eDemokratie: „Hört auch jemand zu?“

Formen und Möglichkeiten der Interaktion und damit auch der thematisch gebundenen. Wählerbindung. Allerdings hat das Projekt gezeigt, dass die Entwicklung ...
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eDemokratie: „Hört auch jemand zu?“ Erfahrungen aus dem Pilotprojekt www.elektronische-demokratie.de des Deutschen Bundestages Dr. jur. Johann Bizer Institut für öffentliches Recht Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Senckenberganlage 31 / 60054 Frankfurt am Main [email protected] Abstract: Der Verfasser hat das vom Deutschen Bundestag von Juni 2001 bis Oktober 2002 durchgeführte Pilotprojekt im Rahmen eines Forschungsprojektes als Moderator betreut. Als zentraler Erfolgsfaktor hat sich in diesem Projekt neben dem Registrierungskonzept, die Rolle des Moderators sowie die technische Bedienung die Orientierung an den Rahmenbedingungen der Abgeordneten herausgestellt.

1 Drei Kernfragen Wer sich auf Projekte im Bereich der elektronischen Demokratie einlässt muss drei Fragen beantworten: (1) Wer redet worüber ?, (2) Hört auch jemand zu ? und schließlich „reagiert auch jemand ?. Die Faszination elektronischer Beteiligungsmöglichkeiten besteht in einer engeren Einbindung der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung. Auch aus der Binnenperspektive engagierter Abgeordneter öffnet das elektronische Medium neue Formen und Möglichkeiten der Interaktion und damit auch der thematisch gebundenen Wählerbindung. Allerdings hat das Projekt gezeigt, dass die Entwicklung einer thematisch konzentrierten auf Grund und Gegengrund beruhenden Debatte der praktischen Einübung und damit noch der Entwicklung bedarf. Das eigentliche Problem für eine erfolgreiche Durchführung liegt in den knappen Ressourcen der Abgeordneten, für die das Internet nur ein „Vertriebskanal“ politischer Kommunikation darstellt, der neben anderen bei gleich bleibenden personellen Ressourcen zu betreuen ist. Der Erfolg eines Forums hängt also nicht nur von der kommunikativen Kompetenz der Teilnehmer ab, sondern in hohem Maße von einer erfolgreichen Einbettung der Abgeordneten und der Berücksichtigung ihrer Rahmenbedingungen.

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2 Zehn erfahrungsgestützte Thesen zur Gestaltung eines Webforums 1. Der Erfolg eines Forums der eDemokratie hängt maßgeblich von der Präsenz der Abgeordneten im Webforum ab. Die organisatorischen Rahmenbedingungen müssen sich daher an den zeitlichen Ressourcen und Möglichkeiten der Abgeordneten orientieren. Zentraler Erfolgsfaktor ist die Gestaltung der Rahmenbedingungen, so dass die Erwartungen sowohl der Abgeordneten (Selbstdarstellung, Vermittlung von Positionen) als auch der Teilnehmer (Mitwirkung) an das Forum erfüllt werden können. Auf Teilnehmerseite waren völlig falsche Vorstellungen von der Tätigkeit und Arbeitsweise der Abgeordneten signifikant, die sich insbesondere in überzogenen Erwartungen an die Präsenz der Abgeordneten in dem Forum äußerten. 2. Als ein sinnvolles und taugliches Instrument zur Kommunikation haben sich neben dem allgemeinen Forum „virtuelle Podiumsdiskussionen“ erwiesen, deren Besetzung variiert werden kann und sollte. Ein solches Podium kann bspw. aus Abgeordneten unterschiedlicher Coleur und Position sowie mit ausgewählten Teilnehmern und/oder weiteren Sachverständigen besetzt werden. Die übrigen Teilnehmer sollten zumindest die Möglichkeit für aktive „Zwischenrufe“ erhalten, denen der Moderator gegebenenfalls durch Interventionen zusätzliches Gehör verschaffen kann. 3. Webforen können in Anlehnung an ausländische Vorbilder von Abgeordneten dazu genutzt werden, um sich in Anlehnung an Anhörungen von Sachverständigen bspw. im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren ausgewählte und damit echte Fragen von den Bürgerinnen und Bürgern beantworten zu lassen (eConsultation). Solche Bürgeranhörungen können bspw. als zu Sachverständigenanhörungen stattfinden, über deren Ergebnis dann der Moderator den Abgeordneten Bericht erstattet. 4. Für die Akzeptanz der Nutzer ist das für ihre Registrierung verfolgte Konzept von Bedeutung. Bewährt hat sich eine liberale Policy, bei dem die Nutzer lediglich ihren Namen und eine aktuelle Email-Adresse angeben. Die Freischaltung erfolgt jedoch erst, nachdem der Nutzer einen Link in einer Bestätigungsemail aktiviert hat. Schreibrechte setzen die Eingabe eines Passwortes voraus. 5. Die Verwendung pseudonymer Benutzernamen muss ermöglicht werden. Knapp zwei Drittel der Nutzer haben diese Möglichkeit auch genutzt. Um Verwirrung zu vermeiden, muss lediglich sichergestellt werden, dass die Tatsache des Pseudonyms transparent ist (Bspw.: „JosefMueller (Pseudonym)“. Funktionsbezeichnungen sind freizuhalten (Bspw. „bundeskanzler“) und dürfen nicht belegt werden. 6. Konsequenz des liberalen Registrierungskonzepts ist im Fall von Störungen1 nicht die Identifizierung der „Störer“, sondern die Entfernung des störenden Beitrages. Eine Vorzensur der eingehenden Beiträge ist bereits aus Akzeptanzgründen abzulehnen und nach meinen Erfahrungen auch nicht erforderlich. Maßnahmen der Vorzensur sind nicht nur aus Gründen der Meinungsfreiheit problematisch, sondern lähmen auch die Entfaltung der Interaktivität im Forum. Der Moderator ist ohnehin 1

Das ist ein Rechtsbegriff: Gemeint sind Rechtsverstöße.

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zur regelmäßigen Kontrolle der Beiträge auf offensichtlich rechtswidrige Inhalte verpflichtet. Zudem kann das Risiko, dass Rechte Dritter verletzt werden, dadurch minimiert werden, dass das Einstellen von Grafikdateien technisch verhindert wird. Diese Policy ist rechtskonform, datenschutzfreundlich und hat sich in der Praxis bewährt. 7. Nach meinen Erfahrungen wird die Missbrauchsgefahr in öffentlichen Foren häufig übertrieben. Die überwiegende Mehrzahl der Nutzer ist in einem ernsthaften Angebot bereit, die demokratische Diskussionskultur aktiv zu pflegen. Der Ton war zwar häufig „hart“, aber auch nicht unsachlicher als manch ein ungerügter Zwischenruf im Plenum des Deutschen Bundestages. Nicht nur der Moderator wirkt als Korrektiv, sondern auch die Teilnehmer, die unsachliche Beiträge kritisieren oder übergehen. 8. Die Moderation des Forums sollte aus Gründen der Glaubwürdigkeit durch eine namentlich bekannte Person erfolgen („Moderator mit Gesicht“). Nach außen muss ein namentlich bekannter und verantwortlicher Ansprechpartner in Erscheinung treten, an den sich Teilnehmer und Presse mit Kritik, Lob und Anregungen wenden können. Diese Rolle setzt allerdings eine gewisse Leidensfähigkeit voraus. 9. Der Moderator muss seine Tätigkeit als Vermittler zwischen Abgeordneten und Teilnehmern aktiv betreiben, indem er Themen und Fragestellungen initiiert. Er muss Beiträge innerhalb der Foren verschieben können, um die Diskussion zu straffen. Um das in ihn gesetzten Vertrauens zu rechtfertigen, müssen alle Eingriffe in ein Forum einschließlich der Maßnahmen gegenüber einzelnen Nutzern im Forum öffentlich dokumentiert und damit kritikfähig gestellt werden (Transparenz). Die Bereitstellung „technischer Foren“ für Verbesserungsvorschläge, Hinweise, Fragen und kritische Anmerkungen der Teilnehmer hat die thematischen Foren sinnvoll entlastet. Geschlossene Foren sollten in einem Archiv bereitgestellt werden. 10. Von großer Bedeutung für die Akzeptanz eines Forums ist seine technische und graphische Gestaltung. Aus der Sicht der Nutzer waren eine einfache Bedienung (schlicht – kein „Hokus Pokus“), die Schnelligkeit des Zugriffes sowie die Verwendung von Open Source2 von großer Bedeutung. Für den Moderator waren Benutzerverwaltung, Bedienung sowie das Handling der Foren in unterschiedlichen Gestaltungsformen zentral. Die Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungsvarianten und Funktionalitäten wird für die Nutzer zunehmend zum Problem. Das Projekt www.elektronische-demokratie.die wurde in der 14. Legislaturperiode vom Deutschen Bundestag auf Initiative und Betreiben des Unterausschusses Neue Medien unter Vorsitz des MdB Jörg Tauss (SPD) durchgeführt. Die technische Plattform wurde von IBM im Rahmen eines Sponsoring bereitgestellt und beruht weitgehend auf Open Source. Für die technische Umsetzung war die SerCon GmbH verantwortlich. Der Endbericht ist von der Verwaltung des Deutschen Bundestages bislang nicht zur Veröffentlichung freigegeben worden. Einen optischen Eindruck von dem Projekt vermittelt die Dokumentation unter http://www.sercon.de/portfolio/11_1.php.

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Mehr dazu ab Folie 15 unter http://www.sercon.de/pdf/portfolio/branchen/Projektbeschreibung%20Elektronische-Demokratie.pdf

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