„Ich kam ins Paradies“
Alumnianlass mit Anatole Taubman
Alumni
Foto: Detta Kälin
Am vergangenen Mittwoch luden die Alumni der Stiftsschule Einsiedeln zu einem besonderen Anlass ein. Der ehemalige Stiftsschüler Anatole Taubman, der wohl international erfolgreichste Schweizer Schauspieler, präsent in über 95 Filmen, beantwortete in der Cineboxx Fragen des interessierten Publikums und erzählte Anekdoten aus seiner Stiftsschulzeit, von seinem Werdegang und zu amüsanten Erlebnissen am Set. Das Kino in Einsiedeln, die Cineboxx, gehörte einen Abend lang der Stiftsschule. Mehrere hundert aktuelle und ehemalige Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen und Eltern trafen ein, um einen besonders prominenten Absolventen der Schule kennenzulernen: Anatole Taubman. Abt Urban hielt zu Beginn des Anlasses eine Laudatio für Taubman, den Ehrengast es Abends. Er beschrieb den Schauspieler als eine Person voller Leben, mit der es nie langweilig wurde. Der Abt schilderte auch eine Begegnung mit Anatoles Mutter: Sie sagte einmal, sie sei hier in Einsiedeln zu Hause, weil ihr Sohn hier zu Hause wäre. Dies bestätigt Anatole Taubman im Verlaufe des Abends immer wieder: Einsiedeln ist für ihn Heimat. Um es in den Worten von Abt Urban zu sagen: Anatole Taubman, der Mann der die Welt bespielen muss und trotzdem in Einsiedeln zu Hause ist.
Verflucht oder gesegnet? Das darauffolgende aufschlussreiche und humorvolle Gespräch wurde von Phil Dankner, einem Luzerner Musiker, Art-Director und Moderator und Eventmanager der Alumni-Vereinigung, geleitet. Taubman wusste jedenfalls vieles zu berichten: So etwa, dass zu seiner Zeit Pater Hieronymus Mathematik an der Stiftsschule unterrichtete. Eines Tages wurde der junge Anatole von diesem zu sich gerufen. Daraufhin äusserte sich der Pater zu schwarzer Energie, welche der Junge nach Einsiedeln brächte. Nach einem Gespräch mit Anatoles Mutter, dem Präfekten und Pater Hieronymus sprach der Mathematiklehrer praktisch nicht mehr mit ihm. Während jeder Mathematikprüfung stand er nun mit dem Rosenkranz neben ihm, zum Unglück Anatole Taubmanns, denn dieser konnte seinen Spickzettel so nicht benutzen. Doch der Junge nutzte die dämonische Angst des Paters aus und begann eine Sechs zu malen: Der entsetze Pater eilte davon und der Spickzettel konnte zum Einsatz kommen. Und um den Kreis zu schliessen, traf der nun renommierte Schweizer Schauspieler nun bei seiner Rückkehr nach Einsiedeln wieder voller Schrecken auf Pater Hieronymus - heute 95 Jahre alt. Dieser wollte ihn sogar segnen, doch dem jungen Schauspieler kam das Wort „spingere“ etwas zu oft in dem Segensspruch vor.
Einsiedeln und dessen Prägung Doch Einsiedeln hat den damals 17-jährigen Anatole geprägt. Einsiedeln ist für ihn die Heimat, die er in seiner Kindheit nie gefunden hatte: Als Halbweise aufgewachsen und in Straftaten verwickelt, bot ihm die Stiftsschule und das Internat eine erste Konstante in seinem Leben. Das ruhige, naturverbundene Einsiedeln stellte einen Gegensatz zu Zürich dar. Freiwillig war er nicht hierhergekommen, doch seine Mutter hatte ihn praktisch dazu gezwungen diese Schule zu besuchen. Und die Entscheidung sollte sich als richtig erweisen: „Ich dachte ich komme ins Gefängnis, kam aber ins Paradies.“, so die Worte Anatole Taubmans. In Einsiedeln fand er nicht nur eine Heimat. Mit Pater Kassian, dem damaligen Internatsleiter und gleichzeitig Vaterfigur für ihn, kam er auch aufs Theater. Auf die Bitte Pater Kassians, welcher auch die Theatergruppe leitete, las Anatole das Stück „Der Kaufmann von Venedig“ von Shakespeare und war begeistert. Pater Kassian verlangte nun aber, dass er den Shylock spielte, den Bösewicht, einen alten Mann mit einem unmenschlichen Charakter. Nach anfänglichen Bedenken bereitete ihm das Theaterspiel aber sehr viel Freude. Nach den Aufführungen bekam er jeweils sehr viele Komplimente und Anerkennung der Zuschauer. Anatole Taubman realisierte, dass die Leute ihn als Shylock ernst nahmen und ihn daher auch als Person ernst nehmen müssten. Da wusste er: „That’s it, ich werde Schauspieler“.
„I loved America and America loved me“ Und Schauspieler wurde er auch. Nach erfolgreicher Matura machte er sich auf dem Weg nach Amerika. Von Vorteil war hier seine zweite Muttersprache Englisch. Dennoch wurde er vor allem von Angst und Unsicherheit nach Amerika getrieben. Doch Anatole beschrieb seine Zeit in Amerika dennoch positiv: „I loved America and America loved me“. Voller Enthusiasmus und Energie starte er seine Karriere mit 37 Dollar. Seine erste Rolle: Eine Palme mit ausgeschnittenem Gesicht. Dennoch habe er alles in diese Rolle gegeben, betont Taubman. Das macht die Freude an der Schauspielerei, die er bis heute bewahren konnte, aus.
Anatole in der Modebranche Nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Model war Anatole in Amerika tätig. Obwohl er durch Zufall zu diesem Job kam, verdiente er sich damit längere Zeit in seiner Freizeit etwas dazu. Dabei wurden einige Fotos aus der Fundkiste gezeigt: Fotos aus der Modelbranche und aus den alten Zeiten in Amerika.
Wie Anatole Taubman zu seinem Spitznamen kam Der Name Anatole Taubman mag vielen Schweizern eigenartig vorkommen, die Aussprache seines Namens reicht daher von Antol, über Anatoli, bis zu Ananas und seinem Spitznamen Ani. Aber nicht nur die Schweizer hatten Probleme damit, auch in Amerika gab es eine lustige Situation. Bei einem wichtigen Vorsprechen durfte er Tom Hanks kennen lernen. Der berühmte Schauspieler und Filmproduzent hatte auch so seine Probleme mit dem Namen. Er konnte diesen Namen einfach nicht aussprechen und fragte nach einer kürzeren Alternative. Der nervöse Anatole Taubman hingegen wollte lieber sein Vorsprechen hinter sich bringen als über seinen Namen zu diskutieren und antwortete schlagfertig: „You can call me whatever you want, but can I first make the audition?“ Darauf startete Hanks verlegen das Vorsprechen und gab ihm danach den Namen „Toli“, der bis heute erhalten blieb. Es war die einzige Rolle, für welche er noch am gleichen Tag die Zusage bekam.
Bösewicht in einem James Bond Film Bekannt ist der Schweizer Schauspieler vor allem auch für seine Rolle im 22. James Bond Film “Quantum of Solace”. Bei seinem Vorsprechen traf er zu seiner Freude auf den Deutsch-Schweizer Filmregisseur Marc Forster. Er bekam die Rolle und somit auch das Skript, mit dem Namen B22, was für Bond, der 22 Film stand. Der spätere Titel “Quantum of Solace” war zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgelegt. Trotz der anfänglichen Freude über die Rolle war Anatole noch nicht zufrieden. „Sie hatte mir zu wenig Fleisch am Knochen“, erklärte er. Er begann also intensiv über die Rolle nachzudenken und an der Geschichte herumzubasteln. Anatole Taubman sagte dazu: „Wenn ich eine Rolle angehe, bin ich wie ein Architekt. Die Rolle ist wie das Haus, das ich bewohnen möchte, das jedoch noch nicht gebaut ist.“ Im Austausch mit dem Regisseur und Produzenten kam es dann zur Rolle des Elvis, wie wir sie aus dem James Bond Film kennen. So ist es auch der einzige Film, in der ein Bösewicht Schweizerdeutsch spricht, indem er mit seiner Mutter telefoniert. Der Bond-Film war der teuerste Film, in dem der ehemalige Stiftsschüler spielen durfte. Es war auch jener Film, der zu seiner Berühmtheit wesentlich beitrug.
„Geschichte mochte ich schon immer“ Ein weitere tolle Rolle, die Anatole Taubman gern besetzte, war jene in der Fernsehserie „Versailles“. Durch Herrn Zurfluh, Geschichtslehrer an der Stiftsschule Einsiedeln, war er immer schon von der Geschichte fasziniert gewesen und daher sagte ihm „Versailles“ auch zu. Eine Besonderheit bei dieser Fernsehserie war auch das Perückenbudget: Eine halbe Million wurde allein für den Haarschmuck ausgegeben, damit die Haarpracht der Schauspieler auch authentisch wirkte. Auch in diesem Film reitet er, dies hatte er für eine seiner früheren Filme gelernt. Neben neuen Aktivitäten hat man als Schauspieler auch die Möglichkeit an verschiedene Destinationen zu reisen, hält Taubman fest.
Die eigenen Filme anschauen? Horror! Anschauen würde Anatole Taubman seine eigenen Filme nicht. Das sei für ihn Horror, schlimmer als das Synchronsprechen im Tonstudio, erklärt er schmunzelnd, und dies sei bereits eine sehr nervenauftreibende Sache. Es sei schwierig sich selber anzuschauen, er sei der Meinung, niemand täte das gerne. Für ihn also der Horror, die Filme werden vom Publikum angeschaut, nicht von den Schauspielern.
Von Action zum Herzkino Anatole Taubman ist als Bösewicht bekannt, doch in diesem Jahr gab es eine Wende. Bis auf einen Film spielt der 46-Jährige in diesem Jahr nur in Komödien, einer neuen Herausforderung, die sich so ergeben hat und ihm jedenfalls viel Spass bereit. Bald kommt auch der Film zum Buch „Ein Moment fürs Leben“ von Cecelia Ahern in die Kinos. Ein Herzkino, in dem auch Anatole Taubman zu sehen sein wird, diesmal jedoch nicht als Bösewicht.
Tolle Toli-Outtakes Zum Schluss erzählte Taubman noch eine amüsante Geschichte vom Set. Aus der Sparte „Tolle Toli-Outtakes“ gäbe es noch viele, aber diese eine wolle er uns nicht vorenthalten. Anatole Taubman hat nie ein geschaltetes Auto gefahren, er beschränkte sich auf Automaten. In Rollen, in denen das Autofahren geplant war, musste er daher immer vorher einen Automaten anfordern. Eines Tages hatte er aber vergessen, dies anzumerken und am Vorabend realisierte er, dass seine Figur mit einem Militärjeep scharf um die Ecke fahren musste. Taubman dachte sich, dies musste jetzt einfach gehen, und er Foto: Detta Kälin kam am nächsten Morgen zum Set. Mit dem Wagenbesitzer durfte er vor dem Dreh ein wenig üben, der Motor verreckte immer wieder und er kam nicht mehr als zwei, drei Meter weit. Später sollte er aber 100 Meter fahren und scharf um die Kurve kommen. Nun war der Schauspieler alleine in dem Auto, schweissgebadet wollte er die Szene hinter sich bringen. Das ganze Team wartete, bis er scharf um die Kurve kam, hinter ihm ein Wagen voll mit Lichtequipment. Anatole Taubman startete den Wagen und fuhr los und dann war das Lichtequipment über ihm, versehentlich hatte er den Rückwärtsgang eingelegt. Der Wagen musste erst wieder instand gesetzt werden und der Wagenbesitzer musste die Szene fahren. Im weiteren Verlauf des Filmes gab es noch eine Szene, in der Anatole Taubman in einem Auto fuhr. Diesmal wurde er aber vom Personal hineingeschoben und später wieder hinausgeschoben. Anatole Taubman brachte Alumnis, Stiftsschülerinnen und Stiftschülerinnen sowie Lehrkräfte im Laufe des Abends immer wieder zum Lächeln und passend dazu beendete Phil Dankner den Abend mit einem Lied von Charlie Chaplin für Anatole Taubman: Smile. Alina Jud (6c)