Von der Aufarbeitung der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs zur Einführung einer wirksamen Kindesschutz-‐Policy bei Ärzte für die Dritte Welt e.V. Bericht der externen Kommission Claudia Burgsmüller, Wiesbaden Mechtild Maurer, Freiburg i.Brsg Julia von Weiler, Köln Mai 2012
Inhalt Einführung 1. Arbeitsweise der Kommission 2. Sexuelle Ausbeutung von Kindern und deren besondere Situation in der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe durch Mitarbeitende aus den Geberländern 3. Erkenntnisse zur Risikoabschätzung des sexuellen Missbrauchs an Kindern in und im Umfeld von Projekten bei Ärzte für die Dritte Welt e.V. und Risikoanalyse der Organisationsstruktur 4. Die Einführung einer Kindesschutz Policy bei Ärzte für die Dritte Welt e.V. 5. Gesamtbeurteilung der Erkenntnisse 6. Empfehlungen 7. Verwendete Literatur Anhang
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Einführung Hintergrund für die Einsetzung einer externen Kommission waren die im Januar 2010 an die Öffent-‐ lichkeit gelangten Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Übergriffe am Canisius-‐ Kolleg in Berlin durch mehrere Jesuitenpatres, die in den 80er Jahren dort tätig waren. Einer der Be-‐ ƐĐŚƵůĚŝŐƚĞŶǁĂƌĚĞƌ'ƌƺŶĚĞƌĚĞƌͣ ƌnjƚĞĨƺƌĚŝĞƌŝƚƚĞtĞůƚĞ͘s͘͞;ϯtͿĞƌŶŚĂƌĚŚůĞŶ͘WĂƚĞƌŚůĞŶ zeigte sich kurz vor der Veröffentlichung eines Artikels in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung am 2.2.2010 selbst bei der Staatsanwaltschaft an und räumte den sexuellen Missbrauch an mehreren Schülern in Hannover in den 70er Jahren ein. Zu seiner Zeit am Canisius-‐Kolleg äußerte er sich zu-‐ nächst nicht. Der Provinzial erließ ein Verbot, nach dem Bernhard Ehlen öffentlich nicht mehr als Priester tätig sein durfte. Um einer Abwahl als Vorsitzender der A3W zu entgegen, trat Ehlen im Feb-‐ ruar 2010 von allen seinen Ehrenämtern bei den A3W zurück. Der Generalsekretär von A3W, Dr. Harald Kischlat teilte am 5. Februar 2010 der Presse mit, dass der Verein ein externes Gremium aus 3 Expertinnen beauftragt habe. Anlass hierfür sei Folgendes gewe-‐ sen1: ͣŵϮ͘&ĞďƌƵĂƌϮϬϭϬŚĂƚĚĞƌ'ƌƺŶĚĞƌƵŶĚůĂŶŐũćŚƌŝŐĞ>ĞŝƚĞƌĚĞƌ ƌnjƚĞĨƺƌĚŝĞƌŝƚƚĞtĞůƚĞ͘s͘Ğƌn-‐ hard Ehlen SJ einen von ihm Anfang der 70er Jahre begangenen sexuellen Missbrauch gestanden. Den heutigen Mitgliedern des Vorstands, des Kuratoriums, der Geschäftsleitung und des Vereins sind diese dĂƚƐĂĐŚĞŶĞƌƐƚƐĞŝƚĚŝĞƐĞŵdĂŐďĞŬĂŶŶƚ͘͞ Angekündigt wird, dass die Expertinnen klären sollen, ob es im Rahmen der Arbeit von Bernhard Eh-‐ len SJ für die A3W zu Übergriffen kam. Die Expertinnen werden wie folgt mit ihren Qualifikationen vorgestellt: ͣĂƐ'ƌĞŵŝƵŵďĞƐƚĞŚƚĂƵƐϮdžƉĞƌƚŝŶŶĞŶĂƵƐĚĞŵĞƌĞŝĐŚ^ĐŚƵƚnjǀŽŶĞĞƌĞ͕ĚĂĚŝĞƐĞǀŽŶĚĞƌsĞƌĨĂƐƐĞƌŝŶĚĞƐ Schreibens weder benannt noch zitiert werden. Auch im weiteren Text des zweiseitigen Schreibens ƚĂƵĐŚĞŶĞŐƌŝĨĨĞǁŝĞͣƐĞdžƵĞůůĞmďĞƌŐƌŝĨĨĞ͕ƐĞdžƵĞůůĞƌDŝƐƐďƌĂƵĐŚ͞ŽĚĞƌćŚŶůŝĐŚĞƐĂŶŬĞŝŶĞƌ^ƚĞůle auf. Das Schreiben rekurriert in der Folge auf die 20-‐jährige Freundschaft mit Pater Bernhard Ehlen SJ, wobei sein ͣŶŐĂŐĞŵĞŶƚƵŶĚƐĞŝŶĞ>ŝĞďĞnjƵĚĞŶƌŵĞŶ͞ ŚĞƌĂƵƐŐĞƐƚĞůůƚǁĞƌĚĞŶͣ͘Das Vertrauen, das ihm vor Ort entgegengebracht wird, ist überwältigend͞. Es wird dann die aufrichtige Zuwendung zu einem im Straßendreck in Kalkutta sterbenden jungen Mann von Bernhard Ehlen SJ geschildert. Die Autorin des Schreibens will dokumentieren, dass es ĞƌŶŚĂƌĚŚůĞŶ^:ͣĂƵĨƌŝĐŚƚŝŐƵŵĚŝĞƵǁĞŶĚƵŶŐnjƵĚĞŶ ƌŵƐƚĞŶĚer Armen ging, denen er Mut mit ƐĞŝŶĞƌ^ƚćƌŬĞƵŶĚ&ƌĞƵĚĞŵĂĐŚƚĞ͘͞ŝŶĞ^ƚćƌŬĞĚĞƐWĂƚĞƌƐ͕ĚŝĞŵƵƚŵĂƘůŝĐŚǁĞĚĞƌǀŽŵWƌŽǀŝŶnjŝĂů noch bis heute von irgendjemand anderem je in Zweifel gezogen wurde. Frau Dr. A.S. kommt schließlich zum Punkt ihres Briefes für den Freund Pater Bernhard Ehlen SJ. Sie bittet den Provinzial, Pater Bernhard Ehlen SJ ͣŝŶĞŝŶĞƌŶŝĐŚƚƂĨĨĞŶƚůŝĐŚĞŶdćƚŝŐŬĞŝƚǁĞŝƚĞƌŚŝŶĂůƐĞƌa-‐ ter und Betreuer der meist kirchlichen Sozialprojekte (von Ärzte für die Dritte Welt e.V.) tätig sein zu lassen͞. Entlarvend ihr weiterer Satz: ͣ/ĐŚďŝŶƐŝĐŚĞƌ͕ĚĂƐƐĚŝĞďĞŝĚĞŶĂŶĚĞƌĞŶsŽƌƐƚĂŶĚƐŵŝƚŐůŝĞĚĞƌƐŝĐŚĚŝĞƐĞƌ Bitte anschließen würden ʹ ƐĞůďƐƚďĞŝǀŽůůĞƌ