wenn man sich nach der Zusammensetzung eines Produkts erkundigte. In derartigen Geschäften wollte man die jeweiligen Artikel verkaufen und keine Lobeshymnen auf ein Produkt anstimmen oder dessen Inhaltsstoffe auf verständliche Weise deklarieren.

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Nachdem John von einigen Konzernbossen, denen er seine Seife vorgestellt hatte, vor die Tür gesetzt wurde oder Hausverbot erteilt bekam, konnte er zu seinem Glück auf einen übersichtlichen Kundenstamm zurückgreifen. Vor allem ältere Menschen schätzten Palmis´s Seife in den beliebten Variationen. Von Ahornaroma über Vanilleduft bis hin zu Zitrusfrische hatte John alles in seinem Sortiment. Palmis´s Seife ließ keine Wünsche offen. Zwar wurde er durch den Verkauf der eigenen Seife nicht reich, wie noch in jüngeren Jahren erhofft, doch die Einnahmen reichten aus, um ein bescheidenes Leben zu führen. Möglicherweise würde es John in ferner Zukunft gelingen, ein Unternehmen von der Qualität seines Produkts zu überzeugen. Eine Expansion wäre sicherlich nicht das Schlechteste, was ihm widerfahren könnte. Mit einer geübten Handbewegung nahm er den Nassrasierer zur Hand, fuhr sich durchs Gesicht und verteilte anschließend Afterschafe mit Minzduft auf Wangen und Hals. Gut 8

duftend konnte der Tag beginnen. Vorher noch schnell die kurzen, braunen Haare gekämmt und John konnte mit dem Ergebnis zufrieden sein. Lächelnd betrachtete er sich im Spiegel. Für sein Alter, welches bei Mitte dreißig lag, sah er noch verhältnismäßig gut aus. Auf seinen Dienstreisen hatte John schon deutlich schlimmere Exemplare gesehen. ››Wer ist der beste Seifenverkäufer im Land? Wer? John Edward Palmi. Zu ihren Diensten.‹‹ Dieses Schauspiel pflegte John jeden Morgen aufs Neue. Es ermutigte ihn, selbst wenn man ihm am heutigen Tag mehrmals die Tür vor der Nase zuschlagen würde. Das war ein hartes Los, welches man in seinem Berufszweig mit Fassung ertragen musste. Wenn Seife ein leichtes Geschäft wäre, dann würden alle Vertreter Seife verkaufen, pflegte sein Großvater immer zu sagen. John tappte in die Küche, schaltete die Kaffeemaschine ein und machte sich einen Marmeladentoast. Während des Frühstücks ging 9

er seine heutige Strecke durch und nippte an der Kaffeetasse. Mrs. Thompson und Mr. Cullingham sollte er einen Besuch abstatten. Ihr Seifenvorrat müsste sich laut Johns Berechnungen langsam dem Ende neigen. Beide zählten bereits zu den Kunden seines Vaters und John hatte sie sozusagen mit dem Geschäft übernommen. Er nippte erneut an der Tasse und bemerkte, dass der Inhalt eine trinkbare Temperatur erreicht hatte. John genehmigte sich einen kräftigen Schluck und biss voller Vorfreude in den Toast. Die Marmelade schmeckte, wie gewohnt, vorzüglich. Nach der Stärkung schlenderte John zur Haustür und ging in Gedanken seine Checkliste durch. Ein notwendiges Prozedere, da er nicht selten zur Vergesslichkeit neigte. Wagenschlüssel, Visitenkarten, Seifenkartons im Wagen … Schnell noch die dunkelblaue Krawatte zurecht gerückt und schon konnte es losgehen. Bis nach Wellingborough, einer Stadt in den East Midlands, waren es wenige Meilen, die 10

John mit dem Auto zurücklegen musste. Er war im Besitz eines metallicblauen, 1982er Modells, welches am Anfang seiner Fertigung zu den zuverlässigsten Autos seiner Klasse zählte. Heute, gut zweiunddreißig Jahre später, kam es jeden Tag zu neuen Beanstandungen, die John kaum mehr überraschen konnten. Es klapperte hier, es knackte dort, während an manchen Tagen die Funken flogen. Laute Feuerschläge aus dem Auspuff waren John nicht unbekannt. Beim Starten des angestaubten Vehikels hoffte er jeden Tag, dass ihm das Auto nicht um die Ohren flog. Mit einem lauten Knall startete der Wagen und sein Besitzer zuckte, wie an jedem Morgen, erwartungsgemäß zusammen. Der Motor knatterte und John überwand den ersten Schrecken, den er jeden Tag aufs Neue verspürte. Er kannte die Macken seines Wagens und hatte sich längst mit dessen Eigenheiten arrangiert.

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Die Zeit, welche es bis zum Ziel zu überbrücken galt, vertrieb sich John mit seinem Lieblingsradiosender CMBCK. ››Guten Morgen liebe Freunde. Hier ist Donald Jay Roberts auf CMBCK und ich spiele euch die einzig wahren Hits‹‹, trällerte der Radiomoderator aus den kratzigen Lautsprechern. John mochte diesen Sender. Hier spielte man zahlreiche Songs, die in die Geschichte eingegangen waren. Mit neuartiger und kurzweiliger Musik konnte sich John nicht anfreunden. Er hatte es in der Vergangenheit mehrfach in den Tanztempeln der Stadt versucht, doch jeder seiner Versuche scheiterte kläglich. Die Wenigsten, der Interpreten waren ihm ein Begriff, die gespielte Musik klang befremdlich und die entstandenen Modetänze waren eher für jüngere Generationen gedacht. Nach diesen Erfahrungen blieb John seinem Geschmack treu und den Discotheken fern. Wenigstens wusste er bei seiner Art von Musik, wovon der Text handelte. 12

John fuhr auf der Orlingbury Road, zu deren beiden Seiten man die landwirtschaftlich geprägten Felder der East Midlands sehen konnte. Er tippelte mit den Fingern auf dem Lenkrad, während aus dem Radio ein alter Rockklassiker dudelte. Nach zehn Minuten Fahrt erreichte er sein Ziel. Glücklicherweise waren Johns Kunden am Stadtrand zu finden. Er mochte das ewige Gedränge nicht und behandelte es als notwendiges Übel, das sein Beruf mit sich brachte. Das war Grund genug, um jeder Stadt fern zu bleiben. Menschenansammlungen, Gedränge und der dichte Verkehr waren John zuwider, auch wenn sich die nahe gelegene Stadt besser zum Seifenverkauf eignete als die angrenzenden Dörfer. Wäre John auf die neunhundert Seelen seines Heimatdorfes angewiesen, er hätte seinen geliebten Beruf aufgeben müssen. Im schlimmsten Fall hätte er in einer der Fabriken anheuern müssen. Ein Gedanke, der ihn erschaudern ließ. Viele der ihm bekannten Männer und Frauen arbeiteten in derartigen Betrieben, fer13

tigten Schuhe oder gerbten Tierhäute. Andere arbeiteten in dem hier ansässigen Chemieunternehmen, während George Barnaby auf der Deponie schuftete und bei jedem Besuch im Pub aufdringlich nach Abfall roch. Walter Brisbane rackerte tagtäglich auf den Feldern und plagte sich seit Jahren mit einem Rückenleiden. John wollte mit keinem von ihnen tauschen. Er war glücklich mit dem Seifengeschäft, auch wenn sein Gehalt bisweilen dürftig ausfiel, doch John würde seinen Job niemals gegen eine besser bezahlte Anstellung eintauschen. Vor einem der Bauernhöfe stieg John gut gelaunt aus dem Wagen. Das Haupthaus hatte man vor langer Zeit traditionell aus roten Backsteinen erbaut. In seiner langjährigen Geschichte musste das Anwesen vieles mit ansehen, wobei es jedoch keine nennenswerten Zwischenfälle gab, die es zu erzählen lohnte. Johns Gefühl verriet ihm, dass heute ein gutes Geschäft bevorstand. Kurzerhand nahm er ein kleines Paket aus dem Kofferraum, wel14

ches sich mit wenigen Handgriffen öffnen ließ. Mrs. Thompson hatte sich vor Jahren zurückgezogen und überließ es ihren Söhnen, Cecil und Norman, den Hof zu bewirtschaften. Sie widmete sich lediglich noch dem Vorgarten, den sie mit größter Liebe und Sorgfalt pflegte. Gelbe Blumen waren dabei ihre Favoriten. Als John vor der antiken Tür stand, rückte er seine Krawatte zurecht und betätigte den Klingelknopf. Ein schrilles Läuten ertönte und nach einiger Zeit öffnete man ihm die Tür. ››Mr. Palmi. Welch eine Freude sie wiederzusehen‹‹, sprach die ältere Dame. Sie trug, wie zu erwarten, ein Kleid mit Blumenmuster. ››Kommen sie herein. Gerade habe ich noch an sie gedacht. Mein Seifenvorrat neigt sich nämlich dem Ende.‹‹ Mrs. Thompson führte John, wie bei jedem Besuch, durch den schmalen Flur ins Wohnzimmer, welches mit etlichen Andenken aus aller Welt geschmückt war. Ihr verstorbener Mann war zu Lebzeiten Handelsreisender ei15