BUSINESS EXCELLENCE Wettbewerbsvorteil: «weiche» Faktoren
lenz in «weichen» Organisationskompetenzen. Zu diesem Ergebnis kommt die umfangreiche Studie «Organisation 2015. Designed to win» (siehe Kasten).
Die Organisation der Zukunft
Trendwende in der Organisation Auf die Frage, auf welche Themen es in den nächsten Jahren besonders ankommen wird, nennen Führungskräfte einen Mix aus «harten» und «weichen» Organisationsdimensionen. Die Mehrheit der Organisationsmanager sieht weiterhin bewegte Zeiten auf sich zukommen: Klare Spitzenreiter in der Rangliste der Zukunftsthemen bleiben die in der Krise nach oben gerückten «harten» Schwerpunkte. Nahezu jeder dritte Befragte (27 Prozent) zählt die drei aktuellen Topthemen Kostenreduktion, Restrukturierung und Prozessmanagement auch zu den fünf wichtigsten Organisationsthemen der Zukunft. Bemerkenswert ist allerdings, dass den «weicheren» Themen für die Zukunft durchgehend
Von Fabrice Roghé und Rainer Strack
Die Ergebnisse der Studie «Organisation 2015. Designed to win» zeigen, dass die Krise nicht nur in den Bilanzen tiefe Spuren hinterlässt, sondern auch in den Organisationen. In der langfristigen Performance werden diejenigen Unternehmen die Nase vorn haben, die konsequent auf weiche Organisationskompetenzen setzen.
noch die interne: Mitarbeiter wie Manager haben kaum noch Zeit, in neue Aufgaben hineinzuwachsen und in ihrem Verantwor-
D
tungsbereich nachhaltige Wirkung zu entfalten. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Organisation liegt in der Kombination zweier Faktoren: einfache, effektive Grundstrukturen plus Exzel-
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Viele Unternehmen reagieren auf die wachsenden Anforderungen mit häufigeren Struktur- und Regeländerungen – und addieren so zur externen Unsicherheit
Künftige Bedeutung von «harten» und «weichen» Themen
Grafik 1
Frage: «Was sind in Zukunft (2015) in Ihrem Unternehmen die fünf wichtigsten Themen im Bereich Organisation?» % der Antwortenden, die das Thema als Top-5-Wichtigkeit 2015 nennen
Zukunft Zukunft
«Harte» Themen
30
27
Ohne Kostenreduktion und Prozessmanagement werden «weiche» Faktoren um rund 100% häufiger angegeben!
27
26 21
22
22
21
20 13 9
9
Out-/Co-Sourcing, Offshoring
8
19
15
13 9
Shared Services
10
Individuelle Verantwortlichkeiten/Accountability
12
9 10
Geschäftstransparenz und -analyse
13 10
22
20 21
Struktur
Steuerung
Prozesse
People
Projektmanagement
Organisatorische Flexibilität/ Fähigkeit zur Integration von Akquisitionen
Change-Management/ Umsetzung
Netzwerke/virtuelle Organisation
Informations- und Wissensmanagement
Bereichsübergr. Zusammenarbeit/Kooperationsverhalten
Gestaltung der Unternehmenskultur
Performance-Management
Mitarbeitermotivation/Mitarbeiterengagement/Empowerment
Führung/Leadership
Innovationsmanagement
Prozessmanagement
Optimierung von Entscheidungsprozessen
Globale Organisation/Grad der Zentralisierung Rolle der Zentrale/ Corporate Governance
Kostenreduktion/ Restrukturierung
Optimierung Führungsebenen und -spannen
Effektive Matrixorganisation/ multidimensionale Organisation
0
Kooperation Transformation
Ø 20%
40
«Weiche» Themen
Quelle: BCG-Organisationssurvey 2009, BCG-Analyse
50
Effektive Ordnungskriterien für die Organisationsstruktur
Fabrice Roghé, Partner and Managing Director, und Rainer Strack, Senior Partner and Managing Director, The Boston Consulting Group, Ludwigstrasse 21, D-80539 München, Tel. +49 (0)89 231 740, www.bcg.de
Potenzierte Unsicherheiten
Ø 14%
ie Erschütterungen der Krise werden auch die kommenden Jahre prägen. Kostenund Wettbewerbsdruck bleiben hoch, niemand vermag mit Gewissheit vorauszusagen, wie die «neue Normalität» aussehen wird. Viele Unternehmen fahren «auf Sicht» – sicher ist, dass Strategiewechsel häufiger werden und die Organisation einem doppelten Anspruch gerecht werden muss: Restrukturierung und Effektivitätssteigerung sind als Ziele in dauerhafte Kompetenzen zu übersetzen; zugleich gilt es, mit «weichen» Kompetenzen wie Führung, Motivation, Change-Management bei Kunden und im Wettbewerb einen Vorsprung zu gewinnen. Je beweglicher und individueller Strategien und Geschäftsmodelle werden, desto flexibler und zugleich effizienter müssen Organisationen agieren.
Neue Normalität nach der Krise?
MQ Management und Qualität 4/2010
BUSINESS EXCELLENCE Organisation zählen wird. Es folgen die mitarbeiterbezogenen Aspekte der Organisationsentwicklung. Jeweils rund ein Fünftel der Befragten (22 Prozent) nennt die Themen Führung/Leadership, Kooperation und Projektmanagement als wichtige Aufgaben der Zukunft.
eine signifikant höhere Bedeutung beigemessen wird. Dies wird noch deutlicher, wenn man die beiden krisenbedingten Schwerpunkte Restrukturierung und Prozessmanagement ausblendet und mit klassischen «harten» Themen wie «Rolle der Zentrale», «Grad der Zentralisierung» oder «Effektive Ordnungskriterien der Organisationsstruktur» vergleicht. Im Verhältnis dazu wird die künftige Bedeutung «weicher» Themen im Schnitt fast doppelt so hoch eingeschätzt (Grafik 1). Gemessen an den heute dominierenden Schwerpunkten weisen die Ergebnisse der Befragung auf eine klare Verschiebung hin: Zwar wird weiterhin mit Transformations- und Restrukturierungsaufgaben gerechnet, doch im Vergleich dazu rücken «weiche» Aspekte in den Vordergrund. Knapp ein Drittel der Befragten rechnet damit, dass die Bewältigung von Anpassungsprozessen («Change-Management») im Unternehmen zu den wichtigsten Zukunftsthemen der
Kostensenkung/Restrukturierung aus: Weniger als ein Viertel aller Befragten (24 Prozent) sieht ihr Unternehmen hier als kompetent an. Innerhalb des «weichen» Themenspektrums zählen viele Befragte das Projektmanagement zu den relativen Stärken des Unternehmens. Fast jeder Zweite (46 Prozent) bewertet die Fähigkeiten seines Unternehmens hier als überdurchschnittlich – ein deutlich höherer Anteil als bei allen anderen Themen. Als Problemfeld innerhalb des «weichen» Bereichs erweist sich das Thema Informations- und Wissensmanagement. Dies ist ein Hinweis darauf, dass trotz erheblicher Investitionen in den Ausbau von Informations- und Wissenssystemen die Einschätzung der Kompetenz eher kritisch ausfällt: Nur 19 von 100 Befragten beurteilen ihr Unternehmen hier als kompetent. Angesichts der wachsenden Bedeutung der «weichen» Themen für die künftige Differenzie-
Kompetenzen werden gering eingeschätzt Beim Blick auf die Stärken und Schwächen der Organisationen zeigt sich ein überraschend selbstkritisches Bild: Viele Führungskräfte bewerten die Organisationskompetenzen ihrer Unternehmen als erschreckend gering. Aus ihrer Sicht unterstützt die Mehrzahl der Organisationen die strategischen Geschäftsziele nur unzureichend. So sind im Durchschnitt über alle «harten» Organisationsthemen nur 22 Prozent der Befragten der Ansicht, ihr Unternehmen sei kompetent (Grafik 2). Bemerkenswert kritisch fällt die Wahrnehmung der Kompetenz bei den aktuellen Topthemen
Wahrgenommene Kompetenz insgesamt niedrig
Grafik 2
Frage: «Wie kompetent ist Ihr Unternehmen bezüglich folgender Organisationsaspekte?» 1. «Top-2-kompetent» sind die Top-2-Antworten auf einer Kompetenzskala mit fünf Intervallen % der Antwortenden, die das Thema als Top-5-Wichtigkeit 2015 nennen «Weiche» Themen
40 32 Ø 22%
29
26
24 20
46
Kompetenz deutlich höher als bei anderen Themen
19 16
23
19
17
16
29
28 18
24
31 28
26 26
27 22
19 15
MQ Management und Qualität 4/2010
Prozesse
People
Projektmanagement
Organisatorische Flexibilität/ Fähigkeit zur Integration von Akquisitionen
Change-Management/ Umsetzung
Netzwerke/virtuelle Organisation
Informations- und Wissensmanagement
Bereichsübergr. Zusammenarbeit/Kooperationsverhalten
Gestaltung der Unternehmenskultur
Mitarbeitermotivation/Mitarbeiterengagement/Empowerment
Führung/Leadership
Performance-Management
Innovationsmanagement
Out-/Co-Sourcing, Offshoring
Shared Services
Prozessmanagement
Geschäftstransparenz und -analyse
Steuerung
Individuelle Verantwortlichkeiten/Accountability
Optimierung von Entscheidungsprozessen
Globale Organisation/Grad der Zentralisierung Rolle der Zentrale/ Corporate Governance
Kostenreduktion/ Restrukturierung
Optimierung Führungsebenen und -spannen
Effektive Ordnungskriterien für die Organisationsstruktur
Effektive Matrixorganisation/ multidimensionale Organisation
0
Struktur
Ø 28%
«Harte» Themen
Kooperation Transformation
Quelle: BCG-Organisationssurvey 2009, BCG-Analyse
60
Umfangreiche Studie Die Studie «Organisation 2015. Designed to win» ist ein Gemeinschaftsprojekt der Boston Consulting Group (BCG), der Gesellschaft für Organisation (gfo), der Österreichischen Vereinigung für Organisation und Management (ÖVO) und der Schweizerischen Gesellschaft für Organisation und Management (SGO). Für die Studie wurden über 1000 Führungskräfte und Organisationsexperten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihren Schwerpunkten, ihren Erfahrungen und Perspektiven befragt sowie mehr als 100 Reorganisationen ausgewertet. Die Teilnehmer der Studie repräsentieren ein breites Branchenspektrum: von Banken und Finanzdienstleistern, Versicherungen, Industrien (Chemie, Automobil, Energie, Pharma) über Handel und Dienstleistungen bis hin zu IT, Kommunikation und Medien. Insgesamt 23 Organisationsthemen, gruppiert in die sogenannten «harten» (Struktur, Steuerung, Prozesse) und «weichen» Felder (People, Kooperation, Transformation), wurden im Hinblick auf ihre aktuelle und künftige Relevanz bewertet und in ihrer Wirkung auf die Unternehmensleistung analysiert. ___Infos: www.bcg.de
rung im Wettbewerb gewinnen die Ergebnisse der Befragung besondere Brisanz. Nur wenige Unternehmen sehen sich in ihrer Organisation derzeit ausreichend darauf vorbereitet. Hinzu kommt: Entwicklungen der «weichen» Seite der Organisationsentwicklung folgen einer anderen Zeitstruktur als Veränderungen in vielen «harten» Feldern. Ob es sich um die Weiterentwicklung von Führungskräften handelt oder um Mitarbeiterengagement – ohne einen ausreichend «langen Atem» sind wirksame Verbesserungen kaum zu erreichen.
Erfolg korreliert mit «weichen» Kompetenzen Der Zusammenhang zwischen «weichen», zum Teil schwer messbaren Faktoren wie Kooperations15
BUSINESS EXCELLENCE
«Weiche» Kompetenzen korrelieren stärker mit wirtschaftlichem Erfolg als «harte»
Nicht signifikant
Korrelation mit wirtschaftlichem Erfolg
Führung/Leadership Mitarbeitermotivation/Empowerment Individuelle Verantwortlichkeiten Gestaltung der Unternehmenskultur Change-Management/Umsetzung Optimierung Führungsebenen und -spannen Netzwerke/virtuelle Organisation Performance-Management Innovationsmanagement Optimierung von Entscheidungsprozessen Organisatorische Flexibilität Projektmanagement Effektive Ordnungskriterien für die Organisationsstruktur Prozessmanagement Effektive Matrixorganisation Informations- und Wissensmanagement Bereichsübergreifende Zusammenarbeit Globale Organisation/Grad der Zentralisierung Shared Services Geschäftstransparenz und -analyse Kostenreduktion/Restrukturierung Rolle der Zentrale/Corporate Governance Out-/Co-Sourcing, Offshoring
«Weiche» Themen
0,0
0,1
0,2
Anmerkung: Alle Korrelationen sind signifikant mit Ausnahme der grau hinterlegten und als solche markierten Themen
«Harte» Faktoren nur Mittel zum Zweck Sind Unternehmen mit leistungsorientierter Unternehmenskultur oder brillanter Führungskompetenz tatsächlich in ihrer messbaren Leistung besser als ihre Wettbewerber? Die Studie hat die Angaben der mehr als 1000 befragten Führungskräfte zu Schwerpunkten und Kompetenzen ihrer Organisation mit der Ertrags- und Wachstumsstärke der jeweiligen Unternehmen verglichen. Als Massstab wurde eine Kombination aus Marge und Wachstum gewählt. Im Ergebnis zeigt sich: Zwischen wahrgenommener Kompetenz bei «harten» Themen und dem 16
0,3
Stärke der Korrelation
«Harte» Themen
bereitschaft oder Führungsstärke und dem Unternehmenserfolg wird von vielen Führungspersönlichkeiten aus ihrer Erfahrung bestätigt, kann jedoch seltener anhand von Daten belegt werden.
gien operiert werden kann. Dies führt jedoch nur dann zum Erfolg, wenn auch die Organisationen diese schnellen Veränderungen mittragen.
Auf den Mix kommt es an
Geschäftserfolg ist der Zusammenhang deutlich geringer als bei «weichen» Themen – vier der fünf Themen mit der stärksten Korrelation zwischen wahrgenommener Kompetenz und dem Geschäftserfolg sind «weich» (Grafik 3). Als besonders markant erweist sich die Verbindung bei den Faktoren Führungskompetenz und Mitarbeitermotivation. In knapp zwei Dritteln der leistungsstärksten Unternehmen bewerten die Befragten die Kompetenz der Unternehmensführung als besonders hoch.
Wettbewerbsvorteil Organisation Die Einschätzung der künftigen Wettbewerbsbedingungen spiegelt sich in den heutigen strategischen Prioritäten der Unternehmen wider. Auf die Frage nach den wichtigsten Zielen, die sich ihr Unternehmen gesetzt hat, ähneln sich branchen- und unternehmensübergreifend die Schwerpunkte: Jeder zweite Befragte zählt «stärkere Kundenorientie-
Quelle: BCG-Organisationssurvey 2009, BCG-Analyse
Untersuchte Organisationsthemen
Grafik 3
rung» und «Qualitätsführerschaft» zu den fünf wichtigsten Zielen des Unternehmens; mehr als ein Drittel gibt «Prozessexzellenz» und «Innovationsführerschaft» als Schwerpunkte an. Erst auf den hinteren Rängen finden sich Ziele wie die «Verlagerung von Produktionsstätten in Niedrigkostenländer», «Wachstum durch M & A (Mergers & Acquisitions)» oder «Kostenführerschaft». Im Gesamtbild zeigt sich die Tendenz, unter veränderlichen Marktbedingungen verstärkt auf organisationsbezogene Kompetenzen zu setzen. Kundenorientierung, Qualitätsführerschaft und Prozessexzellenz führen die Liste der strategischen Ziele an. Fähigkeiten im Change-Management, Mitarbeitermotivation, Führungs- und Kooperationsfähigkeiten werden damit insgesamt zu zentralen Realisierungsvoraussetzungen erfolgreicher Wettbewerbsstrategien. Marktpositionen, etwa in Form spezieller Produkte, lassen sich kaum noch dauerhaft verteidigen, so dass nur mit ständig wechselnden Strate-
Die Studie skizziert die Merkmale der erfolgreichen Organisation der Zukunft: einfache, robuste Strukturen, die komplexe Geschäfte in beherrschbarere Teile zerlegen und systematisch «weiche» Organisationskompetenzen wie Führung, Motivation, Kooperation und Change-Management fördern. «Harte» Organisationsdimensionen sind Mittel zum Zweck, die «weichen» und erfolgskritischen Organisationskompetenzen zu stärken. Dabei sind die Wechselwirkungen von zentraler Bedeutung. Beispielsweise kann eine starke Führungskultur nur entstehen, wenn die Organisationsstruktur den Führungskräften hinreichend Entscheidungsbefugnisse und Möglichkeiten zur Eigeninitiative einräumt. Umgekehrt gilt, dass eine produk-
Vieles braucht den «langen Atem» tive Führungskultur fundamental beeinträchtigt wird, wenn kleine Führungsspannen und exzessive Kontrollmechanismen zu Mikromanagement und einer «Dienstnach-Vorschrift»-Mentalität oder gar zu «innerer Kündigung» führen. Erfolgreich werden diejenigen Unternehmen sein, die ihre «harten» Organisationsmerkmale massgeblich vor dem Hintergrund ihrer Auswirkungen auf «weiche» Organisationskompetenzen gestalten. n
MQ Management und Qualität 4/2010