Echo Online - Von Sucht und Sehnsucht

04.03.2015 - Da passt es gut, dass vor Konzertbeginn Bob Dylans episches „Desolation Row“ von 1965 läuft. Neben Dylan zählen die. Musiker von „Safran“ ...
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4.3.2015

KONZERTE

Echo Online - Von Sucht und Sehnsucht

02. März 2015 | Von Daniel Knellesen |

Von Sucht und Sehnsucht Konzert – Die Band „Safran“ stellt ihr neues Album „Machinery“ im Hoffart-Theater vor

„Machinery, luxury, creativity, fantasy“: Diese vier Wörter sind der Refrain des Liedes, mit dem die Groß­ Umstädter Band „Safran“ am Samstag im Darmstädter Hoffart­Theater die Releaseparty ihres Albums „Machinery“ begann. Denn Maschinen, Luxus, Kreativität und Fantasie sind die thematischen Grundpfeiler ihres neuen Werks. DARMSTADT. Das Lied heißt „Toys“ und beginnt mit hämmernden Klavierakkorden, um die sich dann die Stimme Klaus Schüllers förmlich windet. Er singt von Illusionen und Verlust, bevor er den Refrain wie vorsichtig haucht. „Machinery, luxury, creativity, fantasy“: Diese Tonlage behalten „Safran“ an dem Abend bei. Im Album „Machinery“ erzählen sie von Entfremdung und falschem Leben und davon, dass Maschinen und Mechanismen uns und unsere Sehnsüchte prägen und kontrollieren. Es ist eine Platte voll existenzieller Fragen. Vorbilder von den Beatles bis zu John Cage Da passt es gut, dass vor Konzertbeginn Bob Dylans episches „Desolation Row“ von 1965 läuft. Neben Dylan zählen die Musiker von „Safran“ unter anderem auch Sophie Hunger, Radiohead, Bruce Springsteen, John Cage, Pink Floyd, die Beatles und Klaus Stockhausen zu Vorbildern, die sie angeregt haben. Eine beeindruckende Liste aus Popmusik und experimentellen Klängen, die sich die noch recht junge Band da zugelegt hat. „Safran“ machen daraus eine Art Folk, mit dem klaren und unverkennbarem Willen zur Kante, zum Sperrigen, zum Rauen. Diese Musik und Themen wie Entfremdung oder bohrende Kulturkritik passen gut zusammen.„ So entstand ein Konzeptalbum, das die fünfköpfige Band auch stringent auf die Bühne des Darmstädter Hoffart­Theaters bringt. Visuell unterstützt wird das Ganze durch Kurzfilme und Videos. Sich immer neu sortierende Buchstaben sind dort zu sehen, endlose Autofahrten durch die Nacht und die für den modernen Farbdruck grundlegenden Farben Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz; Ödnis und Maschinen, auch hier. Klaus Schüller, Kopf und Sänger von „Safran“, singt mit minimaler Gestik. Umso gewaltiger und expressiver ist jedoch seine Stimme. Er moduliert von klassischem Folksängersound über Falsettähnliches hin zu einem mäßigen, wuchtig rezitierenden Stakkato­Bass. „Safran“ spielen fast alle Titel aus dem neuen Album. „Olimpia“, „Gretchen“ und „Future perfect“, „Stanley“ – sie alle erzählen von einer durch Macht korrumpierten Fantasie und vom Wunsch nach Einsamkeit. Davon, dass sich zurückzuziehen freilich keine wahre Lösung ist, singt Schüller in „Addicted“. Neben den Süchten nach Luxus, Geld, Schönheit, Sex und Glück ist eben auch der permanente Wunsch nach Einsamkeit eine Sucht. Die letzten Stücke des Abends, „First Popsong“ und „Soulmachine“, bringen das Anliegen von „Safran“ auf den Punkt. „First Popsong“ ist Schüllers erster Popsong – und gleichzeitig auch das letzte Mal, dass er über Liebe singt, weil diese mit so vielen Verlusten einhergehe, heißt es im Text. In viereinhalb Minuten „Soulmachine“versucht Schüller dann den lebensbestimmenden Maschinen die Seele als eine Art Gegenstück entgegenzusetzen. Doch auch hier sind die Maschinen einen Schritt weiter und bereits zur Seelenmaschine geworden. Dass so viel Kritik und Ausweglosigkeit nicht zwingend zu schlechter Laune führen, zeigt der Blick in die Gesichter der Musiker und ins Publikum nach dem Konzert – Lachen und ein Bier nach dem Auftritt rücken manches eben doch wieder zurecht.

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